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Günther Brauer * 1925

Rappstraße 10 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
GÜNTHER BRAUER
JG. 1925
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET 26.12.1944
DACHAU
AUSSENLAGER KAUFERING

Weitere Stolpersteine in Rappstraße 10:
Werner Behrens, Sophie Behrens, Alfred Behrens, Uri Behrens, Georg Brauer, Bertha (Berta) Brauer, Moses Abraham Petrover, Friederike Petrover, Melitta Petrover, Iwan Pincus, Rachel Leah Pincus

Berta Brauer, geb. Aschner, geb. am 5.8.1899 in Tost (Toszek) Oberschlesien, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, am 4.10.1944 deportiert nach Auschwitz, nach Todesmarsch nach Mauthausen im Frühjahr 1945 gestorben
Georg Brauer, geb. am 7.7.1889 in Kattowitz (Katowice), deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, am 4.10.1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet
Günter (Günther) Brauer, geb. am 17.10.1925 in Kattowitz, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, am 4.10.1944 nach Auschwitz, gestorben in Dachau-Kaufering am 26.12.1944 (bzw. am 19.1.1945, Todesdatum differiert in den Quellen)

Schäferkampsallee 25/27 / Dillstraße 15 / Rappstraße 10, Rotherbaum

Im Juni 1939 wurde Georg Brauer als Nachfolger des ausgeschiedenen Alfred Heilbrunn zur Probe als Leiter für die Schlosser-Lehrwerkstatt der Beratungsstelle in der Weidenallee eingestellt. Er war also ein Kollege von Jacob Blanari (s. dort), der die Tischler-Lehrwerkstatt leitete. Im Dezember 1940 organisierte Georg Brauer den Umzug der Werkstatt in die neuen Räume beim Schlump 31, nachdem die Räume in der Weidenallee von einem Betrieb der Rüstungsproduktion beansprucht wurden. Er war aus Kattowitz gebürtig, hatte dort am Realgymnasium sein Abitur gemacht und wahrscheinlich in Breslau an der Technischen Hochschule studiert. Wann Georg Brauer Berta Aschner geheiratet hat, wissen wir nicht. Sie stammte aus Tost in Oberschlesien und war zehn Jahre jünger als ihr Ehemann. Die Tochter Charlotte wurde 1921 in Kattowitz geboren, der Sohn Günter 1925. Kattowitz in Oberschlesien wurde 1922 Polen angegliedert, wohingegen Tost, der Geburtsort der Mutter, nach der Volksabstimmung in der Folge des Ersten Weltkriegs beim Deutschen Reich verblieb. Die Deutschen, die im Bereich von Kattowitz lebten, waren zu fast einem Drittel jüdisch.

Als junger Mann nahm Georg Brauer am Ersten Weltkrieg teil und wurde schwer verwundet. Er betrieb möglicherweise eine Schlosserei in Kattowitz, musste die Stadt aber verlassen, weil er in der Volksabstimmung 1921 für Deutschland optiert hatte. 1928 zog die Familie Brauer ins oberschlesische Hindenburg (polnisch Zabrze), das bis 1939 zum Regierungsbezirk Oppeln gehörte. 1933 hatte Hindenburg 130.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Im Wiedergutmachungsverfahren erklärten Bekannte, Brauer habe in Hindenburg bis 1933 ein Ingenieurbüro und eine Reparaturwerkstatt mit mehreren Angestellten betrieben. Möglicherweise war er aber schon Ende der 1920er Jahre wegen einer schweren Kriegsverletzung erwerbslos. Im Frühjahr 1936 zog Georg Brauer nach Mannheim, wo er eine Stelle als Leiter einer Anlern­werkstatt für junge Juden gefunden hatte. Von 1936 bis November 1938 war er Leiter der Lehrwerkstätte der Jüdischen Gemeinde in Mannheim, wo er zunächst im Haus der Werkstatt in Mannheim Neckarau, Friedrichstraße 47 wohnte. Kurze Zeit später zog die Familie nach und fand eine Wohnung in der Geierstraße 6. Vom 15. September 1938 bis Juni 1939 wohnte die Familie in der Mannheimer Innenstadt unter der Adresse U1, 6. (Mannheim wurde bei der Gründung als Planstadt in quadratischen Häuserblocks angelegt. Seit dem 17. Jahrhundert sind die einzelnen Blocks alphanumerisch benannt.) 1939 siedelte die Familie dann nach Hamburg über. Auf der Kultussteuerkarteikarte tauchen als Adressen auf: Rappstraße 10 (bei Kramer), Durchschnitt 8 und Dillstraße 15. Aus der Dillstraße 15 wurden Berta, Georg und Günter Brauer am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert.

Günter Brauer war 14 Jahre alt, als er mit seiner Familie nach Hamburg kam. Im Juni 1939 wurde er in der Talmud Tora Schule angemeldet. Vorher hatte er die jüdische Hindenburg-Volksschule in Mannheim besucht. Nachdem er 16-jährig gemeinsam mit den Eltern nach Theresienstadt deportiert worden war, wurde er am 4. Oktober 1944 nach Auschwitz gebracht, wo die SS arbeitsfähige Häftlinge "selektierte". Von Auschwitz gelangte Günter Brauer ins KZ Dachau, Außenlager Kaufering. Es handelte sich dabei um einen großen Konzentrationslagerkomplex mit etlichen Außenlagern. Die Häftlinge sollten hier drei gigantische unterirdische Bunker für die Rüstungsproduktion errichten. Die Leichen der nach Oktober 1944 in Kaufering Verstorbenen wurden in Massengräbern in der Umgebung verscharrt. Im Dezember 1944 brach in Dachau aufgrund der katastrophalen sanitären Zustände eine Fleckfieberepidemie aus, an der vielleicht auch Günter Brauer starb. Sein Todesdatum differiert in verschiedenen Quellen. Wahrscheinlich starb er am 19. Januar 1945. Die Räumung des Lagers Dachau und die "Todesmärsche" erlebte er nicht mehr.

Seine Schwester war achtzehn, als die Familie Mannheim verließ. Es ist nicht sicher, ob Charlotte gleich mit der Familie nach Hamburg zog. In den Mannheimer Meldeunterlagen taucht sie nicht auf. Sie hatte in Mannheim nach ihrem Zuzug aus Hindenburg, wo sie das staatliche Oberlyzeum besucht hatte, als jüdisches Mädchen nicht mehr zur Schule gehen dürfen. Sie arbeitete dann als Praktikantin im Jüdischen Krankenhaus und in einer jüdischen Privatklinik als Volontärin. In Hamburg war sie von 1941 bis zu ihrer Deportation Lernschwester im Israelitischen Krankenhaus und wohnte in der Johnsallee 54, einem Gebäude, das eine Zeit lang zum Krankenhaus gehörte. Die Johnsallee 54 war auch die Adresse auf der Deportation­liste. Eine Kollegin von Charlotte war Ellen Glück (s. Peter Glück), die gemeinsam mit ihr deportiert wurde.

Als Familie Brauer den Deportationsbefehl erhielt, hatten angeblich alle Familienmitglieder gültige Ausreisepapiere nach Bolivien. Die Kisten mit dem von den deutschen Behörden bereits genehmigten Auswanderungsgut waren schon zollamtlich abgefertigt und die damit verbundenen Abgaben bezahlt. Die Überfahrtskosten sollte vom Jüdischen Hilfsverein übernommen werden.

Nach der Deportation nach Theresienstadt überstanden die Mutter Berta und die Tochter Charlotte weitere Leidensstationen, nämlich Auschwitz, das Arbeitslager Freiberg/Sachsen, das zum KZ Flossenburg gehörte, und den Todesmarsch im Frühjahr 1945 nach Mauthausen gemeinsam. Die Tochter überlebte, anders als ihre Mutter, die Befreiung 1945 und emigrierte nach Stationen in der Tschechoslowakei und Palästina in die USA. In Freiberg war Charlotte der Hamburger Jüdin Esther Bauer begegnet. Beide jungen Frauen mussten in einem metallverarbeitenden Betrieb Zwangsarbeit leisten. Esther Bauer erinnert sich, dass sie für Charlotte aus Metallabfällen ein Armband bastelte, als der Arbeitsprozess ins Stocken geriet. In Mauthausen verloren sich die beiden aus den Augen.

Der Vater Georg wurde in Auschwitz ermordet. Wahrscheinlich wurde er nicht als arbeitsfähig eingestuft.

Vor dem Krieg hatte die Familie vermutlich in gutbürgerlichen Verhältnissen gelebt. Bertas Eltern sollen wohlhabend gewesen sein. Im Wiedergutmachungsverfahren entspann sich ein absurder Streit um den Wert einer Briefmarkensammlung, die Ende des 19. Jahrhunderts in der Familie entstanden war und zuletzt dem Sohn Günter gehört hatte. Dieser hatte sie während des Krieges in Hamburg dem jüdischen Arzt Martin-Heinrich Corten zur Aufbewahrung anvertraut, der sie in einem Keller in der Hegestraße versteckt hatte, wo sie bei einem Bombenangriff verloren gegangen sein soll. Am 18. August 1942 wurden einige Briefmarken, die Georg Brauer gehört hatten, öffentlich versteigert und erzielten einen Preis von 42 Reichsmark.

© Susanne Lohmeyer

Quellen: 1; 4; 5; 7; StaH 214-1 Gerichtsvollzieherwesen, 178; StaH 351-11 AfW, 11236, 130721, 21859 und 171025; StaH 362-6/10 Talmud Tora Schule StaH 741-4 Fotoarchiv Sa 1248; StaH 522-1, 992e 2 Band 5 (Deportationslisten); Peter Offenborn, Jüdische Jugend, S. 767, S. 1144f.; Auskunft Stadtarchiv Mannheim; HAB II 1942; Telefongespräch mit Esther Bauer am 24.1.2013.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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