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Berthold Elias * 1898

Jan-Valkenburg-Straße 11 vor Rudolf-Roß-Gesamtschule (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
BERTHOLD ELIAS
JG. 1898
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Jan-Valkenburg-Straße 11 vor Rudolf-Roß-Gesamtschule:
Willy Kreuzer

Berthold Elias, geb. am 3.8.1898 in Hamburg, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 28.9.1944 nach Auschwitz

Jan-Valkenburg-Straße 11 (Marienstraße 15)

Die Jan-Valkenburg-Straße hieß vor 1940 Marienstraße, sie verlief von der Straße Kohlhöfen bis zur Straße Hütten. Im Sommer 1943 während der schweren Luftangriffe auf Hamburg ("Operation Gomorrha") wurden die alten Häuser dort weitgehend zerstört. Nur ein Teil der Straße wurde nach Kriegsende wieder mit Mietshäusern bebaut. Am Ende der Straße, in der Kehre, liegt ein Stolperstein, der an Berthold Elias erinnert.

Berthold Elias wuchs am Großneumarkt auf. Seine Eltern David und Theresia Elias, geb. Levor, hatten neun Kinder. Drei seiner Geschwister konnten noch rechtzeitig in die USA und nach Shanghai emigrieren. Drei erlebten ihre Befreiung in den Niederlanden. Berthold, sein Bruder Erwin und die Schwester Louise sowie seine Eltern sollten den Holocaust nicht überleben. (Siehe stolpersteine-hamburg.de).

Der kaufmännische Angestellte Berthold Elias hatte am 6. Januar 1928 die am 3. Juli 1905 in Altona geborene Elisabeth Paisach geheiratet. Im April desselben Jahres machten sie sich selbstständig und eröffneten in der Osterbekstraße 31 in Hamburg-Winterhude eine Eier- und Geflügelhandlung.

Bertholds Schwiegervater Victor Paisach, auch Wigdor Zeiger genannt (geb. 1.9.1873 in Sniatyniez), betrieb in derselben Branche eine Großhandlung in der Großen Prinzenstraße 36 in Altona. Elisabeths Eltern, Victor Paisach und Rosa/Reisel, geb. Sperling (geb. 13.6.1872 in Żydaczów), stammten aus dem österreichischen Galizien. Sie hatten 1903 in Zydaczow (heute Żydaczów/Ukraine) standesamtlich geheiratet. In Zydaczow war auch ihr älterer Sohn Moritz (geb. 2.11.1903) zur Welt gekommen. Ein Jahr nach seiner Geburt verließen sie die Heimat und ließen sich in Altona nieder.

Elisabeth und Berthold Elias bekamen zwei Kinder: Tochter Ruth kam am 6. März 1929 zur Welt, ihr Bruder Günther Ruben folgte am 9. August 1932. Die Familie lebte inzwischen in der Mansteinstraße 21 in Hamburg-Eimsbüttel. 1933 verlegten sie ihr Geschäft in die Eiffestraße 493 nach Borgfelde. Doch dort wurden sie als jüdische Händler boykottiert. 1934 sahen sie sich gezwungen, das Geschäft wieder aufzugeben. Das Ehepaar zog in die Nähe von Bertholds Eltern in die Marienstraße 15 (ab 1940 Jan-Valkenburg-Straße). Berthold Elias fand kurzzeitig eine Anstellung als Buchhalter in der Firma Heinrich Dicker. 1935 war er als Vertreter für die Seifenfabrik Schlütern tätig.

1938, während des Novemberpogroms vom 9./10. November, wurde David Elias, wie viele jüdische Männer, verhaftet und zunächst ins Polizeigefängnis Fuhlsbüttel gebracht. Sein Sohn Berthold versuchte seinen Vater freizubekommen und geriet selbst in Haft. Er wurde in das KZ Sachsenhausen überstellt, von wo er Ende 1938 oder Anfang 1939 entlassen wurde.

Im März 1939 erhielt Berthold Elias vom Israelitischen Unterstützungsverein das Angebot, den Hausmeisterposten im Daniel-Wormser-Haus in der Westerstraße 27 im südlichen Teil von St. Georg zu übernehmen. Das Daniel-Wormser-Haus, 1884 ursprünglich für notleidende osteuropäische jüdische Amerika-Auswanderer gegründet, diente nun als eines der Altenheime der Gemeinde. Bertholds Ehefrau Elisabeth übernahm dort die Leitung der Küche. Im April 1939 gelang es ihnen, ihre beiden Kinder, den 5-jährigen Günther und Ruth, die noch keine zehn Jahre alt war, durch eine jüdische Organisation nach Schweden in Sicherheit bringen zu lassen.

Sie selbst scheinen keine Vorbereitungen für eine Emigration getroffen zu haben. Am 13. Juli 1942 erhielten Elisabeth und Berthold Elias sowie die letzten noch verbliebenen 23 Insassen des Altenheims von der Leitstelle der Hamburger Staatspolizei die Aufforderung, sich für ihre "Evakuierung" am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt bereitzuhalten. Gleichzeitig wurde dem Ehepaar Elias die Mitteilung gemacht, dass ihr noch vorhandenes Vermögen eingezogen würde.

Auch Rosa Paisach, Elisabeths 70-jährige verwitwete Mutter, die in der Sonninstraße 12 lebte, erhielt für diesen Tag die Aufforderung zur Deportation. Im August 1939 hatte das Ehepaar Paisach noch Vorbereitungen für eine Emigration getroffen, die sich wegen des Kriegsbeginns nicht mehr realisieren ließen. Elisabeths Vater, nach mehrmaliger "Schutzhaft" bereits geschwächt, erlitt auf offener Straße einen Herzschlag und verstarb am 8. April 1940 im Jüdischen Krankenhaus in der Johnsallee.

Im Getto wurde das Ehepaar Elias in der Neue Gasse 27 einquartiert. Es versuchte den Kontakt mit Freunden und Verwandten in Hamburg aufrechtzuerhalten, ein zensierter Briefverkehr war erlaubt. Lebensmittelpakete zu erhalten war überlebenswichtig, Hilferufe mussten verschlüsselt übermittelt werden.

"Theresienstadt 6. Juli 1944
Lieber Kollege Katz!
Heute ein Paar Zeilen an Sie mit denen wir Ihnen danken wollen, dass Sie bis Ostern so frdl. an uns gedacht haben. Seitdem sind wir zu unserem Bedauern ohne Nachricht von Ihnen. Inzwischen hatten wir an Freund Golenser geschrieben und ihn gebeten, sich mit unserer Schwägerin Gertrud Paisach und Cousinen, von denen wir überhaupt nichts hören, in Verbindung zu setzen und ihnen allen unsere Grüße auszurichten, sind jedoch ohne Antwort geblieben. Wir hoffen, dass bei Ihnen alles wohlauf ist und würden uns freuen recht bald von Ihnen allen zu hören. Wir selbst sind gesund. Ich arbeite im Bureau und meine Frau fängt jetzt nach längerer Krankheit wieder an. Wir wohnen sehr nett mit Kochgelegenheit. Verbleiben mit besten Grüßen an alle Freunde und Vetter Sigmund. Berthold und Elisabeth Elias"

Knapp zwei Monate später, am 28. September 1944, wurde Berthold Elias nach Auschwitz-Birkenau weiterdeportiert. Seine Schwiegermutter Rosa Paisach war bereits am 18. Dezember 1943 einem Transport mit gleichem Ziel zugeteilt worden. Ob Berthold Elias nach der "Selektion" in Auschwitz noch zu den arbeitsfähigen Häftlingen zählte, ist unwahrscheinlich, denn das 40. Lebensjahr, das er überschritten hatte, galt als Grenze für die Arbeitsfähigkeit. Berthold Elias wurde nach dem Krieg für tot erklärt, als Datum wurde der 8. Mai 1945 festgelegt.

Elisabeth Elias erlebte ihre Befreiung am 8. Mai 1945 durch sowjetische Truppen, trotz schlechter Lebensbedingungen und ihrer Tätigkeit in einer Putzkolonne der Typhusbaracke im Getto Theresienstadt. Sechs Jahre nach der Trennung von ihren damals noch kleinen Kindern, versuchte sie wieder Kontakt zu ihnen aufzunehmen. Eine Zeitlang lebte sie bei ihnen in Schweden. 1957 folgte sie ihrer verheirateten Tochter Ruth Adler, die nach Kanada auswanderte. Elisabeth Elias verstarb am 29. August 1964 in Toronto.

Elisabeths Bruder Moritz Paisach wurde nach mehreren Verhaftungen und schweren Misshandlungen Anfang 1941 aus dem Krankenrevier des KZ Neuengamme mit einem Schädelbruch und der Auflage entlassen, "in zehn Tagen die Grenze zu überschreiten". Ihm gelang auf Umwegen, illegal durch Jugoslawien und nach erneuten Inhaftierungen, die Flucht nach Italien. In Italien im Lager Polenza (Provinz Macerata) interniert, konnte er sich im April 1943 durch einen Sprung aus dem Fenster einer Deportation nach Auschwitz entziehen. Im September 1944 stieß er in Sizilien auf britische Truppen und blieb bis 1945 als Dolmetscher in ihren Diensten. Er kehrte in britischer Uniform nach Hamburg zurück, wo er seine nichtjüdische Frau Gertrud, geb. Radtke (geb. 25.8.1909), und die gemeinsamen Kinder Eva (geb. 18.1.1936), Gitta (geb. 23.5.1938) und Chana (geb. 25.8.1939) wiederfand. 1949 wanderten sie in die Vereinigten Staaten aus. Moritz Paisach änderte seinen Namen in Maurice Passiah und beschrieb 1981 seine Haftzeit im KZ Neuengamme als "die Hölle selbst, nicht das naive Inferno eines Dante, sondern eine ins 20. Jahrhundert verlegte Hölle, in der die Kunst der Grausamkeit bis zur Vollkommenheit angewandt und jede teuflische Errungenschaft, auf modernem und psychologischem Gebiet, angetan war, den Menschen physisch und geistig zu vernichten". Maurice Passiah hinterlegte 1970 ein Gedenkblatt für seine Mutter in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Am 29. November 1984 verstarb er in Houston/Texas.


Stand: Juli 2018
© Susanne Rosendahl

Quelle: 1; 4; 8; 9; StaH 351-11 AfW 1500 (Elias, Theresia); StaH 351-11 AfW 11305 (Elias, Elisabeth); StaH 351-11 AfW 11304 (Elias, Berthold); StaH 351-11 AfW 1694 (Elias, David); StaH 351-11 AfW 26788 (Passiah, Maurice, früher Paisach, Moritz); StaH 314-15 FVg 9523; StaH 213-13_Z27677; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden Abl. 1993/01 Ordner 15; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 5; StaH 332-5 Standesämter 2459 u 2439/1898; StaH 332-5 Standesämter 3575 u 12/1928; StaH 332-5 Standesämter 8168 u 217/1940; http://www.radtke-liensfeld.de/downloads/brief.mo.anmhg.12.07.81.pdf (Zugriff 5.5.2013); www.yadvashem.org Page of Testimony Reisel Paisach (Zugriff 5.5.2013).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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