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Porträt Dr. Herbert Samson
Dr. Herbert Samson
© Privatbesitz

Dr. Herbert Siegfried Samson * 1898

Sierichstraße 102 (Hamburg-Nord, Winterhude)

1942 Bergen-Belsen /aus Niederlanden
ermordet am 5.1.1945 Bergen-Belsen

Dr. Herbert Siegfried Samson, geb. 26.3.1898 in Hamburg, deportiert am 1.2.1944 ins KZ Bergen-Belsen, dort am 5.1.1945 gestorben

Herbert Siegfried Samson wurde 1898 in Hamburg als Sohn des Kaufmanns Adolf Samson und seiner Frau Johanna, geb. Bauer, geboren. Von 1907 bis 1916 besuchte er das Wilhelm-Gymnasium (Rotherbaum). Ab Sommersemester 1916 studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Berlin. Im November 1916 wurde er als Soldat eingezogen und nahm im März 1917 in Lothringen an Stellungskämpfen teil. Nach dem Ersten Weltkrieg setzte er das Jura-Studium an den Universitäten Göttingen, Heidelberg und Hamburg fort. Er legte die 2. juristische Prüfung im Dezember 1922 in Hamburg ab. Zuvor hatte er schon im Februar 1921 seine Promotion zum Thema "Der Kommissionsagent" bestanden. Im Januar 1923 wurde er als Rechtsanwalt beim Hanseatischen Oberlandesgericht sowie dem Hamburger Landgericht und Amtsgericht zugelassen. Von 1923 bis 1924 praktizierte er am Rathausmarkt 5 bei den Rechtsanwälten Albert Wulff und Herbert Fischer. 1925 bis 1933 unterhielt er gemeinsam mit Dr. Manfred Zadik (1887–1965) und Dr. Hans Levien (1900–1967) eine Kanzlei in der Bergstraße 16.

Bis Anfang 1926 wohnte Herbert Samson in der Hochallee 25 (Harvestehude). Im April 1926 heiratete er Ilse Hochfeld (geb. 1907 in Hamburg), die bis zur Hochzeit bei ihrem Vater, dem Kaufmann Gustav Hochfeld (Mitinhaber des 1904 gegründeten Familienunternehmens Giulio Hochfeld, Import u. Export von Südfrüchten, Oberhafenstraße 5) in der Brahmsallee 27 gewohnt hatte. Herbert und Ilse Samson zogen nach der Hochzeit in den zweiten Stock des fünfgeschossigen Hauses Gryphiusstraße 12, Ecke Dorotheenstraße. Im September 1935 wechselte die nunmehr vierköpfige Familie (Werner Edgar, geb. 1928 und Eva Irene, geb. 1935) in eine Sieben-Zimmer-Parterrewohnung des Hauses Sierichstraße 102. Die Eheleute waren sowohl sportlich aktiv (z. B. besaßen beide ein Fahrrad und eine Tennis-Ausrüstung) als auch kulturell interessiert.

Am 27. April 1933 wurde aus "rassischen" Gründen eine Rücknahme der Rechtsanwalts-Zulassung von Herbert Samson geprüft. Als anerkannter Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs durfte er sie jedoch zunächst behalten. Anders erging es seinem Kanzlei-Kollegen: Rechtsanwalt Dr. Levien wurde die Zulassung im April 1933 entzogen (er emigrierte 1935 nach Palästina). Der andere Sozius Manfred Zadik arbeitete bis 1938 als Rechtsanwalt, dann durfte er nur noch als "jüdischer Konsulent" tätig sein. In der Zeit von 1935 bis 1938 betrieb Herbert Samson eine eigene Kanzlei in der Großen Theaterstraße 34 (Neustadt). Am 30. November 1938 erhielt er als jüdischer Rechtsanwalt Berufsverbot; ab 1. Dezember 1938 wurde er nur noch als "jüdischer Konsulent" zugelassen, d. h., er durfte nur noch für jüdische Mandanten tätig sein. Für diese Zulassung verlangte der NS-Staat eine "Konsulentenabgabe", die an die Ausgleichskasse bei der Reichsrechtsanwaltskammer zu zahlen war (für 3 1/2 Monate belief sich diese Abgabe auf rund 5500 RM). Das Büro übernahm 1939 Dr. Edgar Haas (1877–1946), der als einer von drei "jüdischen Konsulenten" während der ganzen NS-Zeit in Hamburg tätig sein konnte. Auf seinem Firmenstempel musste er den Zusatz "Zugelassen nur zur rechtlichen Beratung und Vertretung von Juden" einfügen.

Im Zuge der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 wurden insbesondere wohlhabende Juden in Konzentrationslagern interniert, die Hamburger wurden ins KZ Sachsenhausen eingewiesen. Herbert Samson saß dort vom 9./10. bis 22. November 1938 als Häftling 8548 im Block 20 ein. Sofort nach seiner Entlassung versuchte er, seine Familie in Sicherheit zu bringen. Im Dezember 1938 wurde der zehnjährige Sohn Werner mit einem Kindertransport nach Großbritannien geschickt. Die übrige Familie hoffte weiterhin auf ein Visum für die USA. In der Kultussteuerkartei war bereits der Vermerk "März 39 U.S.A." eingetragen, doch die Ausreise dorthin kam nicht zustande. Im April 1939 emigrierte Herbert Samson mit Ehefrau und vierjähriger Tochter sowie Teilen des Hausrats in die Niederlande, für die kein Visum erforderlich war. Hier lebte bereits seit Februar 1938 der Schwiegervater Gustav Hochfeld (dessen Firma Giulio Hochfeld OHG war am 15. Februar 1938 von Wilhelm Schlüter übernommen worden). Die mittlerweile "arisierte" Möbeltransportfirma Berthold Jacoby (Inhaber Paul Meier) erhielt den Auftrag, das Umzugsgut zu verpacken und nach Rotterdam zu transportieren. Vorher hatten Beamte der Zollfahndungsstelle im Wohnhaus die Transportlisten und die Gegenstände abgeglichen. Einige Silbergegenstände waren von Juwelier Clasen (Kleine Johannisstraße 2) aufgelistet, verpackt und versiegelt worden – nur so konnten diese Gegenstände gegen Zahlung einer Abgabe ausgeführt werden. Schmuck und weitere Silbersachen mussten bei der "Öffentlichen Ankaufsstelle" abgegeben werden, wofür eine Gutschrift von 99 RM auf das Sperrkonto von Herbert Samson erfolgte. Für ein Ölbild, neun Aquarelle und vier Radierungen wurde vom stellvertretenden Referenten der Fachgruppe Maler und Grafiker in der Reichskulturkammer der bildenden Künste, Willy Habl, eine Bescheinigung eingeholt, dass die Bilder "nicht als hochwertiges deutsches Kulturgut" einzustufen seien. Zuvor hatte Herbert Samson allerdings an den NS-Staat die "Judenvermögensabgabe" und die "Dego-Abgabe" für die Mitnahme seines Eigentums ins Ausland zu zahlen. Das eigentliche Fluchtziel der Familie Samson blieben aber weiterhin die Vereinigten Staaten von Amerika. Der Vater ließ 1939 den Sohn per Schiff in die Niederlande nachkommen – so war die Familie in dieser Station des Exils wieder vereint.

Edgar Haas regelte nach Herbert Samsons Emigration u. a. Zahlungen von dessen Sperrguthaben an die Deutschland verbliebenen Familienmitglieder (an Hermann Epstein, den Schwiegervater des Onkels Bernhard Samson, an Siegfried Hochfeld, den Münchner Onkel der Ehefrau, an Elsa Hochfeld, die Münchner Tante der Ehefrau).

Im Dezember 1939 wohnte die Familie in Den Haag in der Zijdelaan 25. Ihre finanzielle Situation verschlechterte sich zusehends. So schrieb Rechtsanwalt Haas am 19. April 1940 an die zuständigen deutschen Behörden: "Herr Dr. Samson schreibt mir, daß durch den Kriegsausbruch die Verhältnisse in Holland noch schwieriger geworden sind. Er selbst hat nicht viel Mittel; sein Schwiegervater ist angesichts des schlechten Geschäfts schon so beansprucht, daß er nicht weiter in Vorlage treten kann." Am 1. April 1940, noch kurz vor der deutschen Besetzung der Niederlande im Mai 1940, erhielten die Ehefrau und die Tochter von Herbert Samson in Rotterdam ein "Immigration Visa" für die USA. Sie fuhren nach England und verließen im Mai 1940 mit dem Dampfer "Britannic" Liverpool in Richtung New York. Von dort fuhren sie weiter mit der Bahn nach Seattle. Herbert Samson und sein Sohn warteten in Den Haag weiter vergeblich auf ein USA-Visum. 1940 mussten sie auf Anordnung der deutschen Behörden Den Haag verlassen und in den Osten der Niederlande nach Nunspeet umziehen.

Über Rechtsanwalt Haas verhandelte Herbert Samson im September 1940 über Reisekostenzahlungen von seinem in Deutschland verbliebenen Geld: "Als Vertreter von Herrn Dr. Samson teile ich höflichst mit, daß dieser mit seinem kleinen Sohn noch in Holland ist. Er beabsichtigt über Russland nach U.S.A. weiterzureisen; das Visum wird demnächst erteilt werden. Er möchte die in Reichsmark zahlbaren Beträge, d. h. also die Strecke von der holländischen Grenze bis Japan, von seinem Sperrkonto zahlen." Dieser Antrag wurde abgelehnt. Im April 1941 erreichte der Anwalt Haas, dass Schul- und Universitätszeugnisse aus der Personalakte bei der Hamburger Justizverwaltung nach Holland geschickt wurden.

Im Dezember 1942 oder im Herbst 1943, die Quellen weichen hier voneinander ab, wurden Herbert Samson und sein Sohn verhaftet und im niederländischen Durchgangslager Westerbork unweit der deutschen Grenze interniert, das seit Juli 1942 der SS unterstand. Im Januar 1944 folgte die Deportation aus den besetzten Niederlanden zurück ins Deutsche Reich in das KZ Bergen-Belsen, in das die jüdischen Häftlinge am 1. Februar 1944 eingeliefert wurden. Herbert Samson erhielt die Häftlings-Nr. 2656, Sohn Werner die Nr. 2664 des "Sternlagers". Deren Insassen mussten auf ihrer Zivilkleidung den Judenstern tragen und wurden bei schlechter Ernährung zu Kräfte zehrenden Arbeitseinsätzen gezwungen. Herbert Samson starb dort am 5. Januar 1945 an Hunger und Entkräftung, offiziell wurde als Todesursache "Herzschwäche" angegeben. Sein Sohn wurde am 10. April 1945 mit einem Bahntransport vor den anrückenden britischen Truppen aus dem Lager "evakuiert". Am 15. April 1945 wurde das Lager befreit. Am 23. April 1945 wurde Werner Samson von Einheiten der Roten Armee in sehr schlechtem gesundheitlichen Zustand aus dem Transportzug bei Tröbitz Nähe Frankfurt (Oder) befreit. Er reiste im November 1946 in die USA aus.

© Björn Eggert

Quellen: 1; 2; 4; 8; StaHH 241-2, Justizverwaltung Personalakten, A 1820; StaHH 741-4, Alte Einwohnermeldekartei; AfW 260398; AB 1898, 1926, 1932, 1936; Handelskammer Hamburg, Firmenarchiv HR A 4962, 1925–1967; Amtliche Fernsprechbücher Hamburg 1924–1926, 1928, 1935, 1937; Hamburger Börsenfirmen, 34. Auflage, Hamburg Februar 1933, S. 381; www.joodsmonument.nl (eingesehen am 8.2.2007); Gedenkstätte KZ Bergen-Belsen, E-Mail vom 13.3.2007; BallinStadt, www.ancestry.de Passagierliste der "S. S. M. V. Britannic", (eingesehen am 22.9.2007); Heiko Morisse, Jüdische Rechtsanwälte in Hamburg. Ausgrenzung und Verfolgung im NS-Staat, Hamburg 2003, S. 132, 141, 155, 168; Ulrike Puvogel, Martin Stankowski, Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus, Band I, Bonn 1995, S. 383.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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