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Louis Böhm * 1863

Isestraße 69 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1941 Minsk

Weitere Stolpersteine in Isestraße 69:
Liesel Abrahamsohn, Johanna Adelheim, Henry Blum, Rosalie Blum, Gertrud Böhm, Bertha Brach, Hillel Chassel, Irma Chassel, Michael Frankenthal, Erna Gottlieb, Ella Hattendorf, Frieda Holländer, Gertrud Holländer, Henriette Leuschner, Elfriede Löpert, Helene Löpert, Walter Löpert, Ella Marcus, Ernst Maren, Josephine Rosenbaum, Günther Satz, Selma Satz, Else Schattschneider, Gottfried Wolff, Lydia Wolff

Louis Böhm, geb. 19.8.1863 in Groß-Dombrowska, Posen, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk
Gertrud Böhm, geb. Cohn, geb. 30.3.1866 in Berlin, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, dort verstorben am 6.8.1942
Helene Löpert, geb. Böhm, geb. 29.10.1901 in Prökuls, Ostpreußen, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk
Walter Löpert, geb. 30.5.1934 in Altona, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk
Elfriede Löpert, geb. 30.11.1936 in Hamburg, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk

Der Pharmazeut Louis Böhm war mit seiner Frau Gertrud und den beiden Kindern Isak Walter und Helene von Ostpreußen nach Altona gezogen, um im März 1905 die Hirsch- und Kranken­hausapotheke in der Großen Mühlenstraße 102 zu übernehmen. Bis 1861 war es Juden grundsätzlich verboten gewesen, eine Apotheke zu führen, nun war es möglich. Familie Böhm wohnte bald in einer Stadtvilla in der Gottorpstraße 54. Der Sohn Isak Walter nahm am Ersten Weltkrieg teil und starb, 18-jährig, am 20. Juli 1916. Eine Gedenktafel in der Altonaer St. Pauli Kirche erinnert an ihn und die anderen Altonaer Gefallenen.

1933 stellte Louis Böhm den Pharmazeuten Lothar Löpert aus Gleinitz ein, der bald darauf Helene, die Tochter der Böhms, heiratete. Louis Böhm machte seinen Schwiegersohn zum Teilhaber der Hirschapotheke. 1934 be­kamen Helene und Lothar einen Sohn, den sie, vielleicht zum Andenken an Helenes verstorbenen Bruder, Walter nannten. Zur gleichen Zeit waren die Nationalsozialisten dabei, den jüdischen Deutschen die bürgerlichen Rechte zu beschneiden.

Schon am 22. April 1933, kurz nach Beginn der nationalsozialistischen Diktatur, hatte der Deutsche Apothekerverein den "Arierparagraphen" in seine Satzung aufgenommen. Ab Dezember 1934 wurden von staatlicher Seite keine Juden mehr zur Apothekerprüfung zugelassen. Ganz unmittelbar traf es die Apothekerfamilie in ihrer wirtschaftlichen Existenz, als 1936 alle jüdischen Apothekenbesitzer per Gesetz gezwungen wurden, ihre Apotheken an "Arier" zu verpachten. So war Louis Böhm der erste jüdische Apothekenbesitzer auf heutigem Hamburger Stadtgebiet, der seine Apotheke zum Verkauf anbot. Der Hausmakler Ernst Zobel vermittelte den Verkauf an den Nichtjuden Hans Brockmann. Ernst Zobel sollte sich später auf Kaufverträge zwischen Juden und "Ariern" spezialisieren. Hans Brockmann führte die Apotheke bis zu ihrer vollständigen Zerstörung durch Bombenangriffe während der "Operation Gomorrha" im Juli 1943.

Louis Böhm war schon zweiundsiebzig Jahre alt, als er seinen Beruf aufgeben musste, aber sein Schwiegersohn befand sich erst am Anfang seiner Karriere und sah für sich keine berufliche Perspektive mehr im judenfeindlichen Deutschland. Er wollte mit seiner Familie nach Palästina auswandern. Um seine Chancen für eine Einreiseerlaubnis zu erhöhen, absolvierte er eine Gärtnerausbildung. Im November 1936 kam Helene und Lothar Löperts Tochter Elfriede zur Welt.

Löperts Auswanderungsgesuch nach Palästina wurde abgelehnt. Im Dezember 1937 kaufte Lothar Löpert das Wörterbuch "1000 Worte Spanisch", er wollte nun versuchen, eine Einreisegenehmigung nach Uruguay zu bekommen und in Vorbereitung darauf Spanisch lernen. Jedoch musste sich die Familie erneut mit einer Ablehnung der Einreiseerlaubnis abfinden. Inzwischen sah sich Louis Böhm gezwungen, das Haus der Familie in der Gottorpstraße an Nichtjuden zu verkaufen. Das Ehepaar Kess erwarb das Anwesen, wobei ein Teil des Erlöses dafür verwendet wurde, die Schulden der sogenannten Judenabgabe zu begleichen und der Rest auf ein Sperrkonto eingezahlt wurde, von dem die Böhms nur mit Erlaubnis der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten Geld abheben durften. Anfang 1939 floh Lothar Löpert auf dem Seeweg nach Shanghai, wo eine Einreise ohne Visum möglich war. Seine Frau Helene und die Kinder sollten auf dem Landweg nachkommen.

Im Februar 1939 zog Louis Böhm mit seiner Ehefrau Gertrud, Tochter Helene und den beiden Enkelkindern Elfriede und Walter in die Isestraße 69. Gertrud Böhm ging es gesundheitlich sehr schlecht. 1940 wurde Walter in die Talmud Tora Schule am Grindel eingeschult. Bereits ein Jahr später musste er, inzwischen siebenjährig, wie seine jüdischen Verwandten einen "Judenstern" deutlich sichtbar an der Kleidung tragen. 1940 erhielt sein Vater Lothar Löpert in Shanghai endlich die Papiere, um seine Familie nachkommen zu lassen, aber der deutsche Angriff auf die Sowjetunion 1941 machte dieses Vorhaben unmöglich. Im November 1941 bekamen Louis Böhm, Helene Löpert und die Kinder Walter und Elfriede einen Deportations­befehl nach Minsk zugestellt. Die 75-jährige Gertrud Böhm wurde wegen ihres angegriffenen Gesundheitszustandes von der Deportation zurückgestellt. Ihrem Mann gelang es noch, ihr, drei Tage vor seiner erzwungenen Abreise, eine finanzielle Schenkung zu machen. Sie wurde in ein Jüdisches Altenheim in der Sedanstraße 23 aufgenommen und erst im Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie bereits nach wenigen Tagen, im August, vermutlich an den Nachwirkungen der Transportstrapazen und aufgrund fehlender medizinischer Versorgung, verstarb.

Louis Böhm, seine Tochter Helene Löpert und Enkelkinder Walter und Elfriede wurden in Minsk ermordet.

Lothar Löpert überlebte die Schoah in Shanghai, doch auch dort waren Juden vor Verfolgung nicht sicher: zum einem gab es etablierte nationalsozialistisch organisierte deutsche Einwanderer mit ihrem gleichgeschalteten Vereinswesen, zum anderen die japanische Armee, deren ultranationalistische Offiziere antisemitisch eingestellt waren, weil sie glaubten, die Juden unterstützten die Sowjetunion als Ausdruck einer jüdischen Verschwörung gegen Japan. So wurde von der japanischen Armee und Marine 1943 im Stadtteil Hongkew ein Getto eingerichtet, in dem vor allem jüdische Flüchtlinge festgehalten wurden. Aufgrund schlechter hygienischer Bedingungen und Nahrungsmangel zog sich Lothar Löpert dort ein schweres Augenleiden zu, das ihn für immer berufsunfähig machte. Nach dem Krieg ging er nach Israel.

Lange Zeit musste er, seiner Angehörigen beraubt und ohne berufliche Perspektiven, bei den deutschen Behörden um eine geringe Entschädigung kämpfen.

© Maike Grünwaldt

Quellen: 1; 2; 4; 8; AfW 211296; ITS/Arch/1.2.1.1., Ordner 17, S.19; Frank Bajohr, "Arisierung" in Hamburg, Hamburg 1997, S. 113; Bruno Blau, Das Ausnahmerecht für die Juden in Deutschland, Düsseldorf 1965, S. 27, 35, 89; Esther Hell, Jüdische Apotheker im Fadenkreuz, Hamburg 2008, S. 28, 48, 130, 162; Astrid Freyeisen, Shanghai und die Politik des Dritten Reiches, Würzburg 2000, S. 401ff.; http://www.denkmalprojekt.org/verlustlisten/vl rfj wk1 orte a.htm, Zugriff am 16. Juni 2009.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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