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Dr. Max Fraenkel * 1882
Dammtorstraße 28 (Oper) (Hamburg-Mitte, Neustadt)
Flucht in den Tod 21.03.1938
Weitere Stolpersteine in Dammtorstraße 28 (Oper):
Gustav Brecher, Hermann Frehse, Camilla Fuchs, Mauritz Kapper, Jacob Kaufmann, Ottilie Metzger-Lattermann, Kurt Abraham Salnik, Joseph Schmidt, Magda Spiegel, Viktor Ullmann, Bruno Wolf
Dr. Max Fraenkel, geb. 7.1.1882, Freitod am 21.3.1938
Max Fraenkel wurde als ältestes von drei Kindern in Hamburg geboren. Die Eltern Marie, geb. Deutsch und Eugen kamen in jungen Jahren aus Schlesien nach Hamburg. Den jüdischen Glauben ihrer Vorfahren hatten sie abgelegt und ihre Kinder Max, Margarete und Hans evangelisch taufen lassen.
Die Familie wohnte am Alsterglacis. Professor Eugen Fraenkel lehrte und forschte am Krankenhaus Eppendorf. Durch Experimente am eigenen Leibe war ihm die Entdeckung des Welch-Fraenkelschen Bazillus’, des Gasbranderregers, gelungen.
Max F. studierte Medizin mit Schwerpunkt Neurologie. 1906 erhielt er die Approbation und eröffnete eine Praxis als Facharzt für Nervenkrankheiten in der Dammtorstr.14. 1914 heiratete er die Hamburgerin Charlotte Sperber, die mütterlicherseits mit der Bürgermeisterfamilie Petersen verwandt war.
Als Oberstabsarzt nahm Fraenkel am Ersten Weltkrieg teil. Mit dem "Eisernen Kreuz 1. Klasse" dekoriert, kehrte er 1918 nach Hamburg zurück. Wie seine Tochter erzählt, bewies er seine patriotische Gesinnung in einer Prügelei mit jungen Leuten auf der Straße, als diese versuchten, ihm die Schulterblätter seiner Uniform abzureißen.
Das erste Kind Ursula wurde 1917 geboren, 1920 kam Ilse auf die Welt. Die Söhne Claus Eugen (*1921) und Claus Eugen Renatus (*1924) starben als Kleinkinder.
In den 1920-ger Jahren baute die Familie eine Villa am Mellenbergweg am Volksdorfer Wald. Dort lud man nicht nur zu Konzerten ein, sondern stellte im Haus außerdem einen Musiklehrer und ein Zimmer zur Verfügung, damit auch andere Kinder aus Volksdorf in den Genuss musikalischen Unterrichts kamen.
An die warmherzige Atmosphäre im Haus erinnert sich die ehemalige Hausangestellte Erna Klingmann :
"Jeden Sommer gab es in der Familie Fraenkel nacheinander drei Geburtstage zu feiern. Erst der von Frau Dr. am 23.7., der mit einer großen Abendgesellschaft begangen wurde. Dann Ullas am 26.7. als Kindergeburtstag. Und im August dann mein Geburtstag. Da konnte ich mir Gäste in die Villa einladen und feiern. Herr und Frau Dr. verließen an diesem Tag morgens das Haus und kehrten erst spät zurück. Am Tag zuvor durfte ich mir alles, was ich für meine Feier brauchte, in den Volksdorfer Geschäften holen."
Nach Praxisschluss wurde Max Fraenkel oft in das Kinderheim "Im Erlenbusch" in der Schemmannstraße gerufen. Hier hatte die Sozialpädagogin Hilde Wulff 1935 ein privates Heim für Kinder mit Behinderungen eröffnet. Da Hilde Wulff zeitweilig heimlich auch jüdische Kinder aufnahm, half Erna Klingmann, diese mit Lebensmitteln zu versorgen, die sie durch den Wald von der Arztvilla zum Kinderheim trug. Ausnahmsweise quartierte sie sogar einige privat in ihrer kleinen Wohnung ein: "Bei neugierigen Fragen meiner Nachbarn habe ich nur gesagt:‚Das sind Kinder vom Lande, vom Nachbarhof meiner Eltern.’"
Nach einer anonymen Verwarnung stellte Erna Klingmann diese Hilfsleistungen ein.
Obwohl Familie Fraenkel der evangelischen Kirche angehörte, wurde ihr während der NS-Zeit eine andere Identität zugewiesen: Die Eltern führten nach NS-Terminologie eine "privilegierte" Mischehe, der Ehemann galt als "jüdisch", die Töchter galten als "Halbjüdinnen" bzw. "Mischlinge ersten Grades". Ulla hätte 1935 das Abitur machen wollen, musste aber die Walddörferschule vorher verlassen. Ilse legte 1938 das Abitur ab. Obwohl sie eine der besten Sportlerinnen der Schule war, durfte sie auf dem Sportfest nicht geehrt werden. Schulleiter Hayungs milderte diese Kränkung allerdings dadurch ab, dass er vor der versammelten Schulgemeinschaft sagte: "Und wie wir alle wissen, gibt es unter uns ausgezeichnete Sportler, die aber heute nicht geehrt werden."
1933 waren in Hamburg 325 Ärzte als "jüdisch" registriert. Allen wurde bereits im April des Jahres die Kassenzulassung entzogen. Eine Fülle von Verordnungen bis zum totalen Berufsverbot und auch zum Verbot privat-wissenschaftlich zu arbeiten (Dezember 1938) betraf damit jeden fünften Hamburger Arzt. Viele wanderten aus. Besonders jüngere versuchten, im Ausland eine neue Existenz aufzubauen. Aber Max Fraenkel war schon Mitte 50. Zuerst behandelte er seine Patienten noch unentgeltlich. Das wurde aber beobachtet und "gemeldet". Die Patienten wurden bestraft. Auch die Tätigkeit als Theaterarzt der Staatsoper musste er einstellen. Zunehmend empfand Max Fraenkel sich als Last für seine "arische" Frau und seine Töchter. Im Familienkreis sprach er darüber, sich das Leben zu nehmen, in der Hoffnung, dass seine Familie dann durch das Eintreten der Ärzteversicherung besser versorgt sei.
Im März 1938 unternahm Ilse mit ihrer Klasse eine Abitursreise nach Berlin, Ursula war schon des längeren in Süddeutschland zur Ausbildung. Als so beide Töchter abwesend waren, erschoss sich Max Fraenkel am Morgen des 21. März 1938 in seinem Schlafzimmer.
Max Fraenkels Mutter Marie Fraenkel, geb. Deutsch, wurde am 24. März 1943 mit 82 Jahren nach Theresienstadt deportiert und dort umgebracht. Seine Schwester Margarete Kuttner, geb. Fraenkel (*1884) wurde im November 1944 in Auschwitz-Birkenau mit Gas ermordet. Sein Bruder Hans (*1888) wanderte aus.
Die Stadt Hamburg benannte 1945 Eugen Fraenkel zu Ehren den Schaudinnsweg in Barmbek in Fraenkelstraße um. Die Universität Hamburg würdigte seine Verdienste mit der Aufstellung einer Büste.
2003 beschäftigte sich eine Konfirmandenguppe der Gemeinde St. Gabriel mit dem Leben Max Fraenkels.
© Ursula Pietsch
Quellen: StaH, 331-5, Polizeibehörde-Unnatürliche Todesfälle; AfW Akte Charlotte Sperber 220791, 1938/463; Anna v.Villiez, Die Vertreibung der jüdischen Ärzte Hamburgs aus dem Berufsleben 1933-45, in: Hamburger Ärzteblatt, Nr.3, 2004, S. 110; Alf Schreyer, Kinderheim "Im Erlenbusch" seit 50 Jahren in Volksdorf, in: Unsere Heimat die Walddörfer, Nr. 5, 1985; Petra Fuchs, Hilde Wulff (1898-1972), Leben im Paradies der Gradheit, Münster 2003; Ursula Pietsch, Volksdorfer Schicksale, in: Unsere Heimat die Walddörfer, Nr.4, 2005, S. 51; Nr.5, S.67; Interviews mit Ilse Jochimsen, geb. Fraenkel, 2003-2008; Interview mit Erna Klingman, 2001.