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Jacob de Groot mit Abzeichen am Kragen, bei einem letzten “Kameradentreffen“ in Hamburg
Jacob de Groot, bei einem letzten "Kameradentreffen" in Hamburg
© Privatbesitz

Jacob de Groot * 1896

Fuhlentwiete 1 (ggü. ABC-Straße) (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
JACOB DE GROOT
JG. 1896
VERHAFTET 1937
KZ FUHLSBÜTTEL
1940 BUCHENWALD
ERMORDET 21.5.1940

Jacob de Groot, geb. am 20.7.1896 in Hamburg, inhaftiert 1937, 1939 KZ Fuhlsbüttel, gestorben am 21.5.1940 im KZ Buchenwald

Fuhlentwiete 1, gegenüber der ABC-Straße (Fuhlentwiete 63)

Die Eltern von Jacob de Groot hatten sich in Argentinien kennengelernt. Sein Vater Marcos (Meyer) de Groot war am 17. Juli 1851 in einer gutbürgerlichen jüdischen Familie in Amsterdam geboren worden. Er hatte den Beruf des Tapezierers erlernt und fuhr später zur See. Die Mutter Lea/Leda, geb. Serman, war am 26. Juni 1864 in Lublin zur Welt gekommen, das damals zum russischen Reich gehörte. Ihre Familie, die Landwirtschaft betrieb, hatte die Heimat 1890 verlassen, um sich in Südamerika eine neue Existenz aufzubauen. Noch in Lublin hatte Lea Michael/Michel Mandelbaum geheiratet, der kurz nach ihrer Ankunft in Südamerika verstarb. Aus dieser ersten Ehe stammte Jacobs Halbbruder Maximilian Nathan (geb. 8.5.1887 in Lublin, gest. 16.11.1969).

Lea Mandelbaum und ihr zweiter Mann Marcos de Groot heirateten am 5. Mai 1892 und verließen ein Jahr später Buenos Aires. Ihr erstes gemeinsames Kind, Tochter Bertha, wurde am 18. Juni 1893 in Hamburg geboren. Alexander folgte am 3. Mai 1895. Jacob kam am 20. Juli 1896 in der Kurzestraße 27 (heute Kurze Straße) zur Welt, Schwester Rosa wurde am 26. November 1899 geboren. Die weiteren Geschwister Frieda (geb. 11.9.1898, gest. 6.1.1901), Alfred (geb. 27.4.1902, gest. 17.5.1903) und Walter (geb. 13.1.1906, gest. 9.8. 1906) starben bereits als Kleinkinder bzw. als Säuglinge. Als Jacob etwa 13 Jahre alt war, trennten sich seine Eltern; dadurch wurden auch die Geschwister getrennt. Jacob blieb bei seinem Vater, der in der Tabakfabrik Barsdorf & Liebhold GmbH in Ottensen beschäftig war. Den Haushalt in der Marktstraße 7 führte eine Haushälterin gegen Kost und Logis. Die Mutter Lea zog zunächst in den Rademachergang 30 und eröffnete dort ein "Partiewarengeschäft" (ein Geschäft für verbilligte Massenartikel und Sonderposten).

Jacob de Groot erlernte nach dem Besuch der Volksschule den Beruf des Bäckers und Konditors. Doch während seiner Gesellenzeit in der Bäckerei Franz Gogl in der Wandsbeker Chaussee 317 musste er seinen erlernten Beruf aus gesundheitlichen Gründen aufgeben und fand in der Maschinenfabrik Menk & Hambrook in Altona in der Großen Brunnenstraße 78 eine neue Anstellung. Wie viele andere seiner Generation meldete sich Jacob de Groot im Ersten Weltkrieg als Freiwilliger. Da er jedoch die niederländische Staatsangehörigkeit besaß, musste er sich am 25. November 1916 zunächst in den hamburgischen Staatsverband einbürgern lassen.

Jacob de Groot konvertierte zum Christentum, ließ sich taufen und heiratete am 20. September 1917. Die kirchliche Trauung wurde am 25. Dezember 1925 in der St.-Katharinen-Kirche in der Hamburger Altstadt nachgeholt. Seine Braut, Johanna Goj, geboren am 17. Januar 1893, stammte aus Michalkowitz, damals im österreichischen Oberschlesien gelegen. Wie ihre Eltern Karl Goj und Johanna, geb. Budin, war sie katholischen Glaubens. Johanna Goj wohnte in der Pelzerstraße 7 in der Altstadt und brachte ihren 1915 geborenen Sohn Ernst mit in die Ehe, der den Familiennamen de Groot erhielt. Auf ihr erstes gemeinsames Kind, Lilian Wilhelmine Olga, geboren am 10. Mai 1918, folgte Sohn Rolf am 23. September 1920. Tochter Edith wurde am 7. September 1923 geboren und die Jüngste, Ilse, am 25. September 1925.

Jacob de Groot war mit dem Infanterie-Regiment 31 in den Krieg gezogen und mit dem Eisernen Kreuz II, dem Hanseaten-Kreuz und später mit dem Ehrenkreuz für Frontkämpfer ausgezeichnet worden, aber auch schwer hör- und sehgeschädigt nach mehreren Verschüttungen aus dem Krieg zurückgekehrt. In der schwierigen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg versuchte er seine Familie, die im Stadtteil St. Georg in der Viktoriastraße 6 und ab 1935 in der Jenischstraße 54 wohnte, durch Straßenhandel zu ernähren. Da er keine Standerlaubnis für einen festen Platz erhielt, musste er alle zehn Minuten den Standort wechseln, was sich nicht verkaufsfördernd auf seinen Handel mit Obst und Gemüse, später auch mit Galanteriewaren (modische Accessoires), auswirkte. Für seinen Sieben-Personen-Haushalt reichte der Verdienst nicht aus. Die Familie war zeitweise auf Fürsorgeunterstützung angewiesen. 1926 erhielt Jacob de Groot die Genehmigung für einen festen Verkaufsstand am Hafen. In seiner "Bude" unter der Hochbahn, Vorsetzen/Ecke Baumwall an der Roosenbrücke, verkaufte er Würstchen, Eis, Südfrüchte, Zuckerwaren und betrieb zudem einen Milchausschank. Kleine Schilder wiesen auf seine Schwerhörigkeit durch seine Kriegsverletzung hin. Auf seine Selbstständigkeit und seine Kriegsauszeichnungen war er sehr stolz, wie sich seine Tochter Ilse erinnerte. Später nutzte ihm sein Patriotismus aber wenig: "Der Dank des Vaterlandes" bestand darin, dass Gestapobeamte die Urkunde, auf der dieser Satz in großen Buchstaben stand, zusammen mit den Orden und Ehrenabzeichen aus der elterlichen Wohnung abholten. Ilse beschrieb ihren Vater als sehr musikalisch, auch wenn er durch seine Schwerhörigkeit nicht mehr den richtigen Ton getroffen habe, worüber sie sich als Kinder amüsierten. Auch auf ein "adrettes" Aussehen legte ihr Vater großen Wert. Sie erinnerte ihn als liebevollen Mann, der auch für die Nachbarskinder Spielzeug bastelte, um sie am Heiligabend, als Weihnachtsmann verkleidet, zu beschenken.

Am 13. November 1933 starb Jacobs Mutter Lea kurz vor ihrem 70. Lebensjahr, sein Vater Marcos kurz darauf am 6. Januar 1934. Ihre Gräber (wie die ihrer früh verstorbenen Kinder) befinden sich auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Ohlsdorf.

Jacob de Groots Ehefrau Johanna starb am 17. November 1935 nach langer schwerer Krankheit an Magenkrebs. Nach ihrem Tod führte zunächst die älteste Tochter Lilian den Haushalt und half auch am Verkaufsstand am Hafen aus. Ihr Halbbruder Ernst hatte die Familie bereits 1931 verlassen. Bruder Rolf war als "Dienstjunge" beschäftigt. Die jüngeren Schwestern Ilse und Edith besuchten noch die Schule im Bäckerbreitergang und wurden zunächst im Tagesheim Sachsenstraße untergebracht. Doch war dies keine Lösung auf Dauer. Jacob de Groot benötigte eine "Mutter", die seine minderjährigen Kinder betreute. Auf eine Heiratsannonce meldete sich eine geeignete Kandidatin, die aus Evern bei Lehrte stammende 35-jährige Elisa Haarstrich (geb. 16.8.1901). Sie lebte seit 1929 in Hamburg und übernahm im April 1936 den Haushalt der Familie, der sich nach einem Umzug nun in der Fuhlentwiete 63 befand. Im selben Jahr musste Jacob de Groot seinen Verkaufsstand am Hafen aufgeben.

Die geplante Heirat mit Elisa Haarstrich kam nicht mehr zustande. Seit dem 15. September 1935, nach dem Erlass der Nürnberger Gesetze, durften Juden keine "Mischehen", aber auch keine außerehelichen sexuellen Verhältnisse mit "arischen" Frauen mehr eingehen. Am 17. März 1937 wurde Jacob de Groot von der Gestapo während seiner "Pflichtarbeit" auf dem Ohlsdorfer Friedhof verhaftet, weil er "eine Nichtjüdin in seinem Haushalt aufgenommen hatte, mit der er in ehelichen Verhältnissen lebte". Am 25. November 1937 verurteilte ihn das Landgericht Hamburg, Große Strafkammer 6, zu einer zweijährigen Zuchthausstrafe. Strafmildernd wirkte sich aus, dass er sich im Ersten Weltkrieg als "Fremdstaatlicher Kriegsfreiwillig gemeldet hat". Wohl um eine Verurteilung zu umgehen, gab Jacob de Groot zu seiner Verteidigung an, er gehe davon aus, "Halbjude" zu sein, sodass das "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" auf ihn nicht zutreffe. Das Gericht kam zu der Ansicht, dass der Angeklagte sich "die Folgen seiner Handlung nicht in allen Konsequenzen vorgestellt hat". Vier Monate Untersuchungshaft wurden ihm auf seine Haftzeit angerechnet. Paradoxerweise durfte sich Elisa Haarstrich weiterhin um die jüngeren Kinder kümmern, wurde aber von der Gestapo überwacht. Sie verließ die Wohnung in der Fuhlentwiete und zog mit den Kindern in die Caffamacherreihe 103/05. Am 3. August 1939 hätte Jacob de Groot aus der Haft entlassen werden müssen. Da er aber auf Anordnung der Gestapo in "Schutzhaft" blieb, ließ sich seine noch in der Haft beschlossene sofortige Emigration nach Palästina, gemeinsam mit seinen Kindern, nicht realisieren.

Am 17. Oktober 1939 wurde Jacob de Groot als Häftling 3205 in das Konzentrationslager Buchenwald, Block 9 überführt. Am 21. Mai 1940 verstarb er dort, angeblich an einer Lungenschwindsucht. Sein Leichnam wurde zwei Tage später im Krematorium eingeäschert. Die damals 14-jährige Ilse befand sich zu diesem Zeitpunkt im "Landjahr" bei einem Bauern in Hannover und konnte die erhobene Gebühr für die Übersendung der Urne und ihre Beisetzung in Hamburg nicht aufbringen. Zudem glaubte sie an eine wahllos mit Asche gefüllte Urne. Auch lehnte die ehemalige Deutsch-Israelitische Gemeinde die Beisetzung auf dem konfessionellen Begräbnisplatz in Hamburg ab, da ihr Vater nicht ihrer Religionsgemeinschaft angehört hatte. Seinen Nachlass bekam Ilse in einem Pappkarton zugeschickt, der die Wäsche, die er bei seiner Verhaftung getragen hatte, seine Pfeife und seine zerbrochene Brille enthielt.

Ilse und ihre Geschwister überlebten trotz schwerer Drangsalierung die nationalsozialistische Verfolgungszeit. Edith heiratete noch während des Krieges 1943 einen dänischen Staatsbürger und kehrte zunächst mit ihm in seine Heimat zurück. Lilian wanderte nach dem Krieg nach Kanada aus. Ilse gründete in Australien eine Familie, ihr Bruder Rolf in Hamburg.

Jacob de Groots jüngere Schwester Rosa hatte durch ihre Heirat mit dem "Bankbeamten" Max Alexander die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Unter dem Künstlernamen -Marion Zander war sie als Sängerin und Vortragskünstlerin tätig. 1939 folgte sie ihrem Sohn Karl-Heinz in die Niederlande, wo sie die Befreiung in der Illegalität erlebte. Die ältere Schwester Bertha lebte in der Marschnerstraße 12, später Kleiner Schäferkamp 34. Ihr Ehemann, der Lagerverwalter Adolf Tesche (geb. 16.11.1885), stammte aus einer nichtjüdischen Breslauer Familie. Bis 1939 hatte Bertha als Näherin gearbeitet und musste dann in der Sackfabrik Egmont Gross in Rothenburgsort Zwangsarbeit leisten. Ihr Ehemann wurde bedrängt, sich von seiner jüdischen Frau scheiden zu lassen. Mit anderen "jüdisch Versippten" wurde er von der Garten- und Friedhofsverwaltung auf dem Ohlsdorfer Friedhof zur Zwangsarbeit herangezogen und dort in einem Barackenlager untergebracht. Noch kurz vor Kriegsende, im Februar 1945, sollte Bertha nach Theresienstadt deportiert werden. Aufgrund ihres Herzleidens erwirkte sie eine Zurückstellung, sodass sie das Kriegsende in Hamburg erlebte.

Ihr Halbbruder Maximilian Nathan Mandelbaum gehörte zu den 128 jüdischen Männern, die am 14. Februar 1945 zum "auswärtigen Arbeitseinsatz" nach Theresienstadt gebracht wurden. Der gelernte Steindrucker wohnte mit seiner nichtjüdischen Frau Elisabeth, geb. Nielsen (geb. 12.6.1890), und den vier Kindern in der Altonaerstraße 41. Nach seiner Befreiung durch die Rote Armee am 8. Mai 1945 kehrte er nach Hamburg zurück und wurde als Monteur und Einkassierer der Hamburger Electricitäts-Werke (HEW), wo er wegen seiner jüdischen Abstammung entlassen worden war, wieder eingestellt.


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: StaH 351-11 AfW 18904 (de Groot, Jacob); StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht-Strafakten 1902/38; StaH 351-11 AfW 15454 (Tesche, Bertha); StaH 351-11 AfW 8130 (Tesche, Adolf); StaH 351-11 AfW 22589 (de Groot, Rosa); StaH 351-11 AfW 47663 (Klimek, Ilse); StaH 351-11 AfW 42185 (Pietrzyk, Lilian); StaH 351-11 AfW 43854 (de Groot, Rolf); StaH 351-11 AfW 9458 (Mandelbaum, Nathan); StaH 522-1 Jüdische Gemeinden Abl. 1993/01, 37; StaH 332-5 Standesämter 2306 u 1510/1893; StaH 332-5 Standesämter 2372 u 1538/1895; StaH 332-5 Standesämter 2403 u 2467/1896; StaH 332-5 Standesämter 2460 u 2886/1898; StaH 332-5 Standesämter 13176 u 3801/1899; StaH 332-5 Standesämter 3245 u 188/1914; StaH 332-5 Standesämter 3304 u 356/1917; StaH 332-5 Standesämter 3387 u 748/1920; StaH 332-5 Standesämter 10094 u 416/1933; StaH 332-5 Standesämter 1024 u 10/1934; StaH 332-5 Standesämter 1036 u 1686/1935; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 5; Archiv der Gedenkstätte Buchenwald Auskunft von Sabine Stein, E-Mail vom 19.5.2009; schriftliche Auskünfte und Dokumente von Ilse Klimek (Australien) vom 27.8.2011; de Groot: Opa; Meyer: Verfolgung, S. 79–87.

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