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Sophie Zippor Grevesmühl (geborene Cohen) * 1862
Poolstraße 20 (Hamburg-Mitte, Neustadt)
HIER WOHNTE
SOPHIE ZIPPOR
GREVESMÜHL
GEB. COHEN
JG. 1862
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 21.9.1942
TREBLINKA
Weitere Stolpersteine in Poolstraße 20:
Edmund Ringert
Sophie Zippor Grevesmühl, geb. Cohen, geb. am 18.8.1862 in Hamburg, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 21.9.1942 in das Vernichtungslager Treblinka
Poolstraße 20
Sophie Zippor Grevesmühl kam am 18.8.1862 in der Hamburger Neustadt als ältestes Kind des jüdischen Kaufmanns Ichel Cohen (geb. 1831, gest. 16.5.1893) und dessen Ehefrau Gitel Jette, geb. Cohen (geb. 23.12.1831, gest. 28.12.1906), zur Welt. Nach ihr folgten die Geschwister Line (geb. 1.2.1866), Minna (geb. 26.1.1869), Alexander (geb. 7.5.1871) und Julius Joseph (geb. 30.9.1874).
Sophie erlernte den Beruf der Putzmacherin (Modistin, Hutmacherin). Über ihre Kindheit und Jugendzeit wissen wir nichts.
Sophie Cohen heiratete am 8. Mai 1891 den Schneidermeister Heinrich August Paul Grevesmühl (geb. 6.6.1861). Er stammte aus einer nichtjüdischen Lübecker Familie und war in der Berufswahl seinem Vater gefolgt.
Sophie und Paul Grevesmühl zogen in die Poolstraße 7 und zwei Jahre später in die Straße Kleine Drehbahn 66 (1900 wurde diese Straße zu einem Teilabschnitt der Caffamacherreihe und damit erhielt das Haus die Nr. 71.)
Im selben Jahr eröffnete das Ehepaar Grevesmühl in der Geschäftsstraße Große Bleichen 90 eine Schneiderwerkstatt. "Anfertigung feiner Herrengarderobe nach Maaß" ließen sie unter der Geschäftsanschrift im Hamburger Adressbuch eintragen.
Nach eigenen Angaben beschäftigten sie zeitweise bis zu sechs Angestellte, demzufolge muss das Geschäft gut gelaufen sein. 1912 lautete die Geschäfts- und Privatadresse Kaiser-Wilhelm-Straße 41. Fünf Jahre später zogen sie ein paar Häuser weiter in die Kaiser-Wilhelm-Straße 67.
Anfang der 1930er Jahre blieb ihnen, infolge der allgemeinen schlechten Wirtschaftslage, die Kundschaft aus. Da Paul Grevesmühl, mittlerweile 71 Jahre alt, nicht mehr gut sehen konnte, beschäftigten sie eine Aushilfe.
Sophie und Paul Grevesmühl versuchten, sich mit "Bügeln" über Wasser zu halten. Jedoch konnten sie den Lebensunterhalt dadurch nicht bestreiten. Ein Sparguthaben war durch die Inflation verloren gegangen und weitere Vorsorge für ihr Alter hatte das kinderlose Ehepaar nicht getroffen.
Das Wohlfahrtsamt bewilligte ihnen vorrübergehend eine Unterstützung von 11,20 RM monatlich, die dann auf 14 RM erhöht wurde. Zunächst versuchten sie noch ihre 5-Zimmerwohnung (zwei Räume dienten als Werkstatt und Anprobezimmer) durch Untervermietungen zu halten. Aber 1932 zogen sie in eine preiswertere 3 ½ Zimmerwohnung in die Peterstraße 34/35. Im März 1933 folgte ein Umzug in die Poolstraße 20, erster Stock. In der zweiten Etage des Hauses betrieb Sophies Schwester Minna Jentzsch eine Pension.
Minna Jentzsch hatte ebenfalls das Putzmacherhandwerk erlernt und am 1. November 1902 den nichtjüdischen Schneider Alwin Otto Alfred Jentzsch (geb. 30.5.1869 in Kamenz in Sachsen, gest. 10.9.1945 in Hamburg) geheiratet. Das Ehepaar hatte zwei Kinder: Alfred Alwin Robert Jentzsch (geb. 13.7.1911, gest. 1951 in Buenos Aires) und Ilse Ida Sofie, später verheiratete Waldmann (geb. 7.7.1914).
Am 22. Februar 1934 verstarb Paul Grevesmühl im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg. Damit verlor Sophie Grevesmühl den Schutz, den ihr die Ehe mit einem "Arier" noch für eine Zeit geboten hätte. (Die jüdischen Partner einer "Mischehe" wurden zunächst von der Deportation "zurückgestellt", siehe Glossar).
Nach Aussage ihrer Nichte, die während des Krieges in Berlin lebte, hatte Sophie Grevesmühl in der Poolstraße noch eine Putzmacherwerkstatt betrieben. Sie sei bald nachdem Tod ihres Mannes zur Aufgabe von Wohnung und Werkstatt gezwungen worden. Nach der Volkszählung vom Mai 1939 war Sophie Grevesmühl jedoch noch in der Poolstraße 20 gemeldet. Sie musste zwangsweise der "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" beitreten, deren Zweigstelle die ehemalige Hamburger Jüdische Gemeinde war.
Sophie Grevesmühl wurde zuletzt ins Samuel-Levy-Stift, jetzt ein "Judenhaus", in der Bundesstraße 35 Haus C im Keller eingewiesen. Am 15. Juli 1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert und bereits am 21. September 1942 ins Vernichtungslager Treblinka weiterdeportiert und dort ermordet.
Ihrer Schwester Minna Jentzsch blieb eine Deportation durch die Klassifizierung der "privilegierte Mischehe" erspart. Allerdings verstarb sie kurz vor Ende des Krieges am 23. April 1945 in Hamburg an "völliger Unterernährung" nach einem Herzschlag.
Ihr Bruder Alexander Cohen und seine Frau Jenny, geb. Hescheles (geb. 17.4.1881 in Bitterfeld) wurden am 19. Juli 1942 zusammen mit ihrer Tochter Gerda Meyer (geb. 31.3.1909 in Düsseldorf), Schwiegersohn Julius Meyer (geb. 15.5.1907 in Hildesheim) und Enkelin Ruth (geb. 19.11.1935) von Hamburg nach Theresienstadt deportiert. Gerda Meyer starb am 30. April 1944, Alexander Cohen am 5. Juli 1944. Julius Meyer wurde am 28. September 1944 nach Auschwitz weiterdeportiert. Jenny Cohen und Enkelin Ruth Meyer folgten am 9. Oktober 1944 mit einem weiteren Transport nach Auschwitz. Stolpersteine in der Karolinenstraße 35 erinnern an sie. Für Ruth Meyer wurde ein weiterer in der Bogenstraße 35 verlegt (s. www.stolpersteine-hamburg.de).
Der jüngere Bruder Julius Joseph Cohen arbeitete als Goldschmied und war nach Postdam verzogen. Am 6. Dezember 1905 hatte er in Berlin die Lageristin Martha Lewinson (geb. 26.9.1872 in Allenstein in Ostpreußen) geheiratet, die am 13. Juli 1912 verstarb. Eine zweite Ehe ging er am 23. Oktober 1913 in Berlin-Tempelhof mit der Verkäuferin Gertrud Arnsdorf (geb. 12.4.1885 in Preußisch Eylau) ein. Tochter Hildegard wurde am 25. Mai 1918 geboren. Das Ehepaar Cohen wurde am 13. Januar 1942 aus der Prinzenstraße 60 in Berlin-Kreuzberg in das Getto nach Riga deportiert, wo Julius Cohen vermutlich zu Tode kam. Gertrud Cohen gehörte zu den Häftlingen, die angesichts der vorrückenden Roten Armee am 1. Oktober 1944 in das KZ Stutthof bei Danzig verlegt wurden. Dort kam sie am 15. Januar 1945 zu Tode. Ihre Tochter Hildegard wurde mit ihrem Ehemann Horst Pinkus (geb. 20.7.1920 in Berlin) und ihrem gemeinsamen Kind Bela (geb. 24.9.1942 in Berlin) am 12. Januar 1943 nach Auschwitz deportiert.
Die Schwester Line Fritze, verheiratet mit den nichtjüdischen Berliner Friseur Emil Rudolph Fritze (geb. 29.10.1865, gest. 30.12.1911), verstarb am 8. August 1944 in London.
Stand: Januar 2021
© Susanne Rosendahl
Quellen: StaH 332-5 Standesämter 2759 u 420/1890; StaH 332-5 Standesämter 2777 u 436/1891; 332-5 Standesämter 2967 u 1220/1901; StaH 332-5 Standesämter 1019 u 332/1934; StaH 332-5 Standesämter 571 u 1210/1906; StaH 332-5 Standesämter 3088 u 695/1907; StaH 332-5 Standesämter 9708 u 3916/1911; StaH 332-5 Standesämter 1245 u 391/1945; StaH 332-5 Standesämter 4294 u 427/1945; StaH 351-14_1226; 351-11_39476 (Waldmann, Ilse Ida Sophie); 351-11_1683 (Cohen, Alexander); StaH 351-11_1392 (Jentzsch, Minna); StaH 213-13_4588 (Jentzsch, Alfred); StaH 213-13_3105 (Cohen, Alexander); StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 4; http://www.statistik-des-holocaust.de/OT8-55.jpg (Zugriff 9.6.2020); ancestry Heiratsurkunde Julius Joseph Cohen und Martha Lewinson am 26.9.1872 in Berlin (Zugriff 9.6.2020); ancestry Sterbeurkunde Martha Cohen am 13.7.1912 in Berlin (Zugriff 9.6.2020); ancestry Heiratsurkunde Julius Joseph Cohen und Gertrud Arnsdorf am 23.10.1913 in Berlin (Zugriff 9.6.2020); www.stolpersteine-hamburg.de, Gunhild Ohl-Hinz über Alexander Cohen und Jenny Cohen, über Gerda Meyer, Julius Meyer und Ruth Meyer.