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Bereits verlegte Stolpersteine



Leah May Ledermann (geborene Luria) * 1895

Sierichstraße 66 (Hamburg-Nord, Winterhude)

1943 Theresienstadt
1944 weiterdeportiert nach Auschwitz

Weitere Stolpersteine in Sierichstraße 66:
Anita Ledermann, Margarita Ledermann, Herbert Ledermann, Hanne Mertens

Herbert Gustav Max Ledermann, geb. 11.6.1890 in Hamburg, deportiert am 24.3.1943 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 29.9.1944 nach Auschwitz
Leah May Ledermann, geb. Luria, geb. 29.5.1895 in Hamburg, deportiert am 24.3.1943 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 4.10.1944 nach Auschwitz
Margarita Ledermann, geb. 13. 7.1920, deportiert am 24.3.1943 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 4.10.1944 nach Auschwitz (sie überlebte)
Anita Ledermann, geb. 17.11.1921, deportiert am 24.3.1943 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 4.10.1944 nach Auschwitz

Herbert Ledermann kam als Sohn des lutherischen Kunstmalers Maximilian Wilhelm Braun und seiner konfessionslosen Frau Minnie, geb. Wassermann, zur Welt. Die Ehe der Eltern wurde geschieden. Minnie Braun heiratete wahrscheinlich 1899 den lutherischen Kaufmann Otto Ledermann, der im März 1899 den kleinen Herbert Gustav Max adoptierte und ihn als "jetzt lutherischer Religion" standesamtlich eintragen ließ. Im Jahr 1904 kam Otto Ledermann durch einen Autounfall ums Leben. Herbert Ledermann besuchte eine höhere Schule in Hamburg, später eine Handelsschule in der Schweiz. Um 1910 trat er in die von seinem Großvater mütterlicherseits gegründete Firma Wassermann ein, die er circa 1927 wieder verließ, um erfolgreich einen eigenen Weinhandel aufzubauen.

Im September 1919 heirateten er und Leah May Luria. Seine Frau stammte aus einer angesehenen portugiesisch-jüdischen Familie. Die Familie lebte mit den beiden Töchtern Margarita und Anita zunächst in der Andreasstraße 27, ab April 1933 zog sie in eine große Wohnung in der Sierichstraße 66.

Margarita und Anita Ledermann besuchten die private Firgau-Schule in der Sierichstraße 53, auf die viele wohlhabende Winterhuder Eltern ihre Töchter schickten (s. a. Windesheim, Maass, Götz, Kaftal) und deren Lehrer die Schülerinnen unabhängig von ihrer religiösen Herkunft gleich behandelten. 1936 wurden Margarita und Anita von ihren Eltern in ein englisches Internat in Montreux in der Schweiz geschickt, um sie den zunehmenden antisemitischen Schikanen zu entziehen.
Herbert Ledermann betrachtete sich entsprechend der Rassengesetzgebung der Nationalsozialisten als "Mischling 2. Grades". Es gelang ihm aber nicht, die zum Beleg erforderlichen Abstammungspapiere aus den USA zu beschaffen.

Um seine Firma dem Boykott zu entziehen, wäre es erforderlich gewesen, sie handelsgerichtlich eintragen zu lassen, was für einen "Volljuden" nicht möglich war. Ein Freund der Familie, Karl G. Pardo de Leygonie, schrieb nach dem Krieg dazu:
"Alle Bemühungen des Herrn Ledermann wurden durchkreuzt, weil ein interessierter Wettbewerber fortlaufend über seine Berufsorganisation die Gestapo auf Ledermann hetzte und jede Bewegung beobachtete. Ich erinnere mich, dass Ledermann während des Schwebezustands seiner Dokumentation einmal Ware mit einem gemieteten Lieferwagen ausfahren liess und beim Kunden durch Gestapo-Leute empfangen wurde, die ihn nicht nur übel behandelten sondern auch kurzerhand bis zum Nachweis des Gegenteils zum VOLLJUDEN (sic) erklärten und entsprechend kennzeichneten. Das gleiche geschah mit seiner Gattin."

Im November 1940 gelang doch noch die Eintragung ins Handelregister, allerdings nicht mit dem gewünschten Ergebnis eines nun ungestörten Geschäftsverlaufs. Ein Beamter des Wiedergutmachungsamtes schrieb nach dem Krieg in einem Vermerk über diesen Sachverhalt in der Diktion des NS-Staats: "Der Verstorbene hat es anscheinend verstanden, seine volljüdische Abstammung zu verschleiern und sich als Mischling 2. Grades auszugeben … Nur dadurch war es möglich, dass seine Firma noch im November 1940 in das Handelsregiser eingetragen wurde." Im Januar 1941 musste Herbert Ledermann den Geschäftsbetrieb einstellen. Danach wurde er zur Zwangsarbeit in einer Munitionsfabrik verpflichtet. Im Februar 1943, kurz vor der Verschleppung nach Theresienstadt, wurde er als Opfer einer Verhaftungsaktion von Willibald Schallert (s. a. Moser, Grünberg) für drei Wochen im KZ Fuhlsbüttel festgehalten.

Parallel zu den Bemühungen um den Abstammungsnachweis versuchte die Familie, in die USA auszuwandern. Im Sommer 1939 kehrten die Töchter aus der Schweiz zurück, da die Abreise unmittelbar bevorzustehen schien. Der Kriegsausbruch machte diese Hoffnung zunichte. Die Mädchen konnten noch einmal in die Schweiz zurückgehen. 1940 machte Anita Ledermann ihr Diplom als Sekretärin, ihre Schwester Margarita wurde an der Sozialen Frauenschule in Genf zur Laborantin ausgebildet. Anschließend kehrten beide nach Hamburg zurück, um ihren Eltern beizustehen. 1941 scheiterte ein weiterer Auswanderungsversuch über Kuba.

Merkwürdigerweise waren die Töchter als "Mischlinge 1. Grades" anerkannt worden. Da ihre Mutter "Volljüdin" war, hätte dazu der Vater, wie von ihm beantragt, als "Mischling 2. Grades" anerkannt worden sein müssen, genau dies war ihm aber verweigert worden. Um diesen Widerspruch aufzuheben, setzte die Gestapo unter allerhand Schikanen und Drohungen den beiden jungen Frauen zu, sich den Eltern zuliebe als dem Judentum zugehörig zu erklären. Sie willigten schließlich ein. Für die Gestapo war damit ein Deportationshemmnis beseitigt. Am 24. März 1943 wurde die gesamte Familie nach Theresienstadt abgeschoben.

Kurz zuvor kam es noch in Hamburg zu einem Abschiedsbesuch der besonderen Art, wie Karl G. Pardo de Leygonie berichtete: "Wenige Tage vor der Deportation, so schilderte es Herr Ledermann, erschien ein Polizeibeamter vom Revier Sierichstraße und sagte, dass Herr Ledermann seine Reiseschreibmaschine doch nicht mehr benötigen würde, da sein Transport in wenigen Tagen ginge. Herr Ledermann gab seine Schreibmaschine dem Beamten als Geschenk mit."

Am 29. September 1944 wurde Herbert Ledermann nach Auschwitz gebracht, am 4. Oktober folgte seine Familie. Die Eltern und die Tochter Anita kamen dort ums Leben.

Margarita Ledermann gelangte über einen Arbeitstransport nach Freiberg in Sachsen, in eine Außenstelle des KZ Flossenbürg. Sie musste in einer Munitionsfabrik arbeiten und sich ihr Nachtlager mit einer tuberkulosekranken Leidensgefährtin teilen. Im April 1945 wurde sie noch ins KZ Mauthausen verlegt und dort am 5. Mai 1945 von amerikanischen Truppen befreit. Schwer krank suchte sie Zuflucht in Palästina. 1994 ist sie in Israel gestorben. Als die Stolpersteine für die Familie verlegt wurden, war noch nicht bekannt, dass Margarita Ledermann überlebt hatte. Darum wurde irrtümlich auch für sie ein Stein gesetzt.

Ungefähr zum Zeitpunkt der Deportation der Familie Ledermann, im März 1943, kam die Schauspielerin Hanne Mertens (s. d.) aus München nach Hamburg. Sie erhielt eine möblierte Wohnung im Haus Sierichstraße 66. Ob dies die Wohnung der Familie Ledermann war, lässt sich nicht sicher belegen.

© Ulrike Sparr

Quellen: 1; 4; 8; AfW 130720; Archiv des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden, Bericht von Leonor Pardo de Leygonie, Sammlung Karl Georg Pardo de Leygonie; Archiv der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hamburg, Verfahren gegen Willibald Schallert (50) 35/50/50 14 Ks 56/50, Vernehmung Rudolf Hamburger v. 21.10.1948, Bl. 43 (Akten inzwischen an das StaHH abgegeben); Forschungsstelle für Zeitgeschichte, 6262, ff. 26-27; StaHH 332-8 Meldewesen, Bd. 5; Personenstandsbuch Standesamt Hamburg-Eimsbüttel; AB 1938 (Bd. 1), 1941 (Bd. 1 u. 2).

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