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Lina Cossen (geborene Stern) * 1871

Isestraße 93 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
LINA COSSEN
GEB. STERN
JG. 1871
FLUCHT 1939
HOLLAND
INTERNIERT
DEPORTIERT 1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Weitere Stolpersteine in Isestraße 93:
Valeska Hertz, Rosa Lion, Lilly Margulies, Norbert Margulies, Ursel Margulies

Lina Cossen, geb. Stern, geb. 26.6.1871 in Bremen, 1942 von Holland nach Auschwitz deportiert

1892 kam Lina Stern aus ihrer Geburtsstadt Bremen nach Hamburg. Sie heiratete Salomon Cossen und ein Jahr später wurde ihr Sohn Fritz geboren, nach sieben Jahre erblickte die Tochter Else das Licht der Welt. Die Familie wohnte in der Schröderstiftstraße, später in der Eppendorfer Landstraße.

Salomon Cossen baute eine gut gehende Firma auf, "S. Cossen, Gold- und Juwelierartikel en gros". Sohn Fritz bereitete sich nach seinem Schulabschluss, dem "Einjährigen" an der Oberrealschule "Vor dem Holstentor", 1909 mit einem Fachstudium für die Edelmetallbranche in Pforzheim auf seinen Eintritt in die väterliche Firma vor. Ob er im Ersten Weltkrieg als Soldat diente, erfahren wir aus unseren Quellen nicht, wohl aber, dass er gleich nach Kriegsende als Mitinhaber an der Firma seines Vaters beteiligt wurde.

Salomon Cossen starb 1927. Als Witwe zog Lina Cossen wahrscheinlich 1932 in die Isestraße 93 und lebte dort etwa drei Jahre lang. Bis 1939 wechselte sie noch drei Mal ihr Heim, ihre letzte Adresse in Hamburg war die Klosterallee 47. Nach dem Tode seines Vaters war Fritz Cossen Alleininhaber des Handelsbetriebes. Bis 1933 beschäftigte die Firma bis zu zehn Mitarbeiter, zeitweise vier Reisende und sechs fest Angestellte. Danach bekam die Firma die Einschnitte, die die nationalsozialistischen Repressalien mit sich brachten, zu spüren, und die Einnahmen gingen deutlich zurück.

Fritz Cossen lebte nicht mehr bei seiner Mutter, er und seine Schwester hatten inzwischen eigene Familien gegründet. Fritz war mit Gerda Mowschowitz verheiratet, am 20.9.1923 kam seine Tochter Ellen zur Welt. Seit 1936 besaß seine Frau eine eigene Karte in der Kultussteuerkartei der Jüdischen Gemeinde, woraus zu entnehmen ist, dass die Ehe geschieden wurde. Während Gerda Cossen im März 1939 in die USA auswanderte, blieb Ellen in der Obhut ihres Vaters zurück.

Else Cossen hatte den Geschäftsmann Louis Weinstein aus Jever geheiratet. Zwei Kinder wur­den ihnen geboren, im Mai 1921 die Tochter Inge und knapp ein Jahr später ihr Bruder Ralph-Hans. Am 2. Mai 1934 wanderte die Familie nach Holland aus, wohin Louis Weinstein offenbar geschäftliche Beziehungen unterhielt. Am Silvestertag 1938 folgte ihnen Louis Weinsteins Mutter, die verwitwete Helene Weinstein.

In Hamburg zurückgeblieben, wurde Fritz Cossen von der Verhaftungswelle nach der Pogromnacht am 9. November 1938 erfasst und kurzeitig inhaftiert. Am 30. November 1938 entzogen ihm die nationalsozialistischen Behörden die Geschäftsführung und die Vertretungsbefugnis für seine Firma, ein Treuhänder wurde bestellt, um die "Übergabe der Firma in arische Hände vorzubereiten". Immer noch schrieb das Geschäft schwarze Zahlen, am 31. Dezember 1938 vermeldete der Treuhänder einen Saldo von 27433,74 RM. Anfang Februar 1939 wurde die Firma für 15460 RM verkauft und am 16. Februar 1939 war "S. Cossen Gold- und Juwelen" endgültig in "arische" Hände übergegangen.

Kurze Zeit darauf wurde Fritz Cossens Vermögen unter "Sicherheitsanordnung" gestellt, er durfte für sich, seine Toch­ter und seine Mutter über 1000 RM monatlich verfügen. Mit aller Kraft setzte er sich jetzt für die Auswanderung ein. Im März 1939, dem Monat, in dem seine Frau auswanderte, beantragte er 557 RM für seine Mutter und seine Tochter. Am 5. Mai teilte er der Devisenstelle mit, dass seine Mutter unerwartet schnell die Einreiseerlaubnis in die Niederlande erhalten habe. Ihm wurden dafür noch einmal 500 RM genehmigt. Nun liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren, das Umzugsgut, die Wertgegenstände, Schmuck und Bestecke, mussten angemeldet werden. Es gab die übliche genaue Prüfung mit der Beanstandung, dass bei 12 Kuchengabeln nicht angegeben worden war, dass die Griffe aus Silber waren. Lina Cossen hatte das übersehen. Eine "Sicherheitsanordnung" wurde für sie nicht erlassen, weil sie kein nennenswertes eigenes Vermögen besaß.

So erhielt sie am 22. Mai 1939 die "Unbedenklichkeitsbescheinigung", die ihr die Ausreise erlaubte. Am 24. Juni 1939 wurde ihre Habe von einer Spedition auf direktem Weg per Schiff befördert, Lina Cossen reiste mit dem Flugzeug nach Amsterdam, wo sie gewiss von ihrer Tochter empfangen wurde.

Ihrem Sohn Fritz gelang es, vor Kriegsbeginn nach England zu entkommen, wo seine Tochter schon zuvor Aufnahme gefunden hatte. In einem letzten Antrag an die Devisenstelle zählte er auf, wofür er vor seiner Abreise noch einmal etwa 800 RM Unkosten hatte. Das Geld hatte er sich zunächst geliehen, und zwar vom Käufer seiner Firma. Daraus kann man schließen, dass er den "Arier", der die Firma übernahm, wahrscheinlich persönlich kannte. Er musste die Miete für seine eigene Wohnung und die seiner Mutter weiter zahlen, weil er nicht rechtzeitig kündigen konnte, er brauchte Geld für Abschiedsbesuche und -geschenke und für seine Hunde, die er in Pension gab. Zudem ließ er das Grab seines Vaters in Ordnung bringen und veranschlagte eine Summe für private Filme, die er zur Erinnerung gedreht hatte.

In Amsterdam lebte Lina Cossen im Soestdijkscheweg 180, wahrscheinlich im Kreise ihrer Familie, noch dreieinhalb Jahre. Sie wurde von dort nach Auschwitz deportiert und am 11. Dezember 1942 ermordet. Über das Schicksal der Kinder in Amsterdam wissen wir nichts.

© Christa Fladhammer

Quellen: 1; 2; AfW 100693; www.joodsmonument.nl/person-473084-en.html.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.

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