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Röschen Rosenbaum (geborene Falkenthal) * 1873

Greflingerstraße 1 (Hamburg-Nord, Winterhude)


HIER WOHNTE
RÖSCHEN
ROSENBAUM
GEB. FALKENTHAL
JG. 1873
FLUCHT 1939 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
SOBIBOR
ERMORDET 28.5.1943

Röschen Rosenbaum, geb. Falkenthal, geb. am 30.12.1873 in Gadebusch, am 25.5.1943 vom Durchgangslager Westerbork in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und ermordet

Grindelhof 45 (früher 47)
Greflingerstraße 1

Rosa, genannt Röschen, Falkenthal wurde als Tochter von Pauline und Wolf Falkenthal in Gadebusch geboren. Dort wuchs sie zusammen mit ihren drei Geschwistern auf: Hermann, geboren am 6. Februar 1862, Julie, geboren am 23. August 1864 und Siegmund, geboren am 1. Februar 1877. Ihr Vater Wolf Falkenthal, geboren am 27. März 1827, stammte aus dem Ort und arbeitete dort als selbstständiger Kaufmann.

Der Familienname Falkenthal wurde in Gadebusch erstmals im Jahre 1813 aktenkundig. Mit der Gleichstellung der Juden in Mecklenburg und der damit verbundenen Verpflichtung für jüdische Mitbürger, erbliche Familiennamen anzunehmen, hatte Hirsch Wulff in Gadebusch, ein Vorfahr von Röschen, den Familiennamen Falkenthal gewählt. Das fortschrittliche Gesetz hatte nicht lange Bestand und war durch ständige Interventionen der Stände im September 1817 wieder außer Kraft gesetzt worden. Der Familienname Falkenthal blieb in Gadebusch jedoch erhalten.

Als Röschen zehn Jahre alt war, wurde ein Mitglied der Familie Falkenthal Schützenkönig in Gadebusch. Ob es ihr Vater war, ist nicht bekannt.

Ihre Mutter Pauline, geborene Rosenbaum, geboren am 18. November 1840, stammte aus Sternberg.

Über Röschens Kindheit und Schulzeit konnte bisher nichts in Erfahrung gebracht werden. Am 1. Dezember 1890, zur Zeit der Volkszählung im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, hielt sie sich in Sternberg bei der Familie ihres zukünftigen Ehemannes auf. Als am 1. Dezember 1900 eine weitere Volkszählung im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin stattfand, lebten laut Volkszählungsliste in Röschen Rosenbaums Elternhaus ihre Eltern, ihre älteren Geschwister Julie und Hermann sowie das Dienstmädchen Anna Maack. Hermann Falkenthal führte dort eine selbstständige Agentur.

Röschen hatte zum Zeitpunkt der Volkszählung das Elternhaus bereits verlassen und mit 21 Jahren am 5. April 1895 in ihrem Geburtsort den 34-jährigen Kaufmann Gabriel Rosenbaum, geboren am 15. Juli 1860 Sternberg, geheiratet. Er war der Cousin ihrer Mutter, Röschens Großvater Samuel Rosenbaum aus Sternberg war der Bruder von Moses Rosenbaum, dem Vater ihres Ehemannes.

Gabriel Rosenbaum hatte sich mit seinem Bruder Siegmund, geboren 1858 Sternberg, in Hamburg niedergelassen und gemeinsam mit ihm am 4. Januar 1892 die Papierwarenfabrik "Gebr. Rosenbaum" gegründet. Zunächst produzierten sie Mustertüten und Anhängeetiketten in der Deichstraße 49.

Das junge Ehepaar Rosenbaum lebte in der Hamburger Neustadt, Groß Neumarkt 19, II.Stck. Am 14. Februar 1896 wurde dort ihr erstes Kind, Tochter Mathilde, geboren. Am 27. Januar 1898 kam der Sohn Kurt in ihrer neuen Wohnung, Borgfelderstraße 10, zur Welt.

Röschen und Gabriel Rosenbaum zogen dann mit ihren Kindern in die Goßlerstraße 5, wo am 21. Juni 1901 ihr drittes Kind Hans geboren wurde.

Als Ende Juni 1905 Röschens Mutter Pauline Falkenthal aus Gadebusch für sechs Wochen zu Besuch nach Hamburg kam, wohnte sie bei ihrer Tochter Röschen und deren Familie am Enckeplatz 4, 3. Stck., denn diese hatte ein weiteres Mal die Wohnung gewechselt.

Am 23. März 1906 erwarb Gabriel Rosenbaum (und damit auch seine Ehefrau Röschen Rosenbaum und ihre Kinder) das Hamburger Bürgerrecht, zwei Monate später folgte ihnen sein Bruder Siegmund Rosenbaum.

Ab 1909 lebten Röschen Rosenbaum und ihre Familie im Grindelhof 47, III. Stck. Dorthin kam in den Kriegsjahren zwischen 1915 und 1918 zeitweise ihre Schwester Julie Falkenthal aus Gadebusch zu Besuch, die im Heimatort als "Stütze" (Dienstmädchen) arbeitete.

Im Januar 1917 übernahm Gabriel Rosenbaum als alleiniger Inhaber die Firma für Papierwaren, sein Bruder Siegmund erhielt weiterhin Prokura.

Auch Röschens Bruder Siegmund Falkenthal siedelte nach Hamburg über. Anfang des Jahres 1897 musterte ihn das Militär, im Ersten Weltkrieg diente er als Soldat, geriet in englische Kriegsgefangenschaft und wurde ab 1914 auf der Isle of Man interniert. Erst am 31. Januar 1919 kehrte er nach Hamburg zurück. Offensichtlich bestand eine enge Bindung zwischen Siegmund und Röschen.

Anfang Januar 1920 trat Sohn Kurt Rosenbaum als Gesellschafter in die Firma seines Vaters ein. Den Passprotokollen vom August 1921 verdanken wir eine Beschreibung der Familienmitglieder: Röschen und Gabriel Rosenbaum "unteres Mittel" groß, ihre Kinder Mathilde und Kurt mittelgroß, alle hatten braune Augen und dunkelbraune Haare, bis auf Gabriel Rosenbaum, der bereits graumeliert war.

Kurt Rosenbaum heiratete in diesem Jahr Mary Louise, geborene Frank, geboren am 5. März 1902 in Potsdam, und wohnte mit ihr in einem Eigenheim in Hamburg-Eppendorf, Loogeplatz 5. Sie bekamen zwei Kinder: Mirjam, geboren am 23. Dezember 1921, und Klaus Peter, geboren am 19. August 1925. Mirjam besuchte im Alter von fünf Jahren die Dr. Löwenberg Schule und nahm am Religionsunterricht der Deutsch-Israelitischen Gemeinde teil.

Röschen Rosenbaum und ihr Ehemann zogen mit Tochter Mathilde, die zu dieser Zeit Musikstudentin war, 1927 vom Grindelhof, wo sie 17 Jahre lang gelebt hatten, in die Sierichstraße 32. Dort verstarb ein Jahr später, am 6. Juli 1928, Röschen Rosenbaums Ehemann Gabriel Rosenbaum kurz vor seinem achtundsechzigsten Geburtstag. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel Ohlsdorf.

Nun führte Sohn Kurt die Papierwaren- und Umschlagfabrik in der Lorenzstraße 14/16 allein weiter, denn sein Onkel Siegfried Rosenbaum war bereits am 1. September 1923 aus der Firma "Gebr. Rosenbaum" ausgeschieden.

Der jüngere Sohn Hans Rosenbaum (siehe www.stolpersteine-hamburg.de) hatte inzwischen ein Medizinstudium abgeschlossen und 1926 seine Approbation erhalten. Von 1925 bis 1929 war er als promovierter Arzt in verschiedenen Berliner Krankenhäusern tätig, zuletzt im Krankenhaus Moabit. In Hamburg eröffnete er danach als Facharzt für Kinderkrankheiten eine Praxis im Hanssenweg 15.

Röschen Rosenbaums Bruder Siegmund Falkenthal geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten, seinen Beruf als Konditor konnte er nicht mehr ausüben, er wurde mit 53 Jahren im Dezember 1929 arbeitslos und war auf Fürsorgehilfe angewiesen. Während seiner Erwerbslosigkeit blieb er jedoch nicht untätig und entwickelte neben seiner von der Fürsorge verordneten "Unterstützungsarbeit" im Hamburger Hafen neue Ideen und Verfahrensweisen, um den Anbau von Sojabohnen in Deutschland zu fördern. Er hegte die Hoffnung, dass das Reichsernährungsamt an seiner Arbeit interessiert sein und er dann wieder eigenständig seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Er musste weiterhin im Hamburger Hafen Waltershof arbeiten.

Röschen Rosenbaums Sohn Hans war mit seiner Kinderarztpraxis in die Semperstraße 56 gezogen. Obwohl ihm 1933 wie allen jüdischen Ärzten die Kassenzulassung entzogen wurde, versuchte er seine Praxis weiterzuführen, 1934 am Billhorner Röhrendamm 78 und 1935 im Faaßweg 3. Inzwischen waren seine Mutter und vermutlich auch seine Schwester Mathilde zu ihm gezogen. Zusammen lebten sie in den Jahren 1937–1938 in der Buchenstraße 12 und, nachdem ihm seine Approbation am 30. September 1938 wie fast allen jüdischen Ärzten entzogen worden war, in der Opitzstraße 2 bei Nussbaum.

Um der Verfolgung durch die nationalsozialistischen Machthaber zu entgehen, war Röschen Rosenbaums älterer Sohn Kurt Rosenbaum mit seiner Ehefrau Mary Louise und ihren Kindern Klaus Peter und Mirjam bereits am 15. Juli 1933 nach Amsterdam emigriert. Dort baute er ein ähnliches Geschäft wie in Hamburg unter dem Namen "Papier-Unie" N.V. Amsterdam auf. Mit seiner Erfindung eines Muster-Automaten im Jahre 1938 wurde seine Firma unter Fachleuten bekannt. Auch sein Sohn Klaus Peter konnte sich gut in die neue Umgebung integrieren. Er hatte in Hamburg nur eine Klasse in der fortschrittlichen Bertram-Schule absolvieren können und war dann in Amsterdam fünf Jahre lang auf die Volksschule Nikolas Maes Straat gegangen. Im September 1938 wechselte er auf die höhere Bürgerschule Pieter Lodewyck Tackstraat.

Röschen Rosenbaum entschloss sich, ihrer Familie nach Holland zu folgen. Am 14. Februar 1939 gelang ihr die Flucht. Ab 22. August 1939 war sie in Amsterdam, Prinsengracht 1023, gemeldet, wo sie mit der Familie ihres Sohnes Kurt zusammenlebte, die bereits seit 11. Mai 1939 mit Wohnung und Kontor dort registriert war. Der Handelsregistereintrag von Kurt Rosenbaums Firma in Hamburg erlosch am 6. Dezember 1939.

Auch Tochter Mathilde Rosenbaum beabsichtigte auszuwandern. Im Februar 1939 hatte sie in Hamburg eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt bekommen und emigrierte im August des Jahres ebenfalls in die Niederlande. Allerdings ließ sie sich nicht als Einwohnerin von Amsterdam oder in der Kartei des Judenrates registrieren. Vermutlich war sie nach England weitergeflüchtet.

Röschen Rosenbaum, ihre Kinder und Enkel erlebten beim Einmarsch der deutschen Wehrmacht in die Niederlande am 10. Mai 1940 sicherlich eine angstvolle Zeit. Als sie am Morgen des 14. Mai 1940 im Radio die Nachricht hörten, dass die niederländische Königin Wilhelmina das Land verlassen habe und nach England geflüchtet sei, entschloss sich Kurt Rosenbaum, das Auto aus der Garage zu holen und vollgeladen mit neun Personen, darunter sicher auch seine Mutter Röschen Rosenbaum, an die Küste bei Zandvoort zu fahren. Sie wollten über das Meer flüchten, doch weit und breit war kein Schiff zu sehen. Eine Nacht blieben sie in Zandvoort. Verzweifelt fuhren sie am nächsten Morgen an brennenden Benzintanks vorbei zurück nach Amsterdam.

Im darauffolgenden Jahr, im Juli 1941, musste Röschen Rosenbaums Enkel Klaus Peter die Schule verlassen, weil er Jude war. Sein Vater stellte für ihn zwei Privatlehrer an, von einem erhielt er etwa ein Jahr lang Sprachunterricht, von einem Herrn Ferro Unterricht in Mathematik, Physik und Chemie.

Röschen Rosenbaum blieb noch eine Schonfrist, in der sie erleben konnte, wie die Enkelin Mirjam Rosenbaum am 18. Dezember 1941 in einer kleinen Synagoge in Amsterdam den dort gebürtigen Verkäufer Bernard Davids, geboren am 12. September 1907, heiratete. Er war in ihrer Familie gut aufgenommen. Das junge Ehepaar lebte in der Wohnung President Steynplantsoen 9 hs. Die Eheleute hatten einen großen Freundeskreis, beide gingen gern in den Ruderklub.

Röschen Rosenbaum war in dieser Zeit in Amsterdam unter diversen Adressen gemeldet, ihr Sohn mit Familie wohnte bis zum 26. Mai 1942 offiziell in der Prinsengracht 1023 hs. Kurt Rosenbaum hatte dieses Haus an seinen holländischen Geschäftspartner W. van Holthuizen, Direktor seiner Firma, vermietet. Mit dessen Hilfe und unter dessen Namen hatte er bereits 1940 seinen Betrieb auslagern und in Sicherheit bringen können.

Mit Beginn der verstärkten Judenfahndungen Mitte Juli 1942 durch SS-Kommandos und Gestapo ging die Familie in den Untergrund.

Röschen Rosenbaum entkam nur knapp einer Razzia in ihrer Erdgeschosswohnung in der Amstellaan. Alle Mitbewohner wurden verhaftet, nur sie konnte flüchten und sich im "Tuinhuisje", Gartenhäuschen, in einen großen Koffer gezwängt unter einem Federbett verstecken. Danach tauchte sie bei ihren Kindern unter.

Klaus Peter, Kurt und Mary Louise Rosenbaum waren zwar polizeilich in der Eemsstraat 17 hs gemeldet, hielten sich jedoch in der Prinsengracht 1023 auf. Bei Gefahr flüchteten sie in ein selbstgebautes Versteck zwischen zwei Dächern in der Prinsengracht. Weder bei Tag noch bei Nacht verließen sie das Haus. Kurt Rosenbaum hatte zuvor Lebensmittelvorräte angelegt; ein nichtjüdischer holländischer Freund, der offiziell dort wohnte, brachte ihnen ab und zu Nahrung und warnte sie bei Gefahr. Sie lebten in ständiger Angst, jedes Klingelzeichen erschreckte sie. Am 5. Oktober 1942 stürmte die Gestapo das Haus. Rechtzeitig konnten sie über den Dachboden ihres Nachbarhauses in ihr Versteck flüchten.

Auch Mirjam und Bernard lebten inzwischen nicht mehr in ihrer Wohnung. Unter dem Namen eines nichtjüdischen Freundes konnten sie in der Uithornstraat 45 unterkommen. Ein paar Tage später flohen sie aus Amsterdam, ihr Ziel war die Schweiz.

Am 1. November 1942, abends um 10 Uhr bei Ausgangssperre für Juden, verließen auch Klaus Peter, Kurt und Mary Louise Rosenbaum ihr Zuhause in Amsterdam.

Am nächsten Morgen versuchten sie, in einem engen Kasten unter einem Zug versteckt, wie Mirjam und Bernard über Belgien und Frankreich in die Schweiz zu flüchten. Ein begeisterter Brief von Mirjam aus Paris hatte sie veranlasst, diesen Schritt ebenfalls zu wagen.

Röschen Rosenbaum war sicher körperlich nicht dazu in der Lage, die Strapazen solch einer Flucht zu ertragen und blieb in Amsterdam im Untergrund zusammen mit einer befreundeten Frau Edith Gumpertz, geborene Isaak, aus Duisburg, die seit 1939 verwitwet war.

Doch die Flucht stand unter keinem guten Stern. Bereits am nächsten Tag gegen Mittag verhaftete die Gestapo die Rosenbaums kurz hinter der Grenze in Feignies bei Maubeuge in den Vogesen/Frankreich. Nach einer Nacht im Obdachlosenasyl in Maubeuge wurden sie am 3. November 1942 zurück nach Belgien verbracht und in der Dossin-Kaserne im SS-Sammellager Mechelen bei Brüssel interniert.

Ein eindrucksvoller Bericht ihrer Flucht und Internierung ist in einem Brief vom 22. April 1945 von Kurt Rosenbaum an seine Schwester Mathilde erhalten geblieben.

(Teilweise stimmen Daten aus den holländischen und belgischen Archiven nicht mit dem Lebensbericht von Kurt Rosenbaum überein.)

Röschen Rosenbaums Enkelin Mirjam und deren Ehemann Bernard Davids wurden in Paris zwischen dem 24. und 31. Oktober 1942 gefasst und im Sammellager Drancy bei Paris interniert. Ein handgeschriebener Brief von Mirjam Davids vom 31. Oktober 1942 aus dem Internierungslager Camp de Drancy, Escalier 7, Chambre 5, Drancy (Seine), an ihre Freundin Jo Kuypers in Amsterdam, Sarphatipark 30, 3. Stck., gibt Zeugnis von ihrer Lage. Es war ihr nur erlaubt den Brief in Französisch zu schreiben. Sie bat darin um Zusendung von Lebensmitteln, Butter, Brot, Marmelade, Würfelzucker, Süßigkeiten, Vitamine sowie Seife und eine Packung Zigaretten. Jede Person könne wöchentlich ein Paket bis drei Kilo erhalten, ausschließlich mit Nahrung, keine Kleidung. Weiter schrieb sie: "Wir sind zusammen und hoffen in Frankreich bleiben zu können, ohne abgeschoben zu werden. Was uns in unserer Lage erfreut ist, dass wir ein paar andere Leute aus Holland trafen, mit denen wir oft zusammen sind. In unserem nicht großen Zimmer oben leben wir mit rund 100 Personen.
Herzliche Grüße Mirjam Bernard”

Sechs Tage später, am 6. November 1942, wurden beide mit convoi Nr. 42 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Bernard Davids war 35 Jahre und Mirjam Davids, geborene Rosenbaum, 20 Jahre alt. Stolpersteine in Amsterdam, President Steynplantsoen 9, sollen an sie erinnern.

Eine letzte in Französisch geschriebene Karte von Mirjam an ihre Familie, vom 5. November 1942, einen Tag vor ihrer Deportation, ist erhalten geblieben:
"Liebe Familie, jetzt ist die Abfahrt nach unbekanntem Bestimmungsort. Wir haben guten Mut und einige ganz angenehme Reisegefährten. Beunruhigt Euch nicht, wir hoffen gut durchzuhalten. Viele Grüße und viele Umarmungen Mia Bernard"

Es liegt nahe, dass Röschen Rosenbaum von dem Brief und der letzten Karte ihrer Enkelin erfahren hatte, auch dass sie vom Schicksal des Vaters von Bernard Davids, dem Diamantenhändler David Davids, geboren am 23. März 1871 Amsterdam, wusste. Er soll am 11. November 1942, fünf Tage nach der Deportation seines Sohnes und seiner Schwiegertochter Mirjam, in seiner Wohnung, Nieuwe Achterngracht 103, I., bei der Verhaftung durch die Gestapo einem Herzschlag erlegen sein. Er war 71 Jahre alt.

Mit ihrem Sohn Kurt blieb Röschen Rosenbaum in Verbindung. Noch im Januar 1943 schrieb sie ihm ins Internierungslager Mechelen, dass seine Tochter Mirjam und deren Ehemann vom Sammellager Drancy bei Paris nach Polen deportiert worden seien. Am 19. April 1943 zog Röschen Rosenbaum offiziell in die Roerstraat 15I. Im folgenden Monat, am 25. Mai 1943, wurde sie in das Durchgangslager Westerbork verbracht und am selben Tage in das Vernichtungslager Sobibor deportiert.

In den Amsterdamer Sterberegistern ist ihr Todesdatum in Sobibor auf den 28. Mai 1943 datiert. Es wird davon ausgegangen, dass Röschen Rosenbaum drei Tage später, direkt nach ihrer Ankunft, dort ermordet wurde. Sie war im siebzigsten Lebensjahr.

In Mechelen in der Dossin-Kaserne waren Kurt und Mary Louise Rosenbaum mit ihrem Sohn Peter zunächst für die Deportation XVII/30-31-32, vermutlich nach Drancy, vorgesehen. Dann aber wurden sie einem Arbeitskommando zugeteilt. Am 27. Januar 1943 waren ihre Namen auf einer Werkleute-Liste unter den Nummern W/109-110-111 aufgeführt und am 29. April 1943 auf einer weiteren Werkleute-Liste unter den Nummern W/57-58-59. So hatten sie das Glück, einer Deportation zu entgehen. Der 17-jährige Klaus Peter Rosenbaum wurde in der Zeit vom 24. Dezember 1942 bis zum 7. Januar 1943 im Krankenhaus von Mechelen behandelt.

Kurt, Mary Louise und Klaus Peter Rosenbaum überlebten in der Dossin-Kaserne als Zwangsarbeiter. Sie wurden am 4. September 1944 von britischen und kanadischen Soldaten aus dem SS Sammellager Mechelen befreit.

In einer Nachkriegsaufstellung des "Ministère de la Santé Publique et de la Famille, Bruxelles" von Inhaftierten des Lagers Malines und in der Liste der Überlebenden "Juden in Belgien" des "Central Registration Bureau, Eindhoven, Holland", sind sie am 17. August 1945 aufgeführt. 1946 wohnten sie in Brüssel in der Square Marie-Louise 76.

Nach den holländischen Melderegistern soll das Ehepaar Rosenbaum am 12. November 1947 nach Deutschland zurückgekehrt sein. In den Hamburger Melderegistern konnten sie nicht gefunden werden.

Nach Brüsseler Archiv-Aufzeichnungen wurde es ihnen in Belgien nicht erlaubt, sich niederzulassen. Kurt, Mary Louise und Klaus Peter Rosenbaum emigrierten am 15. März 1949 in die Vereinigten Staaten, nach New York.

Sie erhielten die amerikanische Staatsbürgerschaft und nahmen den Familiennamen Robins an. Klaus Peter Robins diente 10½ Monate in der US-Armee.

Kurt, nun Sam Robins, verstarb im Alter von 58 Jahren am 11. Februar 1957 in Mount Vernon, New York. Mary Louise, nun Anja Manuela Robins, wurde 69 Jahre alt; sie verstarb im April 1972 in White Plains, New York.

Röschens Enkel Klaus Peter Robins verstarb am 24. September 1994 in Valhalla, Westchester, New York County, im Alter von 69 Jahren.

Das Schicksal der anderen Familienmitglieder:

Röschen Rosenbaums Bruder Siegmund Falkenthal hatte ebenfalls auswandern wollen. In seiner Fürsorgeakte vom 14. Juli 1939 war notiert: "F. beantragt für 8 Tage Befreiung zur Ableistung seiner Prüfung; F. wird nach Australien auswandern." Doch der Kriegsbeginn im September 1939 verhinderte dies. Ab März 1940 war er bei der Jüdischen Gemeinde Hamburg als "Gartenarbeiter" auf dem Jüdischen Friedhof Ohlsdorf beschäftigt. Die kleine Wohnung in dem Gebäude der Abdankhalle bewohnte er zusammen mit der Familie Menco. Gemeinsam mit Manfred Menco übernahm er die Arbeit des emigrierten ehemaligen Friedhofsverwalters Max Reich, der zuvor 20 Jahre lang den Jüdischen Friedhof Ilandkoppel betreut hatte.

Am 28. Mai 1941 reservierte Siegmund Falkenthal für sich das Grab O 3-Nr. 441 auf dem Jüdischen Friedhof Ohlsdorf und erhielt die Erlaubnis, dort für seine in "Lublin beerdigte Schwester" Julie Falkenthal einen Gedenkstein aufzustellen. Die Inschrift lautete: "Zum Gedächtnis unserer lieben Schwester Julie Falkenthal geboren am 23. Aug. 1864 – 5624 Gadebusch verst. 14. Juli 1940 – 5700 in Lublin". Julie Falkenthal hatte zuletzt in Stettin gelebt und wurde Opfer einer der frühen Deportationen, die bereits vor Beginn der Massendeportationen im Oktober 1941 aus verschiedenen Gebieten des Deutschen Reichs stattgefunden hatten. Sie wurde am 12. Februar 1940 von Stettin ins Getto Glusk deportiert und am 14. Juli 1940 ermordet. Sie war 75 Jahre alt.

Mit der Grabreservierung unterschrieb Siegmund Falkenthal am 8. Juli 1941 einen "Einäscherungsverzicht"; d.h. er bestimmte damit, nach jüdischem Brauch begraben und nicht eingeäschert zu werden.

Nachdem er zwei Jahre auf dem Friedhof gearbeitet hatte, erhielt er den Deportationsbefehl. Am 11. Juli 1942 wurde er nach Auschwitz deportiert und ermordet; Siegmund Falkenthal war 65 Jahre alt.

Ein Stolperstein vor dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel 68 in Ohlsdorf erinnert an ihn.

Der in Hamburg gebliebene Sohn Hans Rosenbaum geriet nach Kriegsbeginn in die Fänge der Gestapo. Im Feinkostgeschäft Heimerdinger hatte er sich kritisch zum Kriegsverlauf geäußert und war von der Warenpackerin Frau Schulz denunziert worden. Am 10. November 1939 wurde er "wegen Heimtücke" zu zwei Jahren Haft verurteilt und drei Tage später im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel bis zum 10. November 1941 inhaftiert. Er hielt sich dann im Jüdischen Krankenhaus in der Johnsallee auf.

Zum 15. Juli 1942 erhielt er den Deportationsbefehl ins Getto Theresienstadt. Zusammen mit ihm wurde sein Onkel Arnold Rosenbaum, geboren am 4. September 1858 in Sternberg, der ältere Bruder seines Vaters, deportiert.

Als letzter jüdischer Kaufmann in Sternberg hatte Arnold Rosenbaum 1940 seine Heimatstadt mit seinem ebenfalls ledig gebliebenen Zwillingsbruder Siegmund Rosenbaum verlassen müssen und war nach Hamburg in das Altersheim der Jüdischen Gemeinde, Beneckestraße 6, gezogen. Siegmund Rosenbaum verstarb kurz darauf am 29. Januar 1940 im Israelitischen Krankenhaus und wurde wie sein Bruder Gabriel auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel bestattet. Nach drei Wochen im Getto Theresienstadt verstarb Arnold Rosenbaum am 5. August 1942 im Alter von 83 Jahren. Ein Stolperstein erinnert an ihn auf dem Campus der Universität Hamburg (ehemals Beneckestraße 6).

Hans Rosenbaum wurde am 16. Mai 1944 nach Auschwitz weiterdeportiert und ermordet, er war 42 Jahre alt. Ein Stolperstein in der Johnsallee 68 erinnert an ihn.

Röschen Rosenbaums älterer Bruder Hermann Falkenthal wurde von Berlin aus am 17. August 1942 in das Getto Theresienstadt deportiert, am 19. September 1942 nach Treblinka weiterverschleppt und ermordet. Er war 79 Jahre alt.

Ihre Tochter Mathilde Rosenbaum überlebte und wohnte nach dem Krieg in England. In einer Namensliste "List of persons resident in England" der Association of Jewish Refugees vom 28. Juni 1945 war sie aufgeführt.

Stand: Juli 2017
© Margot Löhr

Quellen: 1; 4; 8; StaH 231-7 Handelsregister, A 1 Bd 28, Nr. 7075; StaH 231-3, A 13 Bd.15 Nr. G 28379; StaH 332-5 Standesämter, 2400 u. 600/1896, 2464 u. 206/1898, 13616 u. 1518/1901, 9833 u. 1456/1928, 8168 u. 76/1940; StaH 332-7 Staatsangehörigkeit, B III Nr, 83396, B III Nr. 84525; StaH 332-8 Meldewesen A 24, Bd. 251 Nr. 20615, A 24 Bd. 251 Nr. 20616, A 24 Bd.251 Nr. 20617, A 24 Bd. 366 Nr. 15051; 168 u. 76/1940; StaH 342-2 Militär-Ersatzbehörden, Nr. 88 Bd.1; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung 21250, 25676, 47598; StaH 351-14 Arbeits- u. Sozialfürsorge, 1138 Siegmund Falkenthal; StaH 352-3, Medizinalkollegium IV C 120; StaH 352-5 Todesbescheinigungen, 1940 Sta2 Nr. 76; StaH 352-13 Medizinalkollegium, 15; StaH 741-4, A 260, 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Abl. 16 Untersuchungshaftkartei: Männer; K 6057; Sa 1091, Jüdische Gemeinden 540 c; Hamburger Adressbücher 1895–1943; Eduard-Duckesz-Fellow/Hamburger Gesellschaft für jüdische Genealogie (Hrsg.): Friedhofsdatenbank, Ohlsdorf 1922–1930, 1931–1939, 1941, S 4-116, I 1-77; O 3-441; Berliner Adressbücher 1924–1943; Stadsarchief Amsterdam, Archiefkaarten 1939–1994, Woningkaarten 1924–1989; Auskünfte Frank Caestecker, Universität Gent; Auskünfte und Dokumente Martin Kriwet, International Tracing Service Archives, Bad Arolsen, in conformity with the ITS Archives, Bad Arolsen, Copy of 1.1.46.1/5146554/5146557 Deportationsliste Sammel- und Durchgangslager Westerbork, Copy of 3.1.1.3/78807745/78807752 Liste von Personen, die in England leben, Copy of 1.2.4.2/12802223 Karteikarte Holland Kriegszeitkartei der Juden, Copy of 3.1.1.3/78793125/78793135 Liste jüdischer Personen, die sich nach Kriegsende in Belgien aufgehalten haben, Copy of 1.1.24.1/1275696/1275744 Liste von Inhaftierten im Lager Malines; Auskünfte Monika Marschalck, Staatsarchiv Bremen; Auskünfte und Dokumente José Martin, Herinneringscentrum Kamp Westerbork, Falkenthal, Röschen 30121873 PK, Sterbeurkunde 647751.jpg; Auskünfte und Dokumente Kornelia Neuhaus-Kühne, Stadtarchiv Gadebusch, Photos Elternhaus Steinstraße, Standesamt Gadebusch Geburtsurkunde Nr. 10/1877; Auskünfte und Dokumente Dr. Laurence Schram, Dokumentationszentrum Kazerne Dossin, Dokumente des Ministère du Repatriement et de la Reconstruction: Davids, Bernard 1538-1, 1v, 2; Auskünfte und Dokumente Sylvie Vander Elst,SPF Sécurité Sociale – DG Victimes de Guerre Service Archives et Documentation: Davids, Bernard 301485 tr1-r., tr1-v., tr2 / Frank, Marie-Louise 108582 ad-r., aivg-r., fc1-r., fc2-r., fc3-r., fc3-v, fc4-r., fc4-v, fc5-r., fc6-r., fc6-v, fc7-r., tr1-r., tr1-v., SDR 270208 / Rosenbaum, Klara 127456, tr1-r.jpg/Rosenbaum, Kurt 127457 ad-r., aivg-r., ban1-r., fc1-r., fc2-r., fc3-r.jpg, fc3-v, fc4-r., fc5-r., sd1-r., tr1-r., tr1-v., SDR 236871/Rosenbaum, Mirjam 7015, 1v, 2, SDR 267312 /Rosenbaum, Peter 127465 ad-r., tr1-r., SDR alpha; https://familysearch.org/ark:/61903/3:1:S3HY-68VW-9L8?i=25&wc=93FQ-4WG%3A75295901%2C75295902%3Fcc%3D1536942&cc=1536942 (letzter Aufruf: 3.7.2010); Volkzählungslisten Mecklenburg-Schwerin 1867, 1890 und 1900;
http://bdi.memorialdelashoah.org/internet/jsp/core/MmsRedirector.jsp?id=6287&type=VICTIM# (letzter Aufruf: 3.7.2010); http://digital.cjh.org/view/action/singleViewer.do dvs=1474244103033~948&locale=de_DE&VIEWER_URL=/view/action/singleViewer.do?&DELIVERY_RULE_ID=5&frameId=1&usePid1=true&usePid2=true, Sternberg; Jewish Community Collection, 1813–1994, Rosenbaum, Auguste 1933 transcript Leo Baeck Institute, eingesehen 18.9.2016; Benz/Barbara (Hrsg.): Der Ort, Band 9, S. 35; Francke/Krieger: Die Familiennamen; Gramenz/Ulmer: Die jüdische Geschichte; Meyer: Dr. Hans Rosenbaum; Sielemann: Der Zielort, S. 91–110; von Villiez: Die Verdrängung.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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