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Oskar Müller * 1895
Oelkersallee 65 (Altona, Altona-Nord)
HIER WOHNTE
OSKAR MÜLLER
JG. 1895
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
29.11.1937
Paul Adolf Oscar Müller, geb. am 13.11.1895 in Hamburg, Suizid am 29.11.1937 in Hamburg
Oelkersallee 65 (Oelkersallee 91)
Oscar Müller wurde 1895 als Sohn des gleichnamigen Arbeiters und seiner Frau Emmi, geb. Grandke, in Hamburg geboren. Der Vater stammte aus Neustadt, Kreis Oberbarnim in Brandenburg, die Mutter war Hamburgerin. Der Ehe entstammten noch vier Töchter, die zwischen 1892 und 1901 geboren wurden. 1896 zog die Familie von Hamburg nach Altona, Beim Grünen Jäger 24, wo der Vater ein Geschäft für fotografische Vergrößerungen betrieb. 1915 wurde Oscar Müller zum Militär eingezogen und nahm bis 1918 am Ersten Weltkrieg teil, danach arbeitete er 1919 für ein knappes Jahr als landwirtschaftlicher Arbeiter im Raum Wesselburen in Dithmarschen. Später lebte er unter wechselnden Anschriften in Hamburg und Altona, teilweise bei seinen Eltern, und zog 1934 in die Oelkersallee, zunächst Hausnummer 89, dann Nr. 91 in eine Kellerwohnung.
Weitere Details aus Oscar Müllers Leben sind nicht bekannt, lediglich über sein tragisches Ende: Am Sonnabend, dem 27. November 1937 notierte die Hamburger Kriminalpolizei, die Wohnung Müllers sei "überholt", d. h. durchsucht worden, weil dieser "seit langer Zeit in dem Verdacht steht, mit Männern widernatürliche Unzucht zu treiben". Oscar Müller wurde nicht angetroffen, aber der in seinem Bett schlafende Zimmermann Martin Endler, Jahrgang 1916, unter dem Verdacht der Strichjungentätigkeit festgenommen. Bei den Vernehmungen stellte sich heraus, dass Oscar Müller wahrscheinlich seit Anfang November einem Dieb, Erpresser und Strichjungen namens "Paul", angeblich schweizerischer Herkunft, in dem auch von Homosexuellen frequentierten Lokal "Monte Carlo" auf der Reeperbahn in die Hände gefallen war. Dieser "Paul" versetzte im "Monte Carlo" von Oscar Müller gestohlene Kleidungsstücke und war dadurch mit dem Artisten Wilhelm, genannt Willy, Hanssen, Jahrgang 1916, bekannt.
Willy Hanssen hatte sich gegenüber Oscar Müller im Lokal als "Polizist" ausgegeben und heckte zusammen mit Martin Endler und dem Melker Werner Ernst, genannt Herbert, Fügenschuh, Jahrgang 1915, einen besonders perfiden Plan zur Erpressung von Oscar Müller aus: Das Trio gab sich am 20. November 1937 gegenüber Müller als drei Kriminalbeamte aus, legte seinem Opfer einen angeblichen Haftbefehl vor und drohte ihm, wenn er ihnen nicht 40 oder 50 Reichsmark zahle, mit der Verhaftung. Sie führten zwei oder drei Revolver bei sich und bedrohten ihn mit einer der Waffen. Oscar Müller hatte anscheinend geglaubt, echten Kriminalbeamten gegenüberzustehen und hoffte, sich durch die Zahlung von Bestechungsgeld einer Verhaftung entziehen zu können. Er war zunächst nur in der Lage, einen Teil der geforderten Summe zu zahlen und bat die "Polizisten" darum, sich den Rest nach einer Woche abzuholen. Weil zwei der Erpresser, Endler und Fügenschuh, am 26. November eine Schlafgelegenheit fehlte, gaben sie gegenüber Oscar Müller vor, die Wohnung überwachen zu müssen und legten sich, als Müller am nächsten Morgen zur Arbeit gegangen war, in dessen Bett. Dort wurden sie dann von echten Kriminalpolizisten bei der Durchsuchung der Wohnung angetroffen und verhaftet.
Oscar Müller wurde daraufhin ebenfalls festgenommen und nach einem Verhör, in dem er von der Erpressung durch die angeblichen Polizisten berichtete, am 29. November 1937 auf dem Arrestposten im Stadthaus am Mittag um 13.10 Uhr tot aufgefunden. Auf dem nach einer Sektion im Hafenkrankenhaus ausgestellten Totenschein notierte der Gerichtsmediziner Hans Koopmann "Erhängen. Selbstmord".
Stand September 2015
© Bernhard Rosenkranz (†) / Ulf Bollmann
Quellen: AB Altona 1928; StaH, 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 1657/38 und 6099/40; StaH 332-5 Standesämter, 2376 (Eintrag Nr. 3873) und 1069 (Eintrag Nr. 369); StaH 332-8 Meldewesen, A 34/1 (= 741-4 Fotoarchiv, K 4507); StaH 352-5 Gesundheitsbehörde – Todesbescheinigungen, C II 1937 Standesamt 2 Nr. 369; Rosenkranz/Bollmann/Lorenz: Homosexuellen-Verfolgung, S. 238.