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Heinrich Bode * 1910

Stellinger Weg 2 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)

1933 KZ Buchenwald
ermordet 13.09.1943

Heinrich Bode, geb. am 19.6.1910 Hamburg, gestorben am 13.9.1943 im KZ Buchenwald

Stellinger Weg 2

Heinrich Bode wurde 1910 in Hamburg als uneheliches Kind der Plätterin Elsa Bode geboren. Nach Aussage seiner Mutter war sein Vater, den er nie kennenlernte, ein gewisser Heinrich Fritsche, der zu dieser Zeit als "Artist (Damenimitator)" tätig war. Dieser entzog sich durch Rückkehr nach Österreich der Unterhaltspflicht. Da Elsa Bode als Fabrikarbeiterin beschäftigt war, wuchs ihr Sohn nicht bei ihr auf, sondern bei seiner Großmutter, seit 1915 Mieterin einer Einzimmerwohnung am Stellinger Weg 2 im IV. Stock. Die Mutter lebte in "wilder Ehe", wie es die Ermittlungshilfe für Gerichtshilfe später formulierte, mit dem Maler Otto Sack in der Bachstraße in Barmbek. Aus dieser Verbindung entstammte der ca. 14 Jahre jüngere Halbbruder Alfred Bode. Nach dem Tod der Großmutter 1938 übernahm Heinrichs Tante Margarethe Bode die Wohnung. Während Heinrich Bode als Kind und Jugendlicher in der Küche auf der Chaiselongue schlief, teilte er sich als Erwachsener das Schlafzimmer mit seiner Tante. Seine Mutter berichtete, er habe bereits im Alter von eineinhalb Jahren getanzt und "Theater­kram" gemacht.

Schon während der Schulzeit arbeitete Heinrich Bode als Kontorbote, um so die Haushaltskasse aufzubessern. Nach dem vorzeitigen Abbruch der Volksschule war er weiterhin in diesem Berufsfeld tätig. Sein Wunsch, Tänzer zu werden, war aus finanzieller Not nicht realisierbar. Nach sechsjähriger Botentätigkeit handelte er für etwa zwei Jahre mit Obst, Blumen und Zuckerwaren. In seiner Freizeit verkehrte er bereits als 17-Jähriger in den einschlägigen Homosexuellenlokalen Zu den 3 Sternen und im Stadtkasino, wo er von Männern in Frauenkleidern fasziniert war und selbst heimlich derartige Kleidung anzog. Von 1931 bis 1935 soll er in Frauenkleidern auch der gewerbsmäßigen Unzucht nachgegangen sein. 1933 trat er als "Tänzerin" auf dem Hamburger Dom auf. 1934 will er eine behördliche Erlaubnis erhalten haben, sich als Transvestit in Frauenkleidern in der Öffentlichkeit zu zeigen. Jedoch wurde das Engagement auf dem Dom nicht verlängert, so dass Heinrich Bode in einer Wäscherei und anschließend bis zu seiner letzten Verhaftung im Jahre 1939 in einer Tischlerei Arbeit fand.

Im Jahre 1927 nahm die Kriminalpolizei Heinrich Bode erstmals als homosexuellen Transvestiten ins Visier. Dies wiederholte sich in den Folgejahren, hatte jedoch bis 1933 keine gerichtlichen Konsequenzen. Das änderte sich, nachdem er im Herbst 1933 in Frauenkleidern mit einem Mann einvernehmlich sexuelle Handlungen in den Grünanlagen bei der Eppendorfer Kirche vorgenommen hatte. Dieser Mann zeigte ihn im Nachhinein bei der Polizei an, angeblich, nachdem er realisiert hatte, dass Heinrich Bode ein Mann sei. Dieser wurde daraufhin am 4. Oktober 1933 vom Amtsgericht Hamburg wegen "tätlicher Beleidigung" zu einer zweimonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. In der Gerichtsverhandlung gab er an, "in seiner Gegend für dieses Treiben hinreichend bekannt zu sein". Auch wenn das Gericht ihn aufforderte, dieses "Treiben" aufzugeben, war er weiterhin in Frauenkleidern, oft in Begleitung seiner Tante, in Tanzlokalen unterwegs. Dass ihm nach dem Gerichtsurteil tatsächlich noch 1934 eine Erlaubnis ausgestellt wurde, erscheint eher unwahrscheinlich, zumal für den 9. Januar 1934 seine erneute Festnahme wegen "widernatürlicher Unzucht" dokumentiert ist. Möglicherweise besaß er diese "Transvestitenschein" genannte Bescheinigung noch aus der Weimarer Zeit oder hatte die Erlaubnis für sein 1933 bestehendes Engagement auf dem Hamburger Dom erhalten. Aufgrund der fehlenden Polizeiaktenüberlieferung in Hamburg lassen sich die Hintergründe heute nur schwer rekonstruieren. Zu diesem Zeitpunkt galt Heinrich Bode bei der Polizei in Altona und Hamburg "als Strichjunge" und hatte die polizeiliche Auflage erhalten, "hom[osexuelle]. Lokale" zu meiden. Sein öffentliches Auftreten in Frauenkleidung soll auch im März 1935 Anlass für eine "Schutzhaft" im KZ Fuhlsbüttel gewesen sein. Wegen "Un­zucht" saß er vom 27. September 1935 bis 3. Januar 1936 in Unter­su­chungshaft und wurde danach zur Polizeibehörde "entlassen". Eine Anklage erfolgte seinerzeit nicht.

Mitte Oktober 1936 wurde der Polizei jedoch sein seit Sommer 1934 bestehendes Verhältnis mit Kurt Hahn (geb. 1912) bekannt, den er im Lokal Monte Carlo in St. Pauli kennengelernt hatte. Gemeinsam waren Kurt Hahn und er im August 1936 vom Arbeitsamt zu einem Ernteeinsatz in die Dörfer rund um Mölln geschickt worden. Vom 16. Oktober 1936 an wurde Bode zunächst für zwei Monate als "Schutzhäftling" im KZ Fuhlsbüttel festgehalten, anschließend in die Untersuchungshaftanstalt am Holstenglacis überstellt. Heinrich Bode stand nun zum zweiten Mal wegen seiner homosexuellen Veranlagung vor Gericht. Dort betonte er, dass von der Gestapo Aussagen über die Art seiner sexuellen Handlungen von ihm erzwungen worden seien, die nicht zuträfen. So habe er lediglich Onanie, aber keinen Mundverkehr ausgeübt. Am 7. Januar 1937 verurteilte ihn das Amtsgericht Hamburg wegen fortgesetzten Vergehens gegen § 175 alter und neuer Fassung zu achtzehn Monaten Haft. Der Richter Friedrich Bertram betonte in seiner Urteilsverkündung "... die Strafbestimmung des § 175 StGB schützt nicht in erster Linie höchstpersönliche Rechtsgüter eines einzelnen, sondern vorwiegend das Interesse der Volksgesamtheit an der Rein- und Gesunderhaltung des Volkes in sittlicher und körperlicher Beziehung". Heinrich Bode verbüßte die Gefängnisstrafe in einer Hamburger Strafanstalt bis zum 12. April 1938, ein zwischenzeitlich gestelltes Gnadengesuch wurde nicht befürwortet.

Gut ein Jahr später wurde ihm im Mai 1939 seine Leidenschaft, "im Fummel" aus dem Haus zu gehen, erneut zum Verhängnis. Er kam vom 31. Mai bis 8. Juni 1939 ins KZ Fuhlsbüttel und wurde einen Monat später wegen "groben Unfugs" zu einer einmonatigen Haftstrafe verurteilt. Heinrich Bode hatte in Frauenkleidern mit seiner Tante ein Tanzlokal aufgesucht.

Am 12. November 1939, gegen 7.30 Uhr, übergaben drei Wehrmachtsangehörige einen Mann in Frauenkleidung dem diensthabenden Polizeibeamten auf dem Fischmarkt mit den Worten: "Das ist ein warmer Bruder." Es handelte sich um Heinrich Bode, der in Frauenkleidern, wiederum zusammen mit seiner Tante, eine Schankwirtschaft in der Kleinen Elbstraße 19 besucht hatte. Dort kam er mit den drei Soldaten ins Gespräch über den Polenfeldzug und gab ihnen Bier aus. Da er ihnen verdächtig vorkam, hielten die drei ihn fest, als er zur Toilette gehen wollte, und brachten ihn zu dem Polizisten. Da dieser den Verdacht hatte, Bode habe sich "wieder homosexuell betätigt", wurde er festgenommen.

In einem Verhör Ende 1939 beschrieb er seine Empfindungen wie folgt: "Schon mit meinem 20. Lebensjahr habe [ich] Frauenkleider getragen. Früher hatte ich die Erlaubnis solche zu tragen. Frauenkleider habe ich derzeit deshalb gerne getragen, weil ich in solcher Kleidung gerne alleine tanzte. In sinnlicher Beziehung übt diese Kleidung auf mich keine Reize aus. Ich fühle [mich] lediglich nur wohl, wenn ich in Frauenkleidung alleine tanzen kann."

Aus dem Polizeiprotokoll: "Bode trug über dem nackten Körper einen Büstenhalter, den er mit Strümpfen ausgestopft hatte. Unterwäsche trug er nicht, sondern hatte ein geblümtes Kleid an, über dem er einen Damenschal trug. Er war weiter mit Damenhalbschuhen und langen Damenstrümpfen bekleidet. Er führte eine schwarze Damenhandtasche bei sich, enthaltend, 1 Paar Damenhandschuhe, 1 Damenschal, 1 Brosche, Puder und Puderquaste und eine leere Weinflasche. Bodes Aug[en]brauen waren rasiert und die Wimpern gefärbt. Das Gesicht hatte er mit einem bräunlichen Puder eingepudert." Weiter heißt es: "... Bode ist ein weibischer Mensch, der sich allem Anschein nach nur dann glücklich fühlt, wenn er Frauenkleider tragen kann ... Daß Bode im höchsten Maß weibisch veranlagt ist, geht schon daraus hervor, weil er in seiner Damenhandtasche, die er mit sich führte, lediglich das führte, was Frauen in Taschen bei sich führen, z. B. Puder, Schminke, Damenbrosche u.s.w."
Zwei Tage nach Bodes Festnahme traf der zuständige Kriminalsekretär Albert Gaier folgende Vorverurteilung: "Bode ist ein willen[s]schwacher Mensch, der bestimmt wieder Frauenklei­dung anzieht, wenn er auf freiem Fuß ist. Da Bode erst 28 Jahre alt ist, besteht die Möglichkeit, diesen noch auf eine gute Bahn zu bringen, jedoch dürfte dazu eine längere Vorbeugehaft erforderlich sein. In der heutigen Staatsführung kann es nicht angehen, daß sich Männer in Frauenkleidung frei auf der Straße bewegen und außerdem Lokale aufsuchen."

Zum vierten Mal in seinem Leben wurde Heinrich Bode vom 14. bis zum 21. November 1939 in das KZ Fuhlsbüttel eingewiesen. Danach folgte seine Verlegung in die Untersuchungshaftanstalt am Holstenglacis und es wurden Gutachten über ihn erstellt, darunter ein gerichtsärztliches Gutachten vom Obermedizinalrat Hans Koopmann, das erwartungsgemäß für Heinrich Bode ungünstig ausfiel und mit stereotypen Formulierungen aufwartete: "Es handelt sich demnach bei Bode um einen geistig beschränkten, willensschwachen, hysterischen, geltungssüchtigen, passiv homosexuellen (bisexuellen) Psychopathen mit Neigung zum Vornehmen einer Transvestitur." Der Gutachter stellte Heinrich Bode eine ungünstige kriminalbiologische Prognose und schlug als erste "Sicherungsmaßnahmen" dessen Entmündigung und Entmannung vor. Strafrechtlich hielt er ihn für zurechnungsfähig, obwohl er ihm laut "§ 6,1 BGB" eine Geistesschwäche attestierte.

Am 25. April 1940 wurde Heinrich Bode vom Landgericht Hamburg wegen Verstoßes gegen § 175 in fünf Fällen und groben Unfugs gemäß § 360 zu zwei Jahren Gefängnis und sechs Wochen Haftstrafe verurteilt. Letztere galt durch die Untersuchungshaft als verbüßt. Es wurde ihm der "dringende Rat" erteilt, sich entmannen zu lassen. Einen Monat nach der Urteilsverkündung wurde er aus dem Untersuchungsgefängnis ins Männerstrafgefängnis nach Wolfenbüttel überstellt und aus diesem am 2. Februar 1942 ins Polizeigefängnis Hütten zur Kripo "entlassen". Wie in vielen vergleichbaren Fällen, begann nun für Heinrich Bode die tödlich endende "Nebenjustiz" durch die am 10. April 1942 erfolgte Einlieferung ins KZ Buchenwald. Während er sich dort als Häftling Nr. 3966 im Block 30 in "Vorbeugehaft" befand, stimmte der Hamburger Amtsgerichtsrat Heinrich Ohlrogge im Juni 1942 seiner Entmündigung wegen "Geistesschwäche" mit folgender Begründung zu: "Er bedarf einer straffen Aufsicht und Lenkung, um seine abartigen Neigungen, die ihn schon des öfteren mit dem Strafgesetz in Konflikt gebracht haben, zu unterdrücken und um es ihm zu ermöglichen, ein vernunftgemäßes Leben zu führen."

Die "straffe Aufsicht" endete am 13. September 1943 mit dem Tod Heinrich Bodes im KZ Buchen­wald.

© Bernhard Rosenkranz(†)/Ulf Bollmann

Quellen: StaHH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 3496, 846/37 u. 2413/40; 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Abl. 2, 451 a E 1, 1 a u. Abl. 2, 451 a E 1, 1 d; 242-1 II Ge­fängnisverwaltung II, Ablieferung 16; Auskünfte von Rainer Hoffschildt, Hannover und Dr. Gottfried Lorenz, Glinde; zur Frage der Ausstellung von Transvestitenscheinen vgl. auch Stefan Micheler, Selbstbilder und Fremdbilder der "Anderen", S. 285ff. sowie die geplante Veröffentlichung von Rainer Herrn, Berlin, zum "Forschungsdesiderat" der "Transvestiten in der NS-Zeit"; Rosenkranz/Bollmann/Lorenz, Ho­­mo­sexu­ellen-Verfolgung, S. 66–67, 201.

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