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Bruno Cohn * 1890

Grindelallee 132 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1941 Minsk

Weitere Stolpersteine in Grindelallee 132:
Ilse Cohen, Wolff Cohen, Clara Cohn, Paul Grünewald, Martin Neuhaus, Friederike (Frieda) Neuhaus

Bruno Cohn, geb. am 27.9.1890 in Lübeck, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk, dort ermordet
Clara Cohn, geb. Laser, geb. am 12.7.1888 in Wongrowitz/Posen, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk, dort ermordet

Grindelallee 132

Bruno Cohn war der Sohn von Moritz und Sara Cohn, geborene Cohn, und seit 1919 verheiratet mit Clara (zu Clara Cohn s. auch "Stolpersteine in Hamburg-Harburg und Hamburg-Wilhelmsburg" und auf www.stolpersteine-hamburg.de). Das Ehepaar hatte als einziges Kind die Tochter Hildegard, geboren am 2. Oktober 1920 in Harburg. Bruno Cohn führte mindestens seit 1920 das "Modehaus Sala" (Herrenartikel) in der Lüneburger Straße 28 in Harburg. Heute besteht dieser Straßenzug nicht mehr, weil durch die Nachkriegsbebauung eine völlig neue Straßenführung entstanden ist. Nachdem die Handelskammer beim Amtsgericht beanstandet hatte, dass das Geschäft nicht im Handelsregister eingetragen sei, erfolgte die Eintragung am 4. November 1920.

Die "Judenboykott"-Maßnahmen seit 1933 gingen auch am Geschäft von Bruno Cohn nicht spurlos vorüber. Fünf Jahre blieb die Familie noch in Harburg, dann zog sie am 4. April 1938 über die Elbe in die Grindelallee 132. Am 26. September 1938 beantragte die Handelskammer Harburg/Wilhelmsburg die Löschung der Firma im Handelsregister, am 29. Oktober 1938 bemühte sich Cohn um Aufschub, stellte dann aber doch den Antrag auf Löschung, da er bereits am 23. August 1938 den Offenbarungseid geleistet hatte. Er bat darum, ihm für die Löschung die Gebühren zu erlassen. Am 14. November 1938, also vier Tage nach der Pogromnacht, wurde er aus nicht ersichtlichen Gründen – außer denen der willkürlichen Verfolgung von jüdischen Ladenbesitzerinnen und -besitzern – in "Schutzhaft" genommen. Seine Frau Clara wusste während seiner Haftzeit nicht, wo er sich befand. Auf den Namenslisten des KZ Sachsenhausen wurde er am 6. Januar 1939 unter der Häftlingsnummer 10798 aufgeführt. Am 9. Januar 1939 wurde er aus der Haft entlassen und offenbar als "gebrochener" Mann ins Israelitische Krankenhaus in Hamburg eingeliefert. Am 2. März 1939 erklärte das Amtsgericht im Hinblick auf das Handelsregister: "Firma erloschen, ohne Einkommen und Vermögen". In einer Verfügung vom 9. März 1939 findet sich die Bemerkung: "keine Kosten wegen Armut". Das Geschäftsgrundstück wurde an die Firma Otto Bret-
schneider & Co in Hamburg-Harburg 1, Wilstorfer Straße 2, verkauft.

Ob es dabei mit rechten Dingen zuging, ist zu bezweifeln. Der Akte der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten ist leider nicht zu entnehmen, wie im Einzelnen der Familie Cohn das (Immobilien-)Vermögen entzogen wurde, aber allein der Tonfall der Korrespondenz zwischen der Steuerkasse Harburg und der Devisenstelle der Oberfinanzbehörde Hamburg gibt einen Einblick in die undurchsichtige Vorgehensweise bei der "Arisierung" jüdischen Besitzes. Am 20. Januar 1942 schrieb die Steuerkasse Harburg an die Devisenstelle: "Der Jude Bruno Cohn, geboren 27.9.1890, bisher Grindelallee 132 wohnhaft gewesen, schuldet hier noch an Grundstücksabgaben für das Grundstück Harburg, Lüneburger Straße 28 aus dem Steuerjahr 1937 insgesamt 240,60 Reichsmark. Cohn soll, wie hier bekannt geworden, nach dem Osten abgeschoben worden sein. Ich vermute, dass Cohn hier noch irgendwelches Vermögen besitzt, das durch die Devisenstelle beschlagnahmt ist. Zutreffendenfalls erbitte ich den obigen Steuerrückstand von 240,60 Reichsmark nebst einem Säumniszuschlag von 4,80 Reichsmark zusammen 245,40 Reichsmark aus der Beschlagnahme freizugeben und an die unterzeichnete Kasse abzuführen." (Unterschrift: Stadtoberinspektor). Die Antwort der Devisenstelle vom 26. Januar 1942 lautete: "Der Jude Bruno Cohn … ist am 8.11.41 nach Minsk abgewandert. Über die Vermögensverhältnisse des o.g. Juden ist hier nichts bekannt." Die Tochter Hildegard überlebte den Holocaust, weil sie 1939 noch nach England emigrieren konnte. Sie hinterließ 1977 in Yad Vashem ein Gedenkblatt, das sie als Hilda A. Everall, wohnhaft in Vancouver/Canada, unterschrieb.

Für Clara Cohn liegt ein weiterer Stolperstein im Vogelhüttendeich 40, in Hamburg-Wilhelmsburg.

Stand: Juli 2017
© Dieter Wolf

Quellen: 1; 2; 5; 8; StaH 314-15 Oberfinanzpräsident R 1942/25; StaH 430-64 Amtsgericht Harburg VII B 759; Digitales Archiv IST Bad Arolsen, Teilbestand 1.1.38.1, Dok ID 4092164 und 4092172 – Listenmaterial Sachsenhausen; Teilbestand 1.2.1.1, Dok.ID 11197708 – Transportlisten Gestapo; Günther: Biographie, S. 294f.; Meyer: Das "Schicksalsjahr 1938", S. 26f.; Dies.: "Sie bringen uns wohl nach Warschau", S. 91f.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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