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Rosa Cohn * 1882
Lübecker Straße 102 (Hamburg-Nord, Hohenfelde)
HIER WOHNTE
ROSA COHN
JG. 1882
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET
Weitere Stolpersteine in Lübecker Straße 102:
Rudolph(f) Cohn
Rosa Cohn, geb. am 17.5.1882 in Lübeck, deportiert am 19.7.1942 in das Getto Theresienstadt, am 15.5.1944 in das KZ und Vernichtungslager Auschwitz verbracht, dort ermordet
Rudolf Cohn, geb. am 16.1.1888 in Lübeck, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk, dort zu Tode gekommen
Lübecker Straße 102
Das Ehepaar Sara und Moritz Cohn hatte vier Kinder, ein Mädchen und drei Jungen: Rosa, Iwan, Rudolf und Bruno. Moritz Cohn war 1843 geboren worden, seine Eltern hießen Ephraim Herz und Rosalie, geborene Guthmann. Seine Frau Sara kam aus Schwerin und stammte ebenfalls aus einer Familie Cohn. Ihr Mann und sie waren jedoch nicht verwandt. Moritz Cohn arbeitete in Lübeck als Großhändler für Papierwaren und Blaufarben. Letztere dienten zum Kolorieren von Glas, Keramik, Stoffe und Papier. Darüber hinaus betrieb er unter derselben Geschäftsadresse ein Lotteriegeschäft. In Lübeck waren auch alle vier Kinder zur Welt gekommen: Dreieinhalb Jahre nach Rosa wurde Iwan geboren, gefolgt drei weitere Jahre später von Rudolf und weitere zwei Jahre später, 1890, von Bruno.
Bereits um 1910 wanderte Iwan Cohn im Alter von 25 Jahren nach Schweden aus. Dort änderte er seinen Vornamen in Iwar. Um 1917 verließen auch Rosa, Rudolf und Bruno zusammen mit ihren Eltern Lübeck und zogen nach Hamburg-Hohenfelde in die Lübecker Straße 102. Bruno heiratete 1919 die zwei Jahre ältere, ebenfalls jüdische Clara Laser. Sie lebte in Harburg, das damals noch nicht zu Hamburg gehörte, sondern als Teil der Provinz Hannover zu Preußen. Bruno zog zu ihr und beide bekamen im Jahr nach der Hochzeit, 1920, eine Tochter, der sie den Namen Hildegard gaben (s. "Stolpersteine in Hamburg-Harburg und Hamburg-Wilhelmsburg" und www.stolpersteine-hamburg.de). Im selben Jahr eröffneten sie in Harburg ein Geschäft für Damen- und Herrenmode, das sie "Sa-La" nannten.
Anfang 1920 traten sowohl Rudolf und Rosa Cohn als auch ihre Eltern in die Hamburger Deutsch-Israelitische Gemeinde ein. Nur wenige Monate später, im November des Jahres, starb der Vater, Moritz Cohn, im Alter von 77 Jahren. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof an der Ilandkoppel beerdigt.
Rudolf Cohn war als Soldat im Ersten Weltkrieg schwer verletzt worden und galt in der Folge als zu 30 Prozent kriegsversehrt. Er hatte eine kaufmännische Ausbildung und arbeitete von der Wohnung in der Lübecker Straße aus zunächst als Strickwarenfabrikant, ab 1931 als Handelsvertreter für Reklameartikel. Seine Schwester Rosa war als Schreibkraft angestellt. Beide blieben ebenso wie ihr in Schweden lebender Bruder Iwan unverheiratet. 1934 – die Nationalsozialisten waren seit über einem Jahr an der Macht – wurde Rosa Cohn erwerbslos. 1936 fand sie zwar wieder eine Anstellung, aus der Höhe der Kultussteuerzahlung lässt sich jedoch entnehmen, dass sie nur noch sehr wenig verdiente. Im selben Jahr wurde Iwar Cohn in Schweden von der Firma Svea Textil als Handlungsreisender (Vertreter) angestellt. Durch seine frühe Auswanderung war er anders als seine drei Geschwister und seine Mutter nicht von der zunehmenden Entrechtung, Drangsalierung und Verfolgung durch die Nationalsozialisten bedroht.
Anfang März 1941 erhielt Rudolf Cohn ein Schreiben der Devisenstelle des Hamburger Oberfinanzpräsidenten. Darin wurde ihm unter Berufung auf Paragraph 1 der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 3.12.1938 befohlen, seinen Gewerbebetrieb bis zum 31. März 1941 abzuwickeln und seine Firma im Handelsregister löschen zu lassen. Diese Maßnahme war ein Baustein der antisemitischen und existenzbedrohenden Maßnahmen der Nationalsozialisten gegen Jüdinnen und Juden und er entzog Rudolf die Lebensgrundlage.
Noch im selben Jahr, am 8. November 1941, wurde Rosa und Rudolfs Bruder Bruno zusammen mit seiner Frau Clara nach Minsk deportiert. Beide kamen im dortigen Getto um. Ihre Tochter Hildegard hatten sie 1939 noch mit einem Kindertransport nach England in Sicherheit bringen können.
Zehn Tage später, am 18. November 1941 wurde Rudolf Cohn, 53-jährig, ebenfalls in das Getto Minsk verbracht. Dort kam er ums Leben, sein genaues Todesdatum ist nicht bekannt.
Die Mutter, Sara Cohn, zog Anfang der 1940er-Jahre von der Wohnung in der Lübecker Straße in das Jüdische Alten- und Pflegeheim in der Grünestraße 5 in Altona, der heutigen Kirchenstraße. Sie starb am 5. Februar 1942 im Alter von 86 Jahren und wurde in der Nähe ihres Ehemanns Moritz auf dem jüdischen Friedhof an der Ilandkoppel in Ohlsdorf beerdigt.
Nach der Deportation ihres Bruders Rudolf und dem Auszug der Mutter musste Rosa Cohn die Wohnung in der Lübecker Straße aufgeben und in das "Judenhaus" Grindelallee 23 ziehen. Die meisten Möbelstücke und Hausrat aus der Wohnung, in der sie rund zwanzig Jahre lang zusammen mit ihrem Bruder und ihrer Mutter gelebt hatte, wurden versteigert, der geringe Erlös fiel an den Oberfinanzpräsidenten.
In der Grindelallee erreichte sie im Juli 1942 der Deportationsbefehl nach Theresienstadt. Am 19. Juli 1942 wurde sie in das Getto verbracht, wo sie trotz Hunger, Seuchen und Kälte fast zwei Jahre überlebte. Am 15. Mai 1944, zwei Tage vor ihrem 69. Geburtstag, wurde sie zusammen mit 2500 anderen Jüdinnen und Juden von Theresienstadt nach Auschwitz deportiert. 2364 von ihnen wurden ermordet, zu ihnen gehörte Rosa Cohn.
Iwan Cohn war der einzige der vier Geschwister, der die Shoah überlebte. Er starb 1950 im Alter von 65 Jahren in Stockholm.
Stand: Mai 2016
© Frauke Steinhäuser
Quellen: 1; 2; 4; 5; 7; 8; 9; StaH 214-1 Gerichtsvollzieherwesen 212; StaH 314-15 Oberfinanzpräsident R 1941/63; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden 992 d Steuerakten Bd. 5; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden 390 Wählerliste 1930; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden Nr. 992 e 2 Bd. 2, Transport nach Minsk am 08. November 1941; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden Nr. 992 e 2 Bd. 3, Transport nach Minsk am 18. November 1941; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden Nr. 992 e 2 Bd. 25, Transport nach Theresienstadt am 19. Juli 1942; Lübeckisches Adreßbuch für 1900; Barbara Günther, Clara Cohn, in Günther u.a., Stolpersteine in Hamburg-Harburg und Hamburg-Wilhelmsburg, S. 294f.; Schmidt-Bachem, Aus Papier, S. 75; Walk, Sonderrecht, S. 262; Hamburger Adressbücher; Ilandkoppel Grabregister, PDF-Download von: Jüdischer Friedhof Altona, Friedhofsdatenbank, www.jüdischer-friedhof-altona.de/datenbank.html (letzter Zugriff 1.5.2015); Institut Theresienstädter Initiative/Nationalarchiv Prag, Datenbank der digitalisierten Dokumente, Rosa Cohn, online unter: www2.holocaust.cz/de/victims/PERSON.ITI.323701 (letzter Zugriff 1.5.2015); Rijksarkivet Stockholm, Referenskod SE/RA/730791 (Judiska (Mosaiska) församlingen i Stockholm, Iwar Cohns papper), http://sok.riksarkivet.se/?postid=ArkisRef+SE%2FRA%2F730791&type=2&s=TARKIS08_Balder (letzter Zugriff 1.5.2015).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".