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Zipora Sophie Heiden (geborene Kohn) * 1875

Kleiststraße 10 (Wandsbek, Eilbek)


HIER WOHNTE
ZIPORA SOPHIE
HEIDEN
GEB KOHN
JG. 1875
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
BEFREIT

Henry Esriel Kohn, geb. am 16.1.1879 in Hamburg, inhaftiert im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel, deportiert nach Auschwitz, weiterdeportiert über das Konzentrationslager Groß-Rosen in das Konzentrationslager Dachau, dort ermordet am 4.2.1945

Jenischstraße 13, Osdorf

Zipora Sophie Heiden, geb. Kohn, geb. am 8.6.1875 in Hamburg, deportiert am 19.7.1942 ins Getto Theresienstadt, befreit

Kleiststraße 10, Wandsbek

Henry Esriel Kohn und Zipora Heiden, geb. Kohn, waren zwei der elf Kinder des zu seiner Zeit in Hamburg sehr bekannten jüdischen Kaufmanns Joseph Berkowitz Kohn und seiner ebenfalls jüdischen Ehefrau Guetel, genannt Auguste, geborene Gabrielsen.
Henry Esriel Kohn war am 16. Januar 1879 in Hamburg zur Welt gekommen und wurde am 4. Februar 1945 ermordet. Zipora Heiden, genannt Sophie, war am 8. Juni 1875 in Hamburg geboren worden, sie überlebte das Getto Theresienstadt.

Zum Verständnis beider Verfolgungsgeschichten bedarf es einer Übersichtsschilderung der gesamten Familie Kohn.

Der Familienvater Joseph Berkowitz Kohn und sein Zwillingsbruder Henrik wurden am 15. April 1841 in Łęczyca, etwa 40 Kilometer nördlich von Łódź im damals unter russischer Kontrolle stehenden Königreich Polen (Russisch-Polen), geboren. Sie entstammten einer wohlhabenden polnisch sprechenden jüdischen Kaufmannsfamilie, in der Bildung einen hohen Stellenwert einnahm. Die Familie war der jüdischen Aufklärung verpflichtet. Joseph Berkowitz und Henrik Kohn hatten drei weitere Geschwister: Michael Israel, genannt Isidor, geboren am 11. April 1844, Saul, genannt Sally, geboren um 1854, und Machalina (oder Michalina), geboren am 11. Dezember 1857. Alle Geschwister lebten zumindest zeitweise in Hamburg.

Joseph Berkowitz Kohn nahm an verschiedenen national-polnischen Emanzipationskämpfen gegen die zaristische Russifizierungspolitik teil, zuletzt an dem niedergeschlagenen Januar-Aufstand 1863. Nach dessen Scheitern wurde er vom örtlichen Aufstandskomitee veranlasst, das Land zu verlassen, weil dies für ihn mit seinen Fremdsprachen-Kenntnissen als am ehesten zumutbar erschien. Er sollte die Verantwortung für die Rebellion auf sich nehmen. Joseph Berkowitz Kohn floh also am 12. Oktober 1863 aus seiner Geburtsstadt Łęczyca zunächst nach Warschau, dann unter dem Decknamen Joseph BRAK (die Initialen der hebräischen Bezeichnung Ben Reb Aron Kohn) als Postschaffner verkleidet in einem Postwaggon der Eisenbahn weiter nach Preußen (Thorn, Danzig, Bromberg, Berlin).

Am 20. April 1864 kam Joseph Berkowitz Kohn nach Hamburg. Er versuchte sich zunächst mit wenig Erfolg als Losverkäufer. Im Anschluss begann er eine Lehre. Von seinem Lehrherrn übernahm er günstig Waren und begründete damit einen Handel mit Schusterbedarfsartikeln.

Am 2. Mai 1867 heirateten Joseph Berkowitz Kohn und die ebenfalls jüdische Auguste Guetel Gabrielsen zunächst standesamtlich, dann rituell am 5. Mai in der Hochdeutschen Israelitischen Gemeinde zu Altona. Auguste Guetel Gabrielsen war als Tochter des Schullehrers Pincus Gabrielsen und seiner Ehefrau Eva am 3. Februar 1842 in der damals preußischen Stadt Altona zur Welt gekommen. Das junge Paar wohnte in der Görttwiete 14, einer heute nicht mehr bestehenden Verlängerung der Straße Hopfenmarkt in der Hamburger Altstadt. Laut Adressbuch aus dem Jahr 1868 betrieb Joseph Berkowitz Kohn eine Agentur und Kommissionsgeschäfte.

In der Görttwiete 14 bekamen Auguste Guetel und Joseph Berkowitz Kohn am 16. August 1868 ihr erstes von elf Kindern, ein Mädchen, das zwar im täglichen Umgang Emma genannt, im Geburtsregister der Hochdeutschen Israelitischen Gemeinde Altona aber als Esther eingetragen wurde. Esther war der sog. Synagogen-Name, Emma der in der nicht jüdischen Gesellschaft gebräuchliche Vorname. Die meisten von Joseph Berkowitz Kohns Kindern erhielten zusätzlich solche Profannamen. Esther Kohn lebte nur knapp drei Monate, sie starb am 12. November 1868.

Laut Hamburger Adressbuch von 1870 hatte Joseph Berkowitz Kohn sich nun auf den Handel mit Leder und Schuhstoffen spezialisiert. Sein Tätigkeitsgebiet umfasste Hamburg und auch die Nachbarstädte. Das Geschäft entwickelte sich so gut, dass es größere Räumlichkeiten und die Familie eine Wohnung an der Straße Neuer Wall 31 beziehen konnte. Die Familie wechselte bis 1905 mindestens neunmal ihren Wohnsitz in Hamburg.

Auch Joseph Berkowitz Kohns Bruder Michael Israel, genannt Isidor, ließ sich in Hamburg nieder. Er war laut Hamburger Adressbuch von 1872 mit einer Lederhandlung am Alten Steinweg 62 zu finden. Parallel zu ihren je eigenen Unternehmen gründeten die Brüder 1873 ein gemeinsames Unternehmen laut Hamburger Adressbuch unter der Firma Gebr. Kohn, das jedoch bald wieder aufgelöst wurde. Die Brüder führten ihre Geschäfte nun unabhängig voneinander, Joseph Berkowitz als Alleineigentümer bis in die späten 1880er Jahre jedoch weiterhin unter dem Firmennamen Gebrüder Kohn in der damaligen Woltmannstraße 15 b in Hammerbrook, Michael Isidor ein Schuh- und Stiefelgeschäft in der damaligen Langereihe 21 (heute Rambachstraße) in der Neustadt.

Als Reaktion auf den zunehmenden Antisemitismus gründete Joseph Berkowitz Kohn einen Verein mit polnischen Mitgliedern, in dem Christen und Juden ihre Landessprache pflegten. Er war zugleich Mitglied der jüdischen Vereinigung B’nai B’rith (ab 1887 Henry Jones Loge). Die noch heute bestehende jüdische Organisation widmet sich laut Selbstdarstellung der Förderung von Toleranz, Humanität und Wohlfahrt sowie der Aufklärung über das Judentum und die Erziehung innerhalb des Judentums.

Ab Mitte der 1870er Jahre engagierte sich Joseph Berkowitz Kohn in der Hamburger Sozialdemokratie. Ende des 19. Jahrhunderts war er führend beteiligt an der Gründung des Konsum-, Bau- und Sparvereins "Produktion", einer der bedeutendsten sozialistischen Konsumgesellschaften.
Am 9. Mai 1873 erwarb Joseph Berkowitz Kohn den Hamburger Bürgerbrief, sein Bruder Michael Israel am 10. Mai 1887.

Aus dem viele Jahre betriebenen Lederhandel zog sich Joseph Berkowitz Kohn Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Er konzentrierte sich in seinen späteren Lebensjahren wieder auf das Agentur- und Kommissionsgeschäft.

Joseph Berkowitz Kohn verstarb am 3. April 1905 in seiner Wohnung in der Alstertwiete 28 in St. Georg. Die Trauerfeier muss ein bedeutendes Ereignis gewesen sein. Ein zur Beobachtung ausgesandter Wachtmeister der Politischen Polizei berichtete: »Es hatten sich beim Sterbehause Alstertwiete 28 über 100 Personen eingefunden. Dem Sarge folgten 85 Personen, darunter 5 Frauen. Unter dem Gefolge befanden sich [Louis] Grünwaldt, [Franz] Laufkötter, [Erdmann] Dubber, Grosse, A. Junge, Thieme und noch mehrere andere [sozialdemokratische] Größen. Außerdem folgten dem Sarge 9 Landauer und eine Droschke. Eine rote Fahne mit schwarzem Flor wurde von Dubber getragen, ebenfalls wurden einige Kränze, darunter einer mit roter Schleife, mitgeführt. Die ganze Leichenfeier war nach jüdischem Gebrauch, auch die Träger waren Juden.«

Auguste Guetel Kohn führte das Unternehmen ihres Mannes weiter, bis es der Sohn Ahron Arnold etwa 1907 übernahm. Die Witwe starb am 28. September 1920. Sie wohnte zuletzt zusammen mit ihrer Tochter Zipora im Eilbeker Weg 183 im Stadtteil Eilbek.

Die nach der sehr früh verstorbenen Esther Kohn geborenen Kinder von Joseph Berkowitz und Auguste Guetel Kohn waren zwischen 1870 und 1886 zur Welt gekommen. Im Einzelnen: Saul, genannt Leo, geboren am 11. Februar 1870, Nachum, genannt Georg, geboren am 26. Juli 1871, Rosalie, genannt Rosi, geboren am 26. April 1873, Zipora, genannt Sophie, geboren am 8. Juni 1875, Pincus Nathan, genannt Paul, geboren am 15. Juli 1876, Isidor, genannt Max, geboren am 11. Dezember 1877, Henry Esriel, geboren am 16. Januar 1879, Minna, geboren am 29. April 1880, Ahron, genannt Arnold, geboren am 26. Juni 1883, Betty, geboren am 6. November 1886.

Das Schicksal der Kinder von Joseph Berkowitz und Auguste Guetel Kohn
Die genannten Kinder mussten schwer unter der nationalsozialistischen Verfolgung leiden. Acht von ihnen überlebten im Schutz ihrer nichtjüdischen Ehepartnerinnen oder durch rechtzeitige Flucht aus Deutschland. Henry Esriel Kohns und Zipora Heidens Schicksal wird im Folgenden ausführlich beschrieben:

Henry Esriel Kohn
Henry Esriel Kohn wurde am 16. Januar 1879 in der Fuhlentwiete 18/19 in der Neustadt geboren. Hier wohnte die Familie Kohn seit mindestens 1874. Über seine Kindheit und Jugend ist uns nicht bekannt. Seit dem 1. April 1904 war er als Volksschullehrer tätig, u.a. an der Knabenschule Hopfenstraße in St. Pauli. Am 7. Mai desselben Jahres heiratete er die lutherische Buchhändlerstochter Gretchen Jantzen, geboren am 18. September 1882 in St. Georg. Das Paar bekam zwei Kinder, die am 5. Oktober 1906 geborene Charlotte und den am 11. Oktober 1908 geborenen Johannis Wolfgang, der John genannt wurde.

Im Ersten Weltkrieg diente Henry Esriel Kohn als Soldat. Mehrmals ausgezeichnet, u.a. mit dem EK I und dem EK II, dem Hanseatenkreuz und dem österreichischen Verdienstorden, kehrte er, zum Leutnant befördert, zurück.

Parallel zu seinem Beruf arbeitete Henry Esriel Kohn auch als Journalist beim Hamburger Fremdenblatt. Er gehörte zudem der SPD an. Das Hamburger Fremdenblatt, eine der bedeutendsten Hamburger Tageszeitungen, wurde 1936 vom NS-Staat enteignet.

Am 7. April 1933 trat das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" in Kraft. Die Bezeichnung war irreführend. Sie sollte das Ziel verschleiern, Juden und politisch unerwünschte Personen aus dem Staats- und staatsnahen Dienst zu entfernen. Als "Beamte nicht arischer Abstammung" galten nach § 3 Absatz 1 der "Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" schon diejenigen, die nur einen jüdischen Großelternteil im Stammbaum hatten, auch wenn sie sich selbst nicht als Juden verstanden. Sie konnten entlassen oder als langjährige Beamte aus der Zeit vor 1914 vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden. So erging es Henry Esriel Kohn. Mit Ablauf des 30. November 1933 wurde er als Jude in den vorzeitigen Ruhestand mit einem Ruhegeld von 311,38 RM brutto mtl. versetzt. Nachdem er 1944 das 65. Lebensjahr vollendet hatte, wurde sein Ruhegehalt von 78 v.H. auf 75 v.H. gekürzt, also auf 299,50 RM mtl.

Nach der Entlassung aus dem Lehrerberuf und der damit verbundenen drastischen Einkommensminderung konnte die Familie ihre Wohnung in der Oderfelder Straße 1 in Harvestehude nicht halten. Sie zog am 11. August 1934 in die Preußerstraße 11 in Othmarschen, am 24. Juli 1937 für vier Monate in die Johnsallee 67 im Stadtteil Rotherbaum und lebte ab 22. November 1937 in den folgenden sechs Jahren in Klein Flottbek in der Straße Lünkenberg 1. Nach Aussagen von Gretchen Kohn musste die Familie die Wohnung nach Beschlagnahme durch die Gestapo am 28. September 1943 verlassen. Sie zog nun in das Elternhaus von Gretchen Kohn in die Jenischstraße 13 in Osdorf. Dieses Wohnhaus gehörte inzwischen Gretchen Kohns Stiefmutter Clara Jantzen, der zweiten Ehefrau von Gretchens Vater.

Am 11. Februar 1944 wurde Henry Esriel Kohn durch zwei Beamte der Gestapo verhaftet und im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel (bekannt als Konzentrationslager Fuhlsbüttel, KolaFu) inhaftiert. Die Wohnung wurde durchsucht, Briefe und Bücher beschlagnahmt. Gretchen Kohn vermutete eine Denunziation eines Nachbarn, der die Kellerräume bewohnte. Der Grund der Verhaftung soll gewesen sein, dass Henry Esriel Kohn staatsfeindliche Artikel verfasst habe. Näheres ist nicht bekannt. Gretchen Kohn durfte ihren Mann nur ein einziges Mal besuchen.

Im Juni 1944 wurde Henry Esriel Kohn von Fuhlsbüttel aus nach Auschwitz deportiert. Seine Häftlingsnummer lautete 189543. Vom KZ Auschwitz aus konnte Henry Esriel Kohn Briefkontakt mit seiner Frau aufnehmen. Gretchen Kohn berichtete später, dass sie noch im Besitz seiner letzten sieben Briefe sei.

Im Zuge der Auflösung des KZ Auschwitz wurde Henry Esriel Kohn im Winter 1944 wahrscheinlich über das KZ Groß-Rosen in das KZ Dachau verschleppt, wo er die Häftlingsnummer 140252 tragen musste. Er gelangte dort am 28. Januar 1945 an und starb am 4. Februar 1945.

Gretchen Kohn erfuhr erst zwei Jahre später vom Tod ihres Mannes. Sie lebte zunächst weiterhin in der Jenischstraße 13 in Osdorf und reiste 1948 zu ihrem Sohn Johannis Wolfgang, der sich jetzt John Hakon nannte, nach New York. Dieser Sohn war Ende 1933 nach Frankreich geflohen und Ende 1937 in die USA ausgewandert. Nach ihrer Rückkehr Ende 1949 oder Anfang 1950 lebte sie zuletzt in der Straße Witts Park 28 in Blankenese. Sie starb am 30. März 1963. Henry Esriel und Gretchen Kohns Tochter Charlotte überlebte in der Schweiz.

Henry Esriel`s Tod wurde am 29. August 1952 durch das Sonderstandesamt Bad Arolsen nachträglich beurkundet (Urkundennummer 1739/1952).

An ihn erinnert ein Stolperstein in der Jenischstraße 13 in Osdorf.

Zipora Sophie Heiden, geborene Kohn
Henry Esriel Kohns ältere Schwester Zipora Kohn war am 8. Juni 1875 in Hamburg, Neuer Wall 31, geboren worden. Das Hamburger Geburtsregister enthält nur den Vornamen Zipora. Ihre Eltern fügten dem den häufigen Namen Sophie hinzu, der auch in ihrem Heiratsregistereintrag vermerkt wurde. Unter diesem Vornamen war sie später auch im Hamburger Adressbuch zu finden.

Zipora Sophie Kohn legte in Hamburg das Abitur ab und absolvierte die Lehrerausbildung. Sie war zunächst von April 1894 bis Ende März 1909 als beamtete Volksschullehrerin sowie im Fortbildungsschulwesen tätig. Der Schulinspektor für das Gewerbeschulwesen bescheinigte ihr als Lehrerin an der "Staatlichen Fortbildungsschule für weibliche Handelsbeflissene" für die Zeit von 1904 bis 1909 hervorragendes Lehrgeschick.

Am 30. März 1909 heiratete sie in Frankfurt den konfessionslosen, 1874 in Demmin/ Mecklenburg geborenen gewerkschaftlichen "Arbeitersekretär" Johannes Hermann Rudolf Heiden. Die Ehe wurde Anfang 1912 geschieden. (Johannes Heiden starb 1916.)
Anfang 1910 nahm Zipora Sophie Heiden die frühere Lehrerinnentätigkeit in Hamburg wieder auf, nun jedoch nicht als Beamtin, sondern als Angestellte.

Nach ihrer Scheidung wohnte sie zusammen mit ihrer Mutter zunächst im Wikingerweg 10 in Borgfelde und dann im Eilbekerweg 183 im Stadtteil Eilbek. Diese Adresse wurde vermutlich gewählt, weil ihr Bruder Saul Kohn, genannt Leo, seinen Familienwohnsitz nur rd. 100 Meter entfernt in der Kleiststraße 10 hatte. Zipora Sophie Heiden blieb auch nach dem Tod ihrer Mutter in der Wohnung im Eilbeker Weg, bis sie etwa 1933 in der Schlankreye 13 in Eimsbüttel eine Wohnung in der Nähe ihrer Schule, der Höheren Handelsschule Schlankreye, fand.

Obwohl sich Zipora Sophie Heiden gegenüber der Jüdischen Gemeinde Hamburgs als "glaubenslos" erklärte, musste sie – wie alle "volljüdischen" Personen – Mitglied der ehemaligen Jüdischen Gemeinde werden und von 1939 bis 1942 Abgaben zahlen.
Nach insgesamt fast 40-jähriger Dienstzeit als Lehrerin wurde sie im Alter von 59 Jahren mit Wirkung vom 30. Juni 1934 "wegen dauernder Dienstunfähigkeit" in den Ruhestand entlassen. Anscheinend konnte sie der Lehrtätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr nachkommen (wäre aber auch sonst aus "rassischen" Gründen entlassen worden).

In den folgenden Jahren wohnte Zipora Sophie Heiden bei der Familie ihres Bruders Saul Leo Kohn in der Kleiststraße 10 in Eilbek, bis sie am 19. Juli 1942 in einem Transport mit 771 Jüdinnen und Juden in das Getto Theresienstadt deportiert wurde.
Sie überlebte die Zeit der Gefangenschaft. Am 5. Mai 1945 räumten die Nationalsozialisten Theresienstadt. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz übernahm die Versorgung der Häftlinge. Am 8. Mai 1945 zog die Rote Armee in die Stadt ein und sowjetische und tschechoslowakische Ärzte begannen mit der Versorgung der Überlebenden.

Da es keine Transportmöglichkeiten gab, kehrte Zipora Sophie Heiden erst am 1. August 1945 nach Hamburg zurück. Die schwerkranke Frau wurde sofort im wieder eröffneten Jüdischen Krankenhaus Schäferkampsallee aufgenommen. Die Diagnose lautete Krebs.

Zipora Sophie Heiden verstarb am 11. November 1945. Sie wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Ohlsdorf beigesetzt.

An sie erinnert ein Stolperstein in der Kleiststraße 10 in Hamburg-Eilbek.


Zum Schicksal der Angehörigen

Saul Leo Kohn
Nach der sehr früh verstorbenen Esther wurde Saul Kohn am 11. Februar 1870 in Hamburg, Neuer Wall 31, geboren. Im Geburtsregister als "Saul" eingetragen, wurde er tatsächlich stets "Leo" gerufen.

Saul Kohn ist erstmalig im Hamburger Adressbuches von 1888 zu finden. Er betrieb am Steindamm 41 ein Schuhwarengeschäft. 1896 erwarb er im Alter von 26 Jahren das Hamburgische Bürgerrecht. Am 21. Juli 1900 stellte er wegen seines Namens folgenden Antrag: "Ich gestatte mir, an einen Hohen Senat, die ergebene Bitte zu richten, meinem Namen den Vornamen Leo hinzufügen zu dürfen, sodaß in Zukunft mein Name Leo Saul Kohn lauten würde. Während ich seit meiner Geburt von Verwandten, Freunden und Bekannten stets nur Leo gerufen wurde, ist s. Zt. durch ein Mißverständnis in das Geburtsregister nur der Vorname Saul eingetragen worden. Da nun bei Eingehung zivilrechtlicher Verhältnisse durch diese Divergenz in Zukunft wie dies auch schon vorher der Fall [war], leicht Mißhelligkeiten entstehen können, so hoffe ich, daß ein Hoher Senat meiner Bitte entsprechen wird."
Der Antrag hatte Erfolg. Am 14. November 1900 wurde im Geburtsregister schließlich dem Vornamen Saul der weitere Vorname Leo hinzugefügt.

Saul Leo Kohn heiratete am 18. April 1902 in Hamburg die nichtjüdische Marie Franziska Nissen, geboren am 12. August 1874 in Hamburg. Beide wurden als konfessionslos in das Heiratsregister eingetragen. Das Paar bekam als einziges Kind Reinhard Nissen Kohn, geboren am 3. März 1903.

1903 gab Saul Leo Kohn seine berufliche Selbstständigkeit auf und arbeitete in den folgenden Jahren als Handlungsgehilfe in verschiedenen Unternehmen. 1915 hatte er es zum Prokuristen gebracht. Seitdem wohnte die Familie in einer gut eingerichteten 4 ½ Zimmer-Wohnung in der Kleiststraße 10 in Eilbek.

Mitte 1938 vermutete die Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten Hamburg, dass Saul Leo Kohn mit seiner Familie auszuwandern beabsichtigte. Deshalb wurden ihre Pässe eingezogen und zur Vorbereitung einer "Sicherungsanordnung" eine Vermögensübersicht verlangt. Saul Leo Kohn legte im August 1938 ein Vermögensverzeichnis vor, nach dem ihm ein ererbtes Wochenendhaus in Horst (damals Kreis Winsen) gehörte. Zu dem Vermögen gehörten auch Aktien und Anleihen zum Nennwert von 21.000 RM sowie Hypotheken- und Darlehensforderungen von 20.766 RM, außerdem ein Darlehen an seinen Bruder Henry Esriel Kohn in Höhe von 1600 RM. Sein bisheriges Grundstück in der Amsinckstraße 9 hatte er seinem damals unterstützungsbedürftigen Sohn Reinhard Nissen im Wege der Schenkung übereignet.

Saul Leo Kohn erhielt nun eine Verfügungssperre über sein Vermögen. Er hatte inzwischen seine Arbeitsstelle verloren und erzielte keine Einkünfte mehr. Ihm wurde lediglich erlaubt, monatlich 400 RM von seinem Bankguthaben für Unterhalt und Steuern abzuheben. Die Schenkung des Grundstücks in Horst an die Enkelkinder, die Kinder von Reinhard Nissen Kohn, wurde genehmigt.

Als Anteil an der nach dem Novemberpogrom 1938 verfügten, zynisch als "Sühneleistung" bezeichneten "Judenvermögensabgabe", für "die feindliche Haltung des Judentums gegenüber dem deutschen Volk" musste Saul Leo Kohn 5.850 RM zahlen.

Dank der "privilegierten Mischehe" überlebten Saul Leo und Marie Franziska Kohn die Zeit der NS-Diktatur. Sie wohnten bei Kriegsende in dem Häuschen in Horst.

Auch Saul Leo Kohns Sohn Reinhard Nissen stand in dem Verdacht, Deutschland verlassen zu wollen. Er hatte 1930 seine Jugendfreundin Gerda Böckmann, geboren am 18. Juli 1905 in Oldenburg, geheiratet und bekam mit ihr die Kinder Elsbeth, geboren am 2. Oktober 1933, und Jürgen Nissen, geboren am 26. April 1936. Die Familie wohnte in der Straße Rübenkamp 128 (Barmbek Nord).

Reinhard Nissen Kohn belegte parallel zu seiner Ausbildung zum Handlungsgehilfen ab 1921 Vorlesungen der Volkswirtschaftslehre. 1932 schloss er ein Jura-Studium erfolgreich ab, wurde aber zunächst nur als Hilfsangestellter bei der Grundsteuerverwaltung in den hamburgischen Staatsdienst aufgenommen. Er gehörte der SPD und dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold an. Deshalb fand bei ihm kurz nach der NS-Machtübernahme eine Hausdurchsuchung statt, bei der Bücher konfisziert wurden. Als Sohn eines Juden wurde der Jurist zum 31. August 1933 nach dem "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" aus dem Staatsdienst entlassen.

1937 kam er neun Wochen in Polizei- bzw. Untersuchungshaft wegen des Verdachts der Vorbereitung zum Hochverrat. Das Verfahren wurde ohne Anklageerhebung eingestellt.

Als "jüdischer Mischling ersten Grades" musste er vom 18. Januar 1945 bis 23. April 1945 zwangsweise Aufräumarbeiten leisten.

Nach dem Krieg arbeitete Reinhard Nissen Kohn zunächst als wissenschaftlicher Angestellter bei der Baubehörde und stieg dann zum Oberregierungsrat in der Arbeits- und Sozialbehörde auf. Mit der Wiedereinrichtung der Landessozialgerichtsbarkeit 1954 wurde er zum Senatspräsidenten und stellvertretenden Präsidenten am Landessozialgericht berufen.

Nachum Kohn, genannt Georg
Nachum Kohn, genannt Georg, wurde am 26. Juli 1871 in der Straße Neuer Wall 31 geboren. In seinen Erinnerungen erwähnt Joseph Berkowitz Kohn, dass ein Onkel in New York ihm einen seiner Söhne abzunehmen gewünscht habe und Georg sei mit 13 Jahren "fröhlich und ohne jeden Anhalt" in die neue Welt gezogen. In der Genealogie-Datenbank ancestry ist ein Eintrag enthalten, nach dem "Nachum G Kohn" am 20. Oktober 1895 in Manhattan, New York, "Adele Gaum" heiratete. Mit dem Eintrag dürfte Joseph Berkowitz Kohns Sohn Nachum gemeint sein. Ohne nähere Bestätigungen muss dies aber ein vages Indiz bleiben. Ancestry-Recherchen über Adele Gaum ergeben keine näheren Erkenntnisse.

Rosalie Kohn, verheiratete Seeliger
Rosalie Kohn war am 26. April 1873 geboren worden. Auch sie kam im Neuen Wall 31 zur Welt und wurde immer nur Rosi gerufen. Sie wurde Lehrerin und heiratete am 11. Juli 1901 den nichtjüdischen Ewald Gerhard Hartmann Seeliger, geboren am 1. Oktober 1877 in Rathau, Kreis Brieg, in der damaligen Provinz Schlesien.

1902 bekam das Paar einen Sohn, Heinz Wolfram. Nach Stationen als Volksschullehrer in Schlesien und Genua arbeitete Ewald Gerhard Hartmann Seeliger ab 1900 im Hamburger Schuldienst. Zugleich war er in Hamburg und dann in Wedel sehr erfolgreich als Schriftsteller tätig. Nach 1933 befand er sich zeitweise wegen "Verunglimpfung des Nationalsozialismus" in "Schutzhaft".

Nach seiner Entlassung aus dem Schuldienst befürchtete er eine erneute Inhaftierung und lebte zeitweilig in der Schweiz. Er kehrte 1935 nach Deutschland und schließlich nach Hamburg zurück. 1936 wurde er wegen seiner jüdischen Ehefrau Rosalie aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen.

1940 zog das Ehepaar Seeliger zu seinem Sohn nach Cham in der Oberpfalz. Das nach NS-Kriterien in "privilegierter Mischehe" lebende Paar überlebte dort sehr zurückgezogen die NS-Zeit.

Der Sohn Heinz Wolfram, in der NS-Zeit als "jüdischer Mischling ersten Grades" eingestuft, wurde in das "KZ Schelditz-Rositz in Thüringen" eingeliefert, damit war vermutlich das "Zwangsarbeitslager Rositz" gemeint, das gelegentlich auch als "Zwangsarbeitslager Schelditz" bezeichnet wurde. Dort mussten internierte "jüdische Mischlinge" schwere Zwangsarbeit leisten. Heinz Wolfram konnte aber fliehen. Näheres wissen wir nicht.

Pincus Nathan Kohn, genannt Paul
Pincus Nathan Kohn, genannt Paul, wurde am 15. Juli 1876 in der Fuhlentwiete 18/19 in Hamburg-Neustadt geboren.

Er heiratete am 8. Juni 1922 in Hamburg die protestantische Elise Hanchen, geborene Hinz, verwitwete Heinemann. Sie war am 28. Februar 1890 in Hamburg, Eichholz 53, als Tochter des Ewerführers (Ewer = Schiff) Johann Franz Wilhelm Hinz und seiner Ehefrau Bertha Johanna, geborene Runge, zur Welt gekommen. Sie war in erster Ehe mit dem Kaiarbeiter Max Ferdinand Heinemann verheiratet, der am 11. November 1913 verstorben war.

Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Auguste Kohn, geboren am 10. Februar 1921, Luise Kohn, geboren 1922, und Josef Kohn, geboren am 1. Oktober 1928.
1923 verlegte Pincus Nathan (Paul) Kohn den Familienwohnsitz aus Gesundheitsgründen, wie er später im Wiedergutmachungsverfahren erklärte, nach Bargteheide.

Pincus Nathan (Paul) Kohn war bis Ende 1913 zur See gefahren. Infolge einer Verletzung im Ersten Weltkrieg musste er 1917 einen Unterarm teilweise amputieren lassen. Wegen seiner Beteiligung an den revolutionären Ereignissen 1918 kam er nach Kriegsende zeitweise in Gefängnishaft. Anfang 1919 fand er eine Anstellung beim Arbeitsamt Hamburg. Er verlor diese Arbeit im Mai 1933 jedoch mit dem Hinweis darauf, dass er Jude sei.

Zuvor war er bereits vom 3. März bis 5. Mai nach einer Hausdurchsuchung, bei der Schriften und Manuskripte beschlagnahmt worden waren, inhaftiert worden. Bei weiteren Hausdurchsuchungen 1934 und 1935 wurden etwa tausend Bücher aus dem Bereich der Arbeiterbewegung und ein Radiogerät konfisziert.

Trotz politischer und "rassischer" Verfolgung überlebte die Familie die NS-Zeit offenbar dank der Einstufung als "privilegierte Mischehe". Pincus Nathan Kohn, genannt Paul, starb am 29. Dezember 1950 in Bargteheide. Die Tochter Auguste emigrierte 1948 nach Argentinien, Luise Kohn verheiratete Sussmann, nach Schweden. Der Sohn Josef Kohn blieb als Bootsbauer in Bargteheide.

Isidor Max Kohn
Isidor Max Kohn wurde am 11. Dezember 1877 in der Fuhlentwiete 18/19 in der Hamburger Neustadt geboren. Er war in erster Ehe verheiratet mit der evangelischen Maria Sophia Böge, geboren am 16. März 1882 in Lägerdorf in Schleswig-Holstein. Das Ehepaar bekam zwei Kinder: Hermann Erich, geboren am 11. Januar 1907, und Leonore Martha Hella, geboren am 17. Juli 1913, beide geboren in Hamburg. Maria Sophia Böge starb am 3. Februar 1918 im Hamburger Institut für Geburtshilfe in der Straße Finkenau.

Am 20. Dezember 1919 gingen Isidor Max Kohn und die nichtjüdische Johanna Maria Ingeborg Böge, geboren am 6. Januar 1897 in Lägerdorf, die Ehe ein. Sie war wahrscheinlich eine Cousine der verstorbenen Ehefrau. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor: Maria Johanna Auguste, geboren am 21. Dezember 1920, und Hans Hermann, geboren am 20. Juni 1922.

Isidor Max Kohn nahm als Soldat am Ersten Weltkrieg teil. Nach seiner Demobilisierung war er kurze Zeit als Handlungsgehilfe tätig, ab April 1919 fand der eine Anstellung beim früheren Hamburgischen Landesamt für Arbeitsvermittlung und beim Landesarbeitsamt Nordmark in Hamburg bzw. beim Arbeitsamt Hamburg.

Wie einige seiner Angehörigen war Isidor Max Kohn Mitglied der SPD, und zwar bis zum Verbot der Partei 1933. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde er nicht sofort entlassen, weil das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" auf ihn als Frontkämpfer nicht anwendbar war. Zunächst wurde sein Gehalt gekürzt, er erhielt die Kündigung zum 31. Dezember 1933. Von Anfang 1934 bis 1938 erhielt er Arbeitslosenunterstützung, ab Anfang 1938 nach Erreichen des 60. Lebensjahres, eine Altersrente.

Isidor Max Kohns Familie verlor ihre Wohnung in der Hasencleverstraße 34 in Hamburg-Horn und hauste nun in einer Gartenlaube in Sasel, Am Berner Wald 7 (heute Kleingartenverein 582 "Am Berner Wald").

1936 erhielt die Familie eine Wohnung, die sie allerdings im Dezember 1943 mit einer Frist von vierzehn Tagen auf Befehl der Gestapo räumen musste. Die Tochter Maria Johanna Auguste wurde von der Schule verwiesen, weil sie als "jüdischer Mischling ersten Grades" galt. Dem Sohn Hans Hermann Kohn wurde aus demselben Grunde das Studium verweigert. Er musste stattdessen ein Handwerk erlernen und wurde ab Oktober 1944 zur zwangsweisen Arbeit herangezogen.

Isidor Max Kohn erlitt im Juli 1944 einen Schlaganfall, der ihn zwei Jahre ans Bett fesselte. Im Februar 1945 erhielt er den Deportationsbefehl nach Theresienstadt, der aber wegen Transportunfähigkeit nicht durchgeführt wurde.
Isidor Max Kohn starb am 15. Juni 1946.

Hermann Erich Kohn, der ältere der beiden Söhne, war u.a. zusammen mit Hans Leidersdorf (s. www.stolpersteine-hamburg.de) leitendes Mitglied der aus der KPD ausgestoßenen "Linken Opposition", einer trotzkistischen Gruppe. Er wurde in der Nacht vom 24/25. Juli 1933 vom berüchtigten "Kommando zur besonderen Verwendung" festgenommen und bis 31. August 1933 im KZ Fuhlsbüttel, danach bis 12. September im Frauengefängnis Fuhlsbüttel inhaftiert.
Er floh Ende 1933 zunächst nach Dänemark, 1937 weiter nach Norwegen, nach der deutschen Besetzung des Landes im April 1940 weiter nach Schweden.

Isidor Max Kohns jüngerem Sohn Hans Hermann wurde als "jüdischem Mischling ersten Grades" eine Ingenieursausbildung verwehrt. Er wurde wie andere "Mischlinge ersten Grades" ab 1944 zwangsweise zu Arbeiten im Petroleumhafen, in Waltershof und Georgswärder (heute Georgswerder) sowie zu Aufräumarbeiten nach Bombenangriffen vorwiegend in Harburg herangezogen. Die Zwangsverpflichteten mussten u.a. Kriegsgefangene aus Polen bewachen.
Hermann Erich Kohn wanderte 1951 nach Brasilien aus.
Seine Schwester Maria Johanna Auguste folgte ihm im Jahre 1955.

Minna Kohn
Minna Kohn war am 29. April 1880 in der Straße Hohe Bleichen 8 geboren worden. Nach ihren Angaben auf einem in New York beantragten Reisepass erklärte sie, sie habe von 1893 bis 1920 ununterbrochen in New York gelebt. Sie scheint also schon in sehr jungen Jahren nach USA ausgewandert zu sein.

Sie war verheiratet mit dem jüdischen Kaufmann Eduard (Edward) Ehrlich, geboren am 9. September 1877 in Böhmen, seit 1920 US-Bürger. Die Heirat fand am 10. Februar 1907 in New York statt. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor: John (Geburtsjahr nicht bekannt) und Evelyn, geboren etwa 1914.

Ahron Arnold Kohn
Ahron Arnold Kohn kam am 26. Juni 1883 in der Thalstraße 59, Haus Nr. 2 (heute Talstraße) im Stadtteil St. Pauli zur Welt. Aus seiner Ehe mit der jüdischen Emma, geborene Kohn (nicht verwandt mit der hier beschriebenen Familie Kohn), geboren am 14. Mai 1882 in Altona, gingen zwei Kinder hervor: Else, geboren 1909, und Gerda, geboren 1912. Else wurde später Ärztin, Gerda Stenotypistin.

Ahron Arnold Kohn gehörte der Jüdischen Gemeinde Hamburgs bis zu seiner Emigration 1939 an. Die Familie wohnte bis 1938 in einem eigenen Haus in Hamburg-Blankenese, Kahlkamp 1a, und nach dessen Verkauf dann bei Emma Kohns Schwägerin Emma Elise Pauline Kohn in der Curschmannstraße 2 in Hoheluft-Ost.

Ahron Arnold Kohn arbeitete ab 1903 bei der Großeinkaufsgenossenschaft Deutscher Consumvereine (GEG) zunächst als Kontorist, dann als Abteilungsleiter und schließlich 1927 als Prokurist, nur unterbrochen durch den Kriegsdienst.

Als Jude wurde Ahron Arnold Kohn am 1. April 1933 fristlos entlassen. In einem im übrigen exzellenten Zeugnis vom 30. Juni 1933 heißt es: "Herr Kohn verlässt die Stellung in unserem Hause nach einer jahrzehntelangen Tätigkeit infolge erforderlich gewordener Umstellungen." Ahron Arnold Kohn wehrte sich vergebens gegen die in der Folge des "Gesetzes über die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" ausgelöste Entlassung weit über den staatlichen Bereich hinaus. Im Zusammenhang mit dem "Wiedergutmachungsverfahren" bestätigte die GEG 1954, dass Ahron Arnold Kohn aus "rassischen" und politischen Gründen entlassen worden sei.

Auch die Töchter Else und Gerda Kohn verloren ihre Arbeitsstellen wegen ihrer jüdischen Herkunft. Emma Kohn richtete in ihrem Hause in Blankenese, Kahlkamp 1a, eine Pension für jüdische Gäste ein. Sie wurde u.a. mit der Behauptung schikaniert, sie habe an "Arier" vermietet und in dem Hause finde "Rassenschande" statt. Auch ihr Gast, der Pädagoge Josef Feiner sah sich diesem Vorwurf ausgesetzt. Er nahm sich am 11. März 1938 in dem Haus am Kahlkamp das Leben (siehe www.stolpersteine-hamburg.de). Trotz wiederholter Haussuchungen konnte kein Beweis für die Anschuldigungen gegen Emma Kohn erbracht werden.

Aufgrund seiner bei der GEG gesammelten Erfahrungen für die Artikel Kunsthonig, Honig und Sirup, versuchte Ahron Arnold Kohn 1936, sich mit einer Handelsfirma für diese Waren in der Meißnerstraße 15a in Eimsbüttel selbstständig zu machen.

Am 9. November 1938, dem Tag des Novemberpogroms, saßen Ahron Arnold Kohn und sein Neffe Herman Erich Kohn, ein Sohn von Isidor Max Kohn, in einem Hotelrestaurant in Stade. Beide Männer wurden festgenommen und wie sie später berichteten in Bremerhaven inhaftiert. Verbunden mit der Auflage, das Reichsgebiet bis 1. April 1939 zu verlassen, wurden sie Mitte Januar 1939 freigelassen, anderenfalls – so die Drohung – würden sie wieder eingesperrt.

Emma Kohn verkaufte während Ahron Arnold Kohns Haftzeit das Grundstück in Blankenese. Bis zur Flucht aus Deutschland kam die Familie bei Emma Kohns Schwägerin, der Witwe Emma Elise Pauline Kohn in der Curschmannstraße 2 unter.
Ahron Arnold Kohns Ehefrau gelang die Ausreise am 10. Januar 1939. Auch Ahron Arnold Kohn gelang es, aus Deutschland zu fliehen.

Das Ehepaar Kohn emigrierte nach Brasilien. Es kam dort mittellos an, denn ihm war nur die Mitnahme von 10 RM gestattet worden. In der ersten Zeit erhielten beide Zuwendungen von der örtlichen jüdischen Gemeinde. Nach einem Jahr hatte Ahron Arnold Kohn die Sprache soweit erlernt, dass er als Vertreter arbeiten konnte. Emma Kohn trug zum Familienunterhalt durch Zimmervermietung mit Pensionsbetreuung bei.

Die Töchter hatten Deutschland bereits 1936 (Gerda) und 1937 (Else) verlassen. Gerda Kohn heiratete im September 1936 den Anfang 1936 nach Brasilien emigrierten Juden Walter Theodor Silberberg. Die Ärztin Else Kohn durfte in Palästina nur als Krankenschwester arbeiten. Sie heiratete Heinz Lehmann, über den uns Näheres nicht bekannt ist.

Betty Kohn
Betty Kohn, das jüngste Kind von Auguste Guetel und Joseph Berkowitz Kohn, war am 6. November 1886 in der Thalstraße 59 geboren worden. Sie heiratete am 16. September 1921 den Kaufmann Hermann Meyer, geboren am 28. Dezember 1895. Das Paar verließ Deutschland im April 1923 und lebte fortan zusammen mit seiner Ende 1923 geborenen Tochter Helen in den USA.

Stand: März 2023
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4, 5; 6; 7; 9; Joseph Berkowitz Kohn: StaH 332-5 Standesämter 546 Sterberegister Nr. 632/1905 (Joseph Berkowitz Kohn), 7006 Sterberegister Nr. 605/1920 (Auguste Kohn).

Henry Esriel Kohn: StaH 314-15 Oberfinanzpräsident FVg 4661 (Johannis Wolfgang Kohn (John Hakon), 332-4 Aufsicht über die Standesämter 1611 (Henry Esriel Kohn), 332-5 Standesämter 1950 Geburtsregister Nr. 350/1879 (Henry Esriel Kohn), 2020 Geburtsregister Nr. 3881/1882 (Gretchen Jantzen), 113254 Geburtsregister Nr. 3086/1908 Johannis Wolfgang Kohn, 3016 Heiratsregister (Nr. 380/1904 Henry Esriel Kohn/Gretchen Jantzen), 351-11 Amt für Wiedergutmachung 4107 (Erbengemeinschaft Henry Esriel Kohn), 32877 (Johannis Wolfgang Kohn (John Hakon), 35895 (Gretchen Kohn); Arolsen Archives, Sterberegister Nr. 1739/1952 (Henry Esriel Kohn).

Zipora Heiden: StaH 131-10 I Senatskanzlei-Personalabteilung 1934 Ma 2/16 Anrechnung einer Vordienstzeit beim Ruhegeld der Lehrerin Sophie Heiden, 1934, 332-3 Zivilstandsaufsicht A 204 Geburtsregister Nr. 4309/1875 (Zipora Kohn), 332-5 Standesämter 8198 Sterberegister Nr. 958/1945 (Zipora Heiden), 351-11 Amt für Wiedergutmachung 2667 (Zipora Heiden); Hessisches Hauptstaatsarchiv, Wiesbaden, Bestand 903, Heiratsregister Nr. 194/1909 Johannes Hermann Rudolf Heiden/Zipora Kohn.

Esther Kohn: StaH 332-3 Zivilstandsaufsicht A 54 Geburtsregister Nr. 4486/1868 (Esther Kohn)
Saul Leo Kohn: StaH 314-15 Oberfinanzpräsident R 1938_1395 Kohn, Saul Leo) 332-3 Zivilstandsaufsicht A 84 Geburtsregister Nr. 931/1870 Saul Kohn, A 183 Nr. 5281/1874 Marie Franziska Nissen, 332-4 Aufsicht über die Standesämter 2308 Saul Kohn, später Saul Leo Kohn, 332-5 Standesämter 13919 Geburtsregister Nr. 435/1903 Reinhard Nissen Kohn, 8617 Heiratsregister Nr. 223/1902 Saul Leo Kohn/Marie Franziska Nissen, 13486 Nr. 77/1930 Reinhard Nissen Kohn/Gerda Böckmann, 10057 Sterberegister Nr. 1872/1954 Saul Leo Kohn; http://www.avs-bund.de/kohn-reinhard/ Zugriff am 26.1.2023.

Nachum, genannt Georg, Kohn: StaH 332-3 Zivilstandsaufsicht A 114 Geburtsregister Nr. 4510/1871 (Nachum Kohn).

Rosalie Kohn: StaH 332-3 Zivilstandsaufsicht A 153 Geburtsregister Nr. 2888/1873 (Rosalie Kohn), 332-5 Standesämter 2960 Heiratsregister Nr. 569 (Ewald Gerhard Hartmann Seeliger/Rosalie Kohn).

Pincus Nathan Kohn: StaH 332-5 Standesämter 1884 Geburtsregister Nr. 3293/1876 (Pincus Nathan Kohn), 2225 Nr. 1102/1890 (Elise Hanchen Hinz), 3207 Heiratsregister Nr. 585/1912 (Max Ferdinand Heinemann/Elise Hanchen Hinz), 6601 Heiratsregister Nr. 492/1922 (Pincus Nathan Kohn/Elise Hanchen Heinemann), 351-11 Amt für Wiedergutmachung 3030 Pincus Kohn, 12809 Pincus Kohn.

Isidor Kohn: StaH 332-5 Standesämter 1914 Geburtsregister Nr. 5748/1877 (Isidor Max Kohn), 14947 Geburtsregister Nr. 47/1907 (Hermann Erich Kohn), 6564 Heiratsregister Nr. 760 (Isidor Max Kohn/Johanna Maria Ingeborg Böge), 8202 Sterberegister Nr. 509 (Isidor Max Kohn); 351-11 Amt für Wiedergutmachung 19404 Isidor Max Kohn, 31707 Hermann Erich Kohn; Einwanderungskarten Rio de Janeiro 1900-1965, FHL-Filmnummer 004567106 (Maria Johanna Auguste Kohn), 4864338 (Hans Hermann Kohn) ancestry.de (Zugriff 10.2.2023).

Minna Kohn: StaH 332-5 Standesämter 1978 Geburtsregister Nr. 2157/1880 (Minna Kohn). Heiratsindex, New York, USA, Nr. 4961/1907 (Minna Kohn/Edward Ehrlich); Sterberegister 1912-2014, Virginia, USA, Urkunde Nr. 1966014491 (Minna Kohn Ehrlich). USA, Reisepassanträge 1795-1925, Nr. 69549 (Minna Ehrlich).

Ahron Arnold Kohn: StaH332-5 Standesämter 2056 Geburtsregister Nr. 3154/1883 Ahron Arnold Kohn, 113796 Geburtsregister Nr. 888/1909 (Else Kohn), 5972 Heiratsregister Nr. 204/1907 (Arnold Kohn/Emma Kohn), 314-15 Oberfinanzpräsident FVg 7321 (Emma Kohn), R 1939_0005 Arnold Ahron Kohn, FVg 7321 (Emma Kohn), 351-11 Amt für Wiedergutmachung 5903 (Emma Kohn), 6737 (Ahron Arnold Kohn), 37755 Teil 1 und Teil 2 (Walter Silberberg), 741-4 Fotoarchiv A 257 Haftkarteikarte (Aron Arnold Kohn); Einwanderungskarten Rio de Janeiro 1900-1965, FHL-Filmnummer 004798850 (Emma Kohn), FHL-Filmnummer 004568727 (Ahron Arnold Kohn), ancestry.de (Zugriff 10.2.2023).

Betty Meyer geb. Kohn: StaH 332-5 Standesämter 2133 Geburtsregister Nr. 5322/1886 (Betty Kohn), 6595 Heiratsregister Nr. 505/1921 Betty Kohn/Hermann Meyer; Sammlung US-Volkszählung 1930 Betty Meyerancestry.de (Zugriff 10.2.2023). Manfred Alexander, Kleine Geschichte Polens, Stuttgart 2003, S. 186 ff. Ulrich Bauche, Biographien im Spannungsfeld zwischen ethnischer und sozialpolitischer Exponiertheit: jüdische Mitstreiter in der Hamburger Arbeiterbewegung in: Volkskundlich-Kulturwissenschaftliche Schriften: VOKUS – Hamburg: Inst. für Volkskunde/ Kulturanthropologie der Universität 1988-2012, S. 16 ff.; Wolfgang Benz, Theresienstadt Eine Geschichte von Täuschung und Vernichtung, München 2013, S. 198; Reinhard Saloch/Dieter Thiele: Gerda Kohn – Ein tätiges Leben, Hamburg 1995; Hamburger Jüdische Opfer des Nationalsozialismus Gedenkbuch, StaH 1995; Gertrud Pickhan, Ulrich Bauche (Hrsg.): Joseph Berkowitz Kohn. Ein Leben als polnischer Freiheitskämpfer und hamburgischer Sozialdemokrat 1841-1905, München 2006; Reinhard Saloch/Dieter Thiele, Gerda Kohn: Ein tätiges Leben, Hamburg 1995.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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