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Bruno Nehmert * 1897

Oesterleystraße 27 (vor Schule) (Altona, Blankenese)


HIER LEHRTE
DR. BRUNO NEHMERT
JG. 1897
VERHAFTET 1944
’STAATSFEINDLICHE BETÄTIGUNG’
ZUCHTHAUS FUHLSBÜTTEL
1945 KZ NEUENGAMME
TODESMARSCH BERGEN-BELSEN
TOT 14.4.1945

Dr. Bruno Nehmert, geb. am 6.9.1897, verhaftet am 8.11.1944, Haft in Neuengamme bis zum 14.4.1945, ums Leben gekommen in den Wirren nach der Räumung des KZ Neuengamme, vermutlich beim Todesmarsch nach Bergen-Belsen

Oesterleystraße 27, vor dem Gymnasium Blankenese

Bruno Adolf Nehmert wurde am 6. September 1897 als Sohn des Tischlers Hermann Nehmert in Flensburg geboren. Dort ging er zur Schule und erhielt 1916 das Zeugnis der Oberrealschule. Im selben Jahr eingezogen, kehrte er schwer verwundet aus dem Ersten Weltkrieg zurück. Er hatte den linken Unterschenkel eingebüßt. Schmerzen und Entzündungen des Beinstumpfes sollten ihn ein Leben lang begleiten.

Im Oktober 1917 begann Bruno Nehmert in Kiel ein Lehramtsstudium mit den Fächern Deutsch, Französisch und Englisch, wechselte aber bald an die Marburger Universität, wo er 1921 die Prüfung für die erste Stufe mit Auszeichnung ablegte. Für das Vorbereitungsjahr an der Oberrealschule kehrte Bruno Nehmert nach Flensburg zurück. Neben seiner Unterrichtstätigkeit im "höheren Schuldienste Preußens" – er war im November 1922 vereidigt worden – absolvierte Bruno Nehmert ein Doktorandenstudium, das er im Mai 1923 als Doktor der Philosophie abschloss.

Eine erste Festanstellung als Studienrat erfolgte im April 1926 in Neumünster. 1927 wechselte Nehmert nach Altona, unterrichtete zunächst am Oberlyzeum an der Allee (heute Max-Brauer-Allee), ab 1929 am Realgymnasium, ab 1932 an der Oberrealschule für Jungen in Altona am Hohenzollernring und wurde 1936 als Lehrer für die Fächer Deutsch und Geschichte an die "Oberschule für Jungen Blankenese" in der Oesterleystraße versetzt (heute Gymnasium Blankenese).

In Hamburg lernte Bruno Nehmert seine spätere Frau Ilse, Tochter des Schulleiters Reinhold Zindler, kennen. Ilse Zindler, geboren 1900, arbeitete als Prokuristin. Am 11. August 1932 heiratete das Paar. Die Eheleute wohnten in der Parkallee. Nach der Geburt ihres ersten Kindes, des Sohnes Norman, am 26. Februar 1933 zog die Familie nach Altona. 1934/35 wohnte sie in der Jürgensallee 25 in Nienstedten, 1936/37 in der Von-Werder-Straße 23 in Blankenese, 1938/39 im Kastanienweg 32 in Blankenese und ab 1940 in der Blankeneser Landstraße 58. Am 19. März 1935 kam die Tochter Elke zur Welt.

Im September 1942 bewarb sich Bruno Nehmert für den Auslandsschuldienst. Sein Interesse begründete er damit, er könne so für die "kulturpolitischen Belange des Dritten Reiches" arbeiten. Seine Ehe befand sich in einer Krise, im Herbst 1942 wurden die Eheleute Nehmert geschieden.

Ein Neuanfang gestaltete sich für Bruno Nehmert schwer. Die Bewerbung um ein Lektorat der Abteilung Paris der Deutschen Akademie München wurde ebenso abschlägig beschieden wie sein Gesuch an das Reichserziehungsministerium vom 21. Dezember 1942. Nachdem Oberschulrat Behne Einsicht in die Ehescheidungsakte vom 6. November 1942 genommen hatte, die vom Landgericht Hamburg an die Schulverwaltung geschickt worden war, kam er in einem Gutachten vom 25. Februar 1943 zu dem Schluss, dass "Dr. Nehmert auch als Lehrer nicht weiterhin geeignet erscheint".

Die Schulverwaltung versetzte Bruno Nehmert an die Altonaer Schleeschule, eine Oberschule für Jungen in der Hinrich-Lohse-Straße 151 (vor der Straßenumbenennung durch die Nationalsozialisten und heute Königstraße), an der er bis zu seiner Verhaftung durch die Gestapo im November 1944 unterrichtete.

Die Schulchronik der Oberschule für Jungen in Blankenese vermerkte dazu: "Dr. Nehmert ist später noch an anderen Schulen tätig gewesen. Dann haben wir ihn aus den Augen verloren."

Im Juli/August 1943 flogen alliierte Bomber eine Serie schwerer Luftangriffe auf Hamburg. Bruno Nehmert wurde ausgebombt und verlor seine Wohnung.

Es zeichnete sich ab, dass das Deutsche Reich den Krieg verlieren würde. Das Regime unterdrückte jeden Versuch, "die Geschlossenheit und Kampfeswillen des deutschen Volkes zu zersetzen". Jeder, der Zweifel am Sieg äußerte oder die Berechtigung des Krieges in Frage stellte, sollte sofort festgenommen werden. Mit gleicher Stoßrichtung hatte es bereits in einer internen Denkschrift des Reichsjustizministeriums aus dem Jahre 1940 geheißen, Aufgabe der Justiz sei die "Aussonderung ketzerisch und verbrecherisch eingestellter Elemente, die in kritischer Zeit einen Dolchstoß von hinten gegen die Front versuchen könnten". Zwischen 1939 und 1941 reagierte die nationalsozialistische Justiz mit etlichen neuen Strafbestimmungen, nach denen Deutsche verfolgt werden konnten, die feindliche Sender hörten, sich zweifelnd und kritisch über den Krieg äußerten oder zu Kriegsgefangenen Kontakt aufnahmen. Die Zahl der Gefangenen in den Strafanstalten nahm drastisch zu.

Einer von ihnen war Bruno Nehmert. Auch er hatte feindliche Sender gehört und keinen Hehl daraus gemacht, wie er über das Regime dachte.

Was für ein Mensch war Bruno Nehmert? Dass die zerstörerischen Erfahrungen des Ersten Weltkrieges ihn nicht nur körperlich gezeichnet hatten, brachte er selber zum Ausdruck: "Ich habe in Flandern immer Leichen begraben müssen. Das hat mich innerlich zerstört." Er sei ein "philosophischer Typ" gewesen, schildern ihn andere, die ihn kannten, "bedacht auf wissenschaftliche Fortbildung, innere Verarbeitung der Zeiterscheinungen, sehr empfänglich für die Kultur der europäischen Nachbarvölker, zu denen er mehrfach Studienreisen unternahm."

In der Familie Nehmerts lebte dieses Bild fort. Seine Schwiegertochter Ivanka Nehmert führte aus: "Bruno Nehmert hat weder den Ersten noch den Zweiten Weltkrieg befürwortet. Er sagte immer zu seinen Kindern: ‚Das ist ein Wahnsinn, wir werden diesen Krieg verlieren.‘ Nach allem, was ich gehört habe, war mein Schwiegervater ein sehr kultivierter und neugieriger Mensch. Er liebte Diskussionen. Er sagte immer, was er dachte, obwohl man ihm sagte, halt den Mund, das ist gefährlich." Sie beschrieb ihn auch als einen Menschen, der das Leben genießen konnte: "Er liebte guten Wein und Gewürze, die er sich per Express aus Ungarn schicken ließ."

1937 war Bruno Nehmert der NSDAP beigetreten, wie sein Sohn Norman 1947 im Fragebogen zur Ausstellung des Ausweises für Hinterbliebene politisch, rassisch oder religiös durch das Naziregime Verfolgter vermerkte. Die Frage, ob sein Vater für die NSDAP, deren Gliederungen oder angeschlossene Verbände tätig geworden sei, verneinte Norman Nehmert. Die Beweggründe für die Parteimitgliedschaft sind unklar. Im selben Jahr schloss Bruno Nehmert Freundschaft mit dem Hamburger Rechtsanwalt Max Finck, der eine Haft im KZ Fuhlsbüttel hinter sich hatte. Mit ihm traf er sich im Hamburger Weltwirtschaftsarchiv, einem Treffpunkt auch für andere NS-Gegner.

Im Wiedergutmachungsverfahren nach dem Krieg wurde anerkannt, dass Bruno Nehmert Verfolgter des nationalsozialistischen Regimes und seine Parteizugehörigkeit durch seinen späteren Widerstand gegen das Regime und durch die gegen ihn gerichteten Verfolgungsmaßnahmen ausgeglichen worden sei.

Was zeichnete Bruno Nehmerts Lehrerpersönlichkeit aus? Die Personalakte enthält eine Beurteilung durch den Direktor der Schleeschule vom 26. Januar 1943: "Er beherrscht nicht nur seine Unterrichtsfächer gründlich, sondern arbeitet stetig in ihnen weiter und bereitet sich auf seine Stunden gewissenhaft vor. Der Kreis seiner geistigen Interessen geht weit über seine Fächer hinaus. [...] So reißt sein Unterricht seine Schüler mit fort. [...] Die Schüler erhalten nicht nur eine gründliche fachliche Förderung, sondern auch fruchtbare Anregungen und Zielweisungen. Dies kommt besonders zur Geltung in der freien Arbeitsgemeinschaft, die er jetzt in der Klasse 8 leitet, über Nietzsche. [...] Sicher ist er kein bequemer Lehrer, sondern steht den Schülern mit strengen Forderungen gegenüber." Eine solche Grundhaltung mochte auch für das Kollegium seiner Schule unbequem gewesen sein. Ehemalige Kollegen wussten denn auch weniger Gutes über Bruno Nehmert zu berichten. Sie beklagten sich über seine "ironische Art, seine Neigung zum Spott", und hoben hervor, dass er viel "Krach hatte mit Schülern und Eltern". Auch habe er eher Umgang mit jüngeren Menschen, Referendaren, gepflegt, die älteren Kollegen jedoch durch seine Art auf Abstand gehalten. So scheint Bruno Nehmert innerhalb seines Kollegiums eher als Außenseiter gegolten zu haben.

In der Nacht vom 8. zum 9. November 1944 nahm ein Fahndungskommando der Gestapo Bruno Nehmert in der Wohnung in der Theaterstraße 1 fest, in der er bei Hertha Rink, einer guten Freundin, zur Untermiete wohnte, und brachte ihn ins Konzentrationslager Fuhlsbüttel. Als Verhaftungsgrund wurden in einem Schreiben an die Schulverwaltung vom 16. November 1944 "staatsfeindliche Betätigung und Abhören von Feindsendern" angegeben. Außerdem sei in der Wohnung "perverse Pornographie" gefunden worden. Mit einer Haftentlassung sei vorläufig nicht zu rechnen. Auch sei nicht beabsichtigt, ihn dem Gericht zuzuführen. Er werde in ein Lager gebracht. Oberschulrat Behne wurde zudem aufgefordert, eine "eingehende Beurteilung des Genannten zu übersenden".

Zur Verhaftung des ehemaligen Kollegen vermerkte die Schulchronik des Gymnasiums Blankenese: "Dr. Nehmert war stets ein großer Spötter, der, man kann wohl sagen, fast alles und alle ironisierte und verspottete. In seinen Äußerungen war er immer sehr unvorsichtig und völlig unbeherrscht. So musste denn eines Tages das kommen, was wir immer befürchteten. Im November 1944 wurde er [...] von der Gestapo verhaftet." Vielleicht ist es auch berechtigt zu vermuten, dass dieser Kollege beunruhigte, erschreckte und sie, denen es primär um Vermeidung von Schwierigkeiten, Zurückhaltung und verständnisvolle Zusammenarbeit mit den Schaltstellen des Schullebens und der gleichgeschalteten Öffentlichkeit ging, das Fürchten lehrte. Im Schularchiv fehlen Dokumente aus den Jahren 1942 bis 1945. Sie sind ebenso verschwunden wie die Konferenzbücher der Jahre 1942 bis 1945. So bleibt Vieles im Dunkeln. Ein Lehrer der Schule berichtete, man sei bestraft worden, wenn man das Thema auch nur anschnitt. "Nehmerts Verschwinden wurde komplett totgeschwiegen."

Die Lehrerschaft blieb nach seiner Verhaftung angepasst. Die Schulchronik berichtete: "Irgendwelche Schwierigkeiten entstanden im Kollegium nicht. Die verständnisvolle Zusammenarbeit des Kollegiums ging ungestört weiter. Auch mit der Leitung der hiesigen Ortsgruppe der Partei ergaben sich keine Zwistigkeiten. […] So blieb die Schule und das Schulleben vor Erschütterungen verschont, vor allem auch durch die vorsichtige Zurückhaltung der einzelnen Mitglieder des Kollegiums und die geschickte, diplomatische Art unseres Direktors."

Während des Nationalsozialismus war der Schulunterricht nicht nur in Altona und Hamburg geprägt von nationalsozialistischer und antisemitischer Ideologie; zum Schulalltag gehörten Fahnenappelle, Hitlergruß und nationalsozialistisches Liedgut, jüdische Schüler und Schülerinnen wurden ausgegrenzt und angegriffen. Kritik wurde unterdrückt.

Der verhaftete Bruno Nehmert erhielt von Regierungsrat Artur Carlsson eine Abschrift des Antrags, den die Schulbehörde umgehend an den Reichsstatthalter gerichtet hatte. So wurde er ordnungsgemäß über die gegen ihn eingeleiteten Maßnahmen in Kenntnis gesetzt: Einleitung eines Dienststrafverfahrens, vorläufige Dienstenthebung, Bestellung von Regierungsrat Carlsson zum Untersuchungsführer und die Einbehaltung der Hälfte seiner Dienstbezüge.

Ende März 1945 erhielt Schulsenator Karl Witt nähere Informationen zu den Maßnahmen gegen Bruno Nehmert. In einem Schreiben von Gauinspektor Helmuth Becker wird die ihm zur Last gelegte Äußerung wörtlich wiedergegeben: "Na warten Sie nur eine kurze Zeit. Über die Regierenden ist schon das Urteil gesprochen. Das Todesurteil wird bald gefällt. In kurzer Zeit sitzen auf den Behörden unsere Männer."

Diese verhängnisvollen Worte führten zur Anweisung des Reichssicherheitshauptamtes, Bruno Nehmert zu verhaften und ins Konzentrationslager zu bringen.

Sie belegen die Haltung eines Mannes, der "immer ein Außenseiter" war. "Er konnte seinen Mund nicht halten. Er musste immer seine Meinung sagen. Er war hundertprozentig gegen das Regime, das war ganz klar." So wurde Bruno Nehmert später von seiner Tochter Elke beschrieben, die neun Jahre alt war, als sie ihren Vater verlor und ihn so aus den Gesprächen der Familie in Erinnerung hat.

Doch wer denunzierte Bruno Nehmert bei den NS-Verfolgungsbehörden? Bereits Ende Mai 1945 wurde die Unterrichtsbehörde von der Freien Lehrergewerkschaft Hamburg aufgefordert, das Schicksal des Lehrers Bruno Nehmert aufzuklären und "den Namen des Lehrers zu nennen, der die Anzeige gegen Dr. Nehmert erstattet hat". In diesem Zusammenhang wurde auch auf eine Auseinandersetzung Nehmerts mit Oberschulrat Behne am Tag vor der Verhaftung verwiesen. Es ist nichts darüber bekannt, ob diese Untersuchung stattgefunden hat. So bleibt weiterhin ungeklärt, ob die Denunziation aus der Lehrerschaft kam oder ob es vielleicht ein Schüler seiner Klasse war, der Bruno Nehmert anzeigte. Nach einer Mitteilung der Tochter Elke hatte die frühere Ehefrau später solches gemutmaßt. Ilse Nehmert hatte nach dem Krieg zunächst geglaubt, Bruno Nehmert habe sich im Juni 1944 im Sprechzimmer seines Arztes in dieser verhängnisvollen Weise geäußert. Der Arzt sei daraufhin von einem Patienten unter Druck gesetzt worden, ihm Nehmerts Namen zu nennen, woraufhin dieser Patient Nehmert denunziert habe.

Nach Ende des Krieges wandte sich Ilse Nehmert mit der Bitte um Unterstützung an die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN). Es ging ihr vor allem um die Klärung von Bruno Nehmerts Schicksal. Am 15. Mai 1946 schrieb sie an den Such- und Meldedienst des Komitees ehemaliger politischer Gefangener und bat darum zu prüfen, ob auch nach dem "Ermessen" des Komitees ihr früherer Ehemann "nicht mehr am Leben" sein könne. Dieser sei am 25. März 1945 von Fuhlsbüttel nach Neuengamme transportiert worden und von dort nach Bergen-Belsen. Sie benannte einen Zeugen, Rudi Mauermann, der gemeinsam mit ihrem Ex-Ehemann in Neuengamme gewesen war. Bruno Nehmert sei in Belsen nicht angekommen, er sei auf dem Transport ums Leben gekommen. Sie habe seit über einem Jahr keine Nachricht von ihm erhalten.

Im Bemühen der VVN, des Such- und Meldedienstes und nicht zuletzt der Familie und Freunde, das Schicksal des Vermissten aufzuklären, wurden unterschiedlichste Spuren verfolgt.

Max Finck unternahm alles, den Verbleib des Freundes aufzuklären und die Angelegenheit der Familie vor Gericht zu vertreten. Bereits am 10. Oktober 1945 übergab er der VVN Aufzeichnungen seiner Gespräche mit Männern, welche bezeugten, Bruno Nehmert gekannt zu haben, und aussagten, wie er zu Tode gekommen sei. Doch in diesem entscheidenden Punkt wichen die Zeugenaussagen erheblich voneinander ab.

Heinrich Hoffmann, verhaftet wegen staatsfeindlicher Tätigkeiten und Abhörens von Auslandssendern, berichtete, Nehmert sei, noch bevor die Häftlinge auf den Fußmarsch gezwungen worden seien, am 2. oder 3. Mai 1945 in Sandbostel als "Marschunfähiger aussortiert und erschossen" worden.

Paul Nowak, bis zu seiner Verhaftung 1933 Redakteur des "Vorwärts" in Berlin und seitdem ununterbrochen im Konzentrationslager, erklärte, Nehmert sei von Sandbostel nach Stade gebracht, von dort aus mit einem Dampfer nach Flensburg transportiert worden und am 29. April 1945 eingetroffen. Mit Hilfe des Roten Kreuzes habe man dann die Kranken und Marschunfähigen, darunter auch Bruno Nehmert, in Autos nach Norden gebracht.

Paul Mora sagte aus, er habe "sichere Nachricht über ihn", seiner Meinung nach sei Bruno Nehmert noch am Leben, würde jedoch von den Engländern zurückgehalten und dürfe sich nicht melden.

Peter Diekmann, ein ehemaliger KZ-Häftling, der später als Krankenpfleger in Neuengamme arbeitete, berichtete, Bruno Nehmert sei erst am 25. oder 26. März ins KZ Neuengamme eingeliefert worden, um dann am 8. April 1945 mit einem Transport von 2018 Häftlingen nach Bergen-Belsen geschickt zu werden. Dort habe man aber die Annahme des Transports verweigert, da sich die britische Armee bereits näherte. Nach einer Odyssee über Neuengamme, Bremervörde, Sandbostel, Stade und wieder Bremervörde hätten die Häftlinge, die diese Strecken überwiegend in Fußmärschen bewältigen mussten, schließlich am 21. April ein Schiff bestiegen, das sie durch den Kanal nach Flensburg bringen sollte. Bruno Nehmert sei völlig entkräftet und auf die Hilfe seiner Kameraden angewiesen gewesen. In Flensburg habe der Kapitän die Weiterfahrt verweigert, sodass die Häftlinge, nachdem nochmals aussortiert worden war, mit einem anderen Schiff nach Lübeck und von dort aus nach Schweden verbracht worden seien. Seitdem fehle jede Nachricht von diesem Transport.

Bereits zehn Tage nach Ilse Nehmerts Schreiben bescheinigte die VVN: Die seit Juni 1945 betriebene Suchaktion habe ergeben, dass Bruno Nehmert sich im April 1945 im Lazarett des KZ Neuengamme befunden habe. Am 14. April 1945 sei ein Transport mit "über 2000 Kranken und invaliden Häftlingen" zusammengestellt worden, dem auch Bruno Nehmert zugeteilt wurde. Am selben Tag habe sich dieser Transport mit dem Ziel Bergen-Belsen in Marsch gesetzt, es jedoch nicht bis zum Lager geschafft. Nach zehn Tagen des Umherirrens unter schlechtesten Bedingungen hätten die Häftlinge schließlich Sandbostel, ein Kriegsgefangenen- und KZ-Auffanglager in der Nähe von Bremervörde, erreicht. Die Zahl der Überlebenden wurde durch Hungertyphus und andere Krankheiten dezimiert. Der Bericht schließt mit dem Satz: "Da die Toten nicht registriert wurden und die Ermittlungen nach Bruno Nehmert ergebnislos blieben, muss angenommen werden, dass Dr. Nehmert zu den Opfern des erwähnten Transportes gehört."

Die genauen Umstände von Bruno Nehmerts Tod bleiben im Dunkeln.

Bruno Nehmert wurde "auf den 14. April 1945" amtlich für tot erklärt. Die Todeserklärung des Amtsgerichts Hamburg, ausgestellt am 29. Oktober 1946, stellte einen Zusammenhang zwischen seiner Verhaftung und einer angeblichen Beteiligung am gescheiterten Versuch eines Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944 her. Tatsächlich war Bruno Nehmerts engster Freund, der Hamburger Rechtsanwalt Max Finck, wegen Beihilfe zum Hochverrat um die Geschehnisse des 20. Juli 1944 verhaftet und verurteilt worden.

Vor dem Gymnasium Blankenese liegt ein Stolperstein für Bruno Nehmert; Schüler und Schülerinnen des Gymnasiums beteiligten sich an einem Forschungsprojekt zur Geschichte des ehemaligen Lehrers.

Auch liegt ein Stolperstein für Bruno Nehmert an der Rothenbaumchaussee 157, wo er offenbar nach seiner Scheidung wohnte.

Stand September 2015

© Bärbel Rose

Quellen: StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 19467 (Nehmert, Bruno); http://bbf.dipf.de/kataloge/archivdatenbank, BBF/DIPF/Archiv, Gutachterstelle des BIL – Personalkartei der Lehrer höherer Schulen Preußens, Personalbogen Bruno Nehmert, Zugriff 25.3.2014; KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Auskunft zu Bruno Nehmert, 14.4.2014; VVN-BdA Hamburg, Archiv, Aktenbestand des Komitees ehemaliger politischer Gefangener, Komitee-Akte Bruno Nehmert; Hoch, Bruno Nehmert, S. 267–271; Dr. Bruno Nehmert – Ein Leben, ein Skandal. Beitrag von SchülerInnen des Gymnasiums Blankenese zum Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten 2009/10, in: Körberstiftung (Hrsg.), Skandale in der Geschichte, darin: Auszug aus der Schulchronik des Gymnasiums Blankenese von 1982; Korrespondenz mit Ivanka Nehmert, Schwiegertochter, April 2014; Gespräch mit Elke Nehmert, Tochter, April 2014.

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