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Volker Grimm * 1936
Marckmannstraße 135 (ehemalige Kinderklinik) (Hamburg-Mitte, Rothenburgsort)
VOLKER GRIMM
GEB. 28.10.1936
ERMORDET 27.6.1941
Weitere Stolpersteine in Marckmannstraße 135 (ehemalige Kinderklinik):
Andreas Ahlemann, Rita Ahrens, Ursula Bade, Hermann Beekhuis, Ute Conrad, Helga Deede, Jürgen Dobbert, Anneliese Drost, Siegfried Findelkind, Rolf Förster, Antje Hinrichs, Lisa Huesmann, Gundula Johns, Peter Löding, Angela Lucassen, Elfriede Maaker, Renate Müller, Werner Nohr, Harald Noll, Agnes Petersen, Renate Pöhls, Gebhard Pribbernow, Hannelore Scholz, Doris Schreiber, Ilse Angelika Schultz, Dagmar Schulz, Magdalene Schütte, Gretel Schwieger, Brunhild Stobbe, Hans Tammling, Peter Timm, Heinz Weidenhausen, Renate Wilken, Horst Willhöft
Kinderkrankenhaus Rothenburgsort
Im früheren Kinderkrankenhaus Rothenburgsort setzten die Nationalsozialisten ihr "Euthanasie-Programm" seit Anfang der 1940er Jahre um.
33 Namen hat Hildegard Thevs recherchieren können.
Eine Tafel am Gebäude erinnert seit 1999 an die mehr als 50 ermordeten Babys und Kinder:
In diesem Gebäude
wurden zwischen 1941 und 1945
mehr als 50 behinderte Kinder getötet.
Ein Gutachterausschuss stufte sie
als "unwertes Leben" ein und wies sie
zur Tötung in Kinderfachabteilungen ein.
Die Hamburger Gesundheitsverwaltung
war daran beteiligt.
Hamburger Amtsärzte überwachten
die Einweisung und Tötung der Kinder.
Ärzte des Kinderkrankenhauses
führten sie durch.
Keiner der Beteiligten
wurde dafür gerichtlich belangt.
Weitere Informationen im Internet unter:
35 Stolpersteine für Rothenburgsort – Hamburger Abendblatt 10.10.2009
Stolpersteine für ermordete Kinder – ND 10.10.2009
Stolpersteine gegen das Vergessen – Pressestelle des Senats 09.10.2009
Die toten Kinder von Rothenburgsort – Nordelbien.de 09.10.2009
35 Stolpersteine verlegt – Hamburg 1 mit Video 09.10.2009
Wikipedia - Institut für Hygiene und Umwelt
Gedenken an mehr als 50 ermordete Kinder - Die Welt 10.11.1999
Euthanasie-Opfer der Nazis - Beitrag NDR Fernsehen 29.05.2010
Hitler und das "lebensunwerte Leben" - Andreas Schlebach NDR 24.08.2009
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Volker Grimm, geb. 28.10.1936 in Hamburg, ermordet am 27.6.1941
Als Volker geboren wurde, existierte die Meldevorschrift für Kinder mit Behinderungen noch nicht. Er kam als das dritte der vier Kinder eines Blankeneser Studienrats und seiner Ehefrau zur Welt. Beide Eltern bezeichneten sich bezüglich ihrer Religion als "deutschgläubig". Zum Zeitpunkt von Volkers Aufnahme im Kinderkrankenhaus Rothenburgsort, dem 13. Mai 1941, diente der Vater bei der Wehrmacht. Die Mutter reiste bald darauf mit ihren beiden Töchtern und dem anderen Sohn nach Zittau in Sachsen.
Volker war mit Komplikationen in der Frauenklinik Bülowstraße zur Welt gekommen. Sein erster Schrei ließ lange auf sich warten. Von seinem zehnten Lebenstag an war er viereinhalb Jahre lang ambulant in Behandlung bei dem Chefarzt des Altonaer Kinderhospitals in der Tresckowstraße (heutiges Altonaer Kinderkrankenhaus Bleickenallee), Herbert Mook. Einmal wurde er wegen explosionsartigen Erbrechens stationär aufgenommen.
Vom achten Lebensmonat an nahm Volkers Kopf auffällig an Größe zu. Als er eineinviertel Jahre alt war, konsultierten die Eltern den Mediziner Heinrich Lottig, der von Hamburg nach Berlin gewechselt war, wo er zum engeren Kreis des Reichsärzteführers gehörte. Er untersuchte Volker persönlich und kam zu dem Schluss, dass sein Zustand eine Entwicklungsverzögerung darstellte, die nicht erbbedingt, sondern durch Rachitis und einen schwachen Wasserkopf hervorgerufen sei. Offenbar ging es bei dieser Untersuchung um erbgesundheitliche Fragen.
Im Mai 1941 wies Mook Volker ohne Diagnose in das Kinderkrankenhaus Rothenburgsort ein. Diese Überweisung macht nur Sinn, wenn Mook wusste, dass es in Rothenburgsort eine "Kinderfachabteilung" gab und er Volker dorthin zur Beobachtung schicken wollte. Ob er selbst Volker an den "Reichsausschuss" meldete, ließ sich nicht feststellen. Volker hatte zu dem Zeitpunkt schon sein drittes Lebensjahr vollendet und gehörte eigentlich eher in eine Heil- und Pflegeanstalt als in das "Reichsausschussverfahren". Offenbar wurde schon zu diesem Zeitpunkt die Altersgrenze flexibel gehandhabt.
Der Zustand des Jungen hatte sich nicht gebessert. Er aß nach wie vor nur Breie, was ständige Verstopfung zur Folge hatte, wogegen er Einläufe erhielt. Die aufnehmende Ärztin Erika Rawie schilderte ihn als einen "geistig unterentwickelten" Jungen mit "leerem Gesichtsausdruck", der nur flüchtig nach hingehaltenen Gegenständen schaue, nicht danach greife und einige Laute vor sich hin spräche. Manchmal habe er versucht, sich aufzurichten, aber aufgrund der unterentwickelten Muskulatur von Armen und Beinen nicht sitzen können. Volker atmete durch den Mund und knirschte mit den Zähnen. Ihre Diagnose lautete "Idiotie".
Als erstes wurde an Volker ein Zuckerbelastungs-Test mit Möhren-Kartoffel-Suppe durchgeführt, vielleicht ging es dabei auch vielmehr um Bayers ernährungswissenschaftliche Forschung.
Als erste und einzige diagnostische Maßnahme im Zusammenhang mit Volkers geistiger Behinderung wurde in der vierten Klinikwoche ein Encephalogramm (s. o. Erläuterung) hergestellt, das jedoch keine Hirnmissbildung erkennen ließ. Die Beobachtungen gingen als Bericht an den "Reichsausschuss". Volkers Zustand änderte sich nicht. Seine einzige Beziehung zur Umwelt schien zu sein, dass er den Großvater erkannte.
Am 26. Juni 1941 starb Volker Grimm "plötzlich", wie sich die Krankenschwester Elisabeth Büttger erinnerte. Als sie Volkers Leichnam in die Leichenhalle trug, sah sie die Einstichstelle der tödlichen Luminal-Injektion, die ihm Erika Rawie verabfolgt hatte. Volkers Mutter zeigte den Tod ihres Sohnes beim zuständigen Standesamt an, wo als Todesursache "Idiotie nach Geburtstrauma, Kreislaufschwäche" eingetragen wurde. Die Ärztin schätzte bei seinem Tod seinen geistigen Stand als den eines dreivierteljährigen Kindes ein. Volker Grimm lag etwas über sechs Wochen im Kinderkrankenhaus Rothenburgsort. Er wurde vier Jahre und acht Monate alt. Seine Behinderung war eine Folge der Komplikationen bei der Geburt.
Volker wurde "für einen abschließenden Bericht nach Berlin" obduziert, offenbar auf Anforderung des "Reichsausschusses". Anders als üblich, nahm nicht Josef Heine vom AK St. Georg die Sektion vor, sondern Siegfried Gräff vom AK Barmbek. Bayer erklärte ihm, "das Kind ist von der Berliner Zentralstelle zur Erforschung von körperlichen und geistigen Schäden und ihrer Erblichkeit zur Beobachtung geschickt". Diese Umformulierung des Namens des "Reichsausschusses" lässt darauf schließen, dass Bayer ihn als Forschungseinrichtung sehen wollte.
Siegfried Gräff stellte ein abnorm großes Gehirn mit besonderer Überentwicklung des Stirnhirns fest, aber keinen Hydrocephalus (Wasserkopf). Volkers Tod sei durch eine Lungenentzündung eingetreten. Dass diese durch Luminal herbeigeführt wurde, hätte er nur durch einen chemischen Nachweis belegen können, den er nicht durchführte.
© Hildegard Thevs
Quellen: StaH 213-12 Staatsanwaltschaft Landgericht NSG, 0017-001, 0017-002; 332-5 Standesämter, 1145+296/1941; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn, Abl. 2000/1, 63 UA 5; Hinweis von Harald Jenner; AB 1938.