Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine


zurück zur Auswahlliste

Marianne Burchard * 1928

Papenhuder Straße 53 (Hamburg-Nord, Uhlenhorst)

1941 Minsk

Weitere Stolpersteine in Papenhuder Straße 53:
Gabriele Burchard, Olga Burchard, Valentin Burchard

Ernst Valentin Burchard, geb. 26.1.1891, am 8.11.1941 nach Minsk deportiert
Olga Burchard, geb. Jonas, geb. 15.6.1894, am 8.11.1941 nach Minsk deportiert
Gabriele Olga Burchard, geb. 23.3.1923, am 8.11.1941 nach Minsk deportiert
Marianne Lilly Burchard, geb. 3.4.1928, am 8.11.1941 nach Minsk deportiert

Papenhuder Straße 53 / Adolphsplatz 1

Der Sohn von Konsul Martin Burchard und dessen Frau Bertha, geb. Goldzieher, Valentin Bur­chard, wurde in Hamburg geboren. In Eimsbüttel besuchte er die Oberrealschule und absolvierte danach eine kaufmännische Ausbildung in verschiedenen Hamburger Exportge­schäf­ten. 1912 trat er freiwillig der kaiserlichen Armee bei und verbrachte sein "Einjähriges" bei einer Ein­heit in Schwerin. Erste Berufserfahrungen sammelte er im Ausland. Zwischen 1913 und 1915 lebte und arbeitete Valentin Burchard in Buenos Aires. Nach Beginn des Ersten Welt­­krieges traf er Vorbereitungen, um ins Deutsche Reich zurückzukehren. Ausgestattet mit fal­schen Papieren gelang ihm auf Umwegen seine Rückkehr in die Heimat, wo er sich zur Armee meldete und als Unteroffizier an der Westfront eingesetzt wurde.

Nach Kriegsende zog es Valentin Burchard erneut ins Ausland. Bis 1920 arbeitete er als Kauf­mann in den Niederlanden, danach kehrte er nach Hamburg zurück, um sich selbstständig zu machen. Im März 1921 heiratete Valentin Burchard die drei Jahre jüngere ebenfalls jüdische Olga Jonas, die Tochter von Otto Nathan Jonas und seiner Frau Emma, geb. Jonas. Das Ehe­paar zog in eine gemeinsame Wohnung am Schwanenwik 34. Kurz darauf kam ihr erstes Kind, Martin Otto, am 2. Februar 1921 zur Welt. Die Tochter Gabriele Olga wurde am 23. März 1923 geboren und ein Jahr später folgte der Sohn Ernst Valentin am 5. April 1924. Mari­an­ne Lilly erblickte als jüngstes der vier Geschwister am 3. April 1928 das Licht der Welt und vervollständigte die Familie.

In den zwanziger Jahren hatte Valentin Burchard einige wichtige Ämter inne. So war er Mit­glied der Industriekommission der Handelskammer, Mitglied der Hamburger Bürgerschaft und Arbeitsrichter. Eine berufliche Veränderung brachte das Jahr 1928, als Valen­tin Burchard Vorstandsmitglied der Firma Hugo Peters&Co. AG, einer Weinhandels- und Spirituosenfabrik, wur­de. We­ni­ge Jahre später gründete Burchard dann eine eigene Wein­groß­­handlung auf der Uhlenhorst in der Papenhuder Straße 53. Als die Burchards im August 1935 ihr Haus am Schwa­nen­wik 34 aufgrund der sich verschärfenden Diskrimi­nie­rung und Entrechtung jüdischer Bürger aufgeben mussten, zo­gen sie in das Firmengebäude in der Papenhuder Straße 53.

Angesichts sinkender Umsätze seines Weinhandels gründete Burchard im August 1935 die Firma Valentin Burchard&Co., die pharmazeutische Präparate für den Export herstellte. Bur­­­chard war persönlich haftender Gesellschafter der Firma und für den kaufmännischen Be­reich zuständig. Unter der Adresse Vogelreth 3 im Hamburger Frei­hafen lag der Sitz des Unter­nehmens. Die auf den Export von Fluid-Extrakten und Tinkturen spezialisierte chemisch-pharmazeutische Fabrik besaß Abnehmer in der ganzen Welt. Ihre Er­zeug­nisse wurden nach Süd- und Zentralamerika, Afrika, aber auch in einige Teile Europas verschifft. Obwohl die Firma eine gute Entwicklung nahm und die Auslandskontakte Bur­chards für wachsende Um­sätze sorgten, brachte der Austritt der Kommanditisten Oscar Friedl­änder und John Haus­mann im April 1937 die Firma in ernste Schwierigkeiten. Schließlich sicherte aber der Eintritt von Emmy Jonas, der Schwester von Burchards Ehefrau Olga, der Fabrik das Überleben.

Während der nächsten Jahre verschlechterte sich das Leben der Familie Burchard zusehends. Valentin Burchard beantragte im September 1938 bei der Industrie- und Handelskammer Hamburg ein Auslandsvisum für eine Geschäftsstelle. Eine Anfrage der IHK bei der Finanz­be­hörde, ob Burchard bei einer Visaerteilung Sicherheiten für den Fall einer Flucht zwecks Be­gleichung der dann fällig werdenden "Reichsfluchtsteuer" zu hinterlegen habe, machte ihn zum Ziel behördlicher Zwangsmaßnahmen. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Antrags leitete die Devisenstelle der Finanzbehörde Ermittlungen wegen des Verdachts der Kapital­flucht ein. Die Polizeibehörde wurde eingeschaltet und beauftragt, Nachforschungen anzustellen, bei der Zollfahndungsstelle wurde ein Ermittlungsverfahren wegen einer möglicherweise be­stehenden Auswanderungsabsicht eingeleitet. Obgleich die polizeilichen Ermitt­lungen ergaben, dass eine Auswanderungsabsicht nicht bestand, wurde ein Visum verweigert.

Am 16. Februar 1939 wurde die Firma Valentin Burchard &Co. "arisiert" und von der Ham­burger Chinosolfabrik AG übernommen. Für Familie Burchard bedeutete dies, dass sie faktisch mittellos war. Für ein bescheidenes Entgelt konnte Valentin Burchard nach seiner Ent­eig­nung und der Übernahme durch Chinosol dann noch für die Dauer der Abwicklung des Kauf­ver­trages im Betrieb tätig sein. Diese Tätigkeit war zunächst bis zum Jahresende 1939 befristet, wurde dann aber durch den Kriegsbeginn noch einmal bis zum 1. September 1940 verlängert.

Marianne Lilly, die jüngste Tochter des Ehepaares Burchard, besuchte seit 1934 das Paul­sen­stift. Allerdings musste sie diese Schule zum 13. April 1939 verlassen und wie die meisten an­deren jüdischen Kinder auf die Talmud Tora Schule gehen. Weil sich die Situation der Familie Burchard im Deutschen Reich zunehmend verschlechterte, bemühte sich Valentin Burchard im Januar 1939 um Pässe für die Ausreise seiner Familie in die Niederlande. Bis Juli 1939 gelang es ihm, alle von der Devisenstelle der Hamburger Finanz­behörde für eine Bearbeitung des Antrages ge­forderten Bescheinigungen und Unter­lagen zusammenzutragen. Finanziert werden sollte die Aus­wanderung durch den Rückkauf einer in England bestehenden Le­bens­versicherung. Aller­dings war Burchard nach seiner Ent­eignung nicht mehr in der Lage, den von der Devisenstelle geforderten Gegenwert der Versicherung in Höhe von 410 Pfund Ster­ling abzuliefern. Im selben Jahr ereilte Familie Burchard ein weiterer Schicksalsschlag. Ihr Sohn Martin Otto verstarb aus ungeklärten Gründen.

Im Juli 1939 konnte Ernst Valentin mit einem Kindertransport nach England gebracht werden. Dort kam er bei einem Pastor, der außerhalb der Stadt Worcester lebte, unter. Bis zu ihrer Deportation hielt die Familie Kontakt zu dem Sohn.

Am 8. November 1941 wurde das Ehepaar Burchard mit ihren Töchtern Gabriele Olga und Ma­rianne Lilly ins Getto nach Minsk deportiert. Seit diesem Zeitpunkt gelten sie als verschollen.

Ein letztes Lebenszeichen von Valentin Burchard traf Anfang 1942 in Hamburg ein: Max Plaut, der Leiter des Jüdischen Religionsverbandes, erhielt einen Brief (es ist unbekannt, wie dieser nach Hamburg gelangen konnte), in dem Burchard die Zustände im Getto Minsk schilderte. Leider ist das Schreiben nicht erhalten.

© Carmen Smiatacz

Quellen: 1; 2; 4; 5; 8; StaHH 121-3, Bürgerschaft I, A 17; StaHH 314-15, OFP, J 2/124/126/128/129; StaHH 314-15, OFP, FVg 5192; StaHH 314-15, OFP, FVg 7658; StaHH 314-15, OFP, R 1938/2404; StaHH 314-15, OFP, R 1939/1239; StaHH 314-5, OFP, R 1940/31; StaHH 741-4, Fotoarchiv, Sa 1246; Müller: Mitglieder der Bürgerschaft, S. 23ff.; Leo Baeck Institut New York, AR 7183, Max Kreuzberger, Box 7 Folder 9, MM reels 129, Schr. Plaut an Lowenthal v. Dezember 1968.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

druckansicht  / Seitenanfang