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Alice Elkeles * 1894
Kirchenallee 43 / Mitte links (Hamburg-Mitte, St. Georg)
HIER WOHNTE
ALICE ELKELES
JG. 1894
EINGEWIESEN 1935
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 23.9.1940
BRANDENBURG
ERMORDET 23.9.1940
"AKTION T4"
Alice Jeanette Elkeles, geb. 8.12.1894 in Hamburg, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg
Kirchenallee 43
Alice Jeanette Elkeles wurde am 8. Dezember 1894 als Tochter des Kaufmanns Wilhelm Elkeles und seiner Ehefrau Johanna Paula, geborene Mendel, in der Kirchenallee 43 im Hamburger Stadtteil St. Georg geboren. Am 12. Dezember 1896 kam Alices Bruder Kurt August auf die Welt. Die Eltern gehörten dem jüdischen Glauben an.
Wilhelm Elkeles betrieb ein Im- und Export-Unternehmen im Nachbarhaus Kirchenallee 45. Im Jahre 1900 verlegte er den Wohnsitz in die Straße Pulverteich 25, ebenfalls im Hamburger Stadtteil St. Georg gelegen. Erstmals im Hamburger Adressbuch von 1905 gab er als Beruf nicht mehr "Kaufmann", sondern als Unternehmenszweck "Heupresserei" an. Er starb am 7. Januar 1913 im Alter von nicht einmal 49 Jahren.
Über die Kindheit und Jugendzeit oder die Ausbildung der Geschwister Alice und Kurt August wissen wir nichts. Der Kultussteuerkartei der Jüdischen Gemeinde Hamburg ist zu entnehmen, dass Alices Bruder Kurt August später als Angestellter in der Sedanstraße 21 arbeitete. Dort waren Handwerker, eine Brothandlung und ein Kolonialwarenhändler gemeldet. Es ist nicht bekannt, wer von ihnen sein Arbeitgeber war. Kurt August Elkeles hatte eine Wohnung in der Osterbekstraße 8 in Barmbek, in die er bald nach dem Tod des Vaters seine Mutter Johanna Paula aufnahm. Kurt August Elkeles verließ Deutschland im Sommer 1934 und emigrierte nach Sao Paulo in Brasilien. 1939 folgte Johanna Paula ihrem Sohn nach Brasilien.
Zum Zeitpunkt des Todes ihres Vaters war Alice Elkeles neunzehn Jahre alt. Über ihr Leben bis dahin ist nichts überliefert. Aus der Patientenkartei der "Irrenanstalt Friedrichsberg" wissen wir, dass Alice Elkeles dort ab etwa 1916 Patientin war. Ihre Patientenakte ist nicht mehr auffindbar, so dass über den Grund und die Dauer ihres Aufenthalts nichts übermittelt ist. Nach vielen Jahren in der inzwischen in Staatskrankenanstalt Friedrichsberg umbenannten Einrichtung wurde Alice Elkeles 1935 in die Staatskrankenanstalt Langenhorn überwiesen.
Am 27. Oktober 1939 wurde Alice Elkeles von Langenhorn in das Gut Düssin in Westmecklenburg verlegt. Die Stadt Hamburg hatte das spätere Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme Ende 1938 gekauft. In Düssin waren 220 Menschen aus Langenhorn mit geistiger Behinderung oder psychischer Erkrankung untergebracht, die dort Landarbeit verrichten mussten. Unter ihnen befanden sich weitere sechs Frauen und Männer jüdischer Herkunft
Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in staatlichen sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.
Alice Elkeles traf am 13. September 1940 aus Düssin in Langenhorn ein. Am 23. September wurde sie mit weiteren 135 Patienten aus norddeutschen Anstalten nach Brandenburg an der Havel transportiert. Der Transport erreichte die märkische Stadt noch an demselben Tag. In dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses trieb man die Patienten umgehend in die Gaskammer und tötete sie mit Kohlenmonoxyd. Nur Ilse Herta Zachmann entkam zunächst diesem Schicksal (siehe dort).
In diesem Todestransport befand sich auch Betty Elkeles (siehe dort), eine entfernte Verwandte von Alice Elkeles. Wir wissen nicht, ob die beiden Frauen sich kannten und in den letzten Tagen in Langenhorn oder während des Transportes Kontakt miteinander hatten.
Es ist nicht bekannt, ob und ggf. wann Angehörige Kenntnis von Alice Elkeles Tod erhielten. In allen dokumentierten Mitteilungen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch) verstorben sei. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm/Cholm, einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.
Zur Erinnerung an Alice Jeanette Elkeles liegt ein Stolperstein in Hamburg-St. Georg, Kirchenallee 43.
Stand: November 2018
© Ingo Wille
Quellen: 1; 2; 4; 5; 8; 9; AB; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 332-5 Standesämter 682 Sterberegister Nr. 40/1913 Wilhelm Elkeles, 2338 Geburtsregister Nr. 2949/1894 Alice Jeanette Elkeles, 2397 Geburtsregister Nr. 2916/1896 Kurt August Elkeles, 314-15 Oberfinanzpräsident FVg 3095 Paula Johanna Elkeles; 522-1 Jüdische Gemeinden 696 f Heiratsregister Nr. 114/1864 Wilhelm Elkeles/Johanna Paula Mendel; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 1935; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.1939 bis 27.1.1941; UKE/IGEM, Archiv, Patienten-Karteikarte Alice Elkeles der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg; Stadtverwaltung Elsdorf, Geburtsregister Nr. 158/1868 Johanna Paula Mendel.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen"