Namen, Orte und Biografien suchen
Bereits verlegte Stolpersteine
Suche
Erika Hoffmann * 1931
Geibelstraße 39 (Hamburg-Nord, Winterhude)
HIER WOHNTE
ERIKA HOFFMANN
JG. 1931
EINGEWIESEN 1934
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 7.8.1943
HEILANSTALT EICHBERG
ERMORDET 6.9.1943
Erika Magda Hoffmann, geb. 21.5.1931, aufgenommen in den damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) am 14.6.1934, abtransportiert in die Landesheilanstalt Eichberg in Hattenheim (heute Eltville, Rheingau) am 7.8.1943, dort gestorben am 6.9.1943
Geibelstraße 39 (Winterhude)
Erika Magda (Rufname Erika) Hoffmann kam am 21. Mai 1931 im Hamburger Institut für Geburtshilfe in der Straße Finkenau zur Welt. Ihre Eltern, der Bauarbeiter Hans Emil Gustav Hoffmann, geboren am 8. März 1898 in Hamburg, und Magdalene Amanda, geborene Bartsch, geboren am 17. Januar 1906 (Geburtsort nicht bekannt), wohnten in der Geibelstraße 39 im Hamburger Stadtteil Winterhude. Erika Hoffmanns Bruder Hans war am 9. Oktober 1929 zur Welt gekommen. Er litt wie seine Mutter an Tuberkulose. Sein weiteres Schicksal kennen wir nicht.
Die lungenkranke Magdalene Amanda Hoffmann musste kurz nach Erikas Geburt in einer Lungenheilstätte behandelt werden. Deshalb befand sich Erika vom 5. Oktober bis 4. November 1931 im Säuglings-Genesungsheim des Uhlenhorster Frauenvereins in der Höltystraße 10 im Stadtteil Uhlenhorst. Das kleine Mädchen kränkelte vom Beginn seines Lebens an. Es kam im April 1932 wegen Knochen-Tuberkulose und Keuchhusten in das Allgemeine Krankenhaus Eppendorf (heute Universitätsklinik Eppendorf, UKE). Der Krankenhausaufenthalt endete erst am 9. Februar 1933.
Erika Hoffmanns Mutter erholte sich nicht mehr von ihrem Lungenleiden. Sie starb am 3. August 1933 an Lungen-Tuberkulose im Allgemeinen Krankenhaus Barmbek. Die zweijährige Erika wurde nun einer älteren Frau zur Pflege anvertraut, die nach den Berichten einer Fürsorgerin "in rührendster Weise" für das Kind sorgte. Die "Pflegemutter" berichtete im Januar 1934 in der Beratungsstelle der Fürsorgebehörde, dass bei Erika zunehmend Zeichen geistiger Schwäche erkennbar würden. Ärztin und Fürsorgerin waren sich dennoch einig, dass die erwogene Unterbringung des Mädchens in den damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) nicht richtig, sondern Einzelpflege für Erika am besten wäre. Dabei scheint ausschlaggebend gewesen zu sein, dass Erika nicht mit anderen Kindern zusammengebracht werden sollte, die von dem "geistig unnormalen Kind alles absehen könnten".
Im Mai 1934 wurde Erika Hoffmann in das Allgemeine Krankenhaus Eppendorf mit der Diagnose "Psychose" eingewiesen. Sie bedurfte der Behandlung wegen Vulvovaginitis (Scheidenentzündung), Knochen-Tuberkulose (linker Unterarm und rechtes Fußgelenk), Lungentuberkulose und des Verdachts auf Nieren-Tuberkulose. Weil Erika Hoffmanns Entwicklung als "weit hinter ihrem Alter zurück" beurteilt wurde, kam es zur einer psychischen Begutachtung. Das Ergebnis lautete "Idiotie". Es hieß zudem, das Kind sei unsauber und müsse gefüttert werden. Durch seine dauernden tierischen Laute und wegen der ständig erforderlichen Pflege könnte es in dem Haushalt des inzwischen wieder verheirateten Vaters so stören, dass eine Einweisung in den Alsterdorfer Anstalten unbedingt angebracht sei.
So geschah es. Erika Hoffmann lebte ab dem 14. Juni 1934 in den Alsterdorfer Anstalten. Sie soll leicht geschielt haben, konnte nicht gehen und nur mangelhaft sprechen. Bei der Aufnahme sei sie aufgeregt gewesen, habe gelacht und viel geweint – angeblich ohne Grund. Wenig später wurde notiert, Erika sei ohne Sprache, gebe aber einige Töne von sich und höre auf ihren Namen. Kurz darauf: sie sei immer ruhig und still, weine nur, wenn sie aus dem Schlaf komme. Mit Hilfe könne sie etwas gehen, beschäftige sich nicht, werfe jegliches Spielzeug fort. Nach einem Besuch ihrer "Pflegemutter" habe sie lange nicht den Kopf von der Tür abgewendet.
1935 konnte Erika einzelne Wörter sprechen und auch Melodien nachsingen. Im Juli 1936 hatten sich Erika Hoffmanns Fähigkeiten soweit entwickelt, dass sie allein laufen konnte. Sie erlitt jedoch einen Krampfanfall, bei dem sie mit starren Augen vornüber stürzte. Erika war dabei nicht bei Bewusstsein. Auch 1937 und in den Jahren darauf wurde wieder von intensiven Anfällen berichtet.
Der letzte Eintrag in Erika Hoffmanns Alsterdorfer Krankenakte datiert vom 16. August 1943: "Verlegt, da die Alsterdorfer Anstalten zerstört sind. Gez. Dr. Kreyenberg".
Während der schweren Luftangriffe auf Hamburg im Sommer 1943 (Operation Gomorrha) erlitten auch die damaligen Alsterdorfer Anstalten in der Nacht vom 29./30. Juli 1943 und dann noch einmal vom 3./4. August 1943 Schäden. Der Anstaltsleiter, SA-Mitglied Pastor Friedrich Lensch, bat die Gesundheitsbehörde um Zustimmung zur Verlegung von 750 Patientinnen und Patienten, angeblich um Platz für Verwundete und Bombengeschädigte zu schaffen. Mit drei Transporten zwischen dem 7. und dem 16. August wurden insgesamt 468 Mädchen und Frauen, Jungen und Männer in die "Landesheilanstalt Eichberg" in Hattenheim (heute Eltville, Rheingau), in die "Landesheilanstalt Kalmenhof" in Idsteinim Rheingau, in die "Landesheilanstalt Mainkofen" bei Passau und in die "Landesheilanstalt Am Steinhof" in Wien verlegt.
Erika Hoffmann gehörte zu den 76 Kindern und Männern, die am 7. August 1943 in die "Landesheilanstalt Eichberg" gebracht wurden.
Die "Landesheilanstalt Eichberg" in Hessen war eine derjenigen Anstalten, die eng mit dem "Euthanasie"-Programm der Nationalsozialisten verwoben waren. Der leitende Arzt der Einrichtung, Friedrich Mennecke, gehörte als Gutachter bei der T4-Zentrale in Berlin und Leiter diverser Ärztekommissionen zu den entschiedenen Befürwortern und Vollstreckern dieses Mordprogramms. In der ersten Phase der Krankenmorde diente die "Landesheilanstalt Eichberg" als eine der zahlreichen Stationen, an denen die Selektierten gesammelt wurden, bevor sie den Weg in die Gaskammern der nahe gelegenen Tötungsanstalt Hadamar antreten mussten.
Nach dem offiziellen Stopp dieser Phase des nationalsozialistischen "Euthanasie"-Programms wurde auch in Eichberg weiter gemordet. Die Patientinnen und Patienten waren sich weitgehend selbst überlassen. Außerdem wurden sie mehr als mangelhaft verpflegt. Oft wurde dem Leben der Kranken durch Injektionen ein Ende gesetzt. Diese Methode war auf der 1940/41 eingerichteten "Kinder-Fachabteilung" der "Landesheilanstalt Eichberg" entwickelt und später auch in anderen Abteilungen dieser Einrichtung eingeführt worden.
Die Alsterdorfer Patientinnen und Patienten kamen, zusammengepfercht in einem Güterwagen, am 8. August 1943 in Hattenheim an und wurden dort "wie Vieh auf LKWs" verladen und zur "Landesheilanstalt Eichberg" gebracht.
Von den 28 Kindern dieses Transports wurden 20 sofort in die "Kinder-Fachabteilung" überwiesen, die übrigen acht folgten nach einem Umweg über die Abteilung für "Frauen-Beobachtung" einige Tage später.
Erika Hoffmann starb am 6. September 1943 in Eichberg, laut Eintrag in das Sterberegister an "Herzschwäche, Verblödung". Sie wurde nur 12 Jahre alt.
Erika Hoffmanns kurzes Leben spielte sich in der Pflegestelle, Krankenhäusern und Anstalten ab, die einzige private Adresse ist die Wohnung in der Geibelstraße 39. Auch wenn sie hier nur wenige Monate lebte, erinnert der Stolperstein dort an sie.
Stand: August 2024
© Ingo Wille
Quellen: StaH 332-5 Standesämter 7149 Sterberegister Nr. 887/1933 (Wilhelmine Magdalene Amanda Hoffmann); Standesamt Erbach (Rheingau), Sterberegister Nr. 486/1943 (Erika Hoffmann); Evangelische Stiftung Alsterdorf, Archiv, Sonderakte V 28 (Erika Hoffmann). Michael Wunder, Ingrid Genkel, Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr – Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, Stuttgart 2016, S. 283 ff., 331 ff.