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Emil Göthel * 1878

Menckesallee 23 (Wandsbek, Eilbek)


HIER WOHNTE
EMIL GÖTHEL
JG. 1878
VERHAFTET 1933
HAMBURG
HAFT 1935-1940
HAMBURG /
BREMEN-OSLEBSHAUSEN
TOT 1941
AN HAFTFOLGEN

Emil Oscar Göthel, geb. am 20.2.1878 in Oberschöna bei Freiberg in Sachsen, verstorben am 3.5.1942 in Hamburg an Haftfolgen

Menckesallee 23

Der Sozialdemokrat Emil Göthel gehörte wie Wilhelm Krüger (siehe dort) der Widerstandsgruppe um den damaligen Krankenpfleger und späteren Hamburger Gesundheitssenator Walter Schmedemann in Hamburg-Eilbek an. Emil Göthel erlitt in der Haft schwere gesundheitliche Schäden. Die Folgen der Haft führten seinen Tod herbei.

Emil Göthel wurde am 20. Februar 1878 in Oberschöna in Sachsen als viertes von acht Geschwistern und zehn Stiefgeschwistern geboren. Sein Vater, der Maurer Paul Hermann Göthel, besaß ein eigenes Haus. Seine Mutter, Caroline Bertha Göthel, geborene Hoyer, stammte aus dem Nachbardorf Kleinschirma. Emil Göthel blieb unverheiratet.

Nach dem Besuch der Volksschule arbeitete er wie schon sein Vater als Maurer. Diesen Beruf soll er auch noch nach seinem 1915 vollzogenen Umzug nach Hamburg ausgeübt haben. Er muss den Beruf später gewechselt haben, denn auf einer Haftkarteikarte von 1936 wurde als Beruf Former vermerkt. Former stellen in Gießereien Gussformen her, die für das Gießen von Werkstücken z. B. aus Eisen und Stahl benötigt werden. Ab 1930 teilte Emil Göthel das Schicksal von Millionen anderer Arbeiter: Er wurde erwerbslos. Seinen Lebensunterhalt vediente er nun als Werber für die SPD-Parteizeitung "Hamburger Echo" und die aus der Arbeiterbewegung hervor gegangene Versicherungsgesellschaft Volksfürsorge. Wie so viele konnte er sich keine eigene Wohnung leisten, sondern wohnte in der Menckesallee 23 zur Untermiete.

Es ist nicht überliefert, wann Emil Göthel in die SPD eintrat. Zur Zeit der Machtübergabe an die Nationalsozialisten gehörte er als Bezirksführer schon zu den Parteifunktionären. Offenbar genoss er das Vertrauen von Walter Schmedemann, der in Eilbek die SPD-Distriktsleitung übernommen hatte.

Emil Göthel wurde am 16. Juni 1933 erstmals wegen seiner politischen Tätig­keit verhaftet. Am 15. und 16. Juni 1933 trafen sich führende Hamburger SPD-Funktionäre – laut Walter Schmedemann handelte es sich um den SPD-Parteiausschuss – im Redaktionsgebäude der Parteizeitung "Hamburger Echo" in der Fehlandtstraße 11–19, um zum Schein die Möglichkeit der Weiterführung des "Hamburger Echo" unter den Bedingungen der NS-Diktatur zu prüfen. Tatsächlich nutzten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Treffen zu einer Diskussion über die illegale Weiterführung der SPD. Anwesend waren auch Wal­ter Schmedemann und Emil Göthel. Am späten Abend des 16. Juni 1933 drangen Polizei und Hilfspolizei in die Versammlung ein und verhafteten etwa 30 Anwesende, darunter Emil Göthel. Zum Zeitpunkt des Polizeiüberfalls hatte Walter Schmedemann die Sitzung wegen eines anderen Termins bereits verlassen und wurde von Emil Göthel vertreten.

Der Großteil der Versammlungsteilnehmenden, darunter auch Emil Göthel, kam Mitte Juli 1933 wieder frei mit der Anweisung durch den SA-Standartenführer und Polizeisenator Richter, jegliche politische Tätigkeit zu unterlassen.

Enttäuscht von der defensiven Haltung der SPD-Führung gegenüber der NS-Machtübernahme hatten einige SPD-Leute in Eilbek schon vor den Verhaftungen im Echo-Gebäude eine wachsende Widerstandstätigkeit entwickelt, an der offenbar auch Emil Göthel beteiligt war.

Nach den Verhaftungen im Echo-Gebäude, denen am 22. Juni 1933 die Erklärung der SPD zur staats- und volksfeindlichen Partei durch NS-Reichsinnenminister Wilhelm Frick folgte, ergriffen SPD-Genossen in Eilbek unter der Leitung des Distriktsvorsitzenden Walter Schmedemann Maßnahmen für die Weiterführung der illegalen Arbeit. So wurden z. B. für eine vorhandene Druckmaschine Durchschlagpapier, Farben für den Vervielfältigungsapparat, Wachsbogen und insbesondere Abzugspapier beschafft. Die herausragende Rolle Schmedemanns und der Eilbeker SPD-Genossen wird in dem Beitrag "Zur Geschichte des Hamburger Stadtteils Eilbek" in diesem Band eingehender dargestellt.

Emil Göthel wurde am 3. Oktober 1933 erneut verhaftet. Der Vorwurf lautete, sich mit den nach Dänemark geflohenen Walter Schmedemann und Paul Marczinski in Eilbek illegal betätigt zu haben. Ihm war jedoch nichts nachzuweisen. Nach gut zwei Wochen "Schutzhaft" kam er am 19. Oktober 1933 wieder frei. Etwa seit dieser Zeit bis Herbst 1934 erhielt Emil Göthel "in Abständen von einem bis vier Monaten jeweils ein Exemplar hochverräterisch hetzender Zeitungen" – so das spätere Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts. Diese Schriften leitete er an mehrere SPD-Genossen im Stadtteil Eilbek und in anderen Hamburger Stadtteilen weiter. Gelegentlich kassierte er von den Empfängern kleine Beiträge für die im Untergrund arbeitende SPD.

Als im Oktober 1934 der aus Dänemark zurückgekehrte Walter Schmedemann sowie weitere SPD-Widerständler verhaftet wurden und andere, wie z. B. Walters Bruder Willi Schmedemann, noch rechtzeitig nach Dänemark flüchten konnten, scheint Emil Göthel die Leitung der sozialdemokratischen Organisation zusammen mit John Kienow übernommen zu haben. John Kienow war im August 1934 von Emil Auhagen, einem weiteren engen Mitstreiter von Walter Schmedemann, für die illegale Widerstandsarbeit gewonnen worden. Soweit noch sozialdemokratische Widerstandsgruppen existierten, wurden sie im ersten Halbjahr 1935 nach und nach aufgedeckt. Im August 1935 kamen Emil Göthel, John Kienow und weitere aktive Widerstandskämpfer aus dem Eilbeker Umfeld in Haft.

Der Prozess gegen Emil Göthel und fünf weitere ehemalige SPD-Funktionäre (John Kienow, Arthur Jessen, Franz Trummer, Wilhelm Krüger, Paul Bartnick) wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" fand vor dem II. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts am 30. Juni 1936 statt. Im Verlauf der Verhandlung beschwerte sich Emil Göthel beim Senatspräsidenten Rothe, dass er von der Gestapo misshandelt worden sei und 12 Wochen in Eisen gelegen habe. Rothe erwiderte: "Diese Maßnahmen hat man bei Ihnen durchführen müssen, da Sie sonst nicht gestanden hätten." Emil Göthel wurde für die Weitergabe illegaler Schriften, die Kassierung kleiner Geldbeträge, die Beschaffung eines Besprechungsraums und die Teilnahme an drei bis vier illegalen Treffen, nicht aber für seine zuletzt herausgehobene Rolle im Eileker Widerstand verurteilt. Dennoch: Mit vier Jahren und sechs Monaten Zuchthaus erhielt Emil Göthel die höchste Strafe der insgesamt sechs Angeklagten.

Zur Verbüßung der Haftstrafe wurde Emil Göthel in das Zuchthaus Bremen-Oslebshausen verlegt. Dort saß er ab 6. August 1936 ein. Unter Berücksichtigung der Untersuchungshaft von zehn Monaten wurde er am 29. Februar 1940 entlassen.

Emil Göthel starb am 3. Mai 1942 im Allgemeinen Krankenhaus Hamburg-Altona. Auf seiner Todesurkunde sind folgende Todesursache festgehalten: Pneumonie, Pleuritis, Kreislaufschwäche. Wahrscheinlich waren diese Krankheiten Folgen der Haft.

Seine Widerstandstätigkeit wurde in mehreren Veröffentlichungen sozialdemokratischer Teilorganisationen in Hamburg erwähnt oder beschrieben. Dabei wird wiederholt das Jahr 1941 (richtig: 1942) als Todesjahr angegeben. Dieser Irrtum findet sich auch auf einer Gedenkstele für sozialdemokratische Opfer des Nationalsozialismus auf dem Friedhof Hamburg-Ohlsdorf (Begräbnis- und Gedenkstätte der Geschwister-Scholl-Stiftung). Bedauerlicherweise wiederholt sich der Fehler auch in dem Text auf dem Stolperstein für Emil Göthel vor dem Haus Menckesallee 23 in Hamburg-Eilbek.

Stand Februar 2014
© Ingo Wille

Quellen: AB; StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II Abl. 13, Abl. 16 (U-Haft); 332-5 Standesämter 5428-616/1942; Staatsarchiv Bremen 4,80 II.5; 4,80 II.25; Stadtarchiv Freiberg/Sachsen, Geburtseintrag Oberschöna Nr. 4/1878; Ev.-luth. Kirche in Oberschöna, Taufregister; Deutschland-Berichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SoPaDe) Dritter Jahrgang 1936, S. 1612; Kutz-Bauer/Martens: "Dass die Frage der Wiedergutmachung ... zu einem öffentlichen Skandal geworden ist", S. 34f.; Martens, Auf dem Weg in den Widerstand – die "Echo"-Versammlung der Hamburger SPD 1933, S. 43f.; Schmedemann, Walter: Die Tätigkeit der Eilbeker Genossen in der Widerstandbewegung nach dem Verbot der SPD im Jahre 1933, in: Karl Ditt, Sozialdemokraten im Widerstand, S. 142ff.

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