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Naftali und Rosa beim Rodeln (24.2.1933)
Naftali und Rosa beim Rodeln (24.2.1933)
© IGDJ

Naftali Eldod * 1899

Hallerstraße 55 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1941 Riga

Weitere Stolpersteine in Hallerstraße 55:
David Eldod, Eli Eldod, Judith Eldod, Rosa Eldod, Walter Samuel Eldod, Bertha Jacobsohn, Dr. John Jacobsohn, Ernestine Jacobsohn, Eva Jacobsohn, Mathilde Jacobsohn, Rosalia Jacobsohn, Sally Jacobsohn

Naftali (Naphtali) Eldod (Eldad), geb. am 3.2.1899 in Höchberg/Unterfranken, am 6.12.1941 deportiert nach Riga
Rosa Eldod, geb. Fröhlich, geb. am 8.2.1908 in Mergentheim, am 6.12.1941 deportiert nach Riga
Walter Samuel Eldod, geb. am 27.8.1934 in Hamburg, am 6.12.1941 deportiert nach Riga
Judith Eldod, geb. am 15.12.1936 in Hamburg, am 6.12.1941 deportiert nach Riga
David Eldod, geb. am 24.12.1937 in Hamburg, am 6.12.1941 deportiert nach Riga
Eli Eldod, geb. am 1.12.1940 in Hamburg, am 6.12.1941 deportiert nach Riga

Hallerstraße 55

Naftali Eldod wurde 1899 in der unterfränkischen Gemeinde Höchberg geboren. Seit alter Zeit gab es in diesem Ort eine Jüdische Gemeinde. Im 19. Jahrhundert besaß sie eine Synagoge, ein rituelles Bad, einen Friedhof und eine Schule. Die Eldods waren eine der jüdischen Familien Höchbergs. Ihren Namen führten sie auf die Stelle aus dem 4. Buch Mose, Kapitel11, 26/27 zurück. Demnach seien die Eldods oder Eldads mit dem göttlichen Geist begabt worden.

Der Großvater von Naftali Eldod, Samuel Eldod, war Kaufmann und Kassierer der Jüdischen Gemeinde Höchberg. 1920 starb er fast hundertjährig. Er hatte durch unermüdlich werbende Sammlungen den Bau eines großen Lehrhauses in Höchberg ermöglicht. Darin fand die vom Ortsrabbiner Lazarus Ottensoser gegründete Talmud Tora Schule mit einer "Präparandenanstalt" ihre Wirkstätte. Von weither kamen jüdische Schüler, um sich hier nach abgeschlossener Volksschule zum Lehrer ausbilden zu lassen. Nach erfolgreichem Abschluss der "Präparandie" wechselten die Schüler auf die Israelitische Lehrerbildungsanstalt Würzburg. Heute ist die einstige Höchberger Präparandenanstalt ein jüdisches Museum.

Der Sohn von Samuel Eldod und Vater von Naftali war Emanuel Eldod, geboren 1863. Über lange Jahre arbeitete er als Religionslehrer an der Präparandenanstalt. Als er 1929 seinen Ruhestand antrat, markierte das einen Abschnitt in der Geschichte dieser Lehranstalt. Sie wurde 1931 nach Würzburg verlegt und mit der dortigen Israelitischen Lehrerbildungsanstalt verbunden. Im Höchberger Schulhaus wohnte weiterhin die Familie Eldod. Sohn Naftali wie auch sein jüngerer, 1906 geborener Bruder Simon hatten nach väterlichem Vorbild ebenfalls den Lehrerberuf gewählt und an der Universität Würzburg das Studium absolviert.

In Höchberg wurden die ansässigen Juden unter der Herrschaft der Nationalsozialisten immer mehr in die Enge getrieben. Das repräsentative Schulhaus eignete sich zur Verbreitung von NS-Propaganda. Hier wurde die Zeitschrift "Der Stürmer" vertrieben, ein ständig zur Judenhetze aufstachelndes Blatt. Immer mehr Juden verschwanden aus der Gemeinde Höchberg. Die letzten sechs Mitglieder wurden im April 1942 von Würzburg aus der Vernichtung zugeführt. Recha (geb. 1880), die Schwester von Emanuel Eldod, seine Nichte Rifka (geb. 1902) und das mit diesen beiden Frauen zusammenwohnende Ehepaar Bravmann wurden in das Durchgangslager Izbika bei Lublin deportiert. In Theresienstadt eingeliefert wurden: Emanuel Eldod, seine Frau Miriam und sein Bruder Naftali (geb. 1870). Von dort sind ihre "Todesfallanzeigen" erhalten.

Naftali Eldod, geboren 1899, besuchte die Volksschule und das humanistische Gymnasium in Würzburg. Er erhielt mit dem letzten Abgangszeugnis die Hochschulreife mit lobender Beurteilung, besonders für sein Violinspiel. Am 7. Juni 1918 wurde Naftali zum Militär einberufen, am 23. Dezember 1918 entlassen. Danach studierte er an der Universität Würzburg neuere Sprachen und legte das Staatsexamen ab, 1922 für das Lehramt in englischer, 1923 in französischer Sprache, 1924 folgte das Assessorexamen. Während seines Studiums und der Praktikantenzeit erteilte Naftali Eldod an der Israelitischen Präparanden- und Bürgerschule Höchberg mit Genehmigung der bayrischen Staatsregierung den fremdsprachlichen Unterricht. Seit September 1924 unterrichtete er an der höheren Schule "Jawne" in Köln Jungen und Mädchen in Fremdsprachen. Daneben erteilte er auch rabbinischen Unterricht. Seine Zeugnisse waren überall gut. Besonders hervorgehoben wurden sein methodisches Geschick und seine pädagogische Begabung. Sein Erfolg wurde von den Kollegen anerkannt. Weil der Bestand der "Jawne" bedroht war, bewarb sich Naftali Eldod an der Israelitischen Höheren Töchterschule (Lyzeum) in Hamburg. 1926 erteilte die Oberschulbehörde ihre Genehmigung, Eldod dort mit 26 Wochenstunden als Oberlehrer zum Unterricht im Hebräischen, Englischen und Französischen anzustellen. Dr. Alberto Jonas, ab 1924 Direktor der Israelitischen Töchterschule, lobte Eldods zielstrebige und doch einfühlende Lehrmethode und erwähnte, wie nützlich Sprachkenntnisse für Schülerinnen im Hinblick auf ihr "Fortkommen in anderen Ländern" sein würden. "Herr Eldod verfügt auch über große jüdische Kenntnisse", urteilte Jonas, "er versteht es, die Schülerinnen zu wissenden und bewussten Jüdinnen zu erziehen. Die von ihm geführten Klassen zeichnen sich besonders durch Pflege der Gemeinschaftsgefühle und sozialen Gesinnungen aus." Ab 1. April 1931 wurde die Schule, an der Eldod weiterhin beschäftigt war, umgewidmet in die "Staatlich anerkannte private Mädchenschule der Deutsch-Israelitischen Gemeinde (Volks- und höhere Schule)". Während der nationalsozialistischen Herrschaft wurde der Name der Schule mehrfach geändert, 1938 in "Jüdische Mädchenschule (Volks- und Oberschule)". Nach der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 wurde die inzwischen stark dezimierte Mädchenanstalt mit der Talmud Tora Schule zusammengelegt und hieß nun nur noch "Volks- und höhere Schule für Juden". Die 343 Schülerinnen und Schüler, zehn Lehrer und dreizehn Lehrerinnen mussten seit September 1941 den gelben "Judenstern" tragen. Naftali Eldod unterrichtete seit 1939 mit reduzierter Stundenzahl an der Oberstufe, die unter dem Vorsitz eines staatlichen Kommissars zur Reifeprüfung führen sollte. Außerdem gab er Sprach- und Handelskurse in englischer Sprache für Auswanderer. Die Erlaubnis dazu erfolgte mit dem Zusatz des Widerrufs, falls "von Reichs wegen entgegenstehende Bestimmungen ergehen sollten. Beim Ausscheiden des Lehrers erlischt diese Genehmigung. Austritt und Austrittsgrund sind der Schulverwaltung der Hansestadt Hamburg sofort schriftlich anzuzeigen". Die Nachricht erfolgte pünktlich: "Nach Anzeige des Jüdischen Religionsverbandes vom 8.12.1941 ausgeschieden."

Naftali Eldod und seine Frau Rosa hatten einen Antrag zur Ausreise in die USA gestellt. Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für Zwecke der Auswanderung vom 29. Juli 1939 – also noch vor Ausbruch des Krieges – lag der Finanzbehörde vor. Eine genaue Auflistung des Vermögens war von der Devisenstelle beglaubigt worden. Das Vermögen des Ehepaars Naftali und Rosa Eldod wurde zu Gunsten des Reiches eingezogen. Ob nicht rechtzeitig ein Schiff die Flüchtlinge aufnahm oder was sonst die Ausreise verhindert hat, ist nicht mehr festzustellen. Am 31. Januar 1940 erging vom Oberfinanzpräsidenten Hamburg der Bescheid an Familie Eldod: "Die Auswanderung kann infolge des Krieges einstweilen nicht stattfinden."

Noch ging das Leben in Hamburg äußerlich wie gewohnt weiter. Es gibt viele Hinweise darauf, dass die Hamburger Juden trotz der ungeheuren Missachtungen und Einschränkungen, die sie erfuhren, nicht an eine tödliche Bedrohung glaubten und dass vor allem die Kinder sich nicht der Gefahrenlage bewusst waren. Ein Beispiel boten die Kinder des in Eldods Nachbarschaft wohnenden Oberrabbiners Carlebach. Seine kleine Tochter Ruth schrieb am 1. Mai 1939 an ihre nach England emigrierte ältere Schwester: "Judel, ich habe Herrn Eldod von Dir gegrüßt. Ich soll Dich herzlich wieder grüßen." Und am 2. Oktober 1941: "Uns geht es G’tt sei D(ank) gut. Ich war 14 Tage im Krankenhaus. Prima. An Judel 100 herzliche Grüße von Schwester Johanna und von Eldod, meinem Klassenlehrer, Vater von 3 Söhnen und einer Tochter." Ebenfalls im Oktober 1941 schrieb Schlomo Peter Carlebach an die fernen Geschwister: "Buli wird interessieren, dass ich jetzt bei Toczeck Mathematik, Physik und Chemie habe. Deutsch, Sprachen – Eldod." Knapp zwei Monate später befanden sich die beiden in der Hallerstraße benachbarten Familien mit vielen anderen, zusammen 753 Personen, auf dem Transport. Es war den "Auswanderern" gesagt worden, sie sollten eine eigene Siedlung im Osten gründen, dazu außer Kleidung auch Haushaltswaren und Werkzeuge mitbringen. Eine Überlebende schildert, dass ihre Mutter am Abend vor der Abfahrt ihre Koffer wie abgesprochen in das Haus der Schule Karolinenstraße gebracht und dort Lehrer Eldod getroffen habe. Wie denn ihre Tochter im Englischen stehe? habe sie ihn gefragt, als ob morgen der Unterricht weitergehe. Doch schon in der Sammelstelle, dem Logenhaus, verflog jede Arglosigkeit, als die Menschen in gedrängter Enge dort die Nacht zubringen mussten. Am 9.Dezember erreichte der Zug mit den jüdischen Hamburgern das heruntergekommene Stadtgut Jungfernhof, einige Kilometer vor Riga. Da in der Stadt das Getto noch nicht vollkommen von jüdischen Letten "gesäubert" war, kamen die ersten Transporte der Deutschen ins Lager Jungfernhof. Aus den Berichten des überlebenden Schlomo Peter Carlebach und anderer wissen wir, wie der Oberrabbiner den Deportierten Mut zusprach, sich um die Betreuung der vielen Kinder kümmerte und sogar für den Fortgang des Schulunterrichts sorgte. Es ist anzunehmen, dass auch Naftali Eldod sich dort, soweit irgend möglich, als Lehrer betätigte. Weder sein Tod noch der seiner vier Kinder ist dokumentiert. Vermutlich war es Naftalis überlebender Bruder, Simon Eldod, der angab, Frau Rosa sei im April 1942 ermordet worden. In diesem Frühjahr wurden etwa 3000 noch im Jungfernhof lebende Frauen und Kinder unter der Vorgabe, sie würden bessere Arbeit und Unterkunft finden, in Autobussen in den nahen Hochwald gefahren und erschossen.

Naftali Eldods Ehefrau, Rosa Eldod, geborene Fröhlich, Tochter von David und Berta Fröhlich, stammte aus Mergentheim, wo es schon im Mittelalter eine Jüdische Gemeinde mit Synagoge, rituellem Bad und Friedhof gegeben hatte. Nach wiederholten Pogromen verschwanden die Juden aus dem Ort. Erst im 17./18. Jahrhundert siedelten sich wieder Juden in Bad Mergentheim an. Zu den Traditionsfamilien gehörten die Fröhlichs. Nach dem Tod von Rosas Vater 1925 druckte die Zeitung "Der Israelit" einen ehrenden Nachruf, in dem ihn der Rabbiner eine der stärksten Stützen der Gemeinde nannte. David Fröhlich hinterließ zwölf Kinder. Seine Frau Berta lebte noch länger, sie zählte zu den Opfern des Holocaust von Bad Mergentheim. Drei Töchter hatten 1925 bereits eigene jüdische Familien gegründet und Kinder bekommen. Die damals 17-jährige Rosa heiratete erst später, am 7. Juli 1933 in Mergentheim den Lehrer Naftali Eldod aus Höchberg. Die erste gemeinsame Hamburger Wohnung bezog das Ehepaar in der Parkallee 6. Als Kinder geboren wurden, der erste Sohn Walter Samuel im August 1934, zog die Familie in die Brahmsallee 24. Erst im Sommer 1941 erfolgte der Umzug in die Ostmarkstraße (Hallerstraße) Nr. 55. Zu dieser Zeit waren die Kinder sieben, fünf, vier Jahre und das Jüngste erst wenige Monate alt. Nur ihre Geburtsurkunde zeugt von der Existenz dieser vier Menschen, die vernichtet wurden, ehe sie sich entwickeln konnten. Unterwegs und im Lager waren sie frierende, hungernde, übermüdete Kleinkinder, die nicht verstehen konnten, warum die Eltern ihnen nicht aus dieser Not heraushalfen. Da für den Tod der Mutter das Frühjahr 1942 angegeben wird, ist anzunehmen, dass sie, falls die Kinder bis dahin noch lebten, gemeinsam mit ihnen Ende März zu dem Massaker in den Wald gekarrt wurde. Der Name Rosa Eldod steht nicht nur auf einem Hamburger Stolperstein, sondern auch auf dem Denkmal, das die Stadt Bad Mergentheim zur Erinnerung an die unter dem Nationalsozialismus ermordeten Mitglieder der Jüdischen Gemeinde errichtet hat. Ob Naftali Eldod zu den 300 Arbeitsfähigen gehörte, die im Jungfernhof zurückgelassen und später ins Getto Riga gebracht wurden, kann nicht mehr aufgespürt werden.

Naftali Eldod wurde auf den 8.5.1945 für tot erklärt. Als seine Erben meldeten sich laut Erbschein des Amtsgerichts Hamburg vom 23. Juli 1952 drei Geschwister und ein Neffe von Naftali Eldod. Sie hatten nach Israel emigrieren und dort später eigene Familien gründen können. Sicher blieb ihnen das Schicksal ihrer Eltern und des Bruders im Gedächtnis. In Hamburg jedoch hat sich keiner von ihnen mehr gemeldet.

Stand: September 2016
© Inge Grolle

Quellen: 1; 2; 4; StaH 314-15 Oberfinanzpräsident FVG 7844; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 21705, 361-3 A 736 Schulverwaltung, Personalakte; Gedenkblatt der Gedenkstätte Yad Vashem, eingereicht von Shimon Eldod (Bruder); Bauer/Meinighaus, "Markt Höchberg, S. 124; Randt, Die Talmud Tora Schule, S. 177, S. 242; Dies., Carolinenstraße 35, S. 89; Gillis-Carlebach, Jedes Kind, S. 289, S. 304.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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