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Bereits verlegte Stolpersteine



Hermann Cerini, um 1907
© Sherwin Cerini

Hermann Cerini * 1886

Parkallee 4 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
HERMANN CERINI
JG. 1886
VERHAFTET 1940
ZUCHTHAUS FUHLSBÜTTEL
DEPORTIERT 1943
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET

Siehe auch:

Weitere Stolpersteine in Parkallee 4:
Hermann Breslauer, Selma Breslauer

Hermann Cerini, geb. 26.1.1886 in Zagorow, 1940–1942 Gefängnis Fuhlsbüttel, deportiert 23.6.1943 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 28.10.1944 nach Auschwitz

Parkallee 4 (Harvestehude)

Hermann Cerini wurde 1886 im ehemals polnischen Ort Zagórów an der Warthe als "Hersz Sztejfman" geboren. Sein Geburtsort war 1793 im Zuge der Zweiten Polnischen Teilung von Preußen annektiert worden, war ab 1815 nach dem Wiener Kongress Teil von Kongresspolen und ab 1831 Teil des russischen Zarenreichs. Seine Schwester Rosa kam 1884 in Gabin (Russisch-Polen), sein Bruder Fritz (1890-1919) in Berlin (Lothringerstraße 60) und sein Bruder Arthur Abraham (1900-1989) in Breslau zur Welt. Da die Staatsbürgerschaft des Vaters auch auf dessen eheliche Kinder übertragen wurde, waren Rosa, Hermann und Fritz russische Staatsbürger, während Arthur aufgrund der Einbürgerung (Naturalisation) des Vaters (1893) die deutsche Staatsbürgerschaft besaß.

Sein Vater Selmar (Salomon) Steifmann (Cerini) (1860-1923), stammte aus Wulka/ Gouvernement Lomza (Russisch Polen) und hatte seinen Militärdienst im russisch-tatarischen Kasan abgeleistet. Er fungierte ab 1879 als Synagogen-Kantor in Zagorow bei Kalisch und lebte ab 1887 in Breslau. Nach einer dreijährigen Gesangsausbildung an der Berliner Hochschule für Musik war er ab 1891 Opernsänger (Tenor) am Stadttheater Breslau sowie ab 1893 (nach dem Wechsel von der russischen zur deutschen Staatsbürgerschaft) Oberkantor an der Neuen Synagoge der Jüdischen Gemeinde in Breslau (Schweidnitzer Stadtgraben, gegenüber dem Stadttheater). Er hatte sich bereits den Zweitnamen Cerini zugelegt.

Hermanns Mutter Rivkah "Regina" Cerini, geb. Bornstein (1860-1907), Tochter von Abraham Bornstein und Ester, geb. Grin, stammte aus Gombin (Russisch-Polen). Sie starb in Breslau. Familie Cerini war 1887 in die schlesische Metropole Breslau gezogen und wohnte dort u.a. von 1900 bis 1923 am Schweidnitzer Stadtgraben 8.

Hermann Cerini besuchte in Breslau das Johannes-Gymnasium sowie das nahe dem Wohnhaus gelegene König-Wilhelms-Gymnasium. Er studierte anschließend zwei Jahre lang (bis 1904) Musik am Konservatorium in Breslau und machte danach auf Wunsch seines Vaters in Breslau eine kaufmännische Lehre (1904-1907); im September 1907 wurde er in einem amtlichen Dokument als "Handlungsgehilfe" ( = Commis, kaufmännischer Angestellter) bezeichnet.

Aus dieser Zeit ist in Breslau aber auch ein öffentlicher Auftritt von Hermann Cerini bekannt: am 15. Dezember 1906 veranstaltete die Breslauer Zionistische Vereinigung ein Makkabäer-Fest, auf dem er eine Sängerin am Klavier begleitete. Dies deutet darauf hin, dass er sich neben dem Brotberuf auch weiterhin der Kunst widmete. Zwischen den beiden Polen Kunst und kaufmännische Tätigkeit sollte Hermann Cerini in wirtschaftlicher Krisenzeit noch verschiedentlich wechseln. Schon bei seinem Auftritt im Dezember 1906 nannte er sich mit Hauptnamen Cerini, den sein Vater als Namenszusatz verwendete. Die Jüdische Gemeinde in Hamburg vermerkte allerdings 1927 auf seiner Kultussteuerkarte hinter Cerini "richtig Steifmann", und in den Hamburger Emigrationsakten wurde er als "Hermann Steifmann (Cerini)" geführt.

Sein Vater heiratete 1910 in Posen in zweiter Ehe die verwitwete Klavierlehrerin Cäcilie (Lina) Finkelstein, geb. Neufeld, Witwe des Kantors Finkelstein aus Leipzig.

Hermann Cerini arbeitete von 1907 bis 1919 an verschiedenen Bühnen als Kapellmeister. Er soll 1907 in Hamburg beim Volksschauspielhaus (ehemals Tivoli Theater) am Besenbinderhof 50/ Norderstraße 101/103 begonnen haben, das nach umfangreichen Sanierungsarbeiten am 26. November 1907 von Direktor Heinrich Gahl unter neuem Namen eröffnet wurde. (Das Volkstheater bot im November und Dezember 1907 allerdings nur Sprechtheater und keine Musikstücke an.) Danach war Hermann Cerini in Bautzen (1908), Paderborn (1908), Lüdenscheid (1909), Luzern (1910), Gleiwitz (1911), Essen (1912), Danzig (1913-1914) sowie am Stadttheater Kattowitz (u.a. 1919) tätig.

Kriegsbedingt kam es ab 1914 im Kulturbetrieb des Kaiserreichs zu personellen und finanziellen Einschränkungen. Allerdings konnte weder in Bautzen noch in Paderborn, Luzern oder Kattowitz eine Einwohnermeldekarte von ihm ermittelt werden, so dass hier Angaben zur genauen Aufenthaltsdauer fehlen. Bei der ersten Station seines künstlerischen Wirkens konnte seine Tätigkeitsbezeichnung und damit auch sein Aufgabengebiet über einen Frankfurter Zeitungsartikel bestätigt werden. Rund fünfzehn Monate später führte ihn das Melderegister Lüdenscheid für drei Monate als Schauspieler mit russischer Staatsangehörigkeit. Für die Orte Bautzen, Luzern, Gleiwitz, Essen und Danzig ist seine Kapellmeistertätigkeit durch den Neuen Theater-Almanach belegt. Vermutlich war es wie schon bei seinem Vater (im Jahre 1893) problematisch, als Ausländer in einer Einrichtung angestellt zu werden, die teilweise staatlicher Aufsicht unterstand. Hermann Cerini jedenfalls wurde zwischen 1909 und 1914 deutscher Staatsbürger.

Im Dezember 1917 wurde Hermann Cerini (laut Urteil von 1940) zum Militär eingezogen, wegen Schwerhörigkeit aufgrund einer Gehörverkalkung aber wieder entlassen. Sein Bruder Fritz Steifmann, der als Buchhalter in der Schweiz (Davos) lebte, war um 1908 zum Landsturm ausgemustert worden, hatte sich 1914 als Kriegsfreiwilliger gemeldet und war im März 1915 als Schütze einer Maschinengewehr-Abteilung für felddienstuntauglich erklärt worden. Am 3. September 1918 erhielt er eine Kriegsauszeichnung, am 23.September 1919 starb er an Tuberkulose (Tbc), die aus seiner Kriegszeit stammen soll.

Nach dem Ersten Weltkrieg war Hermann Cerini 1919 in Kattowitz als Direktor des dortigen Stadttheaters tätig. Durch Zeitungsinserate sind aus dieser Zeit zwei Gastspiele vom Juni 1919 im Zaborze Konzerthaus (Zabrze/ Schlesien) und im Stadttheater Gleiwitz bekannt, die Hermann Cerini leitete und bei denen auch Rosa Robitschek Gast-Tänzerin auftrat. Möglicherweise lernten sich die beiden hier kennen. Im März 1921 fand in Oberschlesien eine Volksabstimmung über den Verbleib im Deutschen Reich statt – Kattowitz wurde danach dem neu gegründeten polnischen Staat zugeschlagen.

Hermann Cerini zog nun nach Leipzig und arbeitete dort anfänglich in seinem erlernten kaufmännischen Beruf. Zusammen mit seinem vierzehn Jahre jüngeren Bruder Arthur betrieb er von 1923 bis 1924 das Metall-Büro GmbH Gohlis (Neu- und Altmetalle), Hallische Str. 71 in Leipzig-Gohlis, die auch als Hermann Cerinis Wohnadresse angegeben war. Arthur Steifmann, genannt Cerini, wohnte in der Menckestraße 16. Die Brüder waren 1924 Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Leipzig. Ob Hermann Cerini sich nebenberuflich als Musiker betätigte, ist nicht bekannt.

1922 heiratete Hermann Cerini in Leipzig Rosa Maria Robicek/ Robitschek (geb. 3.9.1890 in Brünn/Brno in Mähren), die als Ballerina in Basel (1910-1911), Mannheim (1912-1915) und Straßburg (1918-1919) sowie als Ballettmeisterin am Landestheater in Schwerin (1921-1922) tätig war. Seine katholische Ehefrau trat mit der Heirat zum Judentum über. 1925 zogen die Eheleute mit dem Sohn Raffael (geb. 9.4.1924 in Leipzig) nach Hamburg; wo der zweite Sohn Joachim (geb. 9.9.1926 in Hamburg) geboren wurde.

1925 bis 1926 erhielt Hermann Cerini in Hamburg ein Engagement als Kapellmeister bei der Nordischen Rundfunk AG (NORAG), dessen Studio sich im Gebäude des Fernmelde- und Postamtes Hamburg 13 in der Schlüterstraße (Rotherbaum) befand. Es folgten ab circa 1926 Engagements als Musiker in Hamburger Stummfilm-Kinos sowie Cafes. Mit dem Beginn des Tonfilms ab 1929 schwanden die Beschäftigungsmöglichkeiten für Kinomusiker. Dazu kamen die Weltwirtschaftskrise und die Sitzplatzüberkapazitäten der Hamburger Kinos. In dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit soll er wieder den Beruf gewechselt haben und nun von 1930 bis 1932 als Haus- und Hypothekenmakler gearbeitet haben. Das Amtliche Hamburger Fernspruch von 1931 (Stand Juni 1931) wies ihn aber noch mit der Berufsangabe Kapellmeister aus. Und auch im Adressbuch von 1932 war er so verzeichnet.

Seit 1927 wurde Hermann Cerini als Mitglied der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg geführt. Die beiden Söhne wurden in der Volksschule Binderstraße (Rotherbaum) eingeschult, ein späterer Wechsel auf ein Gymnasium war geplant. Nach der "Machtergreifung" der NSDAP wurden jüdische Schüler aus den öffentlichen Schulen gedrängt; dabei wurden die Vorstellungen des NS-Staats teilweise auch aktiv von Lehrern und Schülern unterstützt. Raffael und Joachim Cerini mussten nun auf die Talmud Tora Schule (Grindelhof 30) wechseln. Mit dem "Gesetz gegen die Überfüllung der deutschen Schulen und Hochschulen" von Reichinnenminister Wilhelm Frick vom 25. April 1933 schufen die Nationalsozialisten die juristische Grundlage um Juden auch von höheren Schulen zu verweisen und ihnen das Studium zu verwehren.

Familie Cerini wohnte in Hamburg in der Methfesselstraße 69/ Eimsbüttel (1927–1928), Pöseldorferweg 25/ Rotherbaum (1929 – November 1933) und Parkallee 6 Parterre/ Harvestehude (Nov. 1933–1939).

Nach der Regierungsbeteiligung der NSDAP 1933 wurden Hermann Cerini öffentliche Auftritte durch restriktive antijüdische Bestimmungen unmöglich gemacht. Die Reichsmusikkammer wurde im November 1933 als Abteilung der Reichskulturkammer gebildet und unterstand dem Reichspropagandaministerium. Mitglied konnte nur werden, wer einen "Ariernachweis" erbringen konnte, die Mitgliedschaft war jedoch Voraussetzung für eine Auftrittsgenehmigung. 1933 war Hermann Cerini weitgehend arbeitslos. Er konnte nur versuchen, im jüdischen Umfeld aufzutreten. Am 14. Januar 1934 dirigierte er im Curiohaus den ersten öffentlichen Auftritt für die "Jüdische Orchester- und Kammermusik-Vereinigung von 1933", die er selbst aus Berufsmusikern und Amateuren gegründet hatte. Die Proben wurden in seiner Wohnung in der Parkallee abgehalten.

Von Sommer 1934 bis Juli 1939 spielte er für monatlich 100 Reichsmark die Orgel am liberalen Tempel in der Oberstrasse. Am 14. März 1935 begleitete er an der Orgel die Einweihung der Synagoge der Portugiesisch-Jüdischen Gemeinde in der Innocentiastraße 37. Zusammen mit dem Sänger und Gesangslehrer Wolfram Charles Garden (eigentlich Polack, 1882-1950) gründete Hermann Cerini im September 1935 die "Jüdische Künstlergruppe" in Hamburg, deren Mitglieder keine oder nur geringe Auftrittsmöglichkeiten beim Jüdischen Kulturbund erhalten hatten – die Gruppe wurde 1938 aus dem "Reichsverband der Jüdischen Kulturbünde" ausgeschlossen und aufgelöst. Wolfram Garden wohnte mit seiner US-amerikanischen Ehefrau, der Sängerin Johanna Garden, geb. Gruber (1887-1974), von 1935 bis zur Emigration 1940 in der Werderstraße 34 Parterre bei der Kassiererin Magdalene Thiemann, ganz in der Nähe von Hermann Cerini.

Die notierten Beiträge auf Hermann Cerinis Kultussteuerkarte weisen für die Jahre 1936 bis 1938 auf Jahreseinkünfte von 1.800 RM bis 2.100 RM hin, vermutlich hatte er noch zusätzliche Einkünfte als Musiker oder Musiklehrer. Bei der Devisenstelle gab er für diesen Zeitraum ein versteuertes Einkommen von 2.100 RM bis 2.700 RM an. In einer Vermögensaufstellung vom Januar 1939 führte das Ehepaar Cerini an Musikinstrumenten auf: 1 Flügel, 1 Harmonium, 1 Grammophon.

Die Nationalsozialisten stuften, nach den von ihnen festgelegten "rassischen Kriterien", das Ehepaar Cerini ab Dezember 1938 als "nicht-privilegierte Mischehe" ein, da die Ehefrau bei der Heirat 1922 zum Judentum konvertiert war. Der ältere Sohn war 1938 konfirmiert worden (die zu diesem Anlass erhaltene Chrom-Armbanduhr und Chrom-Taschenuhr nahm er zehn Monate später in die USA mit).

Am 11. August 1938 beantragte Familie Cerini beim Hamburger Passamt (das dem Polizeipräsidenten unterstand) Reisepässe für die Emigration in die USA. Ende Oktober 1938 lagen diese vor, wurden vom Passamt jedoch nicht ausgehändigt, "weil die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes und der Devisenstelle fehlt." Die fehlende behördliche Freigabe dürfte mit Forderungen der Hamburger Sparkasse von 1827 zusammen gehangen haben. Ein Angestellter der dortigen Rechtsabteilung schrieb am 14. Oktober 1938 an die Devisenstelle eine knappe Mitteilung: "Wir teilen Ihnen hierdurch mit, dass unser Schuldner, der Volljude Hermann Cerini, Hamburg, Parkallee 6, beabsichtigt auszuwandern. Herr Cerini schuldet uns noch etwa RM 1.000. Bevor Ausreiserlaubnis und Unbedenklichkeitserklärung erteilt wird, bitten wir Sie, Herrn Cerini zu veranlassen, seine Verpflichtungen bei uns zu regeln."

Zwei Monate später schien die Angelegenheit für das Kreditinstitut geklärt zu sein und der Sparkassenangestellte schrieb am 22. Dezember 1938 an Hermann Cerini: "In Ihrer Darlehensangelegenheit nehmen wir Bezug auf die mündliche Besprechung in unserem Sekretariat. Wir sind bereit, unsere Forderung gegen Sie fallen zu lassen. Der Verzicht auf die Geltendmachung unserer Forderung gegen Sie erfolgt mit Rücksicht auf die von Ihnen geplante Auswanderung und hat nur Gültigkeit für den Fall, daß die Auswanderung auch wirklich erfolgt." Welche behördliche Einrichtung oder Parteigliederung auf diese für die Sparkasse negative Entscheidung Einfluss genommen hat, war den Akten der Devisenstelle nicht zu entnehmen.

Aufgrund der administrativen Behinderungen emigrierten erst einmal die beiden 12 und 14 Jahre alten Söhne im Februar 1939 allein in die USA. In New York kümmerten sich der Bruder Arthur und eine Cousine von Hermann Cerini um die Kinder. Im Mai 1939 beantragte Hermann Cerini für seine in New York lebenden Söhne monatlich 20 RM schicken zu dürfen (Devisenausfuhrgenehmigung), was zwei Wochen später von der Devisenstelle (F3) des Oberfinanzpräsidenten abgelehnt wurde.

Hermann Cerini versuchte nun im April 1939 erst einmal ohne seine Ehefrau nach England zu emigrieren, da er sich in größerer Verfolgungsgefahr befand. In der Akte der für Emigrationen zuständigen Devisenstelle wurde notiert: "Zunächst nur Informationsreise 4 Wochen bis etwa Ende Mai 39. Frau bleibt hier." Für die Reisekosten hatte die deutsche Kunstsammlerin und Mäzenin Valerie Alport, geb. Mankiewicz (1874-1960) aus London (9 Caroline Place) eine Überweisung von 400 RM zugesagt, wofür eine Genehmigung der Devisenstelle Berlin einzuholen war. Auf seiner Kultussteuerkarteikarte war bereits unten rechts der Vermerk "U.B." (Unbedenklichkeitsbescheinigung) für die geplante Ausreise nach London notiert worden. In der am 8. Juli 1939 eingereichten Gepäckliste waren neben Kleidungsstücken auch ein Hörapparat (von 1933), ein Hörapparat (von 1939), eine Schreibmaschine, ein Fotoapparat sowie Brief- und Notenpapier aufgelistet.

Die Devisenstelle lud ihn am 11. Juli 1939 telefonisch zu einer Befragung vor. Es folgte die Verhaftung des 53jährigen Hermann Cerini am 19. Juli 1939. Damit setzte der NS-Staat dessen Emigrationsbemühungen ein Ende. Die staatlichen Behörden ermittelten gegen ihn wegen des Tatbestandes der "Rassenschande". Damit erhielten Polizei und Gerichte die Möglichkeit im Sinne der Nationalsozialisten Haftstrafen gegen Juden zu verhängen, die intime Kontakte zu Nichtjüdinnen gehabt hatten oder denen dies unterstellt wurde. Hermann Cerini sollte mit einer Schülerin ein Verhältnis angefangen haben. Er kam in das "Untersuchungsgefängnis Große Bleichen", wie seine Ehefrau später zu Protokoll gab (vermutlich handelte es sich um den Gebäudekomplex Große Bleichen 23-27 "Kaisergalerie", in dem diverse staatliche Stellen Räume hatten, u.a. Arbeitsamt, Amt für Kriegsopfer, Baupolizeiamt und ein Kommando der Schutzpolizei im III. Stock). Die Gefängnisverwaltung vermerkte auf ihrer Karteikarte den 1. August 1939 als Einlieferungstag und eine undatierte spätere Überstellung in das Zuchthaus Fuhlsbüttel.

Das Landgericht Hamburg verurteilte Hermann Cerini im Februar 1940 wegen "Rassenschande" zu drei Jahren Zuchthaus. Der Vorsitzende Richter Wehlen, die Beisitzenden Richter Dauwes und (Assessor) Müller sowie der Staatsanwalt Horstmann sahen einen schweren Verstoß gegen das Blutschutzgesetz, was sich auch im Strafmaß wiederspiegelte. Ihre Begründung lautete: "Bei der Strafzumessung fällt straferschwerend ins Gewicht, daß der Angeklagte als verheirateter Mann überhaupt zu einer wesentlich jüngeren deutschblütigen Frau Beziehungen angebahnt hat, obwohl er überdies noch zur Zeit des Beginns der Bekanntschaft ihr Lehrer und Ausbilder war. Straferschwerend ist weiter zu berücksichtigen, daß der Angeklagte bei der jüdischen Gemeinde angestellt wurde. Er war also besonders eng mit dem Judentum verbunden. Wenn er sich trotzdem noch nach Erlass der Nürnberger Gesetze….." (usw).

(Richter Hermann Wehlen (1903–1969), seit 1933 Mitglied der NSDAP und der SA, war seit 1939 zusätzlich auch juristischer Mitarbeiter am Gaugericht der NSDAP (Parteiehrengericht) und wechselte im Juli 1941 als Richter zum Hanseatischen Sondergericht; dort war er u.a. für fünf Todesurteile verantwortlich. Richter Ernst-August Dauwes (geb. 1910), bereits seit 1931 Mitglied der NSDAP, schloss 1936 sein Jurastudium ab, war seit 1937 Richter am Parteiehrengericht, seit 1939 Landgerichtsrat und seit Juni 1940 auch am Sondergericht tätig.)

Nach Ende der dreijährigen Haftstrafe wurde Hermann Cerini nicht entlassen, sondern ab dem 22. Juli 1942 als "Schutzhäftling" geführt. Seine geplante Deportation in ein Konzentrationslager wurde aufgrund seines sehr schlechten Gesundheitszustandes verschoben. Am 7. Oktober 1942 soll er kurzzeitig ins Jüdische Krankenhaus verlegt worden sein. Seine letzte Hamburger Adresse lautete Schäferkampsallee 29 (Eimsbüttel). Das dortige Pflegeheim der Deutsch-Israelitischen Gemeinde wurde 1942 von der Gestapo zu einem "Judenhaus" erklärt, in dem Juden für die geplanten Deportationen einquartiert wurden. Ab 15. September 1942 wurde das Jüdische Krankenhaus aus der Johnsallee 68 und 54 hierher verlegt.

Während der dreijährigen Haft hatte sich seine Ehefrau nicht von ihm scheiden lassen. Erst die drohende Deportation in ein Konzentrationslager und die Versprechungen der Gestapo, ihn bei einer Scheidung in einem minder schweren Lager zu internieren, führten zu einer Meinungsänderung. Gleichzeitig bestand für die nichtjüdische Ehefrau bei einer Scheidung die Aussicht, von den antijüdischen Repressionen entbunden und wieder als Teil der "arischen Volksgemeinschaft" angesehen zu werden. Die Ehe wurde am 2. Oktober 1942 wegen ehewidriger Beziehungen von Hermann Cerini geschieden. Rosa Cerini wurde durch die Rechtsanwaltspraxis von Oswald Barber (1877-1951) und seinem Sohn Percy Barber vertreten.

Hermann Cerini verzichtete darauf, sich von einem "jüdischen Konsulenten" vertreten zu lassen. Im Scheidungsurteil wurde notiert "er sei mit der Scheidung nicht einverstanden, er könne den ihm gemachten Vorwurf allerdings nicht bestreiten, die Klägerin (seine Ehefrau) habe ihm jedoch verziehen." Rosa Cerini trat laut Kultussteuerkartei am 28. Januar 1943 aus dem Jüdischen Religionsverband aus.

Die Hamburger Gestapo deportierte Hermann Cerini nach dreijähriger Haft am 23. Juni 1943 ins Getto Theresienstadt, von dort wurde er am 28. Oktober 1944 ins Vernichtungslager Auschwitz weiterdeportiert. Für ihn wurde 2009 ein Stolperstein in der Parkallee 4 verlegt.

Seine Schwester Rosa Jospe, geb. Steifmann (Cerini) (geb. 23.1.1884 in Gabin) heiratete 1906 in Breslau den Kantor Josef Jospe (geb. 27.7.1878 in Rogowo) und lebte mit ihm in den schlesischen Städten Bunzlau, Glatz und Oppeln. Zum Zeitpunkt der Volkszählung vom Mai 1939 lebten sie in der Ludwigstraße 11 (heute Powstańcow) in Oppeln auf der Oder-Insel Pascheka. Josef Jospe war von 1918 bis zu seinem Tod 1939 Kantor der jüdischen Gemeinde in Oppeln. Ein Jahr nach seinem Tod verzog Rosa Jospe nach Berlin, wo ihr ältester Sohn Erwin Jospe (1907-1983) seit 1927 lebte und Musikwissenschaft studierte (er emigrierte im März 1938 mit Ehefrau und Tochter in die USA). Rosa Jospe wohnte in Berlin-Wilmersdorf in der Helmstedter Str. 23 zur Untermiete bei Miriam Olitzki (geb. 29.4.1880 in Berlin), im Haus lebten weitere Angehörige der Familie Jospe; bis zu seiner Emigration hatte hier auch ihr Sohn Erwin Jospe gewohnt. Rosa Jospe wurde am 12. Januar 1943 von Berlin in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet. An sie erinnert eine Acrylglastafel am Haus Helmstedter Straße 23.

Hermann Cerinis Bruder Arthur Cerini (geb. 9.6.1900 in Breslau) war von Nationalsozialisten schwer misshandelt worden. Die Kopfverletzungen hatten einen Hörschaden zur Folge, an dem er zeitlebens litt. Arthur Cerini gelang im Mai 1937 die Emigration von Hamburg in die USA, laut Passagierliste lebte er vor seiner Ausreise in Frankfurt. Von seiner bereits in die USA emigrierten Cousine Betty Lean, geb. Barr/ Bornsiak (1892-1976) erhielt er eine Bürgschaft, die er für eine Einreise benötigte. 1944 wurde er in den USA eingebürgert.

Seine Ehefrau Rosa Cerini reiste 1947 von Bremen in die USA aus, wo sie 1953 eingebürgert wurde und 1976 starb.

Stand: Mai 2020
© Björn Eggert

Quellen: StaH (Staatsarchiv Hamburg) 213-11 (Landgericht Hamburg), 59507 (ehemals 1242/40, Hermann Steifmann); StaH 221-11 (Staatskommissar für die Entnazifizierung), 42558 (Ernst-August Dauwes); StaH 221-11 (Staatskommissar für die Entnazifizierung), Z 2765 (Hermann Wehlen); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), FVg 3184 (Raffael u. Joachim Steifmann); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), R 1938/2567 (Hermann Steifmann gen. Cerini "Sicherungsmaßnahmen"); StaH 314-15 (Oberfinanzpräsident), FVg 5730 (Hermann u. Rosa Cerini); StaH 324-1 (Baupolizei), K 540 (Akte der Hamburger Feuerwehr, betrifft Besenbinderhof 50 Theater, 1894-1924); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 46969 (Rosa Cerini); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 8270 (Rosa Cerini/ Steifmann); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 47061 (Jack Cerini); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 8271 (Ralph Cerini); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 8272 (Jack Cerini); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 9461 (Johanna Garden); StaH 361-2 II (Oberschulbehörde II, Höheres Schulwesen), Abl. 2007/1, 96 (Privatunterricht Gesang, Wolfram Garden, 1933-1939); StaH 522-1 (Jüdische Gemeinde), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch Israelitischen Gemeinde Hamburg) Hermann Cerini; StaH 741-4 (Fotoarchiv), Rollfilm A 262 (eigentlich 242-1 II, Gefängnisverwaltung II, Hermann Cerini); StaH 741-4 (Fotoarchiv), S 11660 (Hamburger Fremdenblatt, 26.11.-29.11.1907, 1.12., 6.12., 8.12., 12.12., 20.12.1907, Aufführungen des Volksschauspielhauses, darin Cerini nicht verzeichnet); Gedenkbuch Koblenz, Hermann Steifmann Cerini, Rosa Jospe; Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) Berlin, Akte 338.487 (Rosa Jospe geb Steifmann-Cerini); Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) Berlin, Akte 62.226 (Dr. Alfred Jospe); Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) Berlin, Akte 326.021 (Erwin Jospe); Israelitische Religionsgemeinde Leipzig, Wählerliste 1924 (Steifmann-Cerini, Handelsbevollmächtigter, Menckestr. 22; Hermann Steifmann gen. Cerini, Kaufmann, Hallische Str. 71; Rosa Steifmann gen. Cerini, Ehefrau, Hallische Str. 71); Stadtarchiv Leipzig (Heiratsregister Leipzig III Nr. 489/1922, Hermann Steifmann u. Rosa Maria Robicek); Stadtarchiv Lüdenscheid, Einwohnermeldekartei (EMK), Hermann Steifmann (5.1.1909 – 7.4.1909); Landeshauptarchiv Schwerin, Mecklenburgisches Landestheater in Schwerin (Rosa Robitschek); Yad Vashem, Page of Testimony, Hermann Cerini, Rosa Jospe; Archivum Państwowe we Wrocławiu (Geburtsurkunde Breslau 1299/1900 Arthur Steifmann; Heiratsurkunde Breslau 171/1906, Joseph Jospe u. Rosa Steifmann; Sterbeurkunde Breslau 1069/1907 Regina Steifmann-Cerini); Recherchen Karin Müller; Bettina Frankenbach, Hermann Cerini, in: Claudia Maurer Zenk/ Peter Petersen (Hrsg.), Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit, Universität Hamburg, 2008; Helga Gläser, Erwin Jospe, in: Claudia Maurer Zenk/ Peter Petersen (Hrsg.), Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit, Universität Hamburg, 2008; Franklin Kopitzsch/ Daniel Tilgner (Hrsg.), Hamburg Lexikon, Hamburg 2010, S. 488/489 (NDR/ Norag); Karl-Josef Kutsch/ Leo Riemens, Großes Sängerlexikon, Band 4, München 2003, S. 788/789 (Selmar Cerini); Meyers Lexikon, Band 5, Leipzig 1926, S. 1059/1060 (Handlungsgehilfe); Ina Lorenz/ Jörg Berkemann, Die Hamburger Juden im NS-Staat 1933 bis 1938/39, Göttingen 2016, Band II, S. 710-711 (2.2. Der Hamburger Jüdische Kulturbund); Beate Meyer, "Jüdische Mischlinge". Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933-1934, Hamburg 2007, S. 30, 68-69; Heiko Morisse, Jüdische Rechtsanwälte in Hamburg, Ausgrenzung und Verfolgung im NS-Staat, Hamburg 2003, S. 117 (Oswald Barber); Wilhelm Mosel, Wegweiser zu ehemaligen jüdischen Stätten in Hamburg, Heft 2, Hamburg 1985, S. 25-30 (Schäferkampsallee 27, 29); Barbara Müller-Wesemann, Theater als geistiger Widerstand: Der Jüdische Kulturbund in Hamburg 1934-1941, Stuttgart 1997, S. 237-238 (Cerini, Garden); Peter Petersen, Juden im Musikleben Hamburgs, in: Arno Herzig/ Saskia Rohde (Hrsg.), Die Juden in Hamburg 1590-1990, Hamburg 1991, S. 305 (Hermann Steifmann/ Cerini); Neuer Theater-Almanach 1909-1914 (Cerini und Robitschek); Hamburger Adressbuch (Cerini) 1928, 1929, 1930, 1932; Hamburger Adressbuch (Große Bleichen 23-27) 1939; Hamburger Adressbuch (Werderstraße 34) 1939; Hamburger Telefonbuch 1931 (Hermann Cerini, Kapellmeister); Leipziger Adressbuch 1922, 1924 (Hermann Cerini); Frankfurter Israelitisches Familienblatt 6.9.1907 (Hermann Cerini Kapellmeister in Hamburg beim Volks-Schauspielhaus), 11.1.1907 (Hermann Cerini bei Makkabäer-Fest); Breslauer Lokal-Anzeiger/ Jüdische Volkszeitung, 21.6.1918 (25jähriges Dienstjubiläum von Selmar Cerini); Oberschlesischer Wanderer, 15.6.1919 (Anzeige für Großen Opern- und Operettenabend im Zaborze Konzerthaus/ Kentnowski, mit Cerini und Robitschek), 17.6.1919 (Anzeige zu Gastspiel im Stadttheater Gleiwitz, mit Cerini und Robitschek), 1.10.1919 (Anzeige zu Gastspiel "Die Prinzessin vom Nil" im Hüttengasthaus Antonienhütte, Leitung Hermann Cerini/ Direktor Kattowitzer Operettenhaus); Pharus-Stadtplan Breslau 1905 (Nachdruck); http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/directory.html.de?result#frmResults; http://selmarcerini.com/scmusic/; www.ancestry.de (Arthur Steifmann, Passagierliste SS Washington, 18.5.1937 Abfahrt in Hamburg, 26.5.1937 Ankunft in New York); www.ancestry.de (Arthur Cerini: US-Einbürgerungsregister 1944, US-Sterbeindex 1989); www.ancestry.de (Raffael / Ralph Cerini: 1944 US-Einbürgerung, 1993 US-Sterbeindex); www.ancestry.de (Rosa Cerini/ Rosa Steifmann: Januar 1947 Passagierliste der S.S. ‚Ernie Pyle‘ von Bremen nach New York; 1976 US-Sterbeindex); www.tracingthepast.org (Volkszählung 1939), Josef Jospe, Rosa Jospe; https://www.hamburg.de/clp/dabeigewesene-begriffserklaerungen/clp1/ns-dabeigewesene/onepage.php?BIOID=49&bezirke=3&ortsteil=5 (Ernst-August Dauwes); Der Tagesspiegel (Berlin), Das Haus war ihr Schicksal (Helmstedter Straße 23), 16.4.2015; www.stolpersteine-hamburg.de (Iwan Franck).

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