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Bereits verlegte Stolpersteine



Porträt Martha Muchow
Martha Muchow
© Universität Hamburg, Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte

Martha Muchow * 1892

Edmund-Siemers-Allee 1 (Hauptgebäude Universität Hamburg) (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER LEHRTE
MARTHA MUCHOW
JG. 1892
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
29.9.1933

Siehe auch:

Weitere Stolpersteine in Edmund-Siemers-Allee 1 (Hauptgebäude Universität Hamburg):
Raphael Broches, Ernst Delbanco, Friedrich Geussenhainer, Hedwig Klein, Agathe Lasch, Gerhard Lassar, Hans Konrad Leipelt, Reinhold Meyer, Kurt Perels, Margaretha Rothe

Martha Marie Muchow, geb. am 25.9.1892 in Hamburg, Freitod am 29.9.1933

Bundesstraße 74 / Edmund-Siemers-Allee 1, Rotherbaum

An die Psychologin und Pädagogin Martha Muchow, die an der Hamburger Universität tätig war, wird in Hamburg auf vielfältige Weise erinnert. Es gibt nicht nur die beiden Stolpersteine vor dem Hauptgebäude der Universität und vor ihrem Wohnhaus, sondern auch die Fakultätsbibliothek für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft trägt seit 2007 ihren Namen, ihr zu Ehren wurde 2010 eine Straße auf der Uhlenhorst benannt, der Martha-Muchow-Weg, und im "Garten der Frauen" auf dem Ohlsdorfer Friedhof weist ein Gedenkstein in der "Erinnerungsspirale" auf sie hin.

Martha Muchow war Hamburgerin. Ihre Eltern waren der evangelische Zollinspektor Johannes Joachim Heinrich Muchow und seine Ehefrau Johanne Sophie Dorothee, geb. Korff. Die Familie lebte 1892, als Martha geboren wurde, in der Zollvereinsstraße 15 im heutigen Ro­then­burgsort, und 1900, als der einzige Bruder Hans Heinrich (1900–1981) geboren wurde, im Stellinger Weg 8 in Eimsbüttel. Martha besuchte die Volksschule, eine private höhere Mädchenschule in Hamburg und dann das städtische Lyzeum und Oberlyzeum in Altona, wo sie 1912 die Reifeprüfung ablegte. Im Jahr darauf machte sie die Lehramtsprüfung, war dann zunächst als Lehrerin an einer höheren Mädchenschule in Tondern und, nach ihrer Rückkehr nach Hamburg, ab 1915 in Volksschulen in Barmbek und Eimsbüttel tätig. Seit Mai 1916 arbeitete sie neben ihrer Lehrerinnentätigkeit unentgeltlich als wissenschaftliche Hilfsarbeiterin am Psychologischen Laboratorium, das im Rahmen des Allgemeinen Vorlesungswesens am Kolonialinstitut gegründet worden war und von William Stern geleitet wurde. Im Sommersemester 1919 nahm sie dann als eine der ersten Studentinnen an der neuen Hamburger Universität das Studium der Psychologie, Philosophie und Germanistik auf. 1920 wurde sie vom Schuldienst beurlaubt und 1923 promoviert.

Martha Muchow engagierte sich für eine fortschrittliche Pädagogik und war aktiv in der Volksheimbewegung. Ab 1926, als die Hamburger Universität die Ausbildung der künftigen Volksschullehrer und -lehrerinnen übernahm, fand sie hier ein Betätigungsfeld. Seit 1927 hatte sie auch Lehraufträge am Hamburger Fröbelseminar, und sie hatte Kontakt zur Fröbelbewegung. Die Lebenswelt des Kindes in der Großstadt war ihr Interessengebiet und Forschungsfeld. 1930 wurde sie zum Akademischen Rat ernannt. 1930/31 unternahm sie eine längere Forschungsreise in die USA und hielt dort auch Vorträge.

Die Tragweite der nationalsozialistischen Machtergreifung war ihr von Anfang an klar, und sie war verzweifelt darüber – gab es doch Verfolgungen, Verhaftungen und Selbstmorde in ihrem Bekanntenkreis. Im April 1933 wurde ihr Lehrer Professor Wil­liam Stern, der aus einer assimilierten jüdischen Familie stammte, aus seinem Psychologischen Institut ausgesperrt. Martha Muchow leitete dann vorübergehend das Institut, musste dieses aber kurze Zeit später an den Erziehungswissenschaftler Gustav Deuchler übergeben und das Institut verlassen. Man wollte, dass sie in den Schuldienst zurückkehrte. Walter Thorun zitiert in seinem Aufsatz Martha Muchows Bruder:
"Nach dem erzwungenen Weggang William Sterns sah sich meine Schwester vielfachen persönlichen Verleumdungen ausgesetzt. Die Diffamierungen zielten auf ihre Mitarbeit am ,jüdischen Institut‘, wo doch ,alles verschwägert und versippt‘ sei. Als ich in einer Unterredung mit dem neuen nationalsozialistischen Institutsdirektor Deuchler diese Verleumdung und deren mögliche Quellen ansprach, tat dieser Herr ganz unwissend. – Nachdem meine Schwester das Institut an Deuchler übergeben hatte, hat sie ganz schnell gehandelt. Wir erhielten noch einen Anruf von Professor Stern. Im letzten Gespräch, das er mit meiner Schwester geführt hat, hatte sie bereits Andeutungen in dieser Richtung gemacht. Als wir zu ihrer Wohnung fuhren und schließlich die Tür aufbrechen ließen, lag sie zusammengebrochen beim Gasherd und hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten."

© Susanne Lohmeyer

Quellen: StaH 332-5, 2300 + 1891/1892; Walter Thorun, "Martha Muchow (1892–1933) – Opfer ihrer Überzeugung", in: "Hamburgische Notizen der Patriotischen Gesellschaft von 1765", Mai–August 2003; Rainer Nicolaysen und Melanie Pieper, Muchow, Martha, in: Hamburgische Biografie, Bd. 6, S. 221f.; HAB III 1900; HAB II 1933.

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