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Elisabeth Gorden (geborene Wolfers) * 1879
Parkallee 84 (Eimsbüttel, Harvestehude)
1941 Lodz
Weitere Stolpersteine in Parkallee 84:
Herbert Otto Gorden, Dr. Felix Gorden
Elisabeth Gorden, geb. Wolfers, geb. 23.12.1879 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz
Parkallee 84 (Hamburg-Harvestehude)
Elisabeth Wilhelmine Gorden, geb. Wolfers, war die Tochter von Eduard Wolfers (1839–1919) und Natalie Wolfers, geb. Alsberg (1847–1906). Eduard Wolfers stammte aus Minden, hatte 1869 in Hamburg eine Textilfirma (Schönfeld & Wolfers) gegründet und 1875 das Hamburger Bürgerrecht erhalten. Hierfür musste ein Jahreseinkommen von 1200 Mark an fünf aufeinander folgenden Jahren nachgewiesen werden. Seine Mitgliedschaft in der Jüdischen Gemeinde kann erst ab 1913 sicher nachgewiesen werden, für die Zeit ab 1884 kann sie angenommen werden, es liegen jedoch keine Dokumente vor.
Elisabeths 1875 geborener Bruder Hugo Wolfers (siehe dort) besuchte die angesehene Gelehrtenschule des Johanneums in Hamburg bis zur Mittleren Reife. Elisabeth Wolfers wird eine Höhere Mädchenschule besucht haben; daneben war sie eine sehr gute Klavierspielerin. Seit 1892 wohnte die Familie in der Hochallee 64 in Hamburg-Harvestehude. Der Bruder Gustav Wolfers (gestorben 1909) trat 1902 als Teilhaber in die Firma Schönfeld & Wolfers ein, ein Jahr später folgte Hugo Wolfers als Teilhaber. Nach dem Tod des Firmengründers Eduard Wolfers 1919 und einer Änderung der Rechtsform in eine Kommanditgesellschaft (KG), beteiligte sich auch Elisabeth Gorden, geb. Wolfers, im Jahre 1920 mit einer Einlage von 130.000 Mark an der Firma (1922 auf 200.000 erhöht). Auch ihre Schwägerin Gertrud Wolfers, geb. Fränkel, und deren Kinder Sigrid Hess, geb. Wolfers (Jg. 1903), und Natalie Kramer, geb. Wolfers (Jg. 1906), zahlten zusammen noch einmal die gleiche Summe in die Firma ein.
Elisabeth Wolfers heiratete, ausgestattet mit einer stattlichen Mitgift, am 14. August 1901 in Hamburg den Amtsrichter Dr. Felix Leopold Gorden (1863–1939). Erst danach trat sie der evangelisch-lutherischen Kirche bei. Ihr in Hamburg geborener Ehemann, hatte bereits im Mai 1887 als Referendar in Berlin seinen jüdischen Familiennamen Cohen abgelegt und den englisch klingenden Namen Gorden angenommen. Auch sein Halbbruder Rudolf (geb. 13.8.1873) nahm den neuen Familiennamen an. In Preußen durften Juden nach der christlichen Taufe nur solche Familiennamen annehmen, die bislang noch nicht von Christen geführt wurden. Vermutlich wollte Felix Gorden mit dem Namens- und Konfessionswechsel Benachteiligungen in Justizkreisen wegen seiner jüdischen Herkunft zuvor kommen. Sein Vater, der Kaufmann Otto Leopold Cohen (1831–1868), war ebenfalls Mitglied der evangelisch-lutherischen Kirche gewesen, er hatte 1859 das Hamburger Bürgerrecht erworben und war in jungen Jahren in New York gestorben. Die Mutter Linna Cohen, geb. Rosenthal, hatte in zweiter Ehe den Sanitätsrat Dr. med. Max Salomon (geb. um 1837) geheiratet, sie verstarb 1907 in Berlin. Auch die Großeltern, der Makler und Hamburger Bürger Leopold Cohen (1794–1867) und Rosa Cohen, geb. Magnus (1801–1880, Tochter von Louis und Caroline Magnus), lebten in Hamburg – nach dem Großvater wurde das 1903 erbaute Kontorhaus "Leopoldshof" in der Poststraße 3, Ecke Neuer Wall (ehemals Poststraße 1–7) benannt. 1892 war Felix Gorden als Assessor in seine Geburtsstadt Hamburg zurückgekehrt und hier 1895 zum Richter ernannt worden. Nach der Geburt des Sohnes Herbert Gorden (siehe dort) im Jahre 1902 zog die Familie zum Eppendorferbaum 20 um und erwarb im Dezember 1906 das vom Architekten Otto Köster neu erbaute Haus Parkallee 84 in Hamburg-Harvestehude. Die Bebauungsplanung dieses parzellierten und mit Straßen im Schachbrettmuster erschlossenen ehemaligen Klosterlandes sah vor, "daß die Gegend … zu Gartenwohnungen bestimmt ist …" und keine mehrgeschossigen Mietwohnungen oder Fabriken dort gestattet waren. Hierher zog die bürgerliche Oberschicht Hamburgs. Das Haus Parkallee 84 hatte 11 Zimmer und war gediegen eingerichtet: schwere Möbel, Perserteppiche, Ölgemälde, Stiche, Hamburgensien in Mahagoni-Rahmen im Treppenaufgang, Bronzen, ein alter geerbter Gobelin, Kronleuchter und ein 1925 gekaufter Mahagoni-Bechstein-Flügel, auf dem der polnische Pianist Paderewsky ein Konzert gegeben haben soll. Im Bibliothekszimmer gab es rund 2000 Bücher aus dem 18. und 19. Jahrhundert, darunter auch eine Goethe-Erstausgabe. Im Souterrain lagen Küche, Kohlenraum, Weinkeller, Speisekammer und das Zimmer des Hausmädchens. Im Erdgeschoss befanden sich Esszimmer (mit Speiseaufzug aus dem Souterrain), getrennt mit einer Schiebetür der Salon mit Tisch und Stühlen aus kaukasischem Nußbaum, Sesseln, Sofa, Konzert-Flügel, Notenschrank, Damenschreibtisch sowie ein von Eduard Wolfers geerbtes Ölbild mit niederdeutscher Landschaft, Bibliothek/Arbeitszimmer und überdachte Veranda. Im 1. Stock lagen die Zimmer der Tochter und des Sohnes sowie Elternschlafzimmer, Bade- und Ankleidezimmer und das Alltags-Wohnzimmer (wenn kein Besuch geladen war). Im 2. Stock lagen drei Fremdenzimmer und eine kleine Küche, die bereits ab 1931 vermietet wurden. In diesem Haus wurde am 22. Januar 1911 die Tochter Hildegard (Hilde) geboren. Am 25. Mai 1911 wurde sie vom Pastor der evangelischen Hauptkirche St. Catharinen getauft und ins Taufregister der St. Johannis-Kirche Harvestehude eingetragen. Taufpaten waren die Tante Leonie Herholtz, geb. Cohen (1868–1959), aus Hamburg und der Onkel und Photochemiker Rudolf Gorden, der 1902 endgültig von Hamburg nach Berlin verzogen war. Hildegard Gorden besuchte nach der privaten Höheren Mädchenschule (Lyzeum) von Mary B. Henckel und Elsa Berblinger (manchmal auch "Henkelsche Töchterschule" genannt) in der Tesdorpfstraße 16 (Rotherbaum) die Hamburger Gewerbeschule für Damenschneiderei und machte von 1931–1932 eine Ausbildung im erst ein Jahr zuvor gegründeten Modesalon Arpe, Brusch & Co. GmbH (Jungfernstieg 40).
Im Poesiealbum der Schülerin Hildegard Gorden finden sich in der Zeit von 1923 bis 1926 auch Eintragungen von Erwachsenen. Sie dokumentieren den Personenkreis, mit dem Familie Gorden engen Umgang pflegte. So finden sich im Album Zeilen der Kunstgewerblerin und Journalistin Margarethe Windmüller (1883–1941) (siehe dort). Es schrieben Ernst Alsberg (1879–1944) (siehe dort), zeitweilig Prokurist der Firma Schönfeld & Wolfers und verwandt mit der Frau des Seniorchefs sowie seine Ehefrau Gertrud Alsberg, geb. Feiss (1895–1944), die sich 1930 bei der Wahl des Repräsentanten-Kollegiums der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in Hamburg für die Religiös-liberale Liste engagierte. Auch vom Hamburger Universitätsprofessor Dr. med Ernst Delbanco (siehe dort), einem Freund von Felix Gorden, findet sich eine ernste Lebensmahnung, er wählte 1935 den Freitod. Und auch die junge brasilianische Pianistin Ophelia Nascimento (geb. 1909) verewigte sich während des Urlaubes in Bad Oberdorf (Oberallgäu) ebenso wie zwei Dutzend Mitschülerinnen und Freundinnen aus Hamburg, darunter auch die Cousine Natalie "Puppi" Wolfers (geb. 1906). Zu den Mitschülerinnen gehörte auch Vera Philip (1911–2005), Tochter des erfolgreichen Metallmaklers Ivan Philip aus Winterhude (siehe dort). Sogar die Lehrerin Else Wodtcke verewigte sich in dem Büchlein.
1905 wurde Felix Gorden in Hamburg zum Landrichter und 1913 zum Amtsrichter mit dem Aufgabengebiet "Handelssachen" ernannt. Am 15. Juli 1933 wurde er von den Nationalsozialisten zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Im Oktober 1934 setzten die Eheleute Gorden ein gemeinsames Testament auf, das im März 1937 und Dezember 1937 durch Nachträge ergänzt wurde. Das eigenhändig von Felix Gorden verfasste Schriftstück trug der zunehmenden Rechtlosigkeit insofern Rechnung, als hinter den zu vererbenden Gegenständen der Satz stand "soweit über sie nicht anderweitig verfügt wurde". Seit März 1937 war die verwitwete Pauline Dratwa, geb. Bloch (geb. 10.5.1881 in Hamburg), als "Hausangestellte (für) Kost, Wohnung, Barlohn 45 RM", wie ihre Kultussteuerkarte der Deutsch-Israelitischen Gemeinde belegte, bei Familie Gorden tätig. Sie musste 1941 in eine Wohnung der Oppenheimer Stiftung in der Kielortallee 22 (Eimsbüttel) umziehen, das als "Judenhaus" für die Vorbereitungen der Deportationen genutzt wurde; am 25. Oktober 1941 wurde sie von dort ins Getto Lodz und am 9. Mai 1942 weiter ins Vernichtungslager Chelmno deportiert.
Vermutlich ab 1938 wurde auch der 1. Stock des Hauses Parkallee 84 möbliert vermietet, die Bibliothek im Erdgeschoss diente nun auch als Schlafraum. Nach dem reichsweiten Pogrom vom 9. November 1938 und der Verschleppung von Herbert Gorden ins KZ Sachsenhausen besorgte sich auch Familie Gorden Abschriften von Standesamtsunterlagen für eine mögliche Emigration zur Tochter Hildegard nach Palästina. Im Februar 1939 hatte Herbert Gorden, nach seiner KZ-Entlassung, alle erforderlichen Unterlagen für seine Ausreise nach Hatay bei den entsprechenden Amtsstellen vorgelegt. Dieser Zwergenstaat existierte nur vom September 1938 bis Juni 1939, er wurde dann zu einer türkischen Provinz. Warum Herbert Gordons Emigration nicht zustande kam, ist nicht bekannt. Möglicherweise hatte der überraschende Tod von Felix Gorden am 15. März 1939 (vermutlich Herzinfarkt) zu einer Verzögerung der Ausreise geführt.
Die Tochter Hildegard hatte im September 1933 den Juristen Dr. Fritz Rosenberg (1906–1960) in Hamburg geheiratet; er war 1931 in der Kanzlei der Hamburger Rechtsanwälte Bauer, Robinow und Butenschön tätig gewesen. Einige Monate vor der Hochzeit war Hildegard Gorden zur jüdischen Religion zurückgekehrt. Beide wanderten 1936 nach Palästina aus und wurden dort im Januar 1939 eingebürgert. Erforderlich für die Ausreise ohne Hilfsorganisation war ein "Certificate" der britischen Mandatsregierung in Palästina und der Nachweis von 1000 englischen Pfund in bar. Für Ausfertigung und sonstige Gebühren fielen noch einmal rund 1000 Mark an. Im August/September 1938 reiste Elisabeth Gorden für vier Wochen in die neutrale Schweiz nach Genf, um ihre Tochter mit Ehemann und Enkelkind zu sehen, die über Italien angereist waren. Es sollte das letzte Treffen von Mutter und Tochter sein. Ende 1938 wurden die Pässe aller jüdischen Bürger im Deutschen Reich eingezogen und mit dem Aufdruck "J" wieder ausgehändigt; Auslandsreisen wurden für diese Passinhaber nun systematisch eingeschränkt. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges standen Mutter und Tochter in regem Briefkontakt.
Ab Juli 1939 galt auch für Elisabeth Gorden eine Zwangsmitgliedschaft in der Reichsvereinigung der Juden, die dem Reichssicherheitshauptamt in Berlin unterstand. Die Taufe und Mitgliedschaft in der evangelisch-lutherischen Kirche boten ihr keinerlei Schutz. Ab August 1939 dürfte das Visum des Sohnes durch die Eingliederung seines Emigrationslandes in den türkischen Staat ungültig geworden sein. Schrittweise wurden die Rechte von Elisabeth Gorden und ihrem Sohn aufgehoben, die Teilnahme am öffentlichen Leben (Theater, Konzerte, Museen, Sportveranstaltungen, Badeanstalten) wurde ihnen seit Ende 1938 verwehrt. Am 19. Oktober 1939 verfügte das Reichssicherheitshauptamt für Juden die entschädigungslose Ablieferung von Rundfunkgeräten, ihre Führerscheine und Kraftfahrzeugzulassungen wurden eingezogen und ihre Telefonanschlüsse gesperrt. Auch in dieser Zeit spielte Elisabeth Gorden noch auf dem Bechstein-Flügel und gab Hauskonzerte. Den Demütigungen folgte die finanzielle Ausplünderung. Der ehemalige Rechtsanwalt und nunmehr nach NS-Regularien "jüdische Konsulent" Max Heinemann (Jungfrauenthal 24) hatte bereits im Mai 1939 die Nachlassregelung aus dem Testament von Felix Gorden übernommen und kümmerte sich nun als Generalbevollmächtigter von Elisabeth Gorden um ihre vom NS-Staat geforderten "Sühnezahlungen" sowie die Gold- und Silber-Ablieferungen (inklusive der wertvollen 46 Gold- u. 314 Silbermünzen des 16.–18. Jahrhunderts aus Felix Gordens privater Sammlung) an die öffentliche Ankaufsstelle in der Gotenstraße im Mai 1939. Bereits am 14. Juni 1939 waren sämtliche Konten, Wertpapiere und Immobilien von Elisabeth Gorden per "Sicherungsanordnung" gesperrt worden, lediglich 350 Reichsmark durfte sie monatlich von ihrem Konto abheben.
Ab 19. September 1941 mussten auch Elisabeth und Herbert Gorden deutlich sichtbar auf der Brust einen gelben Davidstern tragen. Wenige Tage vor dem 25. Oktober 1941 erhielten Elisabeth Gorden und ihr Sohn per Einschreiben einen "Evakuierungsbefehl" mit folgendem Inhalt: "Ihre Evakuierung nach Litzmannstadt ist angeordnet. Ihr Vermögen wird mit sofortiger Wirkung beschlagnahmt, jede Verfügung über Vermögen wird bestraft." Am 24. Oktober 1941 mussten sich Elisabeth Gorden, ihr Sohn Herbert Gorden sowie die Untermieterin Frau Bonnette Benjamin, geb. Lyon (geb. 27.5.1886 in Hamburg), und das Dienstmädchen, dessen Name nicht in den wenigen erhalten gebliebenen Familiendokumenten verzeichnet ist, zur Deportationssammelstelle in der Freimaurer-Provinzialloge in der Moorweidenstraße (Rotherbaum) begeben. Die Moorweidenstraße war von uniformierter Polizei abgesperrt, die Organisation lag in den Händen der Hamburger Gestapo (u. a. Gepäckkontrolle, Geldabnahme, Abnahme der Vermögensverzeichnisse). Der Personenzug der Deutschen Reichsbahn sollte am 25. Oktober 1941 um 10.10 Uhr vom Hannoverschen Bahnhof (Lohseplatz) abfahren und am nächsten Tag um 11 Uhr im Getto Lodz (deutsch Litzmannstadt) eintreffen. Alle 1037 Deportierten durften nur einen Koffer mit maximal 50 kg Gewicht, Bettzeug, Verpflegung für zwei Tage und 100 Reichsmark mitnehmen. Der Bankier Lipmann Josias (siehe dort) und der Speditionsunternehmer Lucian Luca (siehe dort) wurden zu Transportleitern ernannt, die für die reibungslose Umsetzung der Befehle verantwortlich gemacht wurden. 16 Mann uniformierte Schutzpolizei fuhren als Bewachung mit; bei einem Zwischenhalt wurde der Zug von Posten umstellt. Es war der erste Deportationszug, der Hamburg verließ.
Herbert Gorden starb am 9. März 1942 im Getto Lodz. Von Elisabeth Gorden ist das genaue Todesdatum nicht bekannt; eine Bescheinigung des "Judenältesten in Litzmannstadt" vom 22. Dezember 1941 bestätigte, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch am Leben war und in der Zimmerstraße 6/18 einquartiert war. Im Mai 1942 wurden in Lodz Transportlisten für die Weiterdeportation von rund der Hälfte der 21.000 deutschsprachigen Juden aufgestellt. Ziel der Deportation war das Vernichtungslager Chelmno (deutsch Kulmhof). Von dieser Deportation konnten sich nur die in Lodz Internierten mit einem formlosen Antrag befreien lassen, die Träger des Eisernen Kreuzes oder Verwundetenabzeichens aus dem Ersten Weltkrieg waren oder aber eine offizielle Arbeitsstelle im Getto Lodz hatten (z. B. in einer der Textilfabriken). Ein solcher Antrag ist von der 62-jährigen Elisabeth Gorden nicht überliefert, ihr weiteres Schicksal ist unbekannt.
Die Witwenpension in Höhe von monatlich 260 RM wurde ab Datum der Deportation gestrichen. Das komplett eingerichtete Haus von Familie Gorden reklamierte der NS-Staat mit "Entziehungsverfügung" vom 21. Oktober 1941 (per Post zugestellt am 24. Oktober 1941) für sich. Der Hausschlüssel musste vor der Deportation bei der zuständigen Polizeiwache abgegeben werden. Im Hamburger Adressbuch von 1943 wurde als Eigentümer der Immobilie Parkallee 84 "Das Deutsche Reich" vermerkt, Mieter wurden keine ausgewiesen. Vermerke in der Akte zur Rückübertragung des Hauses belegen aber, dass der SS-Sturmbannführer (entsprach dem Dienstgrad Major) Adolf Ellenberger (Jahrgang 1910, 1927 Eintritt in die SA, seit 1928 NSDAP-Mitglied, seit 1930 SS-Mitglied, seit 1931 hauptamtlich bei der SS) am 18. Dezember 1941 von der Feldbrunnenstraße 72 (Rotherbaum), dem Sitz eines SS-Sturmbanns, in das noch komplett möblierte Haus Parkallee 84 umzog. Es ist schwer vorstellbar, wie der uniformierte SS-Offizier mit Goldenem Parteiabzeichen und SS-Totenkopfring vor den Schuhschränken mit den Dutzenden von Damen- und Herrenschuhen stand und im Arbeitszimmer auf dem Ledersofa sitzend die gebundenen Reichsgerichtsentscheidungen der Weimarer Republik und die bronzene Justizia mit der Waage betrachtete. Unbekannt ist, welchen Teil der Beute er für sich selbst vorsah. 1942 tauchte Ellenberger nicht mehr im Hamburger Adressbuch auf, in seiner SS-Akte wurde aber noch im März 1944 die Parkallee 84 als seine Privatadresse vermerkt, zu diesem Zeitpunkt war er aber bereits seit einem halben Jahr als SS-Stabsführer in Zagreb/Kroatien im Einsatz.
Der Hausstand von Familie Gorden wurde am 7. Oktober 1942 über das Hamburger Auktionshaus Carl F. Schlüter, vermutlich in deren "Versteigerungssälen" Alsterufer 12, versteigert und erbrachte 2000 Reichsmark zugunsten des NS-Staates – ein Bruchteil des tatsächlichen Wertes.
Für ihren Bruder Hugo Wolfers (1875–1942?), Teilhaber der Textilhandelsgesellschaft Schönfeld & Wolfers, und dessen Ehefrau Olga Wolfers, geb. Oppenheimer (1885–1942?), wurden im Hofweg 31 (Uhlenhorst) Stolpersteine verlegt. Beide wurden am 6. Dezember 1941 ins Getto Riga deportiert, die genauen Todesumstände und das Todesdatum sind nicht bekannt.
An die Untermieterin Bonette Benjamin erinnert ein Stolperstein in der Ottersbekallee 27 (Eimsbüttel); sie wurde höchstwahrscheinlich im Mai 1942 aus dem Getto Lodz in das Vernichtungslager Chelmno deportiert und dort im Alter von 66 Jahren ermordet. Dieses Schicksal drohte auch Elisabeth und Herbert Gorden.
In der Schäferkampsallee 25–27 (Eimsbüttel) wurden Stolpersteine für Gertrud und Ernst Alsberg verlegt, die beide am 15. Juli 1942 ins Getto Theresienstadt deportiert und im Oktober 1944 im Vernichtungslager Auschwitz ermordet wurden.
Die Schwiegereltern der Tochter, Bernhard Rosenberg (1872–1942) und Hedwig Rosenberg, geb. Speyer (1874–1942), die bis 1935 das Kaufhaus Speyer in Sonneberg/Thüringen führten, mussten das Geschäft aufgrund der antijüdischen Boykotte und des Druckes der NSDAP-Kreisleitung 1935 an Hepprich & Gerards (Weimar) verkaufen. 1938 folgte der Verkauf der Immobilie deutlich unter dem Marktwert und der Umzug nach Frankfurt/Main. Von dort wurden sie am 2. September 1942 ins Getto Theresienstadt und weiter ins Vernichtungslager Treblinka deportiert.
Nach der Kapitulation NS-Deutschlands wurde das Haus Parkallee 84 dem Steuer- und Devisenberater August H. Kramer und seiner Ehefrau Natalie Kramer, geb. Wolfers, der Cousine von Herbert und Hildegard Gorden, als Unterkunft zur Verfügung gestellt. Sie fanden ein leergeräumtes Haus vor. Anfang der 1950er Jahre kehrte Hildegard Rosenberg, geb. Gorden, mit ihrem kranken Ehemann nach Deutschland zurück; der Sohn folgte nach Ableistung seines israelischen Militärdienstes. Die Familie zog nach Frankfurt am Main. Über die Verfolgung, Verschleppung und Ermordung der Familienangehörigen und ihre eigene Heimatlosigkeit schwiegen sie. Hildegard Rosenberg kehrte noch einige Male nach Hamburg zurück, unter anderem 1968 zu einem Klassentreffen und 1990 zusammen mit der Enkelin. Eine Nachbarin aus der Parkallee gab ihr bei dieser Gelegenheit drei Hamburgensien in Mahagoni-Rahmen wieder, die Elisabeth Gorden ihr noch geschenkt hatte. Die Nachbarin hatte die NS-Zeit in Hamburg nur überlebt, weil sie mit einem nichtjüdischen Mann verheiratet gewesen war.
Stand Juli 2014
© Björn Eggert
Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH) 231-7 (Amtsgericht Hamburg, Handels- u. Genossenschaftsregister), B 1982 – 104 Bd. 1 (Schönfeldt & Wolfers), 1869–1939; StaH 241-2 (Justizverwaltung – Personalakten), A 1229 (Felix Gorden); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), FVg 4758 (Herbert Gorden); StaH 332-5 (Standesämter), 80 u. 3432/1880 (Sterberegister, Rosa Cohen); StaH 332-5 (Standesämter), 8610 u. 363/1901 (Heiratsregister); StaH 332-7 (Staatsangehörigkeitsaufsicht), Bürger-Register 1845-1875 (Cohen); StaH 332-8 (Alte Einwohnermeldekartei 1892–1925), Eduard Wolfers, Rudolf Gorden; StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 36921 (Hildegard Rosenberg, geb. Gorden); StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg, ab 1913), Elisabeth Gorden, Herbert Gorden, Hugo Wolfers, Pauline Dratwa, geb. Bloch; Bundesarchiv Berlin (ehem. BDC), NSDAP-Zentralkarte, Mitglieds-Nr. 87176, Ellenberger, Adolf, 21.2.1910; Bundesarchiv Berlin (ehem. BDC), SS-Offiziere, Ellenberger, Adolf, 21.2.1910; Bundesarchiv Berlin (ehem. BDC), Rasse- u. Siedlungsamt der SS, Ellenberger, Adolf, 21.2.1910; St. Johannis zu Harvestehude, Tauf-Register (Hildegard Gorden); Hamburger Schulmuseum (Lyzeum Tesdorpfstraße/Heimhuderstraße); Gedenkbuch Hamburger Jüdische Opfer des Nationalsozialismus, Hamburg 1995; Freimark/Jankowski/Lorenz (Hrsg.), Juden in Deutschland, Hamburg 1991, darin: Hans Dieter Loose, Wünsche Hamburger Juden auf Änderung ihrer Vornamen und der staatliche Umgang damit, Seite 61; Ina Lorenz, Die Juden in Hamburg zur Zeit der Weimarer Republik, Band 1, Hamburg 1987, S. 235 (Gertrud Alsberg); Heiko Morisse, Jüdische Rechtsanwälte in Hamburg. Ausgrenzung und Verfolgung im NS-Staat, Hamburg 2003, S. 134 (Max Heinemann); Carmen Smiatacz, Stolpersteine in Hamburg-Barmbek und Hamburg-Uhlenhorst. Biografische Spurensuche, Hamburg 2010, S. 208–215 (Hugo u. Olga Wolfers); Ursel Hochmuth/Gertrud Meyer, Streiflichter aus dem Hamburger Widerstand 1933–1945, Frankfurt/Main 1969, S. 206, 208, 211, 216, 219; Hamburger Adressbuch 1937 u. 1943; Amtliches Fernsprechbuch Hamburg 1902, 1906–1908, 1910, 1920, 1933, 1938–1940; Hamburgisches Staatshandbuch 1912, 1915, 1925, 1929 (Richter Dr. Felix Gorden); Hamburger Börsenfirmen, Hamburg 1935, S. 25 (Arpe, Brusch & Co.); Dienstaltersliste der Schutzstaffel (SS) der NSDAP vom 1.10.1934, Nachdruck von 1994, S. 20, laufende Nr. 458 (Ellenberger); Denkmalschutzamt Hamburg: Leopoldshof; Stadtarchiv Sonneberg/Thüringen, Kaufhaus Speyer; Korrespondenz von Hildegard Rosenberg geb. Gorden, Privatbesitz; Testament von Felix und Elisabeth Gorden, Privatbesitz; Gespräche mit A. R., 2012.