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Porträt Fritz Eilken
Fritz Eilken
© aus Buch: Hansen und Genossen, S. 127

Fritz Eilken * 1903

Hasselbrookstraße 150 (Wandsbek, Eilbek)


HIER WOHNTE
FRITZ EILKEN
JG. 1903
VERHAFTET 1937
HAMBURG
1939 NORTORF
1943 BEWÄHRUNGSBATAILLON 999
???

Fritz Otto Eilken, geb. am 10.5.1903 in Söhren Krs. Segeberg, Verurteilung wegen "Vorbereitung zum Hochverrat", Bewährungsbataillon 999, für tot erklärt auf den 31.12.1945

Hasselbrookstraße 150

Fritz Eilken war seit seiner Jugend in Organisationen der Arbeiterbewegung aktiv. Er bezahlte dieses Engagement am Ende mit dem Leben.

Fritz Eilken wurde am 10. Mai 1903 in Söhren, einem kleinen Dorf im Kreis Segeberg nördlich von Hamburg, geboren. Er hatte zwei Geschwister. Fritz’ Vater, der Schuhmacher Carl Eilken, starb als Fritz sechs Jahre alt war. Nach dem Tod ihres Mannes zog die Mutter Ida, geborene Carlsdotter, eine gebürtige Schwedin, 1909 mit den Kindern nach Bad Oldesloe. Fritz Eilken besuchte die Volksschule bis zur zweiten Klasse (das entspricht der heutigen siebten Klasse). Anschließend arbeitete er bei einem Bauern als Kleinknecht.

Im Alter von 16 Jahren kam Fritz Eilken mit der Arbeiterjugend in Berührung, wurde Mitglied der SAJ und nahm an deren Fahrten teil. Die Gruppenabende fanden manchmal in der mütterlichen Wohnung statt.

1921 zog Fritz Eilken nach Hamburg und trat noch in demselben Jahr dem Transportarbeiterverband bei. Von 1922 bis 1933 war er beim Telegraphenbauamt in Hamburg als Arbeiter tätig. 1922 – mit 19 Jahren – wurde er SPD-Mitglied, zuletzt war er Bezirksführer in Barmbek­Nord. Dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold gehörte er seit der Gründung im Jahre 1924 an.

Am 21. März 1925 heirateten Fritz Eilken und die ein Jahr jüngere Hamburgerin Martha Vogt. Sie hatten sich in der SAJ Winterhude kennen gelernt. Das Ehepaar Eilken hatte zwei Töchter, Ellen, geboren am 27. Juli 1925, und Ursula Gisela, geboren am 24. September 1927.

Ebenfalls im Jahre 1925 wurde das Ehepaar Eilken Mitglied der "Produktion", einer genossenschaftlich organisierten Selbsthilfeeinrichtung der Arbeiterbewegung, die die preisgünstige und gesunde Lebensmittelversorgung ihrer Mitglieder zum Ziele hatte. Fritz Eilken wurde Funktionär der von den Mitgliedern allgemein nur als "Pro" bezeichneten Konsumgenossenschaft.

Das Ehepaar Eilken wohnte zunächst in der Angerstraße 9/11 in Hamburg-Hohenfelde, im Winter 1928 zog die Familie um nach Barmbek-Nord in die Tischbeinstraße 16.

Die Liste seiner politischen und gesellschaftlichen Mitgliedschaften zeigt, dass Fritz Eilken ein sehr interessierter und politisch aktiver Mensch gewesen war. Martha Eilken berichtete:
"1929 war mein Mann fast immer unterwegs nach Feierabend, entweder für die Partei, den Reichsbanner, den Transportarbeiterverband oder die Produktion. Häufig von sonnabends bis Sonntagabend. 1930/31 war er 4 Wochen [...] zum Kursus. 1932 half ich meinem Mann, schrieb die Befehle vom Reichsbanner aus und brachte sie zu den Untergruppenführern."

Nach ihrer Machtübernahme verfolgten die Nationalsozialisten nicht nur die KPD, sie verboten bald auch den Reichsbanner (März 1933) und die SPD (Juni 1933). Damit fand Fritz Eilkens Mitgliedschaft in diesen beiden Organisationen ihr formales Ende. Tatsächlich setzte er die politische Arbeit verdeckt fort, wie Martha Eilken überlieferte:

"Schlimm war das Jahr 1933, häufig kamen die Befehle nach 1 Uhr nachts, wenn wir eben eingeschlafen waren, dann ging mein Mann fort und kam gegen 4 oder 5 Uhr heim, die verhängnisvolle Wahlnacht [5./6.März 1933] blieb er ganz aus, morgens gegen 7 Uhr kam er heim, zog sich still um und ging zur Arbeit. Dann kam die Zeit der illegalen Arbeit. Die Flugblätter wurden gebracht. Abends ging ich fort, weil mein Mann mit den Genossen alleine sein wollte, es wurde die erste Zeit noch geklebt, einer ging mit der Klebe voraus, die anderen hatten die Plakate."

Im August 1933 verlor Fritz Eilken seine Stellung beim Telegraphenbauamt auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (§ 4), das am 7. April 1933 erlassen worden war. Er ging "stempeln", d. h. die Familie lebte von Arbeitslosenunterstützung. Eine neue Beschäftigung wurde ihm zunächst verwehrt, weil das Arbeitsamt eine Zuweisung aus politischen Gründen verweigerte. Fritz Eilken hielt weiterhin Kontakt zu seinen SPD-Genossen. Sie verteilten Flugblätter, die sie konspirativ von Hand zu Hand weiterreichten.

Im April 1936 erhielt Fritz Eilken Arbeit bei der Hamburger Traditionsfirma Heidenreich & Harbeck in Barmbek. Zur selben Zeit trat er in die Deutsche Arbeitsfront (DAF) ein. Die DAF war der nationalsozialistische Einheitsverband der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. War das der Preis für die Einstellung bei Heidenreich & Harbeck? Dort wurde er laut Anklageschrift am 1. Februar 1937 in "Schutzhaft" genommen und am 4. Februar 1937 zunächst wieder aus der Haft entlassen, am 11. oder 15. April erneut verhaftet.

In Martha Eilkens Bericht weichen die Datumsangaben leicht von denen in der Anklageschrift ab. Danach wurde Fritz Eilken am 2. Februar 1937 zum ersten Mal verhaftet und kam nach zwei Wochen wieder frei. Sie erinnerte sich: "Am 2. Feb. 1937 kam die Gestapo zu uns, mein Mann hatte Arbeit und war gerade fort, sie hielten sich nicht lange auf. Ich ging dann zu einer Genossin, doch als ich zurückkam, sagten die Kinder mir, Pappie sei mit 2 Männern da gewesen. Ich fuhr sofort ins Rathaus, doch durfte ich meinen Mann nicht sehen, täglich versuchte ich es immer vergebens. Dann war mein Mann im U. G. [Untersuchungsgefängnis]. Dann hieß es, ich dürfe schreiben, bald sagte man mir, ‚morgen können Sie Ihren Mann sehen und Wäsche und Eßwaren abgeben.‘ Ich flog nach Hause, kaufte ein, packte ein Paket und konnte vor Aufregung die Nacht nicht schlafen. Gegen 10 Uhr war ich im U.G., erleichtert in der Hoffnung den Mann zu sehen. Keiner kann mein Entsetzen verstehen, als man mir sagte, mein Mann sei nicht dort. Nun fing das Suchen wieder an, und das Paket war schwer, gegen Mittag wußte ich wo mein Mann war, doch die Tür war verschlossen, ich klingelte, ein Beamter fragte mich nach meinem Begehr, ist nicht hier, sagte er, und schloss die Tür, da bekam ich den ersten Zusammenbruch. Meine Schreie hallten durch das Gerichtsgebäude. Menschen strömten herbei und führten mich hinaus. Doch ich wollte wissen wo mein Mann war, so kam ich zum Untersuchungsrichter, nach einer heftigen Debatte schickte er mich hinauf zum Zimmer so und so, doch leider verweigerte man mir den Zutritt. [...] Nach einigen Tagen kam mein Mann. Er bekam seine Arbeit wieder. Am 1. April zogen wir um und am 11. April in der Nacht kamen sie wieder und holten mir den Mann weg. Es war eine furchtbare Zeit, meine Große lag sehr krank, der Arzt kam täglich, meine Mutter lag auf dem Sterbebett, am 4. Mai schlief sie ein, in der Wohnung noch die Handwerker und ich täglich zum U. G. und zum Verteidiger, die Sache stand schlecht, mein Mann wußte, es waren die meisten Genossen verhaftet, ein Wort zuviel konnte noch weitere Verhaftungen bringen, er schwieg dann und galt als besonders fanatisch."

Über die Orte und die Umstände der Vernehmungen ist nichts überliefert, auch nicht darüber, ob er den sicher auch bei ihm angewandten von Folter begleiteten brutalen Verhörmethoden standhalten konnte.

Die Anklageschrift des Generalstaatsanwalts beim Hanseatischen Oberlandesgericht vom 23. März 1937 zählt auf:
"Der Beschuldigte Eilken hat zugegeben, von Herbst 33 – Mai/Juni 1935 von dem Beschuldigten Haase [Wilhelm Haase, geboren 9.3.1907] [...] ca. 5mal eine ,Sozialistische Aktion‘ und andere Broschüren, z. B. ,Konzentrationslager Oranienburg‘, von Harder und Kabs [...] insgesamt ca. 9mal die ,Sozialistische Aktion‘ erhalten zu haben. Alle Schriften hat Eilken nach dem Lesen an die Überbringer zurückgegeben. Nach der Angabe des Beschuldigten Haase [...] hat Eilken im Jahre 1934 auch einmal RM 0,75 und einmal RM 0,50 für die Unterstützung politischer Häftlinge gezahlt. Diese Zahlungen bestreitet Eilken."

Die Anklageschrift führte zu der von Martha Eilken erwähnten erneuten Verhaftung am 11. April 1937. Er wurde in der Nacht aus der Wohnung "abgeholt" und ins Untersuchungsgefängnis Hamburg gebracht. Hafturlaub für die Beerdigung seiner am 24. April 1937 verstorbenen Schwiegermutter wurde ihm verweigert.

Einen Monat später, am 11. Mai 1937, wurde Fritz Eilken wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu zwei Jahren und drei Monaten Zuchthaus sowie zu drei Jahren Ehrverlust verurteilt. Die Untersuchungshaft wurde ihm nicht angerechnet. Seine Haft verbüßte Fritz Eilken zunächst im Zuchthaus Hamburg-Fuhlsbüttel und ab März 1939 bei dem Moorkommando in Schülp bei Nortorf, einer Außenstelle des Zuchthauses Hamburg. Fritz Eilkens Haftkarteikarte weist aus, dass er am 11. August 1939 zur Staatspolizei Hamburg überstellt wurde.

Der von Martha Eilken erwähnte Umzug am 1. April 1937 führte die Familie in die Hasselbrookstraße 150 im Hamburger Stadtteil Eilbek. Die Wohnung lag in einem in der Hasselbrookstraße eher untypischen Backsteinblock in Nachbarschaft zu dem Hitler-Jugend-Haus am Hasselbrook-Bahnhof.

Aus der Wohnung in der Tischbeinstraße 16 in Hamburg-Nord war die Familie zwangsweise von den Nationalsozialisten entfernt worden. Während der Haftzeit musste Martha Eilken den Lebensunterhalt für sich und ihre beiden Töchter verdienen. Ellen Eilken, die ältere der beiden Töchter, erinnerte sich später:

"Als erstes bestellte Mutter unsere Tageszeitung ab und nahm ihre jungverheiratete Schwester und deren Mann als Untermieter auf. Mit der Tante im Haus hatten wir Mädel immer unsere Aufpassung, wenn wir aus der Schule kamen. Nach dem Auszug von Onkel und Tante fand Mutter einen neuen Untermieter. Ich bekam einen Hausschlüssel, ich war ja die ‚Große‘.

Mutter begann eine erste Arbeit in der Innenstadt, wohin sie täglich mit dem Rad fuhr. Nachdem sie zu Karstadt Barmbek gewechselt war, hatte sie endlich einen kürzeren Arbeitsweg. Schließlich konnte Mutter für unsere Wohnäuser den Verwalterposten übernehmen mit Treppenhausreinigung, Gartenpflege und Schneeschieben. Bei der Treppenhausreinigung musste ich freitags helfen. Taschengeld verdiente ich mir mit Baby-Ausfahren."

Martha Eilken berichtete später über die Haftentlassung:
"Am 11. August 1939 kam er heim, ich war im Geschäft, unsere Große war im Hause, sie hatte Badewasser fertig, er nahm ein Bad, zog sich um und ging mit seiner Großen einholen, Blumen kaufte er für die Mutti! Es war für mich ein unbeschreiblicher Augenblick, als sie mir Mittags entgegen kamen, die Tischzeit war kurz, als ich Abends wiederkam, waren Kollegen dort, sie blieben bis Mitternacht, und am Sonnabend hatte ich keine Tischzeit.
Mein Mann bekam gleich Arbeit, so blieb ich [wieder] im Hause [...].
Im Kriege sollte mein Mann Blockwart vom Luftschutz werden, doch als sein Führungszeugnis kam, dachten sie, nun sollte ich es übernehmen, ich weigerte mich, sie bedrängten mich, doch ich blieb fest."

Der Historiker Holger Martens schreibt über die Zeit nach der Haftverbüßung Eilkens, dass dieser sich ein dauerhaftes Magenleiden zugezogen hatte. Zudem verhinderte ein Vermerk in seiner Arbeitsamtsakte, dass das Arbeitsamt einer Einstellung als Facharbeiter zustimmte. Schließlich habe er Arbeit bei der Firma Siemens & Halske gefunden.

Doch auch dieses Arbeitsverhältnis dauerte nur kurz. Am 3. Februar 1943 wurde Fritz Eilken zum Bewährungsbataillon 999 eingezogen. Bei dem 4.-Afrika-Schützen-Regiment 963 erhielt er am 5. Mai 1943 eine Erkennungsmarke. Im Juni 1943 kam er – so seine Familie – in Griechenland zum Einsatz.

Die Familie wurde im Juli 1943 in der Hasselbrookstraße 150 ausgebombt. Dennoch erhielt Fritz Eilken keinen Heimaturlaub.

Im Oktober 1943 gehörte der Schütze Fritz Eilken zu dem Truppenteil 10./XVII Festung Infanterie-Bataillon 999. Wegen einer Erkrankung hielt er sich im Heeres-Feldlazarett Athen auf. Am 13. Oktober 1943 wurde er einem Lazarettzug überstellt, der ihn am 22. Oktober 1943 in das Reserve-Lazarett Fürstenfeld brachte. Weihnachten 1943 erhielt Fritz Eilken Genesungsurlaub. Dabei sah er seine Familie zum letzten Mal.

Am 27. Januar 1944 kam Fritz Eilken zum Schützen-Ersatz-Bataillon 999, im Februar 1944 nach Baumholder/Nahe. Ab 30. April 1944 befand er sich bei dem 2./XVII Festung Infanterie-Bataillon 999. Seine letzte Nachricht datiert vom 16. August 1944 aus dem Einsatzraum Leontina in Bessarabien. Von einem Kameraden erfuhr Martha Eilken, dass Fritz Eilkens Einheit dort am 20. August 1944 eingeschlossen und nach Odessa in Gefangenschaft gekommen sein soll. Seitdem ist Fritz Eilken verschollen. Er wurde auf den 31. Dezember 1945 für tot erklärt.

Auf dem Friedhof Ohlsdorf in Hamburg liegt ein Grabstein für Fritz und Martha Eilken im Bereich der Begräbnis- und Gedenkstätte der Geschwister-Scholl-Stiftung.

Stand Februar 2014
© Ingo Wille

Quellen: AB; StaH 332-5 Standesämter 9603-151/1925, 1070-186/1937; 242-1 II Gefängnisverwaltung II Abl. 13, Abl. 16; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 28465, 28466, 28467; Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht, Auskunft vom 19.10.2011, IIC27 1081193_677-51; Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg, Anklageschrift Staatsanwaltschaft beim Hanseatischen Oberlandesgericht OJs 65/37 (Abschrift); VVN-Hamburg, Archiv; VAN-Totenliste, S. 26; Bengelsdorf, Hansen und Genossen, S. 127ff.; Martens, Für Freiheit und Demokratie, S. 55.

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