Namen, Orte und Biografien suchen
Bereits verlegte Stolpersteine
Suche
Helene Elsa Bauer * 1875
Curschmannstraße 8 (Hamburg-Nord, Eppendorf)
HIER WOHNTE
HELENE ELSA
BAUER
JG. 1875
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
7.3.1942
Weitere Stolpersteine in Curschmannstraße 8:
Johanna Allen, Ilse Lippstadt, Sara Gertrud Theiner, Iwan von der Walde
Helene Elsa Bauer, geboren am 9.5.1875, gedemütigt/entrechtet, Flucht in den Tod am 6.3.1942
Curschmannstraße 8
"Wir gehen freiwillig aus dem DASEIN, weil wir in der Zukunft nur Schwierigkeiten und Quälerei sehen mit dem was kommt, so dass wir dieses schützende Dach verlassen. Und dem sind wir nicht mehr gewachsen. Wir wünschen keinesfalls wieder zurückgerufen zu werden in diese feindliche, unfreundliche Welt!
Gez. Sara Gertrud Theiner
Gez. Helene Elsa Bauer"
Die diese Zeilen am 5. März 1942 schrieben, waren die Schwestern Helene Elsa Bauer und Sara Gertrud Theiner, die seit dem 5. Februar 1932 zusammen in der Curschmannstraße 8 im Stadtteil Hoheluft-Ost im 2. Stock wohnte. Sie wählten am 6. März 1942 den Freitod.
Helene Elsa Bauer war am 9.5.1875 in Hamburg als fünftes von sieben Kindern der jüdischen Eheleute Philipp Louis Bauer und Clara Chaje Bauer, geb. Ollendorf, in Hamburg geboren worden. (Philipp Louis Bauer verstarb am 11. Juni 1894, Clara Chaje Bauer folgte am 10. Oktober 1907. Beide wurden auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt.)
Wir wissen nichts über Helene Elsa Bauers Kindheit, ebenso wenig ist uns bekannt, wann und wo sie das Lehrerinnenseminar besuchte, um später in Hamburg eine Lehrtätigkeit auszuüben.
Helene Elsa Bauer begann ihre Arbeit als Lehrerin am 1. Oktober 1896 in der 1889 gegründeten Mädchenschule Böhmkenstraße 5-6 in der Neustadt. Sie unterrichtete bis 1898 an dieser Schule und wechselte dann in die 1889 gegründete Mädchenschule Hohe Weide in Eimsbüttel. Mit dem Schulwechsel trat sie auch einer Begräbnisvereinigung bei, die sich um die Beisetzungen von Lehrern und Lehrerinnen kümmerte. Rein formal hatte sie am 1. Januar 1900 ihre Pensionsberechtigung erlangt.
Sie bewohnte eigene Wohnungen: zunächst im Erdgeschoss in der Hochallee 92 im vornehmen Stadtteil Harvestehude, von 1904 bis 1905 in der Hagedornstraße 29 im dritten Stock, 1909 in der Brahmsallee 37 und von 1910 bis 1911 in der Brahmsallee 34. Schließlich zog sie am 8. September 1911 in die Curschmannstraße 8 in Hoheluft-Ost. Ihr Bruder Eugen Philipp Bauer wohnte von 1913 bis 1917 bei ihr in ihrer 4 ½ Zimmerwohnung.
Helene Elsa Bauer zahlte erstmals ab 1915 Kultussteuer an die Jüdische Gemeinde. Sie entrichtete diese durchgehend bis 1942.
Ihre Lehrtätigkeit übte sie noch bis 1923 an der Mädchenschule Hohe Weide aus und ging mit 48 Jahren vorzeitig in den Ruhestand. Im Adressbuch führte sie weiter ihre Berufsbezeichnung "Lehrerin".
Wir wissen nicht, ob sie ein Zimmer ihrer 4 ½ Zimmerwohnung, die sie ab 1917 wieder allein bewohnte, noch einmal untervermietete. Am 5. Februar 1932 zog dann ihre Schwester Sara Gertrud Theiner zu ihr. Am 23. Juni 1934 jedoch vermietete sie ein Zimmer an die am 1. Juni 1899 in Lehrte geborene alleinlebende Johanne "Hanni" Allen unter, die 1935 in die Bogenstraße 19 umzog. (Johanna Allen wurde am 25. Oktober 1941 nach Litzmannstadt/ Lodz deportiert.)
Über die Jahre von 1935 bis 1939 können wir nichts berichten.
Für das erste Halbjahr 1940 bat Helene Elsa Bauer die Jüdische Gemeinde um eine Aussetzung der Abgabe, da sie schwer erkrankt sei (dem aber nicht stattgegeben wurde). Wir wissen nicht, um welche Erkrankung es sich handelte.
Die Oberfinanzdirektion forderte Helene Elsa Bauer am 6. März 1940 auf, ihre finanziellen Verhältnisse offenzulegen. Sie gab an, durch ihre frühere Arbeit als Volksschullehrerin eine Pension von monatlich 210 RM zu beziehen. Eine "Sicherungsanordnung" wurde wegen der geringen Einkünfte nicht erlassen.
Am 5. August 1940 vermietete sie ein Zimmer an Ilse Lippstadt unter, die am 31.12.1905 in Elmshorn geboren worden war. Ilse Lippstadt wurde am 18. November 1941, im Alter von 35 Jahren nach Minsk deportiert und ermordet. (Siehe www.stolpersteine-hamburg.de).
Immer mehr Demütigungen und die fortschreitende Entrechtung machten Helene Elsa Bauer und Sara Gertrud Theiner zunehmend das Leben schwerer.
Warum wählten sie den 6. März als Todesdatum? Es stand der Umzug in ein "Judenhaus" zum 15. März 1942 an. Ihr Bruder Eugen Philipp hatte bereits am 30. Oktober 1941 in das "Judenhaus" Sedanstraße 23 umziehen müssen.
Beiden Schwestern war klar, dass der Umzug in ein "Judenhaus" weitere Einschränkungen mit sich brachte und dass von dort aus die Deportation folgen würde. Dem wollten sich die beiden Frauen nicht mehr aussetzen. So beschlossen sie, ihrem Leben ein Ende zu setzen.
Die Schwestern ordneten ihre Papiere, besorgten sich Schlaftabletten und baten den Arzt Wolfson bereits im Vorwege für den 6. März 1942 zum Hausbesuch in ihre Wohnung ein. Auch bestellten sie ihren Neffen Rolf Bauer aus Leipzig ein, dem sie die Schlüssel zu ihrer Wohnung aushändigten. Die Schwestern schrieben den oben angeführten Abschiedsbrief, nahmen die Barbiturate ein und legten sich in ihre Betten.
Sara Gertrud Theiner verstarb am 6. März 1942 vormittags. Für Helene Elsa Bauer wurde noch ein Krankenwagen gerufen. Sie verstarb am gleichen Tag um 20.15 Uhr im Israelitischen Krankenhaus in der Johnsallee.
Beide wurden auf dem Jüdischen Friedhof Illandkoppel beigesetzt.
Zum Schicksal der Geschwister von Helene Elsa Bauer:
Olga Bauer (geb. 26.12.1864) verstarb am 4. April 1869 und wurde auf dem Jüdischen Grindelfriedhof beigesetzt.
Paul Ludwig Bauer (geb. 29.11.1877), verheiratet mit der nicht jüdischen Frida Emma Caroline geb. Heylmann, verstarb am 8. Juni 1918 und wurde auf den Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt.
Conrad Philipp Bauer (geb. 12.2.1871), verheiratet mit der Nichtjüdin Helene geb. Greve, verstarb am 28. März 1927. Wo er beigesetzt wurde, ist nicht bekannt.
Eugen Philipp Bauer (geb. 16.7.1862) wurde am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und verstarb dort am 4. Juli 1943. Für Eugen Philipp Bauer wird im Juni 2021 ein Stolperstein in der Wrangelstraße 8 verlegt.
Sara Gertrud Bauer (geb. 30.5.1872), verheiratet mit Berthold Theiner (geb. 4.1.1862), nahm sie sich zusammen mit ihrer Schwester Helene Elsa Bauer am 6. März 1942 das Leben. (Siehe www.stolpersteine-hamburg.de).
Rudolf Bauer (geb. 11.3.1880) wohnte über viele Jahre in Leipzig. Wo und wann er verstarb, konnte nicht festgestellt werden.
Stand: April 2021
© Bärbel Klein
Quellen: StaH, 1; 2; 4; 5; 7; 8; 9; 111-2_B II b 172UA 3; 331-5_3 Akte_398 / 1942; 331-5_3 Akte_762/1942; 332-3_3401/1875; 332-5_4705/1877; 332-5_1113/1880; 332-5_109/1884; 332-5_909/1892; 332-5_933/1894; 332-5_372/1901; 332-5_477/1902; 332-5_308/1904; 332-5_455/1907; 332-5_362/1916; 332-5_163/1917; 332-5_971/1918; 332-5_525/1920; 332-5_126/1927; 332-5_120/1942; 332-5_215/1942; 332-5_602/1952; 351-11_939; 351-11_14363; 351-14_937; 614-1/71_177; 741-4_K2439; Hamburgisches Lehrerverzeichnis A 576/0001; www.geni.com; www.wikipedea.de; www.ancestry.de (Einsicht am 20.10.2020).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".