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Käthchen Hirschfeld (geborene Neufeld) * 1887

Greifswalder Straße 82/Ecke Danziger Straße (Hamburg-Mitte, St. Georg)


HIER WOHNTE
KÄTHCHEN HIRSCHFELD
GEB. NEUFELD
JG. 1887
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK

Weitere Stolpersteine in Greifswalder Straße 82/Ecke Danziger Straße:
Isidor Hirschfeld

Adele Mayer, geb. Hirschfeld, geb. am 18.6.1877 in Culm a. d. Weichsel, am 25.10.1941 deportiert in das Getto "Litzmannstadt" (Lodz), dort umgekommen am 5.4.1942

Wandsbeker Stieg 41 (Wandsbeker Stieg 59)


Isidor Hirschfeld, geb. am 29.7.1874 in Bromberg (heute Bydgoszcz/Polen), am 18.11.1941 in das Getto Minsk deportiert, dort umgekommen
Käthchen Hirschfeld, geb. Neufeld, geb. am 10.6.1887 in Hamburg, am 18.11.1941 in das Getto Minsk deportiert, dort umgekommen

Greifswalder Straße 82, St. Georg

"Sie war eine sehr nette Frau, genau wie ihre Tochter, meine Cousine. Und sie war geschieden, was zur damaligen Zeit ungewöhnlich war, vor allem in einer jüdischen Familie." So beschrieb Adele Mayers Nichte Charlotte Koopmann, geborene Hirschfeld, sie in einem Interview, das sie 1993 dem United States Holocaust Memorial Museum in Washington gab.

Charlottes Vater, Isidor Hirschfeld, und Adele Mayer, geborene Hirschfeld, waren Geschwister. Sie stammten aus Westpreußen (heute Polen), ihre Eltern waren das jüdische Ehepaar Casper Hirschfeld und Auguste, geborene Mayer. Isidor war am 29. Juli 1874 in Bromberg (Bydgoszcz) geboren worden und damit rund drei Jahre älter als Adele. Beide hatten noch vier weitere Geschwister. Eine Schwester war bereits um 1907 an Diabetes gestorben, ein Bruder im Ersten Weltkrieg, um 1915. Eine weitere Schwester, Martha, war am 24. März 1873 genau wie Adele im damals zu Preußen gehörenden Kulm (heute Chelmno/Polen) zur Welt gekommen, über die dritte Schwester ist nichts bekannt.

In Kulm heiratete Adele Hirschfeld am 9. Juni 1901 den rund zwölf Jahre älteren Kaufmann Albert Mayer. Er war am 28. August 1865 in Alsheim, einem kleinen Ort in Rheinhessen, geboren worden und genau wie sie jüdisch; seine Eltern hießen Simon und Helene Mayer, geborene Bohnmann. Adele und Albert Mayer zogen nach der Heirat nach Spandau, damals noch eine selbstständige Gemeinde, heute ein Stadtteil von Berlin. Dort brachte Adele am 16. April 1902 die gemeinsame Tochter Hildegard zur Welt. In Berlin lebte mittlerweile auch Adeles Schwester Martha. Sie war ledig und verdiente ihren Lebensunterhalt mit einer kleinen Leihbücherei. Charlotte Koopmann erinnerte sich an sie als an eine intelligente, sehr energische Frau.

1905 trennte sich Adele Mayer von ihrem Mann, der die Familie verlassen hatte und nicht mehr für sie sorgte. Anschließend zog sie zusammen mit ihrer kleinen Tochter wieder nach Westpreußen, nach Bromberg, wo ihre Eltern und ihr Bruder Isidor jetzt wohnten. Damit sie von ihm unabhängig wurde und keine finanziellen Ansprüche mehr an ihn stellte, hatte Albert Mayer dort für sie noch einen kleinen Laden gemietet. In diesem eröffnete sie ein Kurz- und Galanteriewarengeschäft und konnte so für sich und Hildegard sorgen. Alimente für seine Tochter zahlte Albert Mayer nie. Adeles Bruder Isidor hatte in der Zwischenzeit auch geheiratet. Seine Frau hieß Lina und war eine geborene Treuherz. In den nächsten Jahren bekamen sie zwei Kinder. 1907 wurde Charlotte geboren, 1910 Kurt. 1914 stellten die Ärzte bei Lina Hirschfeld Tuberkulose fest. Kurz darauf begann der Erste Weltkrieg und Isidor Hirschfeld wurde sofort eingezogen. Nun musste Lina, von der Krankheit geschwächt, allein für sich und die beiden Kinder sorgen. Isidor kümmerte sich noch um einen Sanatoriumsaufenthalt für seine Frau und engagierte in Berlin eine Krankenschwester, die sie rund um die Uhr betreute. Doch auch das brachte keine Heilung. 1916 starb Lina Hirschfeld.

Als Westpreußen 1919 infolge des Versailler Vertrags Polen zugeordnet wurde, hatten die Deutschen, die dort lebten – und damit auch die Familie Hirschfeld –, die Wahl: Entweder sie blieben und erhielten die polnische Staatsangehörigkeit oder sie verließen Westpreußen und zogen ins Deutsche Reich. Adele Mayers Familie entschied sich für Letzteres. Isidor Hirschfeld siedelte zunächst zusammen mit seinen beiden Kindern Charlotte und Kurt nach Harburg über, das damals noch zur preußischen Provinz Hannover gehörte. Dort konnten sie bei Isidors Bruder Sally unterkommen, der in der Wilstorfer Straße 74 A in Harburg ein "Spezialgeschäft für Betten, Korbmöbel, Gardinen" betrieb.

In Harburg heiratete Isidor Hirschfeld am 4. August 1922 erneut. Seine zweite Frau hieß Käthchen Neufeld und stammte ebenfalls aus Harburg. Sie war die Tochter des Geld- und Immobilienmaklers Max Neufeld und seiner Frau Jenny (s. "Stolpersteine in Hamburg-Harburg" und www.stolpersteine-hamburg.de) und wohnte bei der Heirat noch bei ihren Eltern in der Mühlenstraße 18 (heute Schlossmühlendamm 16). Im Jahr darauf verließen Isidor Hirschfeld und seine Familie Harburg. In Bromberg hatte er eine gut gehende Weinhandlung besessen, nun begann er in Hamburg von vorn und eröffnete in der Greifswalder Straße 82 in St. Georg ein Bettengeschäft. Damit war er nun in der gleichen Branche wie sein Bruder tätig, von dessen beruflichen Kontakten er sicher profitieren konnte. Im selben Haus fand die Familie auch eine Wohnung.

Adele und ihre Tochter Hildegard, die mittlerweile 17 Jahre alt war, zogen von Bromberg nach Wesermünde (heute Bremerhaven). Dort hatte Hildegard Arbeit gefunden. Zuvor noch konnte Adele Einrichtung und Ware ihres Geschäfts in Bromberg verkaufen. Doch nur wenige Jahre später, 1923, verlor sie ihre gesamten Rücklagen durch die Hyperinflation im Deutschen Reich. Nun musste Hildegard den Lebensunterhalt für sie beide verdienen. Zum 1. November 1925 siedelten Mutter und Tochter nach Hamburg über. Im selben Monat wurde Adele Mayer Mitglied in der Hamburger jüdischen Gemeinde. Im Wandsbeker Stieg 59 fanden sie und ihre Tochter zwei Zimmer mit Küche zur Untermiete.

1927 bekam Hildegard eine Stelle als Verkäuferin im Warenhaus Hermann Tietz am Jungfernstieg. Hier war sie bis zum 31. Dezember 1933 beschäftigt – sechs Jahre, in denen Mutter und Tochter sich in Hamburg einleben konnten, ohne sich um ihren Lebensunterhalt sorgen zu müssen. Hildegards Gehalt betrug 145 Reichsmark (etwa 550 Euro), das reichte für sie und ihre Mutter. An Miete zahlten sie 35 Reichsmark (etwa 160 Euro), der Rest blieb für Essen, Kleidung und eventuelle Sonderausgaben. Doch dann wurde sie entlassen und musste Arbeitslosengeld beantragen. Das betrug nur 57 Reichsmark (etwa 280 Euro). In den nächsten Jahren wechselten kurze Beschäftigungen immer wieder mit Zeiten der Arbeitslosigkeit. Bereits ab Januar 1934 waren Adele und Hildegard Mayer mehrfach auf Unterstützung durch die Fürsorge angewiesen. Im Februar 1934 belegte Hildegard einen Schneiderkurs beim Palästinaverein der jüdischen Gemeinde, um sich eine mögliche neue Erwerbsquelle zu erschließen, doch ohne Erfolg. Ab 1937 erhielten sie von der jüdischen Gemeinde zudem in Notzeiten 10 Reichsmark im Monat. Da immer mehr Jüdinnen und Juden nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten erwerbslos wurden und verarmten, musste die Gemeinde ihre Unterstützung auf immer mehr Bedürftige verteilen. Auch nahm Hildegard Mayer jede Arbeit an, die sie bekommen konnte – ob als Verkäuferin, als Putzfrau oder Haushaltshilfe, als Plantagenarbeiterin in einer Im- und Exportfirma für Schnittblumen oder als Arbeiterin in einer Wollkämmerei.

Zugleich wurde Adele und Hildegard Mayers Alltag immer stärker von den antijüdischen Gesetzen und Verordnungen beschränkt, ihr Lebensraum immer enger. Hinzu kamen die regelmäßigen Kontrollen durch Fürsorgerinnen und Fürsorger, denen es bereits verdächtig vorkam, wenn sie Mutter und Tochter nicht zu Hause antrafen. Anfang 1939 wurde ihnen die Wohnung am Wandsbeker Stieg gekündigt, weil sie die Miete nicht mehr zahlen konnten. 14 Jahre hatten sie dort gewohnt. Dazu der Vermerk der Fürsorgerin: "Beide Frauen weinten sehr, da es ihnen sehr schwer sein wird, als Jüdinnen unterzukommen." Sie fanden dann schließlich zum März 1939 eine Unterkunft in der Rappstraße 15b, die jedoch viel beengter war als ihre vorherige. Auch wussten beide noch eine Woche vor dem erzwungenen Umzug nicht, wie sie den Umzug und die neue Miete bezahlen sollten. Daher richtete Hildegard Mayer einen verzweifelten Brief an die Hamburger Wohlfahrtsbehörde mit der Bitte um Umzugsgeld und eine höhere Unterstützung für ihre Mutter – und beendete ihr in ungeübter Schrift verfasstes Schreiben mit den Worten: "Ich würde Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie uns baldigst Bescheid zukommen lassen, da wir in Not und Sorgen sind."

Laut der bereits zitierten Charlotte Koopmann rückten die in Hamburg lebenden Mitglieder der jüdischen Familie Hirschfeld mit zunehmender Drangsalierung von außen immer dichter zusammen. Doch materiell unterstützen konnten sich sie nicht gegenseitig. Der Fürsorgerin hatten Adele und Hildegard Mayer auch gesagt, dass sie hofften, bald aus Deutschland ausreisen zu können. Sie scheinen es jedoch nicht versucht zu haben.

Charlotte Koopman dagegen war im September 1938 die Flucht aus Deutschland gelungen. Ein Stiefbruder, der bereits vor 1933 in die USA ausgewandert war, stellte ein Affidavit für sie aus. So hatte sie sich im September 1938 zusammen mit ihrem Ehemann Meinhard Koopmann, den sie im Mai 1938 geheiratet hatte, in Sicherheit bringen können.

Am 30. August 1939 heiratete Hildegard Mayer mit 37 Jahren den Kaufmann Arthur Helmuth Sternfeld. Er stammte aus Danzig und für ihn war es die zweite Ehe. Seine erste Ehefrau war die nichtjüdische, am 30. Mai 1900 geborene Ottilie Dora Gebhardt. Beide hatten zusammen eine Tochter, die 1928 geborene Magda. Die Ehe war 1929 geschieden worden. Zusammen mit Hildegard und Adele wohnte Arthur Sternfeld in der Rappstraße 15.

Adele Mayer, Hildegard Sternfeld und Arthur Sternfeld wurden am 25. Oktober 1941 nach Lodz deportiert und kamen dort ums Leben. Adele Mayers Todestag war der 5. April 1942.

Adeles Bruder Isidor Hirschfeld wurde zusammen mit seiner Frau Käthchen am 18. November 1941 nach Minsk deportiert und dort ermordet. Für beide sollen Stolpersteine in Hamburg-St.Georg, Greifswalder Straße 82, verlegt werden (Stand Oktober 2015).
Isidor Hirschfelds Sohn Kurt litt, so die Diagnose der Ärzte, an Schizophrenie. Mit 18 Jahren wurde er im März 1928 aus der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg in die Staatskrankenanstalt Langenhorn verlegt. Dort starb er am 3. März 1939 an Lungentuberkulose.

Albert Mayer wurde am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt und von dort am 26. September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka gebracht, wo er direkt nach der Ankunft ermordet wurde.
Adeles Schwester Martha Hirschfeld wurde von Berlin am 3. Oktober 1942 ebenfalls nach Theresienstadt verbracht. Dort wurde sie am 13. Dezember 1942 ermordet.

Stand: Mai 2016
© Frauke Steinhäuser

Quellen: 1; 4; 5; 8; 9; StaH 332-5 Standesämter 11442 u. 552/1922; StaH 332-5 Standesämter 6643 u. 104/1925; StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge Abl. 1999/2, 1519; StaH 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 2/1995, 17277; Archiwum Panstwowe w Lodzi, Anmelde- und Abmeldedokumente des Gettos Lodz ("Litzmannstadt") für Adele Mayer; Interview mit Charlotte Koopman, One Generation After oral history project, United States Holocaust Memorial Museum, Permanent Collection, Julius & Dorothy Koppelman Holocaust/Genocide Resource Center collection, RG-50.243*0042, online: http://collections.ushmm.org/search/catalog/irn514155 (letzter Zugriff 20.2.2015); "Albert Mayer", holocaust.cz, Opferdatenbank, www2.holocaust.cz/de/victims/PERSON.ITI.17278 (letzter Zugriff 11.10.2015); "Martha Hirschfeld", holocaust.cz, Opferdatenbank, http://www2.holocaust.cz/de/victims/PERSON.ITI.1027807 (letzter Zugriff 11.10.2015)
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".


Isidor Hirschfeld, geb. 29.7.1874 in Bromberg, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk
Käthchen Hirschfeld, geb. Neufeld, geb. 10.6.1887 in Hamburg, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk

letzte Wohnadresse: Greifswalder Straße 82

Das Ehepaar Isidor und Käthchen Hirschfeld betrieb seit mindestens 1928 ein Bettenhaus am Steindamm 64 in St. Georg. Isidor Hirschfeld, der aus der zur Zeit seiner Geburt zum Deutschen Reich gehörenden Provinz Posen stammte, war vor der Ehe mit seiner zweiten Frau Käthchen bereits einmal mit Lina, geb. Treuherz, verheiratet. Aus dieser ersten Ehe gingen die beiden noch in Bromberg 1907 und 1910 geborenen Kinder Charlotte und Kurt hervor. Lina Hirschfeld starb bereits mit 38 Jahren an Lungenentzündung. Die Eltern Isidor Hirschfelds waren Caspar und Auguste Hirschfeld, geb. Meyer. Wann er nach Hamburg gekommen ist und die Hamburgerin Käthchen Neufeld geheiratet hat, ist nicht bekannt.

Die Privatwohnung des Paares befand sich in der Greifswalder Straße 82, nicht allzu weit entfernt von seinem Geschäft. Isidor Hirschfelds Tochter Charlotte absolvierte 1923 die Handelsakademie und arbeitete danach bis 1938 in verschiedenen Firmen als Stenotypistin, Buchhalterin, Kontoristin und Sekretärin. Sie heiratete im Mai 1938 Meinhard Koopmann (geb. 1901), mit dem sie im September desselben Jahres in die USA auswandern konnte. Ob ihr Bruder Kurt der NS-Verfolgung ebenfalls entgehen konnte, ist nicht bekannt. Mein­hard Koopmanns Mutter Fanny, geb. Levy (geb. 1875), und seine Schwester Irma (geb. 1903) konnten im Frühjahr 1941 ebenfalls in die USA auswandern, der Vater Max (geb. 1872) war zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben.

Im Juni 1939 wurden die Eltern Hirschfeld gezwungen, in das "Judenhaus" Dillstraße 15 einzuziehen, wo sie bis zur ihrer Deportation ins Getto Minsk, am 18. November 1941, ihren letzten Hamburger Aufenthalt hatten.

© Benedikt Behrens

Quellen: 1; 4; 8; StaH, 522-1, Jüdische Gemeinden, 992 e 2 (Deportationslisten); AfW, Entschädigungsakte Charlotte Koopmann.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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