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Selma Cohn * 1873

Grindelallee 126 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
SELMA COHN
JG. 1873
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
13. AUG. 1939

further stumbling stones in Grindelallee 126:
Josef Lasdun, Aurelia Lasdun, Sophie Gertrud Lasdun, Charles Lasdun, Fanny Lasdun, Sulamith Lasdun, Valesca Lewin

Selma Cohn, geboren am 8.2.1873, gedemütigt/entrechtet, Flucht in den Tod am 13.8.1939

Grindelallee 126, Rotherbaum

Selma Cohn war als Kind des jüdischen Ehepaares Samuel David Cohn und Marianne Cohn, geb. Cassuto, in Bremen geboren worden. Das Ehepaar bekam in Bremen vier Kinder Joseph, geboren am 1.6.1869, Selma, geboren am 8.2.1873, Emil, geboren im Februar 1878 und im Mai des Jahres verstorben, und Julius Cohn, geboren am 8.6.1882.

Samuel David Cohn starb am 22. Februar 1906, Marianne Cohn am 27. März 1917, die beide wurden auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt.
Selmas Vater betrieb ein Herrenbekleidungsgeschäft in Bremen. 1869 wurde es erstmals im Bremer Adressbuch erwähnt. Bis 1881 befand es sich in der Straße Sielwall 1a.

Wann die Familie nach Hamburg zog, wissen wir nicht. Das Leben von Selma Cohn hat nur wenige auffindbare biografische Spuren hinterlassen. Über ihre Kindheit, Jugend und eine eventuelle Ausbildung ist nichts bekannt. Sie zog 1932 zu ihrem Bruder Julius Cohn und dessen Ehefrau Gertrud in Hamburg in die Straße Hauersweg 10 in Winterhude. In der Kultussteuerkartei der Jüdischen Gemeinde Hamburgs ist sie nicht als selbständiges Mitglied, sondern als Haushaltsmitglied ihres Bruders eingetragen.

1935 wechselte Selma Cohn in ein Zimmer zur Untermiete bei David van Son (geboren am 31.5.1876) und seiner Familie, in der Schlüterstraße 63 in Rotherbaum. Nun legte die Jüdische Gemeinde eine eigene Kultussteuerkarte für sie an. Einkünfte sind auf der Kultussteuerkarte von Selma Cohn nicht verzeichnet. Vermutlich wurde sie von ihrem Bruder Julius Cohn finanziell unterstützt. Die Ehefrau Rachel Schelly van Son, geboren am 5.1.1887, und die Tochter Ingeborg, geboren am 12.3.1909, flüchteten 1940 in die USA, aber zu diesem Zeitpunkt lebte Selma Cohn nicht mehr dort. (David van Son wurde am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort im Mai 1945 befreit.)

Selma Cohn zog nach 2 ½ Jahren zu Clara Ida Helene Bertz (geboren am 19.4.1883) in die Heinrich-Barth-Straße 3 in Rotherbaum. Sie zahlte für ihr Zimmer monatlich 27 RM. Doch auch hier konnte sie nicht länger bleiben: Helene Bertz erkrankte an einer Depression, wurde unter Vormund gestellt und am 27. November 1937 in der Heilanstalt Langenhorn aufgenommen.

Selma Cohn musste sich eine neue Bleibe suchen. Sie fand ein Untermietzimmer bei Ernst Alsberg, geboren am 8.6.1879, in der Werderstraße 7 in Harvestehude. (Ernst Alsberg wurde am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt und 1944 nach Auschwitz weiterdeportiert. Siehe www.stolpersteine-hamburg.de).

Ihre letzte Unterkunft fand Selma Cohn 1938 bei Felix Epstein, geboren am 3.9.1882, in der Grindelallee 126 in Rotherbaum. Ihn hatte sie über ihren Bruder Julius Cohn kennengelernt, die beide im Bankgeschäft tätig waren. (Felix Epstein wurde am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und im Mai 1945 von den Alliierten befreit.)

Seit dem 6. August 1939 befand Selma Cohn sich als Patientin im Israelitischen Krankenhaus Eckernförder Straße 4 (heute Simon-von-Utrecht-Straße) in St. Pauli. Sie war mit der Diagnose "Nervenschwäche" eingeliefert worden. Was dem vorangegangen war, ist im Detail nicht bekannt. Doch offensichtlich hatten die Diskriminierung und die Zumutungen unter dem Nationalsozialismus Selma Cohn so zugesetzt, dass sie nicht mehr leben wollte.

Die diensthabende Nachtschwester, die die Zimmer am 13. August 1939 kontrollierte, fand Selma Cohns Bett leer und das Fenster geöffnet vor. Im Garten fand sie Selma Cohn nachts um 2.15 Uhr. Sie hatte sich aus dem Fenster im dritten Stock in den Tod gestürzt.

Selma Cohns sterbliche Überreste wurden eingeäschert und dann auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt.

Zum Schicksal der Geschwister von Selma Cohn:
Joseph Cohn hatte Hella Cohn, geboren am 11.4.1875 geheiratet. Sie lebten bis 1940 in Dänemark, wahrscheinlich gelang ihnen die Flucht nach New York.

Julius Cohn hatte am 20. April 1911 in Hamburg Gertrud Simcha Delmonte, geboren am 20.3.1890 geheiratet. Das Ehepaar wurde am 25. Oktober 1941 ins Getto von Lodz deportiert und am 15. September 1942 nach Chelmno/Kulmhof weiterdeportiert und ermordet. Für das Ehepaar liegen Stolpersteine in der Eppendorfer Landstraße 30. (Siehe www.stolpersteine-hamburg.de).

© Bärbel Klein

Quellen: 1; 4; StaH; 331-5 Polizeibehörde – unnatürliche Sterbefälle 3 Akte 1269/1939 (Selma Cohn); 351-11 AfW 12278, 46984 (Gertrud und Julius Cohn); 232-5 Amtsgericht Hamburg – Vormundschaftswesen 57 (Clara Ida Helene Bertz); 424-79/2 Stiftungen in Altona – Brandon Stiftung 11 (Gertrud und Julius Cohn); 332-5 Heiratsregister 8678 Nr. 297/1911 Julius Cohn/Gertrud Simcha Delmonte; 332-5 Sterberegister 572 Nr. 154/1906 Samuel David Cohn, 8041 Nr. 232/1917 Marianne Cohn, 1104 Nr. 505/1939 Selma Cohn; Mail am 25.07.1920 aus Bremen von Monika Maschalck mit Informationen zur Familie von Selma Cohn; www.geni.com; www.ancestry.de (Einsicht am 29.9.2020).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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