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Bereits verlegte Stolpersteine



Anna Rothenberg (geborene Hiller) * 1892

Brahmsallee 8 (Eimsbüttel, Harvestehude)


ermordet

Weitere Stolpersteine in Brahmsallee 8:
Johanna Bernstein, Victor Cohn, Thekla Cohn, Else Levy, Louis Nathan Levy, Dr. Joseph Norden

Anna Rothenberg, geb. Hiller, geb. am 14.4.1892 in Mußbach an der Weinstraße (Rheinpfalz), deportiert am 13.6.1942 von Berlin nach Sobibor

Brahmsallee 8

Anna Hiller wurde 1892 als Tochter des Wein- und Branntweinhändlers Isaac Hiller (geb. 5.7.1855 in Mußbach) und Isabella, geb. Mayer, im heutigen Rheinland-Pfalz geboren. Die Familie wohnte in Mußbach in der Hauptstraße (um 1891) und in der Wolffenstraße (um 1896). Im Mußbacher Adressbuch von 1891 tauchten zwei weitere Branntweinhändler mit Namen Hiller auf: Heinrich Hiller (Marktplatz) und Sigmund Hiller (Sinmeldingerstraße). Es ist zu vermuten, dass es sich um Familienangehörige handelte. 1898 verzogen Isaac und Isabella Hiller mit ihren Kindern nach Neustadt an der Weinstraße; dort eröffnete der Vater in der Moltkestraße 3 wieder eine Branntweinhandlung. Neben Anna wurden in Mußbach bzw. Neustadt auch ihre Geschwister Johanna/Jenny (geb. 1886), Helena (geb. 1887), Elisabeth/Elsa (geb. 1893), Emma (geb. 1895), Ida Paula (geb. 1898) und Hedwig (geb. 1901) geboren, drei weitere Schwestern starben noch im ersten Lebensjahr. Über Annas Schullaufbahn und eine eventuelle Ausbildung wissen wir nichts.

Die Ehe von Anna Hiller und Siegfried Rothenberg scheint kinderlos geblieben zu sein. Siegfried Rothenberg (geb. 24.8.1881 in Nürnberg), Sohn des Kaufmanns Emil Rothenberg (1853–1934) und Fanny, geb. Karpf (1858–1913), wurde nach seinem Studium im Jahr 1908 mit einer Arbeit über die "Geschichtliche Darstellung der Entwicklung der Theorie der singulären Lösungen totaler Differentialgleichungen von der ersten Ordnung mit zwei variablen Grössen" promoviert. Er trat dann eine Stelle als Lehrer an.

Anfang der 1930er-Jahre lebten die Eheleute in Ludwigshafen in der Lisztstraße 176. Dort unterrichtete Siegfried Rothenberg am humanistischen Gymnasium (heute Theodor-Heuss-Gymnasium), ganz in der Nähe des Geburtsortes seiner Ehefrau. Nach dem am 7. April 1933 erlassenen "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums", das es den NS-Machthabern ermöglichte, jüdische und politisch missliebige Beamte zwangsweise in den Ruhestand zu versetzen bzw. zu entlassen, wurde Siegfried Rothenberg nicht sofort aus dem Schuldienst entfernt. Dies geschah erst, als 1934 ein neuer Schulleiter eingesetzt wurde, der die Entlassung von Lehrkräften mit jüdischer Herkunft forcierte. Zum 21. Oktober 1935 wurde der gesundheitlich bereits angeschlagene Siegfried Rothenberg in den Ruhestand versetzt.

Die Eheleute lebten dann kurzzeitig in Berlin und zogen im Juli 1936 nach Hamburg. Hier wohnten sie in der Brahmsallee 8 in einer Erdgeschosswohnung zur Untermiete. Hauptmieter waren der Bücherrevisor Elias Schragenheim (1864–1939) und seine aus Hannover stammende Ehefrau Clara Schragenheim, geb. Enoch (1868–1940). Ebenfalls im Erdgeschoss wohnte der Firmeninhaber Louis Nathan Levy, für dessen Zigarren-Großlager B. Heynssen auf gleicher Etage auch Räume angemietet waren. Im 1. Stock wohnten Lili Sokolowski, Witwe eines Oberstleutnants und der Oberleutnant a.D. Karl Wilhelm Paarmann, im 2. Stock Hauptmann a.D. Georg von Thiele sowie die Witwe und Firmeninhaberin M. Heckscher (Exportagentur Dörner & Röltgen). Im 3. Stock lagen die Wohnungen des Schriftstellers H. Landrock und des Studienrates Prof. Dr. Friedrich Augustin und im obersten 4. Stock wohnten Kaufmann Richard Böcker und Witwe Anna Stielau. Im Keller hauste der Kraftwagenfahrer Cords.

Möglicherweise bestanden persönliche Kontakte in die Hansestadt Hamburg, hier lebte die ebenfalls aus Mußbach gebürtige Gertrud Alsberg, geb. Feiss (geb. 15.1.1895 in Mußbach), die in der Werderstraße 75 (Harvestehude), einer Querstraße der Brahmsallee, wohnte und am 15. Juli 1942 ins Getto Theresienstadt deportiert wurde.

Bereits Ende Juli 1936 oder Anfang August 1936 gingen die Eheleute Rothenberg zurück nach Berlin-Wilmersdorf. Die Gründe für den kurzzeitigen Aufenthalt in Hamburg und die Rückkehr nach Berlin sind nicht bekannt. Ihr Hamburger Vermieterehepaar zog im Juli 1938 in die Hallerstraße 24 Erdgeschoss, wo laut Kultussteuerkartei Elias Schragenheim am 20. September 1939 und Clara Schragenheim am 1. September 1940 starben.

In Berlin wohnten Siegfried und Anna Rothenberg bis mindestens 1941 in Wilmersdorf im Bechstedter Weg 11. Das Haus Bechstedter Weg 11 war 1929/30 als Teil einer Wohnanlage der Hohenzollerndamm-Wohnungen GmbH (Howo) errichtet worden. In den vier- und fünfgeschossigen Putzbauten befanden sich großzügig geschnittene 2½ und 4½-Zimmer-Wohnungen.

Im Dezember 1938 hatte der Chef der Arbeitsverwaltung Friedrich Syrup reichsweit Richtlinien für einen zwangsweisen Arbeitseinsatz von Juden in gesonderten Kolonnen erlassen. Die Arbeitsämter vor Ort wiesen die Tätigkeiten zu und meldeten vermeintlich "Arbeitsscheue". Am 22. August 1941 beantragte der 60-jährige Siegfried Rothenberg eine Auswanderungsgenehmigung, zu spät, denn der NS-Staat war zu diesem Zeitpunkt bereits von der Vertreibung zur Deportation der Juden übergegangen. Zudem war das Vermögen von Juden bereits gesperrt und die kontigentierte Einreise in andere Staaten durch den Krieg massiv eingeschränkt. Siegfried Rothenberg soll 1941/1942 in Berlin zu Zwangsarbeit verpflichtet gewesen sein.

Am 13. Juli 1942 wurden die Eheleute Rothenberg von Berlin aus ins Vernichtungslager Sobibor im besetzten Polen deportiert. Von April 1942 bis Herbst 1943 wurden dort mindestens 250.000 Menschen ermordet; Ende 1943 wurde das Lager abgerissen um auch die Spuren der Massenmorde zu vernichten, unter den Opfern befanden sich Anna und Siegfried Rothenberg.

Für Anna Rothenberg, die nur wenige Wochen in Hamburg gelebt hatte, wurde 2007 ein Stolperstein verlegt.

Ihre Schwester Johanna Lay, geb. Hiller (geb. 13.12.1886 in Mußbach) lebte zuletzt in Freiburg/Breisgau in der Hildastraße 57; für ihren aus Freiburg stammenden Ehemann Sigmund Lay (1860–1941) ließ sich keine Meldekarte finden. Die Eheleute wurden am 22. Oktober 1940 aus dem Deutschen Reich in das Internierungslager Gurs in der Nähe der Pyrenäen in Vichy-Frankreich deportiert, wo Sigmund Lay am 1. März 1941 verstarb. Im November 1942 wurde auch das mit NS-Deutschland kollaborierende Vichy-Frankreich (sogenannte "Freie Zone" im Süden Frankreichs) von der Wehrmacht besetzt. Johanna Lay wurde ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Ihr Deportations- und Todesdatum ist nicht bekannt; sie wurde 1948 vom Amtsgericht Freiburg für tot erklärt, datiert auf den 15. Oktober 1944. Für Johanna Lay, geb. Hiller, und ihren Ehemann Sigmund Lay wurden Stolpersteine in Freiburg/ Breisgau (Hildastraße 57) verlegt.
Annas Schwester Elisabeth Mayer, geb. Hiller (geb. 13.10.1893 in Mußbach) lebte mit ihrem Ehemann Adolf Mayer (1890–1944) in Köln. Die Eheleute wurden am 27. Juli 1942 ins Getto Theresienstadt deportiert, hier starb Adolf Mayer im Januar 1944. Elisabeth Mayer, geb. Hiller wurde am 23. Januar 1943 ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert. In diesem Transport befand sich auch ihre jüngere Schwester Hedwig Hiller, die von 1931 bis 1940 in Aurich und von 1940 bis 1942 in Berlin gelebt hatte. Für Hedwig Hiller (geb. 5.10.1901 in Neustadt an der Weinstraße) wurde in Aurich (Leerer Landstraße 14) ein Stolperstein verlegt.
Die Schwägerin Johanna "Hannchen" Weiß, geb. Rothenberg (geb. 10.3.1886 in Nürnberg), wurde am 24. März 1942 von Nürnberg aus in das Durchgangs-Getto Izbica im besetzten Polen deportiert. Von dort wurden die Deportierten in das nahegelegene Vernichtungslager Belzec gebracht; keiner der 320 Deportierten vom 24. März 1942 überlebte.

Stand: September 2016
© Björn Eggert, Christina Igla

Quellen: StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg), Dr. Siegfried Rothenberg, Elias u. Clara Schragenheim, Ernst Alsberg; Archiv und Museum Neustadt an der Weinstraße (Adressbuch Mußbach 1891, 1896 u. Standesamtsunterlagen); Stadtarchiv Nürnberg, Meldekarte (Emil Rothenberg und Fanny Rothenberg, geb. Karpf); Stadtarchiv Freiburg/Breisgau, Einwohnermeldekarte (Johanna Lay, geb. Hiller); Yad Vashem, Page of Testimony (Siegfried Rothenberg); Bundesarchiv Koblenz, Gedenkbuch, Opfer der Verfolgung der Juden unter nationalsozialistischer Gewaltherrschaft in Deutschland 1933–1945, Internetseite, Hedwig Hiller, Johanna Jenny Lay geb. Hiller, Sigmund Lay, Adolf Mayer, Elisabeth Else Mayer geb. Hiller, Anna Rothenberg geb. Hiller, Siegfried Rothenberg, Johanna Weiß geb. Rothenberg; Berliner Bezirkslexikon, Charlottenburg-Wilmersdorf, Berlin 2005, S. 796 (Wohnanlage der Howo Bechstedter Weg); Gilbert, Endlösung, S. 48, 92, 96–97; Knigge (Hrsg.), Zwangsarbeit, S. 40 (Arbeitsämter); Staatsarchiv Hamburg, Hamburger jüdische Opfer; Adressbuch Berlin 1938, 1941 (Bechstedter Weg 11); Frankfurter Israelitisches Familienblatt, 28.12.1906 (Lehramtskandidat Siegfried Rothenberg erringt einen 1. Preis an der Technischen Hochschule München); https://stolpersteineaurich.wordpress.com/1012/06/26/hedwig-hiller/ (Stolperstein mit Biographie in Aurich für Hedwig Hiller, eingesehen 17.1.2016); Internet, Stolpersteine in Freiburg und Breisgau (Jenny u. Siegmund Lay).

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