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Veronika Bartels (geborene Stern) * 1875

Grindelallee 24 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
VERONIKA BARTELS
GEB. STERN
JG. 1875
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK

Weitere Stolpersteine in Grindelallee 24:
Elsa Borower, Harald Ehrmann, Rifka Gänser, Max Gänser, Emma Stern, Franz Stern

Veronika Bartels, geb. Stern, geb. am 24.4.1875 in Iglau/Mähren, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk, dort umgekommen

Grindelallee 24

Veronika Stern wurde als ältere von zwei Töchtern des Ehepaares Jacob und Franziska Stern, geborene Benischek, im heutigen Jihlava/Tschechien geboren. Ihre jüngere Schwester Emmilie Emma, Emma genannt, kam am 16. Februar 1877 im ebenfalls tschechischen Marienbad (heute Marianske Lazne/Tschechien) zur Welt. Veronika betätigte sich als Schauspielerin, Emma ergriff den Beruf einer Weißnäherin.

Am 22. März 1897 brachte Veronika in Berlin ihren nichtehelichen Sohn Franz zur Welt. Dieser bekam die tschechische Staatsbürgerschaft, die auch Veronikas Schwester Emma zeit ihres Lebens behielt. Veronika selbst heiratete nach Franz’ Geburt den deutschen evangelisch-lutherischen Christen Garry Bartels, was ihr ermöglichte, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. Ob Garry Franz’ Vater war, ließ sich anhand der Quellenlage nicht ermitteln. Da Garry Bartels Franz nicht adoptierte, behielt dieser den Nachnamen Stern.

Die Ehe von Veronika und Garry war nur von kurzer Dauer und wurde wohl vor 1901 geschieden. In jenem Jahr bezogen Veronika, Franz und Emma in Hamburg eine Dreizimmerwohnung in der Grindelallee 24 für monatlich 52,80 Reichsmark (RM) Miete. Die drei nutzten nur zwei Zimmer und vermieteten das dritte für 24 RM im Monat. Auch Veronikas und Emmas Eltern waren nach Hamburg gezogen. Jacob Stern war am Stadttheater angestellt, Franziska führte den Haushalt. Als ihr Vater in den 1920er-Jahren pflegebedürftig wurde, gab Veronika ihre Stelle auf, um sich um ihn zu kümmern.

Jacob Stern starb am 24. Juli 1925 in Hamburg.

Veronikas Sohn Franz Stern arbeitete als Bote, fand jedoch aufgrund seines Auftretens nur schwer eine Anstellung. Das Wohlfahrtsamt, das ihn zeitweise unterstützte, beschrieb ihn als "nervös", "unsicher" und gar "debil". Er zeige zwar Arbeitswillen, wurde jedoch meist nur aushilfsweise, beispielsweise bei der Post, beschäftigt.

Emma war spätestens seit 1929 erwerbslos. Seit 1924 war sie bei der Firma Friedrich Lienhardt in der Hafenstraße 100 als Weißnäherin beschäftigt gewesen. Da sie jedoch an Nerven- und Magenleiden, Zahnproblemen und Basedow, einer Erkrankung der Schilddrüse, litt, war es ihr ab Ende der 1920er-Jahre nicht mehr möglich, zu arbeiten. 1927 war sie 50 Jahre alt geworden, Veronika 52 Jahre.

Emma bezog fortan eine Invalidenrente, die Familie erhielt außerdem Wohlfahrtsunterstützung. Da Emma gezwungen war, eine Diät einzuhalten, musste sie sich selbst mit Lebensmitteln versorgen, was wiederum höhere Kosten verursachte. Eine kleine Erleichterung mochte Anfang der 1930er-Jahre eine Mietminderung auf 48,80 RM im Monat gewesen sein, jedoch sanken parallel dazu die Einnahmen aus der Untervermietung auf 20 RM. Bei einem Hausbesuch im Jahr 1933 stellte ein Vertreter des Wohlfahrtsamtes den schlechten Ernährungszustand aller drei Familienmitglieder fest und Veronika gab an, dass es ihnen angesichts ihrer geringen finanziellen Mitteln zudem kaum möglich sei, die Miete rechtzeitig und vollständig zu bezahlen.

Ab 1935 musste der mittlerweile 38-jährige Franz drei Tage in der Woche Pflichtarbeit leisten – auf dem Flughafen Tarpenbek sowie bei Entwässerungsarbeiten in Waltershof, wo eine Kleingartenanlage und ein Fußballfeld entstehen sollten. Am letztgenannten Arbeitsplatz gab es viele Beschwerden jüdischer Arbeiter über unzumutbare Bedingungen. So müssten die Männer oft in Schlammmassen schuften, die ihnen bis zur Hüfte reichten. Franz versuchte wie einige andere auch, sich durch eine Krankmeldung davon befreien zu lassen oder zumindest an einen anderen Arbeitsplatz wechseln zu dürfen. Doch die zuständigen Ämter wiegelten die Beschwerden ab und erklärten, die Arbeitsbedingungen seien sehr gut. Es gäbe einen geheizten Frühstücks- und Umkleideraum, die Arbeitszeit betrüge nur sechs Stunden täglich und der Schlamm hätte höchstens einmal knöchelhoch gestanden, das Gebiet sei eigentlich trocken. So musste er an diesem Einsatzort verbleiben, durfte jedoch zu Hause in der Grindelallee wohnen.

Im Februar 1937 bat er darum, ihn "für einige Zeit […] von der Pflichtarbeit in Waltershof zu befreien", denn Veronika war erkrankt und benötigte seine Hilfe im Haushalt sowie mit dem Untermieter. Die finanzielle Situation der drei Familienmitglieder blieb prekär. Im Mai 1937 bezog Veronika 39,80 RM Rente, Emma 26,30 RM. Die Wohnung kostete sie noch eine Miete von monatlich 45,60 RM. Nimmt man an, dass die Untermiete weiterhin etwa 20 RM im Monat einbrachte, blieben den Schwestern zusammen etwa 40 RM für Lebensmittel, Kleidung und den sonstigen Lebensunterhalt. Franz‘ Verdienst lässt sich nicht genau beziffern, doch es kann angenommen werden, dass er minimal war, sodass er sich kaum selbst versorgen konnte.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Familie im Laufe des Jahres 1938 mit der Zahlung der Miete in Verzug geriet; auch gab es wohl Probleme mit dem Untermieter. Insgesamt beliefen sich die Mietschulden auf 111 RM. Zudem litt Franz im Februar jenen Jahres an Nierensteinen und Harnblutungen. Im Juli und August wurde er bei zwei Unternehmern zu Erdarbeiten eingesetzt, bevor er 1939 wieder in seinem alten Beruf beziehungsweise als Zeitungsausträger eine Arbeitsstelle fand, die monatlich 21 RM einbrachte.

Zwischen 1940 und 1941 wurde Veronika Bartels angeklagt, der NS-Verordnung vom 17. August 1938 nicht nachgekommen zu sein. Danach hätte sie dem Standesamt, in dem sie geheiratet hatte, den auferlegten zusätzlichen Zwangsnamen "Sara" anzeigen müssen. Am 29. März 1941 erging gegen sie das Urteil, entweder 15 RM Strafe zu zahlen oder 3 Tage in Haft zu gehen, "weil Sie zu Hamburg in nicht rechtsverjährter Zeit als Jüdin deutscher Staatsangehörigkeit es fahrlässig unterlassen haben, dem Standesbeamten, bei dem Ihre Heirat registriert ist, anzuzeigen, daß Sie ab 1.1.1939 den weiteren Vornamen ,Sara‘ angenommen haben."

Wenige Monate nach diesem Ereignis, am 8. November 1941, wurden Veronika Bartels, Emma Stern und Franz Stern ins Getto Minsk deportiert. Sie gehörten zum ersten Transport, der Jüdinnen und Juden aus dem Deutschen Reich nach Minsk brachte, wo sie zusammen mit Frankfurter Juden im sogenannten Roten Haus untergebracht wurden. Am Vorabend des Transports waren im Getto etwa 12000 einheimische Juden erschossen worden; die Ankommenden aus Hamburg fanden am 10. November 1941 die Spuren dieses Massakers vor.

Die Spur der Familie Bartels-Stern verliert sich hier. Kaum einer der insgesamt 7000 deutsch-jüdischen Inhaftierten überlebte das Getto, sie fielen Hunger, Krankheiten oder Mordaktionen zum Opfer.

Für Emma und Franz Stern liegen ebenfalls Stolpersteine in der Grindelallee 24.

Stand: Juli 2017
© Anne Lena Meyer

Quellen: 1; 5; StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen 2745/41 Strafakte wegen Nichtannahme des jüdischen Vornamens "Sara" aus dem Jahr 1941; ebd. 351-14 Arbeits- und Sozial-
fürsorge – Sonderakten 1920 Fürsorgeakte für Emma Stern; ebd. 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge – Sonderakte 1921 Fürsorgeakte für Franz Stern; digitales Archiv ITS Bad Arolsen, Teilbestand 1.2.1.1, Dokument ID 11198259 u. Dokument ID 11198261 – Transportlisten Gestapo; Meyer: Die Deportation, S. 62ff.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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