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Wilhelm Carl Bock
© Reinhard Bock, Enkel

Wilhelm Bock * 1886

Kurt-Schumacher-Allee 10 (Gewerkschaftshaus) (Hamburg-Mitte, St. Georg)


HIER ARBEITETE
WILHELM BOCK
JG. 1886
VERHAFTET 1938
’HOCHVERRAT’
GEFÄNGNIS FUHLSBÜTTEL
1940 SACHSENHAUSEN
ERMORDET 21.8.1940

Weitere Stolpersteine in Kurt-Schumacher-Allee 10 (Gewerkschaftshaus):
Ludwig Wellhausen

Wilhelm Bock, geb. am 30.4.1886 in Hamburg, gest. am 21.8.1940 im KZ Sachsenhausen

Hegestieg 14

Wilhelm Bock wurde am 30. April 1886 in Hammerbrook als Sohn eines Eisenbahnbeamten geboren. Nach dem Besuch der Volksschule machte er eine Lehre bei einer Hamburger Bier-Im- und Exportfirma. Er verlor früh seinen Vater und lebte nach dem Tod seiner Mutter bei Freunden seiner Eltern. Nach seinem Militärdienst war Wilhelm Bock drei Jahre in Nigeria und Kamerun tätig. Die menschenunwürdigen Arbeitsverhältnisse der Einheimischen begründeten ein politisches Engagement, das 1911 in Hamburg zum Eintritt in die SPD führte. 1913 heiratete Wilhelm Bock Wiebke Krogmann. Das Ehepaar zog nach Eppendorf. Wilhelm Bock nahm als Soldat am Ersten Weltkrieg teil und machte sich nach Kriegsende mit der Übernahme einer Vertretung für Textilwaren selbstständig, später für Fahrräder und Autoreifen.

In der Eppendorfer SPD-Parteiorganisation wurde er 1923 zum Distriktsführer gewählt. Wilhelm Bock gehörte dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold an und war 1933 Mitglied des Landesvorstands der SPD Hamburg. Darüber hinaus engagierte er sich in einer Hamburger Freimaurerloge. 1936 übernahm Bock ein Geschäft für den Verkauf und die Vermietung von Feld- und Eisenbahnen. Seine selbstständige Tätigkeit machte ihn finanziell unabhängig und ermöglichte ihm unauffällige Reisen und Kontakte im Zusammenhang mit der Widerstandsarbeit.

Vermutlich nahm Wilhelm Bock an der sogenannten "Echo-Versammlung" teil, die am 15. und 16. Juni 1933 im Redaktionsgebäude der SPD-Parteizeitung stattfand. Die etwa 30 Teil­nehmer wurden von den Nationalsozialisten verhaftet, misshandelt und nach fünf Wochen Haft wieder entlassen.

Seit wann sich Wilhelm Bock aktiv am Widerstand beteiligte, ist nicht bekannt. Nach dem Verbot der SPD durch die Nationalsozialisten hatte Walter Schmedemann in Hamburg eine illegale Parteileitung aufgebaut. Die Widerstandsorganisation richtete einen eigenen Nachrichtendienst ein, der systematisch Informationen aus ganz Hamburg sammelte. Dieses Informationssystem lieferte auch Nachrichten für die "Roten Blätter", das illegale Organ der Hamburger SPD, das wöchentlich in einer Auflage von mehreren Tausend Exemplaren hergestellt und auch über Hamburg hinaus verbreitet wurde. Gleichzeitig wurden die gesammelten Informationen über Kuriere dem Prager Exilvorstand zugänglich gemacht. Die dort eingegangenen Nachrichten wurden in den Deutschland-Berichten veröffentlicht und zurück ins Reich geschmuggelt. Über geheime Vertriebswege wurden die illegalen Schriften des Exilvorstands aus Dänemark oder der Tschechoslowakei nach Hamburg geschafft und verteilt.

Nach mehreren Verhaftungswellen stellte die illegale Parteileitung in Hamburg die Produktion eigener Schriften ein. Von Kopenhagen aus koordinierte Richard Hansen im Auftrag des Parteivorstands die Widerstandsarbeit. Vermutlich 1936, spätestens aber 1937 übernahm Walter Siering aus Eppendorf die Leitung der Widerstandsaktivitäten in Hamburg und organisierte den Informationsaustausch sowie die Materiallieferungen mit Richard Hansen. Nach Sierings Angaben war Wilhelm Bock, der über zahlreiche Kontakte vom Bürgertum bis zu Militärkreisen verfügte, seine wichtigste Stütze.

1937 traf sich Bock zu Beratungen mit Richard Hansen im dänischen Kolding. Am 1. März 1938 erhielt Siering aus Kopenhagen die Mitteilung, dass zwei Tage später eine Lieferung eintreffen werde, die am Hamburger Hauptbahnhof zu übernehmen sei. Siering, beunruhigt durch die Verhaftung eines Sozialdemokraten, der von den Aktivitäten Kenntnis hatte, traf sich mit Bock, um die Lage zu beraten. Dieser riet zur sofortigen Flucht nach Dänemark und versprach, sich um die Sendung des illegalen Materials zu kümmern.

Mit einem Parteifreund, dem Kolonialwarenhändler Robert Finnern, der sein Fahrzeug zum Transport zur Verfügung stellte, wollte Wilhelm Bock die Lieferung in Empfang nehmen. Als Finnern am 3. März 1938 um 19.30 Uhr zur Übergabe der illegalen Sendung aus Dänemark durch den Kieler Sozialdemokraten Oskar Nielsen erschien, griff die Gestapo zu. Der Koffer mit dem illegalen Material enthielt 4000 Exemplare der Flugschrift "Lasst Tatsachen sprechen" sowie eine nicht näher bekannte Anzahl von Postsendungen. Noch am gleichen Abend wurde Wilhelm Bock verhaftet. Er hatte vermutlich schon unter Beobachtung gestanden, denn ein Gestapo-Spitzel hatte alle Einzelheiten verraten und die Verhaftung von langer Hand vorbereitet. Auch die beiden Ehefrauen Hilde Finnern und Wiebke Bock sowie der zwanzigjährige Wilhelm Bock junior wurden für mehrere Tage verhaftet. Oskar Nielsen war den Methoden der Gestapo nicht gewachsen und starb schon nach zwei Tagen Haft. Wilhelm Bock und Robert Finnern wurde der Prozess vor dem Volksgerichtshof gemacht.

Am 23. August 1938 wurden die Angeklagten wegen Beihilfe zur Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Nachdem die beiden Männer ihre Strafe verbüßt hatten, wurden sie nicht freigelassen, sondern ins KZ Sachsenhausen überführt. Hier starb Wilhelm Bock am 21. August 1940 an "Lungenentzündung, Herzschwäche und Darmkatarrh", wie es in einer telegrafischen Nachricht hieß. Sein Parteifreund Robert Finnern (s. dort) war wenige Monate zuvor ebenfalls in Sachsen­hausen verstorben.

1985 wurde in Alsterdorf der Wilhelm-Bock-Weg nach dem Widerstandskämpfer benannt. Die Verlegung eines Stolpersteins vor seinem letzten Wohnsitz im Hegestieg 14 fand 2009 statt. Ein weiterer Stolperstein erinnert seit 2010 vor dem SPD-Parteihaus in der Kurt Schu­macher Allee 10 an den Sozialdemokraten.

© Holger Martens

Quellen: StaH 351-11 AfW Abl. 2008/1, 9.2.1918 Wilhelm Bock, Junior; StaH 351-11 AfW Abl. 2008/1, 13.3.1894 Robert Finnern; Martens, Auf dem Weg in den Widerstand, in: Hamburg und sein norddeutsches Umland. Festschrift für Franklin Kopitzsch, Brietzke/Fischer/Herzig (Hrsg.), 2007, S. 354–376; Zur Widerstandsarbeit und den Vorgängen 1938 siehe den Bericht von Walter Siering an Hilde Finnern, 5.12.1949, Privatbesitz Beate Reis; Martens, Widerstand, in: "Alles für Hamburg", o.D. [2008], S. 47–60.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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