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David Isenberg * 1861

Billstedter Hauptstraße 50 (Hamburg-Mitte, Billstedt)


HIER WOHNTE
DAVID ISENBERG
JG. 1861
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 22.2.1943

Weitere Stolpersteine in Billstedter Hauptstraße 50:
Roline Isenberg

David Daniel Isenberg, geb. 26.4.1861 in Hamburg, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, Tod dort am 22.2.1943
Roline (Rosa Karoline) Isenberg, geb. Isenberg, geb. 25.7.1872 in Hamburg, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, Tod dort am 27.2.1944

Billstedter Hauptstraße 50 (Hamburger Straße 89)

2003 forschte eine neunte Hauptschulklasse der Schule Möllner Landstraße in Billstedt nach der Lebensgeschichte des Schuhwarenhändlers David Isenberg und seiner Frau Roline und ließ zur Erinnerung an sie in der heutigen Billstedter Hauptstraße 50 zwei Stolpersteine verlegen. Für ihr Projekt erhielt die Klasse den Bertini-Preis. Ihre damaligen Forschungsergebnisse konnten aufgrund des seit dem 1. Juli 2009 bestehenden Zugangs zu den Personenstands­registern im Hamburger Staatsarchiv ergänzt werden. Einige Fragen ließen sich den­noch nicht beantworten: Was veranlasste David Isenberg 1915 zum Umzug nach Schiffbek? Wann kehrte er nach Hamburg zurück? Warum unterließ die Devisenstelle des Hamburger Oberfinanzpräsidenten die Sperrung seines nicht unbeträchtlichen Vermögens?

David Daniel Isenberg und seine Frau Rosa Karoline, genannt Roline, wurden in Hamburg geboren. Sie waren Cousin und Cousine. Ihre Väter, die Brüder Salomon und Moses Isenberg, stammten aus Bremke bei Göttingen und waren nach Hamburg gezogen, wo sie ge­trennte Wege gingen.

David und sein Bruder Leopold betrieben spätestens seit 1895 gemeinsam in der Wexstraße 1, wo auch ihre Eltern wohnten, einen Großhandel in Schuhwaren, Stoffen und Tuchen. Nach zehn Jahren verlegten sie ihr Geschäft in die Amelungstraße 13/14 und beschränkten sich auf den Handel mit Schuhwaren. Das dortige Geschäft bestand bereits seit 1894 mit wechselnden Inhabern als "Gebr. Isenberg, Schuhwaren en gros". Als Davids Mutter Friederike 1902 starb, zog sein Vater zusammen mit ihm in die Eimsbütteler Straße 45. Am 11. März 1909 im Alter von 48 Jahren schloss David Isenberg die Ehe mit seiner Cousine, der 37-jährigen Roline Isenberg, die zu ihm und ihrem Schwiegervater zog. Ihre Ehe blieb kinderlos.

Roline Isenbergs Vater Moses hatte seinen Vornamen in Moritz "eindeutschen" lassen, wurde offiziell aber weiterhin als Moses Isenberg geführt, und betrieb ein Lotteriegeschäft. Er heiratete die am 29. Dezember 1839 in Norrköping/Schweden geborene Lehrerstochter Jeanette Posner, die mit ihren Eltern nach Hamburg gezogen war. Die Familie mit sechs Kindern gehörte zu den ersten Mietern des 1882 neu erbauten Marcus Nordheim-Stifts in der Schlachterstraße 40/42, wo sie zwei Jahrzehnte lang wohnte, einige ihrer Kinder noch länger, wie Roline, die älteste Tochter.

Roline wurde Schneiderin und Verkäuferin. Mit zwanzig Jahren verließ sie erstmals ihr Elternhaus und wohnte vorübergehend in der Eichenallee 3 in Othmarschen. Ob sie in ihrem Beruf arbeitete, ließ sich ebenso wenig klären wie ihre späteren Tätigkeiten von 1894 bis 1896 in Kiel und 1901 in Aurich. Nach dem Tod ihres Vaters Moses Isenberg am 2. Oktober 1901 kehrte sie nach Hamburg zurück und blieb dort bis kurz nach dem Tod ihrer Mutter Friederike am 28. Mai 1902. Danach arbeitete sie sechs Jahre lang, von 1902 bis 1908, auf Norder­ney. Ihre Hamburger Adresse blieb bis zu ihrer Hochzeit das Elternhaus in der Schlach­ter­straße 40/42.

Als David und Roline Isenberg 1909 heirateten, lebte von ihren Eltern nur noch Salomon Isenberg, 74 Jahre alt und Rentner. Er fungierte als Trauzeuge. David und Roline Isenberg gehörten der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg und dem orthodoxen Synagogen-Verband an.

Die Schuhwarengroßhandlung der Gebrüder Isenberg erlitt während des Ersten Weltkriegs erhebliche Einbußen. Die Brüder Leopold und David Isenberg wohnten zeitweilig zusammen in der Bogenstraße 11 in Eimsbüttel. Salomon Isenberg zog 1911 zu seinem Sohn David in die Wilhelminenstraße 65 in St. Pauli und 1915 in das damals noch preußische Schiffbek an der Ostgrenze Hamburgs in die Hamburger Straße 89, wohin ihm David und Roline folgten. Dort starb Salomon Isenberg 1916 und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf begraben.

David und Roline Isenberg wurden Mitglieder der Wandsbeker jüdischen Gemeinde, behielten aber mit einem Mindestbeitrag ihre Mitgliedschaft in der Hamburger Gemeinde bei.

Wann David Isenberg seine Schuhwarenhandlung in Schiffbek eröffnete, ist unbekannt. Möglicherweise erfolgte sie im Zusammenhang mit der Liquidation des Schuhgroßhandels, den er zusammen mit seinem Bruder Leopold in der Amelungstraße 13/14 betrieb, im Jahre 1916. Ihr jüngster Bruder John führte den Betrieb weiter. Leopold und John Isenberg blieben bis zu ihrem Tode – Leopold starb 1918, John 1932 – im Schuhhandel tätig.

David Isenberg betrieb 1930 eine Werkstatt mit Laden in der Hamburger Straße getrennt vom Kontor in der Möllner Landstraße 51 und der Wohnung in der Bergstraße 2. 1935 er­warb er einen Hamburger Gewerbeschein.

Wann und warum David und Roline Isenberg Geschäft und Wohnung in Schiffbek aufgaben und nach Hamburg zurückkehrten, ließ sich nicht klären. Altersgründe mögen eine Rolle gespielt haben. Eine Zeitzeugin berichtete, der Wegzug sei aufgrund der Plünderung ihres Geschäfts im Novemberpogrom 1938 erfolgt. Möglicherweise liegt hier eine Verwechslung mit dem Aprilboykott 1933 vor, denn gemeldet waren David und Roline Isenberg in Hamburg schon 1934/35. Sie wohnten von da ab zur Untermiete in Harvestehude, obwohl ihr Wohlstand ihnen erlaubt hätte, eine eigene Wohnung zu mieten oder zu kaufen. Die Gründe für ihren bescheidenen Lebensstil kennen wir nicht. Sie kehrten als Vollmitglieder zur Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg zurück.

Währenddessen verließen andere Familienangehörige Hamburg: Die Schwägerin Sara Isenberg, die Witwe Leopolds, zog 1935 mit ihrem Sohn Arthur und dessen Familie nach Frankfurt am Main. Rolines Bruder Martin starb am 24. Mai 1939, nachdem sein Sohn Manfred bereits nach Palästina emigriert war. Seine Witwe, Rolines Schwägerin Selma Isenberg, erhielt eine Anstellung an der Talmud Tora Schule für "religiöse Bildung und weltliches Wissen".

David Isenberg besaß ein nennenswertes Vermögen, ohne dass die Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten darüber eine "Sicherungsanordnung" verhängte. Für diesen ungewöhnlichen Fall fehlt eine Erklärung. Es wurde ein Testament erwähnt, über das sich jedoch keine näheren Angaben finden ließen. Man kann davon ausgehen, dass das Vermögen später entweder auf dem Umweg eines "Heimeinkaufsvertrags" für Theresienstadt oder nach der Deportation "dem Reich verfiel".

1942 schloss sich für David und Roline Isenberg auf bedrohliche Weise ein Kreis: Die jüdische Gemeinde brachte das Ehepaar Isenberg, gezwungen durch die Gestapo, in der Schlachterstraße 40/42 unter. Das Marcus Nordheim-Stift, wo Roline Isenberg mit ihren Eltern 40 Jahre zuvor gewohnt hatte und wo ihre Eltern gestorben waren, diente nun als "Judenhaus" zur Vorbereitung der Deportationen. Dort erhielten David und Roline Isenberg, inzwischen 70 bzw. 81 Jahre alt, die Aufforderung zum Transport ins "Altersgetto" von Theresienstadt am 19. Juli 1942.

David Isenberg starb bereits ein halbes Jahr nach seiner Ankunft in Theresienstadt am 22. Fe­bruar 1943 mit fast 82 Jahren an "Enteritis", einer im Getto infolge unzureichender Hygiene, mangelhafter Ernährung und ungewisser Zukunft grassierenden tödlichen Krankheit. Roline Isenberg wurde 71 Jahre alt; die Todesursache ist nicht bekannt. Als sie am 27. Februar 1944 starb, lebten ihre Schwägerinnen schon nicht mehr. Selma Isenberg wurde aller Wahr­schein­lichkeit nach im Juli 1942 in Auschwitz ermordet, Sara Isenberg im September 1942 in Treblinka. Sie hatte vorher drei Wochen im Getto von Theresienstadt verbracht, wo sich die Verwandten möglicherweise noch einmal begegneten. Ihr Sohn Arthur Isenberg und seine Frau Paula wurden 1941 im Vernichtungslager Majdanek umgebracht.

© Initiative Stolpersteine in Hamburg-Billstedt

Quellen: 1; 4; 5; StaH, 231-7 Handelsregister, A 1 Band 78, Nr.n 19153 u. 19157; 332-5 Standesämter, 488+1519/1901; 503+772/1902; 503+903/1902; 760+87/1916; 992+13/1932; 8033+704/1916; 8729+251/1919; 332-8 Meldewesen, K 6329; 376-3 Zentralgewerbekartei, VIII Cc1 1915-1930, K 3846; 552-1 Jüdische Gemeinden, 992 e 2, Bde 4 u. 5; AB div., 1923 u. 1930 Schiffbek; Grundbuchamt Hamburg-Mitte, Grundbuch Bd. 36, Bl. 1219; ASB-Projekt 2003; Randt, Talmud Tora Schule.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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