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Friedrich Böhning * 1909
Heinrich-Heine-Straße 34 (Harburg, Wilstorf)
1941 eingewiesen
'Heilanstalt' Kaufbeuren
ermordet 12.05.1944
Friedrich Böhning, geb. 22.10.1909, eingewiesen in die Rotenburger Anstalten der Inneren Mission, verlegt in die "Heil- und Pflegeanstalten" Günzburg und Kaufbeuren-Irsee, dort verstorben am 12.5.1944
Stadtteil Wilstorf, Heinrich-Heine-Straße 34
Als Friedrich Böhning mit achteinhalb Jahren im Frühjahr 1918 in die Rotenburger Anstalten der Inneren Mission eingewiesen wurde, wurden die mehr als 300 Bewohnerinnen und Bewohner dieser Einrichtung von einer Schwesternschaft betreut, die Elise Averdieck, der Gründerin des Kranken- und Diakonissenmutterhauses Bethesda, von Hamburg in die Kreisstadt an der Wümme gefolgt war.
Der 30. Januar 1933 markiert einen tiefen Bruch in der Geschichte der Rotenburger Anstalten. Die "Machtergreifung" der Nationalsozialisten wurde von der Inneren Mission mit Enthusiasmus begrüßt. In der "Denkschrift der Evangelischen Gesundheitsfürsorge" von 1936 heißt es: "In tiefer Dankbarkeit für diese Wendung steht auch die Innere Mission … im nationalsozialistische Staat an ihrem Platz, freudig bereit zum Dienst an der Volksgemeinschaft, in die sie sich von Gott gestellt weiß." Diese Geisteshaltung spiegelt sich auch in der Befürwortung des "Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" vom 14. Juli 1933 durch den Zentralausschusses der Inneren Mission wider, an dessen Umsetzung sich auch die Ärzte der Rotenburger Anstalten beteiligten. Von August 1934 bis zum Jahre 1943 wurden 335 Bewohnerinnen und Bewohner der Einrichtung sterilisiert.
Die Lage dieser und aller anderen Menschen, die hier betreut wurden, verschlechterte sich dramatisch, als kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs die "T4-Aktion", das Programm zur "Vernichtung lebensunwerten Lebens" (siehe Glossar), begann. Im Juli 1940 wurde auch die Leitung der Rotenburger Anstalten aufgefordert, Meldebögen für die Patientinnen und Patienten auszufüllen, die keine produktive Arbeit leisteten, seit über fünf Jahren behandelt wurden, vorbestraft waren und keinen "arischen" Nachweis erbringen konnten. Über die Funktion dieser Meldebögen für diesen Patientenkreis dürften kaum Zweifel bestanden haben. Die Anstaltsleitung konnte deren Bearbeitung zwar eine Zeit lang verzögern, aber nicht verhindern. Am 24. April 1941 traf eine Kommission von vier Ärzten und drei Schreibkräften in Rotenburg ein, die 1150 Bewohnerinnen und Bewohner der Anstalten in vier Tagen untersuchte und damit den Auftrag der Berliner T4-Zentrale in kürzester Zeit erledigte.
Die planmäßige Verlegung von Patientinnen und Patienten der Rotenburger Anstalten der Inneren Mission begann am 30. Juli 1941 mit dem Abtransport von 70 Männern in die "Landesheilanstalt Weilmünster", einer Zwischenstation auf dem Wege zur Tötungsstätte Hadamar, nachdem vorher bereits eine Jüdin und zwei Juden "verlegt" worden waren. Auch nach dem offiziellen Euthanasiestopp vom 24. August 1941 riss die Kette der Abtransporte von Menschen aus dieser Einrichtung der Inneren Mission nicht ab. Davon waren auch 819 der ca. 1100 damals in den Rotenburger Anstalten lebenden Menschen betroffen. 547 der Abtransportierten fanden dabei den Tod.
Friedrich Böhning befand sich unter den Rotenburger Patienten, die am 7./8. Oktober 1941 zunächst nach Günzburg in Schwaben und von dort um die Jahreswende 1943/44 in die "Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren-Irsee" weiterverlegt wurden. Leiter dieser Anstalt war Valentin Falthauser, der maßgeblich an diversen Euthanasiemaßnahmen beteiligt war. Er führte im Herbst 1942 in Kaufbeuren-Irsee die so genannte E-Kost (Entzugskost) ein. Es war eine weitestgehend fett- und vitaminfreie Ernährung, die langsam zum Verhungern führen sollte. Aus Friedrich Böhnings Krankenakte ist ersichtlich, dass er stark abmagerte: Innerhalb von vier Monaten war sein Körpergewicht von 40,5 kg auf 30 kg gesunken.
Friedrich Böhning starb am 12. Mai 1944. Als Todesursache wurde doppelte schwerste Lungentuberkulose angegeben.
© Klaus Möller
Quellen: Archiv der Rotenburger Werke der Inneren Mission, Akte Nr. 123; Rotenburger Werke (Hrsg.), Zuflucht, S. 5ff.; Wunder u.a., Kein Halten, S. 29ff.; Cranach/Siemen, Psychiatrie, S. 265ff.; Reiter, Psychiatrie Niedersachsen, S. 193ff.