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Stolperstein für Ruth Allen
© Holger Alfer

Ruth Allen * 1934

Wohlers Allee 28 (Altona, Altona-Altstadt)


1937 Flucht Holland
1942 deportiert nach Auschwitz
ermordet

Weitere Stolpersteine in Wohlers Allee 28:
Fritz Michael Allen, Julia Allen, Evelyn Allen, Fanny Silberberg, Siegmund Silberberg

Evelyn Allen, geb. am 11.1.1938 in der Emigration in Amsterdam, deportiert nach
Auschwitz am 15.7.1942, ermordet
Fritz Michael Allen, geb. am 11.8.1907, 1937 Flucht nach Holland, deportiert nach Auschwitz am 15.7.1942, ermordet im Dezember 1942
Julia Allen, geb. Silberberg, geb. am 21.9.1907, 1937 Flucht nach Holland, deportiert nach Auschwitz am 15.7.1942, 1944 deportiert nach Ravensbrück, gestorben
Ruth Allen, geb. am 13.11.1934, 1937 Flucht nach Holland, deportiert nach Auschwitz am 15.7.1942, ermordet

Wohlers Allee 28 (Wohlersallee)

Zwar gelang der Familie Allen aus Altona 1937 die Emigration nach Holland, jedoch konnte sie sich nicht mehr vor der 1942 auch in den deutsch besetzten Niederlanden einsetzenden Judenverfolgung retten.
Fritz Michael Allen kam am 11. August 1907 in Hamburg als Sohn von Louis und Minna Allen, geb. Ruben, zur Welt. Seine Mutter, geboren 1875, stammte aus Hamburg. Die Vorfahren der Familie väterlicherseits waren aus Amerika nach Hamburg eingewandert. Dr. Louis Allen war beeidigter Chemiker und betrieb zusammen mit Dr. M. H. Auerbach in der Catharinenstraße 25 in Hamburg ein Handelslaboratorium, ein Speziallabor für die Öl-, Fett- und Gerberei-Industrie. Fritz Allen hatte zwei ältere Brüder: Hans, geboren am 15. Juni 1900, und Kurt, der zwei Jahre vor ihm am 6. Oktober 1905 zur Welt gekommen war, sowie einen jüngeren Bruder namens Ernst, geboren am 3. Oktober 1911.

Die Familie wohnte in Hamburg im Nonnenstieg 13. Im Jahr 1917, als Fritz zehn Jahre alt war, starb sein Vater. Er ließ seine Frau Minna als wohlhabende Witwe zurück, die ihrem Sohn Fritz eine kaufmännische Ausbildung ermöglichen konnte. In den 1920er Jahren wohnte Minna Allen mit ihren Söhnen in Lokstedt im Behrkampsweg 11. Im Mai 1931 zog die Familie nach Hamburg in die Husumerstraße 8.

Anfang der 1930er Jahre heiratete Fritz Allen die gleichaltrige Julia Silberberg. Sie stammte aus Altona, wo sie am 21. September 1907 als Tochter von Siegmund und Fanny Silberberg (s. dies.) geboren worden war. Das Ehepaar Allen gründete ab 1932 einen eigenen Hausstand in der Wohlersallee 28. Das Haus gehörte dem Vater von Julia Allen, der eine Großschlachterei betrieb. Das Gebiet an der Wohlersallee bzw. um die Johanniskirche herum hatte sich zu einer gutbürgerlichen Altonaer Wohngegend entwickelt, wo mittelständische Gewerbetreibende, Handwerker und Kaufleute, aber auch höhere Beamten, Ärzte und Rechtanwälte wohnten. Zudem hatten sich viele aus dem Osten zugewanderte Juden hier niedergelassen; kleine orthodoxe Synagogen waren in der Wohlersallee 62 und in der Adolphstraße 69 (heute Bernstorffstraße) eingerichtet worden.

Am 13. November 1934 kam die Tochter Ruth des Kaufmanns Fritz Allen und der Hausfrau Julia Allen zur Welt. Ab 1937 wurde Fritz Allen in der Kultussteuerkarte als "Angestellter" geführt.

Der älteste Bruder Kurt Allen hatte sich schon früher selbstständig gemacht; er war als Kaufmann am Neuen Wall 74 im traditionsreichen Kontorgebäude "Paulsenhaus" tätig. Seine Frau Selma, geb. Posner, brachte im August 1936 den Sohn Bernd zur Welt.

Doch die kaufmännische Tätigkeit der Brüder nahm ein Ende, als mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten jüdische Unternehmen boykottiert und Juden aus den Berufen gedrängt wurden. Der jüngere Bruder Ernst Allen emigrierte schon 1934 nach Palästina, nachdem er als der einzige jüdische kaufmännische Angestellte der Firma Bruno Schaps am Jungfernstieg 24 entlassen worden war.

Zwischen 1933 und 1941 emigrierten zehn- bis zwölftausend Juden und Jüdinnen aus Hamburg. Eine erste Auswanderungswelle setzte unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ein, nach der Verabschiedung der Nürnberger Gesetze 1935 folgte eine zweite. Auch Fritz und Julia Allen begannen ihre Auswanderung vorzubereiten.

Am 12. Oktober 1937 reisten sie und die kleine Tochter nach Holland aus. Kurt Allen emigrierte am selben Tag nach Holland, von wo ihm zwei Monate später, am 12. Dezember 1938, die Weiterreise nach Palästina gelang. Möglicherweise wollten Fritz und Julia Allen es ihm gleichtun und per Schiffspassage von Amsterdam ausreisen.

Doch Julia Allen war schwanger. Am 11. Januar 1938 wurde in Amsterdam die Tochter Evelyn geboren.

Nach der Besetzung der Niederlande durch die deutsche Wehrmacht 1940 war eine Emigration kaum noch möglich. Im Februar 1941 wohnte die Familie in Amsterdam in der Volkerakstraat 22. Im Juli 1942 begannen die deutschen Besatzer, holländische und aus Deutschland immigrierte Juden und Jüdinnen zu deportieren. Bei Großrazzien holten deutsche und niederländische Polizisten diejenigen, die den als Arbeitseinsätze getarnten Aufrufen nicht freiwillig gefolgt waren oder sich versteckt hielten, aus ihren Häusern.

Familie Allen wurde am 15. Juli 1942 von Amsterdam aus ins Sammellager Westerbork transportiert. Im Dorf Hooghalen, fünf Kilometer vom Lager entfernt, musste sie den Zug verlassen und bis Westerbork zu Fuß laufen. Das zentrale Durchgangslager Westerbork nutzten die nationalsozialistischen Besatzer für die Deportation der Juden aus den Niederlanden. Dort wurden die Allens registriert und bekamen etwas zu essen. Nach ein bis zwei Stunden ging es wieder auf den Zug, der sie ins Vernichtungslager Auschwitz im besetzten Polen transportierte. Das war der erste Transport aus Westerbork; insgesamt 1135 Menschen mussten die tagelange Fahrt antreten. Am 16. oder 17. Juli kamen sie in Auschwitz an.

In der Regel wurden die Deportierten dort unmittelbar nach der Ankunft in den Gaskammern ermordet, vor allem Kinder und ältere oder nicht mehr arbeitsfähige Menschen. Julia Allen wurde nach dem Krieg mit Datum 17. Juli 1942 für tot erklärt. Die Tochter Ruth musste im Alter von sieben Jahren sterben, Evelyn wurde nur vier Jahre alt. Fritz Allen wurde laut Gedenkbuch des Bundes mit Datum 3. Dezember 1942, laut dem Erinnerungsprojekt "Jewish Monument Community" in den Niederlanden mit Datum 30. Dezember 1942 für tot erklärt.

Fritz Allens Neffe, Jehuda Claus Allen, Jahrgang 1927, der Sohn von Hans (später Henry) Allen und Johanna Allen, geborene Simon, gelangte 1938 elternlos mit dem letzten Transport der Jugend-Alija nach Palästina, wo sich sein Onkel Ernst Allen um ihn kümmerte. Die Eltern hatten sich getrennt, der Diplomingenieur Hans Allen war nach dem Novemberpogrom 1938 im KZ Sachsenhausen inhaftiert gewesen und anschließend nach England emigriert. Die Mutter hatte den Jungen ins Jüdische Knabenwaisenhaus am Papendamm gegeben. Johanna Allen wurde 1941 nach Lodz deportiert, wo sie ums Leben kam.

Siegmund Silberberg, Julia Allens Vater, geb. am 23. März 1874 in Hamburg, wurde am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und von dort am 21. September weiter nach Treblinka, wo er ermordet wurde.
Minna Allen, Fritz Allens Mutter, gelang es 1938 nach Palästina auszuwandern. Sie verstarb 1965 in Israel.

Stand September 2015

© Birgit Gewehr

Quellen: 4; 5; 8; AB Altona; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 36678 (Allen, Ernst), und 2845 (Allen, Minna); FZH/WdE 650, Jehuda Claus Allen, 8.6.2000; Informationen von Guido Abuys, Kamp Westerbork; Informationen von: In Memoriam – Nederlandse oorlogsslachtoffers, Nederlandse Oorlogsgravenstichting (Dutch War Victims Authority), ‘s-Gravenhage (courtesy of the Association of Yad Vashem Friends in Netherlands, Amsterdam).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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