Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine


zurück zur Auswahlliste

Hedwig Buchthal * 1874

Hallerstraße 52 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
HEDWIG BUCHTHAL
JG. 1874
EINGEWIESEN 1940
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 23.9.1940
BRANDENBURG
ERMORDET 23.9.1940
"AKTION T4"

Hedwig Buchthal, geb. 21.7.1874 in Hamburg, ermordet in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel am 23.9.1940

Stolperstein in Hamburg-Rotherbaum, Hallerstraße 52

Hedwig Buchthal wurde am 21. Juli 1874 in Hamburg-St. Pauli, Herrenweide 31, geboren. Ihre jüdischen Eltern, der 1845 in dem kleinen Ort Wehdem (heute: Kreis Minden-Lübbecke, Nordrhein-Westfalen) geborene Salomon Buchthal und seine Ehefrau Bertha, geborene Meyer, geboren am 18. Oktober 1849 in Hamburg, hatten am 19. Juli 1872 in Hamburg geheiratet. Wenig später, am 9. Mai 1873, erhielt Salomon Buchthal das Hamburger Bürgerrecht.

Hedwig hatte drei Brüder, die alle nur wenige Tage nach der Geburt starben und zwei weitere Geschwister, die tot geboren wurden.

Über Hedwig Buchthals Kindheit und Jugend ist nichts überliefert. Erst mit der Übernahme des Handelsgeschäftes ihres Vaters nach dessen Tode im Jahre 1910 lässt sich etwas über ihr Leben erfahren. Sie war inzwischen 36 Jahre alt.

Die Familie Buchthal lebte von dem Lotteriegeschäft, das Salomon Buchthal an verschiedenen Orten St. Paulis betrieben hatte, zunächst ab 1872 in der 2. Erichstraße. 1873 wechselte das Ehepaar Buchthal den Wohn- und den Geschäftssitz in die Straße "Herrenweide, Pl. 25". Ab 1874, Hedwigs Geburtsjahr, lautete die Familien- und die Geschäftsadresse Herrenweide 31d.

1876 erweiterte Salomon Buchthal sein Geschäftsfeld. Er bezeichnete sich nun als Lotterie- und Assecuranz-Agent. Nach drei weiteren Wohnungswechseln eröffnete er 1884 ein Agentur- und Commissionsgeschäft mit einem Lager für Zigaretten-Etiketten in der Straße Großer Burstah in der Hamburger Altstadt. Seit 1888, als Salomon Buchthal in das Handelsregister eingetragen worden war, arbeitete er als Vollkaufmann. 1896 verlegte er sein Geschäft in die Große Johannisstraße 2, ebenfalls in der Altstadt. Hier blieb die Familie elf Jahre, bis sie in die nahe gelegene Stadthausbrücke 37 in der Neustadt wechselte. Auch hier lebte und arbeitete Familie Buchthal mehrere Jahre. Wahrscheinlich hatte Hedwig Buchthal schon einige Zeit im väterlichen Betrieb gearbeitet, als sie am 18. November 1910 Prokura für das väterliche Unternehmen erhielt. Drei Tage später, am 21. November 1910, starb ihr Vater. Ihre Mutter war bereits 1906 gestorben. Hedwig, ledige Buchhalterin, übernahm mit dem Ableben des Vaters das Geschäft und führte es unter dem bisherigen Namen fort. Sie weitete den Zweck des Unternehmens und sein Tätigkeitsfeld erheblich aus, wie dem Adressbuch von 1913 zu entnehmen ist.

Im Hamburger Adressbuch war "Frl. Hedwig Buchthal" als Inhaberin der Handelsvertretung S. Buchthal bis 1924 verzeichnet, seit 1904 mit dem Zusatz "HR", der auf einen Eintrag der Firma im Handelsregister hinwies.

Hedwig Buchthal behielt die Adresse Stadthausbrücke 37 bis 1915 bei und wechselte dann in die Klosterallee 124 in Hoheluft-Ost. Bis 1921 sind zahlreiche weitere Wohn- und Firmensitze im Hamburger Adressbuch erfasst. Die vielen Wohnsitzänderungen deuten darauf hin, dass sich Hedwig Buchthals Geschäftstätigkeit rückläufig entwickelte. Der Niedergang der Firma wird mit der von 1922 bis 1924 im Hamburger Adressbuch ausgewiesenen Adresse, Rappstraße 9, Hinterhaus 1, zur Gewissheit.

In der Rappstraße 9 wohnte zur selben Zeit die "Kochfrau" (Hamburger Adessbuch) Bertha Nürenberg (siehe dort). Hedwig Buchthal und Bertha Nürenberg erlitten 1940 das gleiche Schicksal. Wir wissen nicht, ob sie sich bereits 1922 kannten.

Der weitere Lebensweg Hedwig Buchthals bleibt zunächst weitgehend im Dunkeln. Wir wissen nur, dass sie 1936 in der Hallerstraße 52 (Stadtteil Rotherbaum) zur Untermiete wohnte. Dies dürfte ihre letzte frei gewählte Adresse gewesen sein. Wahrscheinlich hatte sich ihr Gesundheitszustand im Laufe der Jahre allmählich verschlechtert und zur Aufnahme in psychiatrischen Einrichtungen und zuletzt im Versorgungsheim Farmsen geführt.

Aus einer Meldung des Versorgungsheims Hamburg vom 25. Mai 1940 über die in den Heimen Holstenhof und Farmsen lebenden Jüdinnen und Juden an die Staatsverwaltung Hamburg ergibt sich, dass sich Hedwig Buchthal im Versorgungsheim Farmsen befand und dass sie an "Psychopathie mit paranoiden Zügen" litt.

Hedwig Buchthal wurde am 18. September 1940 aus dem Versorgungsheim Farmsen in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn in Hamburg überführt. Diese Verlegung war Teil der seit Frühjahr/Sommer laufenden Vorbereitung einer Mordaktion der Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4 (T4) an geisteskranken Menschen jüdischer Herkunft. Die "Euthanasie"-Zentrale ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 nach Langenhorn zu verlegen. Nachdem alle jüdischen Patienten aus den norddeutschen Anstalten in Langenhorn eingetroffen waren, wurden sie gemeinsam mit den dort bereits länger lebenden jüdischen Patienten am 23. September 1940 in einem Transport von insgesamt 136 Menschen nach Brandenburg an der Havel gebracht. Noch am selben Tag wurden sie in dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses mit Kohlenmonoxyd getötet. Nur eine Patientin, Ilse Herta Zachmann, entkam diesem Schicksal zunächst (siehe dort).

Auf dem Geburtsregistereintrag von Hedwig Buchthal wurde notiert, dass sie laut Standesamt Chelm II am "30.4.1941" gestorben sein soll und ihr Tod unter der Nummer 487/1941 registriert worden ist. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch), einer Stadt nordöstlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.

Stand: November 2017
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; 9; AB; StaH 231-7 Staatsangehörigkeitsangelegenheiten A_1_Bd. 22 u. 5701; 331-7_ A I e 40 Bd. 5 (Bürgerbrief); 332-3 Zivilstandsaufsicht A 253 Geburtsregisterauszug Nr. 1261/1874 Hedwig Buchthal; A 48 Geburtsregisterauszug Nr. 2238/1868 Anna Buchthal, B 47 Heiratsregisterauszug Nr. 1725/1872 Salomon und Bertha Buchthal, A 245 Geburtsregisterauszug Nr. 787/1873 Buchthal ohne Vornamen; 332-5 Standesämter 14 Sterberegisterauszug Nr. 1206/1876 Aron Buchthal, 32 Geburtsregisterauszug Nr. 941/1877 James Buchthal, 125 Sterberegisterauszug Nr. 1465/1882 Arnold Edmund Buchthal, 125 Sterberegisterauszug 1465/1906 Arnold Edmund Buchthal, 567 Sterberegisterauszug Nr. 1562/1906 Bertha Buchthal, 1881 Geburtsregisterauszug Nr. 1971/1876 Aron Buchthal, 1906 Geburtsregisterauszug Nr. 1504/1877James Buchthal, 2028 Geburtsregisterauszug Nr. 2022/1882 Arnold Edmund Buchthal; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.1939 bis 27.1.1941; Staatsarchiv Hamburg 731-1, Handschriftensammlung, Markgraf, Kurt, Aus der Geschichte Farmsen des Pflegeheims Farmsen: Vom Werk- und Armenhaus zum Pflegeheim.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang