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Albrecht Gebhard * 1902
Fichtestraße 8 (Wandsbek, Eilbek)
1939 KZ Fuhlsbüttel
Flucht in den Tod
22.03.1939
Albrecht Karl Richard Gebhard, geb. am 25.6.1902 in Schöningen, gestorben am 22.3.1939 im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel (Suizid)
Fichtestraße 8
In einem Schreiben vom 28. September 1938 an die Hamburger Kriminalpolizei schilderte der 1913 geborene landwirtschaftliche Arbeiter Wilhelm Bartels eine Reihe von homosexuellen Kontakten, die er ein halbes Jahr lang während eines Aufenthaltes in Hamburg zur Bestreitung seines Lebensunterhalts vorgenommen hatte. Durch diese Selbstanzeige versuchte sich der nach einem Diebstahl in Hildesheim flüchtige Mann gegenüber der Polizei als Verführungsopfer darzustellen und löste dadurch eine Reihe von Fahndungen nach homosexuellen Männern aus. Diesen Männern gegenüber hatte er sich jedoch als Strichjunge ausgegeben, darunter Paul Seyer (Stolperstein in Hamburg-St. Georg, Steindamm 3) und Charles Hennings (Stolperstein in Hamburg-Borgfelde, Klaus-Groth-Straße 25).
Auch der aus Schöningen bei Helmstedt gebürtige Albrecht Gebhard befand sich unter den Denunzierten und wurde dadurch 1938 erstmals gegenüber der Kriminalpolizei als Homosexueller bekannt. Er kam 1902 als zweitjüngstes von fünf Kindern des Schachtmeisters Albrecht Gebhard und Emilie Alwine Catharina, geb. Arend, zur Welt. Ein Bruder Wilhelm Gebhards lebte 1939 in Rethem/Aller.
Vom 6. bis zum 14. Lebensjahr besuchte er die Bürgerschule seines Geburtsortes und verließ diese 1916, um eine Gärtnerlehre zu beginnen. Im Jahr 1919 beendete er diese Ausbildung. Es schlossen sich für ihn daran teilweise selbstständig ausgeübte Beschäftigungen als Gärtner in verschiedenen Städten an. Seit 1929 arbeitete er im Raum Hamburg, darunter in Bergedorf, Wedel/Blankenese und Volksdorf. Am 16. März 1939 wurde er von dem im Fall Bartels ermittelnden Kripobeamten Willi Rettmann des 24. Kriminalkommissariats in das Dienstgebäude an der Stadthausbrücke vorgeladen und ihm ein Vergehen nach § 175 RStGB vorgehalten. Albrecht Gebhard gab den Kontakt mit Bartels im Sommer 1938 als einmaliges Erlebnis zu und erklärte, dass er nur unter Alkoholeinfluss homosexuelle Neigungen verspüre und sich deshalb weitgehend des Alkohols enthalte. Derartige Erklärungsversuche sind aus vergleichbaren Fällen verhörter homosexueller Männer bekannt und wurden in der Regel von der Kripo als Ausreden angesehen. Auch Albrecht Gebhards Aussagen wurden als unglaubwürdig eingeschätzt. Zur Erlangung eines weitergehenden Geständnisses mit Nennung sämtlicher Sexualpartner und wegen "Verdunkelungsgefahr" wurde er noch am Tag seiner Vernehmung in Polizeihaft versetzt und dem Arrestposten im Stadthaus übergeben. Am 18. März 1939 kam er auf Verfügung der Gestapo in das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel und erweiterte erwartungsgemäß am 21. März seine Aussage: er schilderte weitere homosexuelle Kontakte seit seinem 12. Lebensjahr und als junger Erwachsener mit Unbekannten. Da er für die Zeit ab 1932 gleichwohl nur den nachgewiesenen Kontakt mit Wilhelm Bartels zugab, galt er für den Kriminaloberassistenten Willi Rettmann weiterhin als "unglaubwürdig" und als ein "schwer zugänglicher Mensch".
Einen Tag nach seiner "Lebensbeichte" vor der Polizei soll sich der 37-jährige Albrecht Gebhard am 22. März 1939 durch Erhängen mit einem Leibriemen in seiner Zelle im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel das Leben genommen haben. Ob er nach dem Verhör im Stadthaus oder im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel Misshandlungen ausgesetzt war und möglicherweise an Verletzungsfolgen starb oder tatsächlich freiwillig aus dem Leben geschieden ist, wie es die offizielle Todesbescheinigung ausweist, bleibt wie in vielen vergleichbaren Fällen ungeklärt.
In der Fichtestraße 8 hatte Albrecht Gebhard im Parterre als alleiniger Mieter seinen letzten freigewählten Wohnsitz. Vor diesem Haus erinnert ein Stolperstein mit der Inschrift "Flucht in den Tod" an sein Schicksal.
Wilhelm Bartels hat die Preisgabe zahlreicher Personen gegenüber der Polizei nichts genutzt. Nach § 175a Ziffer 4 RStGB wurde er vom Landgericht Hamburg als Strichjunge in 21 Fällen zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt, die er bis 25. Juli 1941 u. a. im berüchtigten Strafgefangenenlager Rollwald bei Rodgau in Hessen verbüßte. Nach seiner Überstellung ins Polizeigefängnis Hamburg-Hütten verliert sich bisher seine Spur und es ist möglich, dass er noch in ein Konzentrationslager überstellt wurde.
Stand Februar 2014
© Bernhard Rosenkranz(†) / Ulf Bollmann
Quellen: StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen 5465/39, Blatt 75–80; StaH 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung Abl. 2, 451 a E 1, 1 d; 331-5 Polizeibehörde – Unnatürliche Sterbefälle 770/39; Herbert Diercks, Gedenkbuch Kola-Fu, S. 21; Rosenkranz/Bollmann/Lorenz, Homosexuellen-Verfolgung, S. 212.