Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Daniel Münden
© Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Annelise B. Bunzel

Daniel Münden * 1866

Agnesstraße 46 (Hamburg-Nord, Winterhude)


HIER WOHNTE
DANIEL MÜNDEN
JG. 1866
FLUCHT HOLLAND
DEPORTIERT 1943
ERMORDET IN
SOBIBOR

Weitere Stolpersteine in Agnesstraße 46:
Gerhard Münden, Rike Martha Münden

Daniel Münden, geb. 20.1.1866 in Hamburg, deportiert am 18.5.1943 nach Sobibor
Martha Rike Münden, geb. Heymann, geb. 21.7.1876 in Hamburg, deportiert am 18.5.1943 nach Sobibor
Gerhard Münden, geb. 9.11.1909 in Hamburg, deportiert im August 1943 nach Auschwitz-Birkenau

Als Sohn des vor 1882 verstorbenen Kaufmanns Salomon Münden und seiner Frau Hanna, geb. Koch (1839–1905), wurde Daniel Münden 1866 in der Wohnung Großneumarkt 49 in Hamburg-Neustadt geboren. Er hatte drei Geschwister: einen älteren Bruder (Max, geb. 1865) und einen jüngeren Bruder (Anton, geb. 1867) sowie eine Schwester (Rosa). Der Vater war als selbständiger Großhändler (Federn, Haare und Felle) tätig. 1875 zog die Familie in die angrenzende Straße Kohlhöfen 35 um, in der auch die 1859 eingeweihte Hauptsynagoge Kohlhöfen (Nr. 17 und 18) und die Talmud Tora Schule (Nr. 19 und 16) lagen.

Diese Schule besuchte Daniel Münden. Danach absolvierte er eine kaufmännische Lehre und gründete 1887 mit 21 Jahren die Firma Schröder & Münden, eine Import-Agentur für Rohtabake. Geschäftsräume wurden von der Hamburger Freihafen-Lagerhaus-Gesellschaft in der Straße Pickhuben 7 (Freihafen) angemietet.

Aus der Wohnung Eichenallee 17 (Othmarschen) zog er 1897 nach der Heirat mit der jüdischen Hamburgerin Martha Heymann in die Klosterallee 31 (Harvestehude/Hoheluft-Ost) und von dort 1902/1903 in die Schlüterstraße 44 (Rotherbaum).

Martha war die Tochter des Hamburger Kaufmanns Hermann Heymann (1838–1914) und seiner Frau Angela, geb. Jesmann. 1898, 1901 und 1902 wurden drei Töchter geboren; 1909 kam der Sohn Gerhard zur Welt. Die längste Zeit (1911–1930) wohnte die Familie in der 1898 erbauten zweigeschossigen Stadt-Villa in der Agnesstraße 46, die Daniel Münden 1910 erworben hatte und für die Bedürfnisse der Familie umbauen ließ. Zur Unterstützung von Martha Münden war "Fräulein" Hanna Preller für rund 30 Jahre als Erzieherin im Hause tätig.

Die Firma Schröder & Münden hatte in der Hamburger Geschäftswelt einen ausgezeichneten Ruf und erzielte hohe Gewinne. Die Firma importierte und veredelte Rohtabak. Sie vertrieb eine eigene Zigarrenmarke, die nach der Erinnerung des Enkels "Die lange Münden" hieß. Die Einbindung von Familienangehörigen in das Unternehmen funktionierte über Jahrzehnte. Der Bruder der Ehefrau, Manfred Heymann (geb. 6.9. 1879 in Hamburg), war seit 1904 Prokurist der Firma und wurde 1911 nach der Umwandlung in eine Offene Handelsgesellschaft neben Daniel Münden auch Gesellschafter der Firma.

Die älteste Tochter Annemarie war von 1920 bis zu ihrer Heirat 1923 Prokuristin in der Firma. Deren Ehemann Ludwig Oscar Wulff war von 1928 bis 1934 ebenfalls Prokurist bei Schröder & Münden. Der Sohn Gerhard Münden, der seit mindestens 1928 als Kaufmann in der Firma arbeitete und seit Januar 1935 als Prokurist im Handelsregister eingetragen war, trat im September 1935 ebenfalls als Gesellschafter in die Firma ein. Auch der Bruder Anton Münden (geb. 8.7.1867), der Mitinhaber der 1880 gegründeten Firma des Schwagers Moritz Glückstadt war (M. Glückstadt & Münden – Anfertigung von Ansichts-Postkarten und Alben), arbeitete u. a. von 1937 bis 1938 in der Firma Schröder & Münden mit.

Der ältere Bruder Dr. Max Münden war seit 1898 in den Hamburger Fernsprechbüchern als Mediziner mit eigener Praxis in der Grindelallee (Rotherbaum) verzeichnet. Ein Enkel und eine Nichte von Daniel Münden wussten gleichlautend von einem Vorfall zu berichten, der für Max Münden tödlich endete. Er soll sich in einer Bücherei Hitlers "Mein Kampf" ausgeliehen und mit abfälligen Randbemerkungen versehen haben. Nach der Rückgabe des Buches und der Entdeckung der Kritik wurde sofort die Polizei eingeschaltet. Max Münden wurde verhaftet und starb am 24. September 1936 in Hamburg im Gefängnis.

Daniel Münden war neben seiner beruflichen Tätigkeit in der Jüdischen Gemeinde sehr aktiv: 1918 war er Mitbegründer und Vorstandsmitglied des Jüdischen Schulvereins, von 1920 bis 1930 gehörte er dem Repräsentanten-Kollegium und seit 1922 dem Vorstand des Tempelverbandes (Poolstraße) an. 1931 begründete er den Jüdisch-Liberalen Gemeindeverein mit und amtierte ab 1933 als Vorsitzender des Tempelverbandes. Nicht von ungefähr logierte der "Jüdische Schulverein in Hamburg e. V." u. a. von 1920 bis 1928 in dem Gebäude, in dem auch die Firma Schröder & Münden ihre Geschäftsräume hatte. Die SS schrieb in ihrer Liste einflussreicher und vermögender Juden zu Daniel Münden: "in jüdischen Kreisen als Wohltäter bekannt". Zu Mitgliedern der Familie Warburg bestanden sowohl geschäftliche als auch private Kontakte.

1930/31, nach der Heirat aller vier Kinder, hatten die Eheleute Münden das Haus Agnesstraße 46 verkauft und waren zur Miete in eine Wohnung in der Heilwigstraße 37 (Harvestehude) gezogen. 1936 wechselten sie in den ersten Stock der Eckvilla Mövenstraße 10/Agnesstraße, ganz in die Nähe ihres ehemaligen Hauses Agnesstraße 46.

Die Liquidation der Firma Schröder & Münden war 1938 staatlicherseits beschlossene Sache. Am 23. Februar 1938 wurde Gerhard Münden als Gesellschafter aus dem Handelsregister gestrichen. Sechs Wochen später reiste er mit seiner Ehefrau in die Niederlande aus. Gerhard Münden wollte dort seinen bisherigen Beruf als Tabakhändler weiter ausüben. Das aufwändige Auswanderungsprocedere regelte für ihn Rechtsanwalt Dr. Ernst Kaufmann, der 1944 in Auschwitz ermordet wurde. Er beantragte u. a. die Mitnahme von 58000 Reichsmark und des Automobils (Opel, Typ 1210, Baujahr 1933).

Bereits in den Jahren 1935/36 waren die Töchter Irmgard Bachrach, geb. Münden, ihr Ehemann Felix Bachrach und ihre zwei Söhne getrennt nach England emigriert, 1941 reisten sie von dort weiter in die USA. Auch die anderen beiden Töchter verließen mit ihren Ehemännern Deutschland und emigrierten später in die USA: Elisabeth, verheiratete Goldmann, im Juli 1936 und Annemarie, verheiratete Wulff, im März 1940.

Nachdem ihre Kinder Deutschland verlassen hatten, versuchten auch die Eltern auszuwandern. Bei der Auflistung der Wohnungsgegenstände im Dezember 1938 für die Emigration schrieb Daniel Münden an die Devisenstelle: "Hierzu wird bemerkt, dass der Hausstand 42 Jahre besteht und in den letzten Jahren stets verkleinert ist. Hauptsächlich sind Möbel verkauft." Eine Auflistung der SS vom 12. Dezember 1938 bezifferte das Vermögen von Daniel Münden auf 11/2 Millionen RM.

Die Eltern mussten vor ihrer Auswanderung erst einmal das Unternehmen abwickeln. Die Zollfahndungsstelle Hamburg erließ Ende Juli und Anfang August 1938 gemäß § 37a des Devisengesetzes vom 4. Februar 1935 eine Sicherungsanordnung gegen die beiden verbliebenen Firmen-Gesellschafter Münden und Heymann. Der Angestellte und Prokurist Georg Rinne übernahm mit dem Einverständnis der jüdischen Besitzer und in Absprache mit den Kunden das Geschäft. Am 1. August 1938 wurde die Firma "Rinne & Schweitzer, Tabakmakler" unter gleicher Adresse (Pickhuben 7) handelsrechtlich eingetragen. Doch diese Vorkehrungen reichten nicht, denn drei Monate später wurde die Firma Schröder & Münden nach 51 Jahren zwangsweise "abgewickelt". Sofort nach der Firmenschließung beauftragten die Eheleute Münden Herbert Eiden (Bankgeschäft – Devisenbank) "mit der Bearbeitung ihrer Auswanderung nach Holland."

Auch nach der Schließung der Firma und der Zahlung der "Judenvermögensabgabe" in Höhe von 88000 RM verfügte das Ehepaar Münden noch über Wertgegenstände und Kapital, die aber nur mit Genehmigungen und gegen Zahlung von horrenden "Steuern" von Deutschland in die Niederlande transferiert werden konnten. Für abgelieferte Wertpapiere in Höhe von 48000 RM wurden ihnen beispielsweise lediglich 3000 RM in Fremdwährung ausgezahlt. Für den Transport von vier Zimmereinrichtungen in die Niederlande war an den deutschen Staat eine Abgabe von 2340 RM zu zahlen. Nach Einholung eines Gutachtens von einem Kunstsachverständigen durch die Zollfahndungsstelle Hamburg konnten die Mündens auch sechs Ölbilder in die Niederlande mitnehmen. Die in Hamburg verbliebenen Silbergegenstände sowie Schmuck aus der Wohnung im Wert von rund 4000 RM wurden von der Firma Wempe auf ihren Goldwert geschätzt und nach der Abreise von Daniel und Martha Münden bei der "Verwaltung für wirtschaftliche Unternehmen und für Verkehrsangelegenheiten, Ankaufstelle" im Bäckerbreitergang 73 abgegeben. Sie wurden mit 500 RM taxiert und dieser Wert wurde, nach Abzug von 10% Verwaltungsgebühr, dem gesperrten Konto von Daniel Münden gutgeschrieben. Am 15. Dezember 1938 emigrierte auch der Mitinhaber von Schröder & Münden, Manfred Heymann, zuletzt wohnhaft Hochallee 37, nach Holland (Outzijds Voorburgwal 220 in Amsterdam).

Am 28. Januar 1939 fuhr das Ehepaar Daniel und Martha Münden mit der Bahn von Hamburg nach Amsterdam, wo der Sohn Gerhard schon als Tabakhändler arbeitete. Daniel Münden mietete für sich und die Familie des Sohnes in Nieuwer-Amstel in der Van der Hoochlaan 18 ein Haus, allerdings ohne dass er eine ständige Niederlassungserlaubnis erhalten hatte. Der Sohn Gerhard übernahm die Bürgschaft für die Einwanderung seiner Eltern. Deren Aufenthaltsgenehmigung für die Niederlande beinhaltete aber ausdrücklich die Verpflichtung, den Beruf als Tabakmakler dort nicht auszuüben. Der in Deutschland gebliebenen Schwägerin, Paula Reich, geb. Heymann (Haynstraße 15 bei Levy), versuchte das Ehepaar Münden Gelder von ihrem in Deutschland verbliebenen "Auswanderer-Sperrguthaben" zukommen zu lassen. (Am 15. Juli 1942 wurde Paula Reich nach Theresienstadt, am 21. September 1942 weiter ins Vernichtungslager Treblinka deportiert.) Der langjährigen Hausangestellten Preller ließen sie zum Geburtstag 150 RM von ihrem Sperrguthaben ins Altersheim schicken.

Der neue Firmeninhaber Rudolf Schweitzer (geb. 1903) soll laut Leumundszeugnis seines Compagnons Georg Rinne die vorherigen Firmeninhaber Daniel Münden und Manfred Heymann in Amsterdam besucht haben.

Nach der deutschen Besetzung der Niederlande im Mai 1940 wurden alle jüdischen Bewohner registriert, im April 1942 folgte die Erfassung ihres Eigentums: Alle Haushaltsgegenstände der Familie Münden wurden, unterteilt nach Räumen, akribisch aufgelistet. Ab dem 5. Mai 1942 waren die Mündens auch in den Niederlanden verpflichtet, den vorgeschriebenen "Judenstern" deutlich sichtbar zu tragen.

Nach Aussage eines Enkels versuchten sich Daniel und Martha Münden zu verstecken, doch die Gestapo entdeckte und verhaftete sie. Mitte April 1943 wurden sie ins niederländische KZ Herzogenbusch in Vught eingeliefert, nach rund drei Wochen ins KZ Westerbork überstellt und kurz darauf, am 18. Mai 1943, von dort weiter ins Vernichtungslager Sobibor deportiert. Danach fehlt jede Spur von ihnen. Das Amtsgericht Hamburg erklärte Daniel und Martha Münden mit Beschluss vom 6. Oktober 1951 offiziell für tot.

Anton Münden, dessen Firma am 4. Oktober 1939 im Handelsregister gelöscht worden war, wurde am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt und am 23. September 1942 weiter nach Treblinka deportiert. Für ihn ist vor seinem ehemaligen Wohnhaus Beim Andreasbrunnen 3 (Eppendorf) ein Stolperstein geplant.

Für Max Münden und seine Ehefrau Martha, geb. Gräfenberg, sind vor dem Haus Grindelallee 153 Stolpersteine verlegt worden. Martha Münden wurde am 6. Dezember 1941 nach Riga deportiert. Der Sohn von Daniel und Martha Münden, Gerhard Münden, wurde im August 1943 aus den Niederlanden ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert, das genaue Datum seines Todes ist nicht bekannt. Seiner Ehefrau Erna, geb. Schwarzenberger (1914–1967), und der in Amsterdam geborenen Tochter Yvonne, gelang die Emigration nach Argentinien.

© Björn Eggert

Quellen: 1; 2; 5; AfW 20166; StaHH 221-11, Staatskommissar für die Entnazifizierung, Signatur C 5336; StaHH 741-4, Alte Einwohnermeldekartei; Bezirksamt Hamburg-Nord, Bauamt/Bauprüfabteilung, Agnesstraße 46 und Mövenstraße 10; Sonderarchiv Moskau, Liste des SS-Oberabschnitts Nordwest, Liste einflussreicher und vermögender Juden vom 12.12.1938, Signatur 500-1-659, Blatt 56-58; www.joodsmonument.nl (eingesehen am 8.2.2007), Haushaltsaufstellung vom 24.4.1942; Handelskammer Hamburg, Firmenarchiv: Schröder & Münden (1920–1939); Handelskammer Hamburg, Firmenarchiv: Glückstadt & Münden (1921–1939); Handelskammer Hamburg, Firmenarchiv: Rinne & Schweitzer (1938-1968); AB 1860, 1866, 1870, 1875, 1896–1898, 1913, 1920, 1928, 1932, 1936; Amtliche Fernsprechbücher Hamburg 1895–1940; Hamburger Börsenfirmen 34. Aufl., Hamburg Februar 1933, S. 270, 771; Ina Lorenz, Die Juden in Hamburg zur Zeit der Weimarer Republik, Hamburg 1987, S. 1406; Andreas Brämer, Judentum und religiöse Reform. Der Hamburger Israelitische Tempel 1817–1938, Hamburg, 2000, S. 244; Hamburger Familienblatt (HFB), 16.01.1936, S. 1–2; Martin Gilbert, Endlösung, Die Vertreibung und Vernichtung der Juden. Ein Atlas, Reinbek 1982, S. 160; Heiko Morisse, Jüdische Rechtsanwälte in Hamburg. Ausgrenzung und Verfolgung im NS-Staat, Hamburg 2003, S. 139; Harald Vieth, Hier lebten sie miteinander in Harvestehude-Rotherbaum, Hamburg 1993, S. 23–24; www.ancestry.de Passagierlisten: SS Queen Mary (Irmgard), SS Westernland (Elisabeth), SS Aconcagua (Anna Marie) (eingesehen 22.9.2007); Schreiben des Enkels C. B. (USA) vom 28.1.2008; Telefongespräch mit der Nichte A.B. (USA) am 10.2.2008; BArch Berlin, Liste der jüd. Einwohner des Deutschen Reiches 1933–1945.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

druckansicht  / Seitenanfang