Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Hans Vincent Scharlach (o. J.), stehend, mit Tennisschläger in der Hand
Hans Vincent Scharlach (o. J.)
© Privat

Hans Vincent Scharlach * 1919

Fontenay 10 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

KZ Neuengamme
gehenkt am 23.4.1945

Hans Vincent ("Hannes") Scharlach, geb. am 27.6.1919 in Hamburg, am 30.12.1944 wg. "staatsabträglichen Verhaltens" verhaftet, im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel inhaftiert, am 20.4.1945 in das KZ Neuengamme verlegt, dort zwischen dem 22. und dem 24. April ermordet

Fontenay 10

Am 20. April 1945, wenige Tage vor dem Einmarsch der britischen Truppen in Hamburg, wurden aus dem Polizeigefängnis Fuhlsbüttel 71 sogenannte Schutzhäftlinge der Gestapo, 58 Männer und 13 Frauen, in das Konzentrationslager Neuengamme gebracht und dort in den Nächten zwischen dem 22. und dem 24. April ermordet. Sie galten der Gestapo als " höchst gefährliche Elemente", die "unbedingt zu beseitigen" waren. Im Bunker des Lagers wurden sie stranguliert, von Handgranaten zerfetzt oder mit Kopfschuss getötet. Unter ihnen befand sich Hans Vincent ("Hannes") Scharlach, 25 Jahre alt. (Siehe zu dem Geschehen auch www.stolpersteine-hamburg.de > Glossar/KZ Neuengamme sowie ebd. > Dokumentationen/Die letzten Toten).

Was ihn, den jungen Mann aus besten Hamburger Kreisen, auf die Todesliste der Gestapo brachte, ist bis heute unklar. Die Gestapo-Leitstelle Hamburg vernichtete in den letzten Tagen ihrer Herrschaft ihre Unterlagen nahezu restlos, und in den Akten zu den Gerichtsverfahren gegen die Hamburger NS-Täter nach dem Kriege vor dem Britischen Militärgericht im Curio-Haus (Neuengamme-Prozess, 1946; Fuhlsbüttel-Prozess, 1947) und dem Hamburger Landgericht (Gestapo-Prozess, 1949) erscheint der Name Hans Vincent Scharlach nicht. Dass er aber unter den nach Neuengamme Deportierten war, bestätigte der Wachtmeister Heinrich Borgert von der Fuhlsbütteler Station A2, wo Hans Vincent inhaftiert war, 1945 vor dem Komitee ehemaliger politischer Gefangener.

Hans Vincent Scharlach war am 27.6.1919 in Hamburg geboren worden. Sein Vater war der promovierte Jurist Otto Julius Gideon Scharlach (20.2.1876–5.12.1957), Anwalt für Schifffahrtsrecht und Sozius der angesehenen Anwaltskanzlei Stegemann, Sieveking und Lutteroth (gegründet 1840). Die Mutter, Magdalena Scharlach (8.2.1891–21.10.1970), geborene Baur, stammte aus der Familie Baur, die seit 1723 in Altona, später in Blankenese ansässig und durch Beteiligungen u.a. an Reedereien, Versicherungen und Banken zu Reichtum gekommen war und gesellschaftliche Bedeutung erlangt hatte. Aus der Ehe gingen außer Hans Vincent die Geschwister Joachim Friedrich Julius (18.6.1916–19.8.1971) und Anneke (1918–2003) hervor. Die Familie Scharlach lebte in der Fontenay, in einer der Villen auf dem Gelände der John-Fontenay-Stiftung zwischen Alsterufer und Mittelweg. Auf einem Teil des Areals befindet sich heute das Hotel The Fontenay.

Hans Vincents Großvater Julius Scharlach (*14.2.1842 in Bodenwerder, gestorben 28.3.1908 in Hamburg), Fachanwalt für Schifffahrtsrecht sowie Schiffsmakler, war einer der aktivsten Kolonialpolitiker und -unternehmer der Kaiserzeit. Er vertrat eine entschieden deutsch-nationale Einstellung, die er u.a. als Vorsitzender des Deutschen Schulvereins zur Erhaltung des Deutschtums im Ausland verbreitete. Befreundet war er mit Carl Peters (1856–1918) und General Lothar von Trotha (1848 -1920), den Kolonial-Herren in Deutsch-Ostafrika (Tansania, Burundi) bzw. Deutsch-Südwestafrikas (Namibia). Sein Wirkungsgebiet als Politiker und Investor reichte von China über Afrika bis nach Brasilien.

Julius Scharlachs Vater, also der Urgroßvater von Hans Vincent, Louis Scharlach, war Kaufmann in Bodenwerder bei Hildesheim/Niedersachsen gewesen. Er, wie auch seine Ehefrau Rosa, geb. Ehrenberg, waren jüdischen Glaubens. Die folgenden Generationen aber gaben das Judentum nach und nach auf. Bereits Julius, der Kolonialpolitiker, wie auch seine Gattin Bettina, geb. Speyer, waren in Personenstandsbüchern vorübergehend als "ohne Religion" registriert, dann der calvinistisch reformierten Kirche beigetreten. Julius gehörte zeitweilig sogar dem Beirat der reformierten Kirche Hamburgs an.

Hans Vincents Vater, Otto Julius Gideon, erhielt bereits als Kind die evangelische Taufe. Die Herkunfts-Familie seiner Ehefrau Magdalena, die Familie Baur, war schon immer evangelisch. Kurz: Scharlachs hatten sich voll assimiliert und unterschieden sich im Lebensstil nicht von der übrigen Gesellschaft ihrer Schicht. Hans Vincent und seine Geschwister hatten das Judentum hinter sich gelassen.

Mit der sogenannten Rassegesetzgebung des NS-Staates vom August 1935 ("Nürnberger Gesetze") änderte sich alles: Aus Otto Julius Gideon wurde ein Mensch minderen Rechts, ein "Volljude". Die Kinder Hans Vincent, Joachim Friedrich und Anneke waren plötzlich "Halbjuden", "Mischlinge ersten Grades", und hatten von nun an mit Beeinträchtigungen zu rechnen. Hans Vincent war jetzt 16 Jahre alt. In Konsequenz der rassistischen Verfolgungspolitik des NS-Staates verlor Otto Julius Scharlach, Hans Vincents Vater, im November 1938 seine Zulassung als Anwalt. Er befürchtete Schlimmeres und floh im Juni 1939 in die Schweiz. Nach den Schweizer Gesetzen war ihm die Ausübung seines Berufes nicht möglich, denn die rassistische Verfolgung in Deutschland galt in der Eidgenossenschaft nicht als Asylgrund. Als Schriftsteller hingegen kam er zu einigen Einkünften, auch Freunde und die Verwandtschaft halfen.

Hans Vincent, so ist aus der Familie und dem Freundeskreis überliefert, war ein sportlicher, lebensfroher und unternehmungslustiger junger Mann mit losem Mundwerk. Seit Kindesbeinen spielte er im Club an der Alster (DCadA), dessen Tennisabteilung die Mutter mit gegründet hatte, Hockey und Tennis. Er erwarb sich den Ruf eines Cracks mit elegantem und einfallsreichem Spiel. Tennisspieler der verschiedenen Hamburger Vereine suchten das Match mit ihm. Darüber hinaus war er ein guter Schlittschuhläufer, im Winter Stammgast auf der Eisbahn in Planten und Blomen. Dort bandelte er gern, und das durchaus draufgängerisch, mit den Mädchen an. Noch im Jahre 2003 konnte Hanna Brinkmann (*1924) in einer Sendung des NDR Hörfunks aus dem Stegreif das Gedicht rezitieren, das Hans Vincent für sie gereimt und ihr mit Schwung auf der Eisbahn überreicht hatte. (Siehe unten) Doch aus dem poetisch beschworenen Glück wurde nichts. Hannas Eltern, die Wind von dem Flirt bekommen hatten, schritten ein. Das war im Winter 1936/37, Hans Vincent war 17, Hanna 13.

Auch sonst nahmen nach 1935 die Enttäuschungen zu, die Hans Vincent bedrückten:
Am 4. April 1935 hatte sich der Club in seiner neuen Satzung zur "nationalsozialistischen Weltanschauung, dem völkischen Gedankengut und zur Ertüchtigung der Jugend im Sinne des NS-Staates" bekannt. Passte dazu der "Mischling ersten Grades"? Wie erging es ihm im "Club"?

Zu diesen Fragen schweigt der Verein bis heute und vermeidet die Auskunft noch über 70 Jahre nach dem Ende der NS-Zeit. In der Chronik des DCadA zum 90-jährigen Jubiläum (2009), die auch Einblick in die Zusammensetzung der 1. Tennis-Herrenmannschaft gibt, erscheint der Name H. Scharlach zum letzten Mal 1936/37. Auf einem Foto vom Winter 1940 ist Hans Vincent mit der Freizeit-Fußball-Mannschaft von Club-Mitgliedern zu sehen. Diese Mannschaft war nicht offizieller Bestandteil des Clubs. Ein Vereinsmitglied sagte nach dem Krieg, Hans Vincent sei nicht ausgeschlossen worden. Andere meinten, er habe mit 19 Jahren, also 1938, automatisch den Juniorstatus verloren und damit auch die Mitgliedschaft im DCadA. Sie gaben zu, sich von ihm, mit dem sie sich einst so gern gemessen hatten, mehr und mehr zurückgezogen zu haben, ohne dass im Verein darüber gesprochen worden sei. Das Thema sei tabu gewesen. In der genannten Vereins-Chronik von 2009 heißt es über die Jahre von 1939 bis 1945 kurz und bündig: "Der Zweite Weltkrieg hinterließ seine Spuren. Die Listen der gefallenen Clubmitglieder wurden immer länger und es begann eine deprimierende Zeit." (S. 47).

Dass Mitglieder des DCadA wegen ihrer jüdischen Herkunft verfolgt, vertrieben und ermordet wurden, wird nicht erwähnt. (2019 wird der Club an der Alster 100 Jahre alt und dazu wird vermutlich eine Festschrift erscheinen.)

Auch in der Schullaufbahn von Hans Vincent ist manches sehr unklar, ja irritierend. Er, wie schon vorher der Bruder Joachim, ging zunächst, seit Ostern 1926, in die als fortschrittlich gerühmte Hamburger Privatschule Bertram. Nach der vierten Klasse wechselte er Ostern 1930 zu der traditionsreichen und strengen Regeln folgenden "Gelehrtenschule des Johanneums" (gegründet 1529 im Zuge der Reformation in Hamburg), die auch der Vater besucht hatte. Bereits nach vier Jahren aber verließ er im Februar 1934 am Ende der achten Klasse (Untertertia) die Schule wieder. Trotz Noten von Zweien und Dreien wurde ihm der Abgang nahegelegt ("Consilium abeundi"). Begründung: Sein Betragen sei andauernd schlecht. Sonderbarerweise ist in dem an der Schule aufbewahrten Leistungsbogen zum Abschluss des Schuljahres in der Rubrik Betragen "anfangs vier, jetzt drei" vermerkt. Also hatte sich Hans Vincents Verhalten gebessert, die Mahnung hatte gefruchtet.

Hans Vincent wechselte zum neuen Schuljahr im Frühjahr 1935 in die 3. Klasse (Obertertia; in heutiger Zählung Klasse 9) des Wilhelm-Gymnasiums (WG). Er war jetzt knapp 15 Jahre alt. Nur ein Jahr später geschah erneut Absonderliches: Er wurde der Schule verwiesen. Weder in seiner Schülerkarte, die erhalten ist, noch im Zeugnis wird eine Begründung gegeben. Sollte sich Hans Vincent wieder zu schlecht benommen haben? Sollten seine Leistungen den Forderungen des anspruchsvollen Gymnasiums nicht genügt haben? Das Abschlusszeugnis sagt etwas ganz anderes: Betragen gut, Fleiß gut, Leistungsergebnisse insgesamt durchschnittlich.

Es ist rätselhaft: Warum wird ein Schüler der Anstalt verwiesen und bekommt zugleich ein akzeptables Zeugnis? Der Gedanke liegt nahe, dass Hannnes aus rassistischen Gründen hinausbefördert wurde. Belege dafür gibt es nicht. Sogenannten Mischlingen wurde der Besuch der Höheren Schule offiziell erst 1942 mit dem Erlass des Reichserziehungsministeriums vom 2.7.1942 untersagt (es sei denn, eine Schule hatte, wie ein Gesetz von 1933 vorschrieb, mehr als 5% jüdische und "halbjüdische" Schülerinnen und Schüler). Zudem legten am Wilhelm-Gymnasium, trotz der Anpassung der Schule an das NS-Regime mit Fahnenappellen, Spalierbildung bei Hitlerbesuchen in Hamburg und Heldengedenkfeiern in der Aula, einige jüdische Schüler in den dreißiger Jahren das Abitur ab, und sie erinnerten sich später mit Wohlwollen an die Schulzeit. Der Grund für Hans Vincents Relegation bleibt ungeklärt.

Hans Vincent Scharlach nahm nun eine kaufmännische Lehre bei der Import- und Exportfirma Otto Gierth u. Co auf, einem prosperierenden Unternehmen am Ballindamm (damals: Alsterdamm) und Lieferant für das Militär, besonders die Marine. Bei Gierth bewährte er sich und wurde nach Ende der Lehrzeit fest angestellt. 1943 stieg er zum Einkaufsleiter auf. Er reiste viel, auch in das besetzte Ausland.

Eine dieser Reisen, 1944 in die Niederlande, brachte dem nun 25-Jährigen Unannehmlichkeiten ein, die möglicherweise zu seiner späteren Verhaftung durch die Gestapo beitrugen: Für einen Bekannten besorgte er in Amsterdam einen Goldbarren von 500 Gramm, brachte ihn undeklariert nach Hamburg und übergab ihm dem Auftraggeber. Der aber zahlte nicht. Es kam zum Streit und in der Folge zu einem Strafverfahren gegen Hans Vincent vor dem Amtsgericht wegen Devisenvergehens. Am 9.11.1944 wurde er wegen "unerlaubten An- und Verkaufs von Gold zu Überpreisen" zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt.

Doch Kriminalpolizei wie Richter hatten einen so guten Eindruck von Hans Vincents Persönlichkeit, dass er zunächst auf freiem Fuß blieb. Er sollte die Haft erst nach Aufforderung antreten. Bevor es jedoch dazu kam, erschien am 30.12.1944 die Gestapo an seinem Arbeitsplatz und verhaftete ihn wegen "staatsabträglichen Verhaltens". Dieser Vorwurf, wie auch der auf "Vorbereitung zum Hochverrat" (VzH), war eine gängige Anschuldigung der Gestapo, wenn sie gegen jemanden vorgehen wollte. Hans Vincent Scharlach wurde in das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel gebracht. Wenige Tage später wurde mit derselben Anschuldigung auch sein Bruder Joachim von der Gestapo verhaftet und in Fuhlsbüttel arrestiert.

Beider Verhaftung hatte der Gestapo-Beamte Kriminalsekretär Henry Helms aus der Dienststelle IVA "Kommunismus und Marxismus" betrieben. Mit Kommunismus oder Marxismus aber hatten weder Hans Vincent noch Joachim je etwas zu tun gehabt, das scheint nach Aussagen aus der Familie sicher.

Als das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel vom 12. April 1945 an geräumt wurde, kam Joachim in das Arbeitslager Kiel-Hassee. Hans Vincent aber wurde mit weiteren 70 Gefangenen der Polizei am 20. April in das KZ Neuengamme gebracht, wo sie ermordet werden sollten.

Aber warum war er auf die Liquidationsliste gesetzt worden? Es lassen sich nur Vermutungen anstellen, Beweise gibt es nicht. Der Gestapo-Mann Helms galt selbst bei seinen Kollegen als fanatischer Antisemit. Mehrere der Opfer des Massakers zwischen dem 22. und dem 24. April 1945 im Arrestbunker von Neuengamme waren sogenannte Halbjuden bzw. -jüdinnen, und auch bei ihnen ist rätselhaft, was sonst sie zu "unbedingt zu beseitigenden gefährlichen Elementen" gemacht haben könnte (z.B. Senta Dohme, Heinrich Bachert, Bernhard Rosenstein; siehe ihre Biographien auf www. Stolpersteine-hamburg.de).

Doch warum dann nicht auch Bruder Joachim? Davon abgesehen, dass die Gestapo keineswegs immer so konsequent und technisch fehlerlos arbeitete, wie oft angenommen wird, könnte es einen bestimmten Grund geben: Henry Helms, der in der Gestapo dafür bekannt war, ruhelos auf Beute-Jagd zu sein, mag zwei Punkte in Hans Vincents Biographie aufgespürt haben, die ihm in seinem privaten Endlösungsprogramm die Beseitigung des "Halbjuden" rechtfertigten: Das Devisenvergehen und ein mehrere Jahre zurückliegender Hinweis auf Kontakte zur Hamburger Swing-Jugend. (Seltsamerweise sind, laut Aktennotiz des Amtsgerichts Hamburg vom 8.11.1945, die Unterlagen zu Hans Vincent Scharlachs Strafverfahren 11Js. W 4692/43 "trotz allen Suchens nicht auffindbar").

In der Swing-Jugend hatten sich Jugendliche zwanglos zusammen geschlossen, meist Gymnasiasten aus gehobenen, liberaler orientierten bürgerlichen Kreisen, die sich in ihrer Ablehnung der Hitler-Jugend und in ihrem Faible für den Jazz, Blues und Swing und das Lässige der angloamerikanischen Umgangsformen einig waren. Sie trafen sich in bestimmten Cafés, Bars oder auch privat zu Hause, wo sie sich dann ihre verbotenen Platten-Schätze vorführten. Die Gestapo verfolgte sie dafür als "Volkszersetzer", sie wurden von der Schule verwiesen, in Jugendstraflager und Konzentrationslager gesteckt. Ihre Musik galt als "Kampfmittel des Judentums und des Amerikanismus". Ein wichtiger Treffpunkt der Swing-Jugend in Hamburg war zeitweilig die Eisbahn von Planten und Blomen, wohin ja auch Hans Vincent gern ging. Die Jahre 1940 bis 1942 gelten als Hochzeit der Swing-Jugend. Hans Vincent war mit seinen damals 21 Jahren eigentlich schon über das durchschnittliche Alter der Swing-Kids deutlich hinaus, doch Beziehungen zu ihnen sind gut möglich. Außerdem gibt es einen Hinweis des Hamburger Swing-Boys Hans Engel, der 1989 erwähnte, Hans Vincent Scharlach sei wegen der Kontakte zur Swing-Szene und als "Halbjude" ermordet worden. Engel nennt in diesem Zusammenhang auch die "Ermordung" des Swing-Boys Kurt Hirschfeld (*1922), der am 28. Januar 1945 im KZ Neuengamme ums Leben kam, nach offiziellen Angaben von damals wegen Erkrankung an Diphtherie. Auch Hirschfeld war "Mischling ersten Grades". (Siehe dazu die Biographie auf www.stolpersteine-hamburg.de)

Joachim, Hans Vincent Bruder, überlebte das Arbeitserziehungslager Kiel-Hassee und die NS-Zeit. Er wurde nach Kriegsende ein erfolgreicher Geschäftsmann, vor allem im Handel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Brasilien. Am 19. August 1971 kam er ebenfalls auf gewaltsame Weise ums Leben: Gangster vom Hamburger Kiez erschossen ihn in seinem Haus an der Blumenau bei einem misslungenen Erpressungsversuch.

Die Eltern, Otto und Magdalena Scharlach, starben 1957 bzw. 1970.


Hanna, du bist des Abends mein letzter Gedanke
und wenn ich des Morgens wieder erwache.
Oh, dass meine Liebe niemals schwanke,
dass deine mich ewig glücklich mache!
Liebst du mich schon lange,
dann verschließ dich mir länger nicht!
Lass uns genießen Wang an Wange
das Glück, worauf ich ganz erpicht!


Begleittext: Gedicht, das Hans Vincent Scharlach für Hanna Brinkmann im Winter 1936/37 schrieb und das sie noch 2003 in einer Rundfunksendung aus dem Kopf rezitierte.
(Quelle: NDR)


Stand: Januar 2019
© Johannes Grossmann

Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH) 351-11_ 43144 (Amt für Wiedergutmachung/Hans Vincent Scharlach); StaH 351-11_13032 (Amt für Wiedergutmachung/Magdalena Scharlach); StaH 351-11_41479 (Joachim Scharlach); StaH 361-2VI_353 (Zulassungsbedingungen für den Schulbesuch durch Juden und "jüdische Mischlinge (1937–1944); StaH 361-2VI_354 (Gutachten über schulische Leistungen "jüdischer Mischlinge" (1945); StaH 361-2VI_990 ("Von der Schule verwiesene oder an eine andere Schule strafversetzte Schüler/ sog. Swing-Jugend, 1941-1942"); StaH 332-5 (Standesämter Hamburg)_8610, StA Blankenese, Urkunde 456, Heiratsurkunde Julius und Margarethe Emilie Scharlach; StaH 332-5_5747, StA Blankenese, Urkunde 29, Heiratsurkunde Otto Julius und Magdalena Scharlach, 1915; StaH 332-8 (Meldewesen) K 4883 (Hans Vincent Scharlach, 1943); StaH 731-8_A769 (Julius Scharlach); StaH 362-2/30_677 (Wilhelm-Gymnasium), Band 2 (Abgangszeugnisse) und _675 Band 10 (Reifeprüfungszeugnisse); StaH 213-11_2694/56 (Landgericht HH, Gestapo-Prozess); Bibliothek KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Neuengamme-Prozess (Curiohaus), Protokoll, hrsgg. vom Freundeskreis der Gedenkstätte, Hamburg 1969; Archiv der Gelehrten-Schule des Johanneums Hamburg: Schülerkarte Hans Vincent Scharlach, Sign. 9740 (1934); Schüleralbum 1921-1951, Sign. FXXV4; Zu- und Abgangsliste 1927–1934, Sign. FXXa; Rangordnungslisten, Sign.FIV; Übersicht über die Leistungen, Sign. FIV; Akte "Schulzucht III/Einzelnes 1928–1950", Sign. FIIIb.4; Archiv des Wilhelm-Gymnasiums, Schülerkarte Hans Vincent Scharlach, Album-Nr. 5353 (1936); Amtsgericht Hamburg, Vereinsregister, 69 VR, Band 34 Nr. 1753 Band 1 (Der Club an der Alster); Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Sign. Y572: Nachrichten/ Der Club an der Alster Jahrgänge 12/1937 und 13/1938; Der Club an der Alster, Hamburg: Chronik 1995–2009; Hamburger Adressbücher 1920–1945; Wilhelm-Gymnasium Hamburg 1881: Eine Dokumentation über 100 Jahre Wilhelm-Gymnasium, Hamburg 1981; Auskünfte Dr. Thorsten Todsen, Hamburg, Februar und November 2018; NDR Abendjournal Spezial auf 90,3, 12.7.2003: "Ein Jahr Stolpersteine in Hamburg"; Auskünfte Ines Domeyer, Archiv Gelehrtenschule des Johanneums, Sept. 2018; Auskünfte Dr. Lutz von Meyerinck, Stiftung John Fontenay´s Testament, Hamburg, 29.08.18; Auskünfte Michael Kater, Toronto, E-Mails vom 26.7. und 28.7.2018; Auskünfte Sybille Baumbach, DokuSearch, Hamburg, E-Mail vom 15.10.2018; Hamburger Abendblatt, 20.2.1952 (Otto Julius Scharlach); Johannes Grossmann, Die letzten Toten von Neuengamme, Hamburger Abendblatt Magazin, Nr. 14/2015, siehe auch www.stolpersteine-hamburg.de; Kater, Michael H.: Gewagtes Spiel/ Jazz im Nationalsozialismus, Köln, 1.A. 1995; Kater, Michael H.: Forbidden Fruit? Jazz in the Third Empire, American Historical Review, Band 94, 1989/1, Seiten 11–43; Meyer, Beate: "Jüdische Mischlinge". Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933–1945, Hamburg 1999, besonders S. 249ff. ("‚Mischlinge‘ als Opfer von Zwangsmaßnahmen"); Morisse, Heiko: Ausgrenzung und Verfolgung der Hamburger jüdischen Juristen im Nationalsozialismus, Band 1: Rechtsanwälte, Göttingen 2013; Pohl, Rainer: "Swingend wollen wir marschieren", in: Heilen und Vernichten im Mustergau Hamburg/ Bevölkerungs- und Gesundheitspolitik im Dritten Reich, hrsg. von Ebbinghaus, Roth u.a., S. 96ff., Hamburg 1984; Pohl, Rainer: "Das gesunde Volksempfinden ist gegen Dad und Jo"/
Zur Verfolgung der Hamburger ‚Swing-Jugend‘ im Zweiten Weltkrieg, in: Verachtet, Verfolgt, Vernichtet, hrsgg. von der Projektgruppe für die vergessenen Opfer des NS-Regimes in Hamburg e.V., S. 14ff., Hamburg 1986; Storjohann, Uwe: Hauptsache: Überleben/Eine Jugend im Krieg 1936–1945, Hamburg 1993; Lust, Gunter: "The Flat Foot Floogee…treudeutsch, treudeutsch"/
Erlebnisse eines Hamburger Swing-Heinis 1936 bis 1966, Hamburg 1992.

druckansicht  / Seitenanfang