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Bereits verlegte Stolpersteine



Albert Kaufmann * 1894

Rutschbahn 7 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1941 Minsk

Weitere Stolpersteine in Rutschbahn 7:
Herta Kaufmann, Willy Mendel, Ida Seligmann, Helene Streit, Ludwig Streit

Albert Kaufmann, geb. am 8.2.1894 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Hanna Herta Kaufmann, geb. Mendel, gesch. Joseph, geb. am 6.6.1905 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk

Rutschbahn 7

Albert Kaufmann wurde am 8. Februar 1894 in Hamburg als Kind von Martin und Babette Kaufmann geboren. Albert Kaufmann nahm als Soldat am Ersten Weltkrieg teil, aus dem er mit dauerhaften Gesundheitsschäden zurückkehrte. 1918 ging er nach Berlin und kam sechs Jahre später nach Hamburg zurück. Er arbeitete als Vertreter. Nach dem Tod seines Vaters 1927 übernahm er das väterliche Unternehmen, eine Schilderfabrik in der Markstr. 138, die unter dem Namen Kaufmann & Simon eingetragen war. Allerdings lief das Unternehmen eher schlecht, wobei es Albert nach eigener Aussage gelang, eine Insolvenz abzuwenden. Doch zeitweise blieben Aufträge gänzlich aus.

In erster Ehe heiratete Albert Kaufmann Clara, geborene Lebrecht, am 25. Dezember 1927 in Mainz, wo die Braut am 15. Oktober 1905 geboren worden war. Das Ehepaar lebte in Hamburg und bezog im Januar 1928 eine Wohnung in der Hansastraße 70. Diese hatte ihnen das Wohnungsamt vermittelt. Die Miete betrug 87,50 RM. Zwei der vier Zimmer vermieteten sie meistens unter, wodurch sie zunächst monatlich 50 RM, später etwas weniger, einnehmen konnten.

Clara hatte den Beruf der Kontoristin erlernt, allerdings fand sie – vermutlich durch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise – keine Arbeit. Ab dem 1. April 1931 verdingte sie sich deshalb halbtags als Kindermädchen bei David Levy. Hierfür wurde sie mit monatlich 40 RM entlohnt. Albert Kaufmann bestritt seinen Lebensunterhalt vor allem von einer Kriegsbeschädigtenrente, die er infolge der eingeschränkten Beweglichkeit seines linken Arms und der linken Hand erhielt. Sie variierte zwischen ca. 50 und 65 RM, inklusive einer Zusatzrente. Im Jahr 1931 bezog er beispielsweise 50,25 RM Kriegsbeschädigtenrente und eine Zusatzrente von 12,25 RM. Durch das Einkommen, das Clara zu dem Zeitpunkt verdiente, sowie die Untermieteinnahmen, belief sich das Gesamteinkommen im Frühling des Jahres pro Monat auf 140 RM. Im Vergleich zu anderen Jahren stand das Ehepaar 1931 damit relativ gut da. Doch die Ehe scheiterte. Im Juli 1931 ging Clara zurück nach Mainz. Albert schrieb, sie habe sich wegen "meiner schlechten finanziellen Verhältnisse" von ihm getrennt. Die Scheidung der kinderlosen Ehe folgte Anfang 1934.

Nach der Trennung von Clara zog Albert 1932 zunächst in die Hochallee 14. Er lebte von nun an nur noch zur Untermiete und wechselte in immer kürzeren Abständen den Wohnsitz. Dabei häufte er beträchtliche Mietschulden bei unterschiedlichen Gläubigern an. Schließlich wurde seine Einrichtung zwangsversteigert. 1936 gab Albert in einem Brief an die Wohlfahrtstelle, von der er eine Rente bezog, an, er besitze noch "einen eigenen Schreibtisch und sehr viele Bücher". Im gleichen Jahr schuldete er, neben den erwähnten Mietrückständen, auch der Finanzverwaltung Geld für die Miete in der Hansastraße und 625 RM aus einem Darlehen, das die Wohlfahrtsstelle ihm 1929 gewährt hatte.

1933/34 belief sich Albert Kaufmanns monatliches Einkommen lediglich auf 47,70 RM Rente. Er versuchte jetzt, nicht nur das väterliche Geschäft Kaufmann & Simon als Vertreter weiterzuführen, sondern arbeitete zusätzlich ab August 1936 auch als kaufmännischer Angestellter in der Firma Elias Moor, einem Importunternehmen für Häute, wo er 165 RM brutto verdiente. Die Stelle verlor er nach vier Monaten wieder. Erst im Juli 1939 konnte er eine – allerdings unbezahlte – Lehrstelle als Fotograf bei der Fa. Wilhelm Heinemann Nachfolger Karl Niemeier in der Schanzenstraße antreten, die ihm die Arbeitsfürsorge vermittelt hatte.

Auch privat veränderte sich 1939 Albert Kaufmanns Leben: Er heiratete wieder. Seine zweite Ehefrau, Hanna Herta, genannt Herta, war als Tochter von Willy Mendel, einem Kaufmann, und seiner Ehefrau Jenny, am 6. Juni 1905 in Hamburg zur Welt gekommen. Sie hatte eine jüngere Schwester, Else van Cleef. Zwei Halbschwestern und ein Halbbruder stammten aus der Verbindung von Willy Mendel mit Käthchen Went-Mendel. Zumindest Else hatte die Israelitische Töchterschule in der Karolinenstraße besucht, was vermuten lässt, dass Herta ebenfalls dort zur Schule ging. Die jüdische Mädchenschule war Ende des 19. Jahrhunderts als Zusammenschluss zweier Mädchenschulen, die sich an sozial Schwächere gerichtet hatten, gegründet worden. Ihr guter Ruf und der facettenreiche Lehrplan, der Fremdsprachen und Naturwissenschaften umfasste, machten sie aber zunehmend auch für Mädchen der mittleren Schicht interessant.

Auch für Herta war es die zweite Ehe, denn zuvor war sie mit einem Mann namens Joseph verheiratet. Über ihn ist nichts Weiteres bekannt. Sie erhielt auch keinen Unterhalt von ihm. Zumindest im Sommer 1937 lebte Herta bei ihrer Schwester und deren Ehemann Edgar van Cleef in der Bismarckstraße 80, bevor sie im August des Jahres zur Untermiete in die Brahmsallee 6 zog. Zu diesem Zeitpunkt verdiente Herta 150 RM im Monat. Sie unterstützte davon ihre Mutter, die 1937 starb, mit monatlich 70 RM. Neben der Beerdigung musste sie auch deren Krankenhausaufenthalt finanzieren. Herta beglich die Schulden in Ratenzahlung, nicht immer war es ihr möglich, den fälligen Betrag aufzubringen. Noch im Juni 1941 plante sie, die Zahlungen wieder aufzunehmen.

Herta war gelernte Fremdsprachen-Stenotypistin und Mitglied der Jüdischen Gemeinde. Von 1930 bis 1941 führte sie variierende Beiträge an diese ab. Die Regelmäßigkeit lässt darauf schließen, dass sie fast durchgehend arbeitete. Von März bis Mai 1939 hatte sie einen Arbeitsplatz bei der Grundstücksverwaltung Mary Fränkel, ab 1940 bei der Fa. Ernst Scharlach & Co., einer jüdischen Auswanderungsberatung in der Königstraße. Hier verdiente sie monatlich 108 RM.

Albert und Herta heirateten am 3. Oktober 1939. Wie sie sich kennenlernten, ist nicht bekannt. Die Ehe blieb kinderlos. Zunächst lebte das Paar in der Schlüterstraße 80. Ihr Vermieter hieß Leyser. Vermutlich zogen Albert und Herta erst im Frühjahr 1941 in die Rutschbahn 7 zur Untermiete bei dem Untervermieter Streit ein.

Sowohl im Zusammenhang mit Alberts Fotografenausbildung als auch in einer Bitte Hertas, ihr die restlichen Schulden für den Krankenhausaufenthalt ihrer Mutter zu erlassen, sprach das Ehepaar von Auswanderungsplänen. Hertas Schwester war bereits 1938 nach Uruguay geflohen, ihr Vater verstarb in Ungarn, als er versuchte, auf verschlungenen Wegen nach Panama zu gelangen. Beides lässt vermuten, dass Albert und Herta ebenfalls eine Auswanderung nach Südamerika anstrebten, die sie jedoch nicht realisieren konnten.

Bis zum 6. November 1941 war Herta weiter bei der Fa. Scharlach & Co. beschäftigt. Der Arbeitgeber konnte ihrer Schwester Else nach Hertas Deportation noch ein letztes Lebenszeichen übermitteln. Ernst Scharlach beschrieb darin Alberts Gesundheitszustand als angeschlagen. Die kurzfristige Deportation beider sei "außerordentlich überraschend" gewesen.

Albert und Herta Kaufmann erhielten den Deportationsbefehl in der Rutschbahn 7. Sie wurden am 8. November 1941 nach Minsk deportiert. Der Zugtransport dorthin dauerte rund zwei Tage. Über ihr Leben und Sterben im dortigen Getto ist nichts bekannt.

Nachdem das Ehepaar deportiert worden war, ließ die "Dienststelle für die Verwertung eingezogenen Vermögens" seinen Besitz durch den Versteigerer Schlüter verkaufen.
Herta Kaufmann wurde auf den 8. Mai 1945 für tot erklärt.

Stand Oktober 2014

© Julia Stamer

Quellen: StaHH, 522-1 Jüdische Gemeinden, 992b, Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg, Kultussteuerkarte Martin bzw. Babette Kaufmann, Albert Kaufmann, Jenny Mendel; StaHH, 315-14 Arbeits- & Sozialfürsorge, Einzelfallakte Jüdische Fürsorgeempfänger 1374 Albert Kaufmann; StaHH 351-11 Amt für Wiedergutmachung 34600 Wiedergutmachungsakte für van Cleef, Else; StaHH 351-11 351-14 Arbeits-& Sozialfürsorge, Einzelfallakte Jüdische Fürsorgeempfänger 1573 Jenny Mendel; StaHH 314-15 Oberfinanzpräsident J2 Bd. 2, Nr. 2/456; Statistik des Holocaust, Deportationsliste der Gestapo, http://www.statistik-des-holocaust.de/OT411108-21.jpg, Stand 21.06.14; Rentrop, Petra: Tatorte der "Endlösung". Das Ghetto Minsk und die Vernichtungsstätte von Maly Trostinez, Berlin 2011; Meyer, Beate: Die Deportation der Hamburger Juden 1941–1945, in: Meyer, Beate (Hrsg.): Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933–1945. Geschichte. Zeugnis. Erinnerung, 2. Aufl., Hamburg 2007; Langner, Dirk: Die Wiedergutmachung von NS-Unrecht und die neue Richtlinie zur Ghettoarbeit, in: Zarusky, Jürgen (Hrsg.): Ghettorenten. Entschädigungspolitik, Rechtsprechung und historische Forschung, München 2010 [Zeitgeschichte im Gespräch, Bd. 6]; Randt, Ursula: Carolinenstrasse 35. Geschichte der Mädchenschule der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg 1884–1942, Hamburg 1984 [Verein für Hamburgische Geschichte (Hrsg.): Vorträge und Aufsätze, 26].

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