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Porträt Walter Pentzien, August 1935
Walter Pentzien, August 1935
© Evangelische Stiftung Alsterdorf

Walter Pentzien * 1932

Mühlenkamp 8 (Hamburg-Nord, Winterhude)


HIER WOHNTE
WALTER PENTZIEN
JG. 1932
EINGEWIESEN 1934
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 7.8.1943
HEILANSTALT
KALMENHOF-IDSTEIN
"KINDERFACHABTEILUNG"
ERMORDET 17.8.1943

Walter Hans Wilhelm Pentzien, geb. am 3.3.1932 in Hamburg, "verlegt" am 7.8.1943 aus den damaligen Alsterdorfer Anstalten in die "Heil- und Pflegeanstalt" Kalmenhof/Idstein, ermordet am 17.8.1943

Mühlenkamp 8, Winterhude

Walter Pentzien kam am 4. Dezember 1934 im Alter von 2 ½ Jahren in die damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf). Er war das zweite Kind des Ehepaares Wilhelm Hans Peter Pentzien (geb. 1.10.1890) und Johanna Paula Fernandine, geb. Prüssmann, verwitwete Berg (geb. 25.9.1890). Vor ihm war die etwa drei Jahre ältere Schwester Linda geboren worden. Die Eltern hatten am 8. Juni 1929 in Hamburg geheiratet und wohnten im Mühlenkamp 8, Haus 7 in Hamburg-Winterhude.

Wilhelm Pentzien, ein Hafenarbeiter, hatte aus erster Ehe einen Sohn namens Helmuth, der nach der Trennung bei der Mutter lebte. Auch Johanna Pentzien hatte bereits zwei Töchter: Elli und Irma. Ihr erster Ehemann war aus dem Ersten Weltkrieg nicht zurückgekehrt. Um wieder heiraten zu können, hatte sie ihn 1929 für tot erklären lassen müssen.

Während der Schwangerschaft mit Walter litt Paula Pentzien an Anämie (Blutarmut) und war zweimal eine Treppe hinuntergestürzt. Walters Geburt galt jedoch als normal verlaufen. Vom dritten Lebenstag an bemerkten seine Eltern dann, dass ihr Sohn "krampfte".

Walter erkrankte an Masern und musste im November 1932 mit einer "Bronchopneumonie" (Lungenentzündung) und einer "Mikrocephalie" (Schädelverformung) in der Kinderklinik des Universitäts-Krankenhauses Eppendorf behandelt werden.

Am 26. Dezember 1933 wurde er in der Matthäuskirche in Winterhude getauft.
Bei seiner Aufnahmeuntersuchung in Alsterdorf am 4. Dezember 1934 fiel Walters "motorische Unruhe" auf. Die Diagnose des Leitenden Oberarztes Gerhard Kreyenberg lautete "Idiotie": "Der Junge leidet an einem Schwachsinn erheblichen Grades, wahrscheinlich auf Grund cerebraler Mißbildung".
Walter soll lt. Eintragung in seiner Patientenakte ein dem Alter entsprechend großes Kind mit einem "deutlichen Turmschädel" und in seiner geistigen Entwicklung zurückgeblieben sein. Darüber hinaus litt er an Epilepsie und war, wie erst im Juli 1935 vermerkt wurde, linksseitig gelähmt.

Walter, der zu Hause noch die "Flasche" bekommen hatte, ließ sich in Alsterdorf gut mit Kartoffelbrei und Milchsuppe füttern. Er war sehr anfällig für Infektionskrankheiten und wurde oft auf die Krankenstation verlegt.
Walters Mutter besuchte ihren Sohn regelmäßig, auch wurde Walter auf Urlaub nach Hause entlassen.

In den folgenden Jahren lernte Walter mit Unterstützung zu gehen, das Sprechen hingegen erlernte er nicht. Er hörte auf seinen Namen, war anhänglich und machte sich durch Schreien bemerkbar, wenn es ihm nicht gut ging.
Walter war "fast fortgesetzt in Bewegung", aber auch "meistens still vergnügt, in der Badewanne ist er am fröhlichsten". Gegen "Unruhe" sollten Fixierungen mit "Gurt" und "Schutzjacke" helfen. Weil er gefüttert werden musste und "unsauber" war, galt er als "pflegeaufwendig".

Während der Luftangriffe auf Hamburg im Juli/August 1943 wurden auch Teile der Alsterdorfer Anstalten zerstört. Die Anstaltsleitung entschied in Abstimmung mit der Hamburger Gesundheitsverwaltung, über 400 Patientinnen und Patienten in andere Gebiete zu verlegen. Walter Pentzien gehörte zu den 52 Jungen aus Alsterdorf, die am 7. August 1943 in die "Heil- und Pflegeanstalt Kalmenhof" bei Idstein verlegt wurden. Sie wurden zunächst in Bussen der Gemeinnützigen Transportgesellschaft (kurz Gekrat), einer Teilorganisation der "Euthanasie"-Zentrale in der Tiergartenstraße 4 in Berlin, zum Güterbahnhof gebracht, von dort ging es im Zug weiter. Am nächsten Tag trafen die Jungen im Kalmenhof ein.

Für Walter muss die "Reise" eine Tortur gewesen sein: Er hatte sich am Tag zuvor, am Montag früh, den Oberschenkel gebrochen und wurde ohne medizinische Versorgung "da das Bein ohnehin nicht zu strecken ist", abtransportiert.

Ursprünglich war die 1888 gegründete Anstalt Kalmenhof eine fortschrittliche pädagogische orientierte Einrichtung für Menschen mit geistigen Behinderungen. Seit 1939 jedoch gehörte sie zum "Euthanasie"-Programm der "Aktion-T4" (eine Tarnbezeichnung nach dem Sitz der Berliner Euthanasiezentrale in der Tiergartenstraße 4). Die Patientinnen und Patienten wurden von dort in die benachbarte Tötungsanstalt Hadamar verlegt und ermordet. Nach dem offiziellen Stopp der Euthanasiemorde im August 1941 wurde im Kalmenhof eine "Kinderfachabteilung" des "Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung erb- und anlagebedingter schwerer Leiden" eingerichtet, in der Kinder durch überdosierte Medikamente wie Luminal, Skopolamin oder Morphium getötet wurden.

Walter Pentzien starb zehn Tage nach seiner Ankunft im Kalmenhof. Auf seiner Sterbeurkunde wurde als Todesursache "Idiotie, Epilepsie, Status epilepticus" angegeben.

Seine Eltern erhielten keine Nachricht vom Tod ihres Sohnes. Angeblich war der Name seiner Eltern unbekannt.

Stand: April 2020
© Susanne Rosendahl

Quellen: StaH 332-5 Standesämter 1152 u 290/1941; StaH 332-5 Standesämter 9157 u 126/1890; StaH 332-5 Standesämter 2231 u 4082/1890; StaH 332-5 Standesämter 6800 u 1679/1892; StaH 332-5 Standesämter 6294 u 1601/1896; StaH 332-5 Standesämter 6481 u 121/1911; Evangelische Stiftung Alsterdorf, Archiv, Sonderakte V 75; Michael Wunder, Ingrid Genkel, Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr. Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, 2. Aufl. Stuttgart 2016; ancestry.de: Hessen, Deutschland, ausgewählte Sterberegister, 1851-1958 für Walter Pentzien (Zugriff 13.5.2019).

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