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Kurt Walter Lohmann * 1930
Holstentwiete 23 (Altona, Ottensen)
HIER WOHNTE
KURT WALTER
LOHMANN
JG. 1930
EINGEWIESEN 1937
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 10.8.1943
HEILANSTALT MAINKOFEN
ERMORDET 14.2.1945
Kurt Walter Lohmann, geb. 14.6.1930 in Altona, aufgenommen in den Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) am 9.6.1937, "verlegt" am 10.8.1943 in die "Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen" bei Passau, dort gestorben am 14.2.1945
Holstentwiete 23, Altona-Altstadt
Kurt Walter Lohmann kam am 14. Juni 1930 in der Städtischen Entbindungs-Anstalt in der Bülowstraße im damals noch selbstständigen Altona zur Welt. Er war der Sohn des am 22. Dezember 1904 in Itzehoe geborenen Metallschleifers Heinrich Lohmann und seiner Ehefrau Martha, geborene Kneisel, geboren am 1. Januar 1903 in Neuendorf in Mecklenburg. Laut Geburtsregistereintrag wohnte die Familie bei Kurt Walters Geburt in der Palmaille 128 in Altona-Altstadt. Kurt Walter Lohmann war das jüngste von drei Kindern. Sein Bruder Helmuth wurde am 9. Dezember 1926 geboren, der Bruder Heinrich am 28. Dezember 1928.
Kurt Walter Lohmann litt unter Taubheit. Er soll mit eineinhalb Jahren gehen, mit vier Jahren sprechen gelernt haben. Im Alter von zwei Jahren war er mehrmals die Treppe hinuntergefallen. Zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr zeigte sich, dass er sich nicht altersgemäß entwickelte.
Ein Anamnesebogen des Gesundheitsamtes Altona vom April 1937 ist überliefert, in dem festgehalten wurde, dass Kurt Walter Lohmann weder Buchstaben erkennen noch zählen konnte. Es wurde "Angeborene Idiotie" diagnostiziert. ("Idiotie" ist ein veralteter Begriff für eine schwere Form der Intelligenzminderung.)
Am 9. Juni 1937, die Familie wohnte zu diesem Zeitpunkt in der Holstentwiete 22 in Altona, wurde Kurt Walter Lohmann in den Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) aufgenommen. Wir wissen nicht, durch wen die Aufnahme dort veranlasst wurde. Der Anstaltsarzt Dr. Kreyenberg teilte der Hamburger Fürsorgebehörde kurz darauf mit: "Der Patient leidet an einem Schwachsinn höheren Grades. Er braucht Hilfe in der Körperpflege, muss meistens auch gefüttert werden. Gelegentlich ist er recht wild und muss angegurtet werden, meistens ist er jedoch ruhig. Das Kind versteht keine von den Schwestern gestellten Aufforderungen, es interessiert sich jedoch für seine Umgebung und spielt. Seine Bedürfnisse sagt er nicht an. Er spricht nur wenige unverständliche Brocken."
Am Jahresende 1937 wurde er beschrieben als "stets vergnügter und zufriedenen Zögling, der sich stundenlang mit einigen Bauklötzen beschäftigen kann". Diese Schilderung wiederholte sich im Wesentlichen bis Ende 1942. Kurt Walter Lohmann wurde nun aber als "völliger Pflegling" bezeichnet, der fast den ganzen Tag eine Schutzjacke tragen müsse, da er alles anfasse und berieche und sich bei den Mahlzeiten auf das Essen stürze. (Mit einer "Schutzjacke", umgangssprachlich "Zwangsjacke", konnte eine weitgehende Bewegungseinschränkung erzwungen werden.)
Nachdem die Alsterdorfer Anstalten während der schweren Luftangriffe der Alliierten auf Hamburg Ende Juli/Anfang August 1943 ("Operation Gomorrha") Schäden erlitten hatten, nutzte der Leiter der Alsterdorfer Anstalten, SA-Mitglied Pastor Friedrich Lensch, diese Situation und bat die Hamburger Gesundheitsbehörde um Genehmigung für den Abtransport von etwa 750 Anstaltsbewohnerinnen und -bewohnern, weil sie durch die Bombenangriffe obdachlos geworden seien. Daraufhin verließen zwischen dem 7. und dem 16. August 1943 drei Transporte mit insgesamt 469 Mädchen, Jungen, Frauen und Männern Alsterdorf in verschiedene Richtungen, darunter am 10. August 1943 ein Transport mit 113 Männern, Jugendlichen und Jungen mit dem Ziel "Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen" in der Nähe von Passau. Unter ihnen befand sich Kurt Walter Lohmann.
Die Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen, in der vornationalsozialistischen Zeit ein psychiatrisches Krankenhaus, war systematisch zu einer Sterbeanstalt entwickelt worden. Zunächst wurden von dort während der ersten Phase der "Euthanasie"-Morde bis August 1941 Menschen in die Tötungsanstalt Schloss Hartheim in der Nähe von Linz verschleppt und mit Gas ermordet. 606 von ihnen sind namentlich bekannt. Später wurden die Patientinnen und Patienten in Mainkofen selbst ermordet, und zwar durch Nahrungsentzug im Rahmen des "Bayrischen Hungererlasses" (Hungerkost, fleisch- und fettlose Ernährung, in Mainkofen als "3-b Kost" bezeichnet), pflegerische Vernachlässigung und überdosierte Medikamentengaben. Nach dem Wissensstand von 2016 starben 760 Mainkofener Anstaltsbewohnerinnen und -bewohner an Unterernährung. Als angebliche Todesursache wurde insbesondere Darmkatarrh, Tuberkulose, Lungenentzündung bzw. Lungentuberkulose angegeben.
Von den 113 Alsterdorfer Jungen und Männern, die am 12. August 1943 in Mainkofen eintrafen, verstarben 74 bis Ende 1945. Als Todesursache tauchte, wie in anderen Sterbeanstalten auch, immer wieder "Lungentuberkulose" auf, so vierzig Mal bei den 74 der dort verstorbenen Patienten aus Alsterdorf. "Darmkatarrh" wurde fünfzehn Mal als Todesursache genannt. Nur 39 Menschen aus Alsterdorf überlebten das Jahr 1945, davon 15 Erwachsene sowie 24 Kinder und Jugendliche im Alter bis zu 21 Jahren. Die überlebenden Patienten wurden am 19. Dezember 1947 zurück nach Alsterdorf verlegt.
Kurt Walter Lohmann lebte noch eineinhalb Jahre in Mainkofen. Seine Patientenakte enthält jedoch keinerlei Aufzeichnungen darüber, wie es ihm in der fremden Umgebung ergangen ist. Nach dem überlieferten Leichenschau-Schein starb der vierzehnjährige Junge am 14. Februar 1945 an Lungentuberkulose. Kurt Lohmanns Mutter wurde von dem Ableben ihres Sohnes am 20. Februar 1945 lakonisch durch ein Telegramm unterrichtet: "Lohmann Kurt gestorben. Beerdigung heute erfolgt."
Es ist davon auszugehen, dass Kurt Lohmann dem in Mainkofen üblichen Nahrungsentzug zum Opfer gefallen ist.
Stand: Januar 2023
© Ingo Wille
Quellen: Evangelische Stiftung Alsterdorf, Archiv, Bewohnerakte V 469; Michael Wunder, Ingrid Genkel, Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr – Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, Stuttgart 2016, S. 315 ff.