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Bereits verlegte Stolpersteine



Anna Levy * 1864

Barmbeker Straße 127 (Hamburg-Nord, Winterhude)


HIER WOHNTE
ANNA LEVY
JG. 1864
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
15.7.1942

Anna Levy, geb. 30.5.1864 in Hamburg, gestorben am 15.7.1942 in Hamburg (Suizid)

Anna Levy wurde als zweites Kind des Kaufmanns Nachmann Jacob Levy (1829–1904) und der gebürtigen Pragerin Sophie, geb. Rosenbacher (1833–1892), geboren. Drei Jahre später kam ihr Bruder Jacob zur Welt (geb. 25.3.1867). Über ihre Mutter war sie mit der Familie des Rechtsanwalts Dr. Martin Rosenbacher (s. Rosenbacher, Charlotte) verwandt.

Die Familie Levy lebte bereits 1875 in der Sophienterasse 17 an einer 1860/61 als Privatstraße angelegten Verbindung zwischen Mittelweg und Außenalster. Das Stadthaus mit Putzfassade, vorragender Veranda und darüber liegendem großzügigen terrassenartigen Balkon war Ausdruck des Zeitgeschmacks und der finanziellen Mittel der Familie gleichermaßen. Die Firma des Vaters "Mobilien-Lager, Holz- u. Fournier-Handl." hatte ihren Sitz in der Catharinenstraße 31 (Altstadt) direkt am Fleet.

Annas Mutter starb 1892; sie wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ohlsdorf beigesetzt. Nach dem Tod ihres Vaters im Jahre 1904 wurde der Hausstand in dem geräumigen Stadthaus aufgelöst. Anna Levy wohnte die nächsten 15 Jahre bis 1919 im Mittelweg 30. Dieses und das Nachbarhaus Nr. 29 hatten sie und ihr Bruder geerbt. (Im 2. Stock dieses Hauses wohnte von 1902 bis 1903 Annas gleichaltriger Cousin Dr. Martin Rosenbacher.)

Seit 1913 wurde für Anna Levy bei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde eine Kultussteuerkarte geführt. Sie blieb unverheiratet und arbeitete als Angestellte.
Bis Mitte der 1930er Jahre lebte Anna Levy in Wohnlagen, die die gehobene Mittelschicht bevorzugte: Vom Mittelweg zog sie in die Maria-Louisen-Straße 50, eine Villa mit Blick auf den Rondeel-Teich, wo bis 1936 auch ein Verwandter lebte, der Prokurist und angestellte Hausmakler Ernst A. H. Levy (geb. 1898). Danach zog sie zur Untermiete in die Rothenbaumchaussee 11, Hauptmieter dort war Isidor Meyer. 1927 bis 1938 bewohnte sie in dem neu erbauten Gebäude Barmbeker Straße 127 eine moderne, großzügig geschnittene 4-Zimmer-Wohnung mit Vollbad und Diele. Im Adressbuch von 1936 wurde sie als Rentnerin angegeben.

Die Verpflichtung zur Zahlung von fünf Raten "Judenvermögensabgabe (Juva)" zu je 3200 RM, die Ablieferung von Wertpapieren, Gold-, Silber- und Schmucksachen sowie der Entzug ihrer Wohnung waren Stufen auf dem Weg zur finanziellen Ausplünderung und völligen Entrechtung. Per Reichsgesetz wurden die freie Wohnungswahl und der Mieterschutz für Juden aufgehoben. Anna Levy wurde der Mietvertrag gekündigt, und sie musste in ein Haus mit ausschließlich jüdischen Bewohnern ziehen. In der Heilwigstraße 46/Ecke St. Benedict-Straße (Harvestehude), einem zweigeschossigen Stadthaus, das den vier Geschwistern Lehmann gehörte und das von der Kriminalpolizei im Januar 1942 als "jüdisches Pensionat" bezeichnet wurde, bewohnte sie nun ein Parterrezimmer zusammen mit der ebenfalls ledigen Agnes Henriques (geb. 11.08.1861), die vorher in der Isestraße 115 gewohnt hatte. Im 2. Stock lebten die Schwestern Clara (geb. 1874) und Anna Lehmann (geb. 1878) zusammen in einem kleinen Zimmer. Auch die Schwester G. Lehmann sowie der Bruder Richard Lehmann lebten laut Adressbuch 1939 in dem Haus. 1939/1940 wurde der Arzt Dr. Berthold Jungmann (geb. 1868) dort einquartiert (er wurde am 19. Juli 1942 deportiert).

Am 6. Januar 1942 nahmen sich die Schwestern Anna und Clara Lehmann gemeinsam in ihrem Zimmer das Leben. Auf dem Nachttisch lag ein Schreiben der Gestapo Hamburg. Die Kriminalpolizei vermerkte in einer kurzen Protokollnotiz dazu lakonisch: "Die Vorladung der Gestapo wird die Abschiebung der Juden zum Gegenstande gehabt haben, so dass sie sich entschlossen, freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Im vorliegenden Falle handelt es sich um einen einwandfreien Selbstmord der Jüdinnen, die anscheinend nicht ins Ghetto wollten."

Ihre Mitbewohnerin Agnes Henriques starb am 13. Juli 1942. Am 15. Juli 1942 wurde Anna Levy bewusstlos mit einer Schlaftablettenvergiftung aufgefunden. Sie verstarb im Jüdischen Krankenhaus in der Johnsallee 68 (Rotherbaum). Die Polizei gab den Kollegen von der Gestapo den mittlerweile sehr bekannten Grund für diese Art von Suizid an: "Die Verstorbene sollte evakuiert werden." In der Tat verließ am 15. Juli 1942 ein Transport mit 926 Menschen die Stadt Hamburg, mit dem Ziel Theresienstadt. Allerdings stand der Name von Anna Levy nicht auf der dazugehörigen Liste. Das Beerdigungsinstitut von der Walde (Benekestraße 2) kümmerte sich um die Beisetzung auf dem Jüdischen Friedhof Ohlsdorf.

Anna Levys Bruder, der seit 1892 selbständige Emaille-Kaufmann Jacob Rosenbacher Levy (geb. 1867) und ihre Schwägerin Sara, geb. Fehr (geb. 14.011868), hatten sich bereits am 27. Februar 1942 das Leben genommen, auch sie wurden auf dem Jüdischen Friedhof Ohlsdorf beigesetzt.
Der Verwandte Ernst Levy hatte am 21. Juni 1939 vom Finanzamt eine Unbedenklichkeits-Bescheinigung ("U. B.") erhalten und Deutschland in Richtung USA verlassen.

In der Barmbeker Straße 127 wird ein Stolperstein an Anna Levy erinnern. Für die Schwestern Lehmann sowie Dr. Jungmann wurden Stolpersteine vor dem Haus Heilwigstraße 46 verlegt.

© Björn Eggert

Quellen: 1; 4; StaHH 522-1 Jüd. Gemeinden 992 e2 Bd. 4; StaHH 741-4, Alte Einwohnermeldekartei; StaHH 331-5, Polizeibehörde – unnatürliche Sterbefälle, Akte 1942/1130 und 1942/158; AfW 211078; AB 1875, 1910, 1913 (Abt.IV), 1915, 1919, 1920, 1922, 1926, 1928 (Abt.IV), 1936, 1937, 1938, 1939; Amtliche Fernsprechbücher Hamburg 1906–1907, 1910, 1912, 1918–1920, 1922, 1924; Hamburger Börsenfirmen, 34. Auflage, Hamburg 1933, S. 516; Gräber-Kartei des Jüdischen Friedhofs Ohlsdorf; Bezirksamt Hamburg-Nord, Bauamt/Bauprüfabteilung, Akte Barmbeker Straße 125/127.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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