Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine


zurück zur Auswahlliste

Hedwig Augenstern (geborene Hirsch) * 1867

Isestraße 23 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1942 Theresienstadt
1942 weiterdeportiert nach Minsk

Weitere Stolpersteine in Isestraße 23:
Gracia Gretchen Bachrach, Ingeborg Mirjam Bachrach, Hermann Bachrach, Georg Fränkel, Henriette Fränkel, Alice Maschke, Erich Wilhelm Maschke, Dr. Herbert Michaelis, Gertrud Seidl

Hedwig Augenstern, geb. Hirsch, geb. 23.8.1867, am 15.7.1942 deportiert nach Theresienstadt, am 21.9.1942 weiter nach Treblinka

Hedwig Augenstern wurde in Bromberg als Tochter von Michael und Helene Hirsch geboren. Sie war die zweite Ehefrau des verwitweten Hamburgers Salomon Augenstern, dem ein Ge­schäft für Herren- und Knabenkonfektion am Alten Steinweg gehörte. Nachdem Salomon Augenstern wahrscheinlich schon in den zwanziger Jahren gestorben war, erbte seine Frau Hedwig das Geschäft.

Als Geschäftsführer der Firma fungierte wahrscheinlich Manfred Augenstern, geboren 1901, wohl der Sohn aus Salomon Augensterns erster Ehe. Er heiratete 1930 und richtete die elterliche Wohnung in der Isestraße mit modernen Möbeln ein, die er im Einrichtungshaus Bornhold am Neuen Wall kaufte. Er besaß wertvolle Gemälde und Radierungen. 1931 wurde die Tochter Karin Helen geboren; im selben Jahr verstarb seine Frau.

Die Firma steuerte in den Konkurs und wurde im September 1933 aus dem Handelsregister gelöscht. Seitdem verfügte Manfred Augenstern über kein eigenes Einkommen mehr.

Im Juni 1936 wurde er wegen "Rassenschande" zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt, die er bis zum 15. August 1937 im Gefängnis Fuhlsbüttel verbüßte, wobei ihm 183 Tage Untersuchungshaft angerechnet wurden. Für etwa drei Monate wurde er ins Konzentrationslager Sachsenhausen überstellt. Das Urteil wurde 1947 annulliert. Im Juni 1938 geriet er noch einmal für acht Tage in "Schutzhaft" im Konzentrationslager Fuhlsbüttel, vermutlich im Rahmen der "Juni-Aktion", die auch vorbestrafte Juden einbezog. Er wurde jedoch nicht ins KZ Sachsenhausen eingeliefert, möglicherweise deshalb, weil er nachweisen konnte, dass seine Auswanderung bevorstand.

Kurz darauf konnte Manfred Augenstern in die USA ausreisen. Die Überprüfung durch die Oberfinanzbehörde hatte ergeben, dass er kein Vermögen besaß; seine Stiefmutter hatte die Reisekosten bezahlt. Im Fragebogen für Auswanderer gab er an, er wolle "Landwirtschaft erlernen". Mit ihm reiste seine zweite Frau, die elf Jahre jüngere Rosa, geborene Arnstein. Die beiden hatten nur normales Reisegepäck bei sich. Der Hausstand sollte von einer Spedition befördert werden. Diese drängte am 2. September bei der Devisenstelle auf beschleunigte Abfertigung, da Manfred Augenstern Weisung hatte, bis zum 15. September 1938 auszuwandern. Die Intervention half nicht, die Möbel blieben zurück.

Die Augensterns nahmen die siebenjährige Tochter Karin nicht mit in die USA. Sie sollte nach­kommen, wenn sich ihre Eltern eingelebt hatten. So war es die Aufgabe der 71-jährigen Großmutter, Hedwig Augenstern, sich um die Enkelin zu kümmern und den Transport der Möbel zu organisieren.

Im Juli 1939 wurde die Unbedenklichkeitsbescheinigung für das mittlerweile achtjährige Mädchen (im Behördendeutsch: "Frl. Augenstern"!) ausgestellt. Das Vermögen bestand aus 2000 RM für die Passage und den "Lift" für die Möbel, eine Art Container.

Karin sollte allein mit einem Dampfer der HAPAG reisen. Die Liste für ihr Handgepäck, das genau angegeben und genehmigt werden musste, enthielt hauptsächlich Kleidung, vieles hatte die Großmutter selbst für sie genäht. Zwei silberne Teelöffel und zwei Löffel wurden gestrichen. Der "Lift" sollte in dem Schiff verfrachtet werden, mit dem das Kind fuhr.

Jedoch zog sich das Hin und Her um die verschiedenen Genehmigungen erneut so lange hin, dass am Ende auch Karin nur mit Reisegepäck auf den Weg geschickt werden konnte. Sie verließ Hamburg am 10. August 1939, drei Wochen vor Kriegsbeginn.

Hedwig Augenstern lebte jetzt allein in der Wohnung in der Isestraße. Inzwischen hatte das Amtsgericht entschieden, dass das gesamte Mobiliar einschließlich der Kunstwerke Karin als Erbin ihrer verstorbenen Mutter gehörte. Wieder drängte der Spediteur, diesmal, weil Hedwig Augenstern die Wohnung bis zum 1. September verlassen musste. Nun wurde die Versendung zwar genehmigt (nur die Wäsche musste "z. Zt. abgeliefert werden"). – Aber: "In Folge des Krieges kann Versendung z. Zt. nicht erfolgen". Die Möbel wurden wahrscheinlich irgendwo eingelagert. Hedwig Augenstern musste in das "Judenhaus" Bornstraße 16 ziehen.

Endlich, im September 1941 waren Möbel und Kunstwerke für 1650 RM verkauft, nachdem sie Hedwig Augenstern durch Schenkung vermacht worden waren. Das Geld kam auf ein gesperrtes Konto. Davon durfte die Besitzerin monatlich 150 RM für ihren Lebensunterhalt abheben.

Noch einmal musste Hedwig Augenstern umziehen. Der Deportationsbefehl nach Theresienstadt zum 15. Juli 1942 ereilte sie im "Judenhaus" in der Frickestraße 24. Von Theresienstadt wurde sie zwei Monate später nach Treblinka gebracht und dort ermordet.

© Christa Fladhammer

Quellen: 1; 2; 5; AfW 140401.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

druckansicht  / Seitenanfang