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Betty Francken (geborene Schwabe) * 1875
Isestraße 37 (Eimsbüttel, Harvestehude)
HIER WOHNTE
BETTY FRANCKEN
GEB. SCHWABE
JG. 1875
FLUCHT 1937 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
SOBIBOR
ERMORDET
Weitere Stolpersteine in Isestraße 37:
Rosa Dallmann, Walter Labowsky, Margarethe Labowsky, Alice Labowsky, Artur Toczek, Noemi Nora Toczek, Reha Toczek, Nelly Toczek
Betty Francken, geb. Schwabe, geb. 27.2.1875 in Aachen, am 13.7.1943 aus Westerbork nach Sobibor deportiert, dort am 16.7.1943 ermordet
Betty wurde in Aachen als Kind von Heino und Fanny Schwabe, geb. Prenslau, geboren. Im Alter von sieben Jahren erhielt sie den ersten Geigenunterricht und wurde zwei Jahre später am Kölner Konservatorium aufgenommen. Dort studierte sie Violine bei Gustav Holländer (1855–1915), damals Konzertmeister in Köln, und setzte von 1888 bis 1893 ihr Studium bei Johann Kruse und Joseph Joachim an der Königlichen Hochschule Berlin fort. 1891 erhielt sie im Rahmen der Wettbewerbe um das begehrte Felix Mendelssohn Bartholdy-Staatsstipendium eine lobende Erwähnung.
Ein Jahr vor ihrem Studienabschluss, am 18. Februar 1892, debütierte sie mit dem Berliner Philharmonischen Orchester unter der Leitung Joseph Joachims mit einem umfangreichen Programm, darunter dem Violinkonzert G-Dur von Joseph Joachim, Ballade und Polonaise op. 38 von Henri Vieuxtemps und dem Violinkonzert e-Moll op. 64 von Felix Mendelssohn Bartholdy. Das Konzert war derart beeindruckend, dass die Klavierlehrerin und Publizistin Anna Morsch sie bereits ein Jahr später in ihr Buch "Deutschlands Tonkünstlerinnen. Biographische Skizzen aus der Gegenwart" aufnahm und über Betty Schwabe schrieb: "Ueberraschend war vor Allem in ihrem jugendlichen Alter die erstaunliche Fülle ihres Tones, die Freiheit und Wärme des Vortrags, die bei allen technischen Schwierigkeiten sich gleich bleibende Kraft und Schönheit des Klanges."
Von 1892 bis 1897 konzertierte Betty Schwabe regelmäßig im In- und Ausland, in Berlin, Frankfurt am Main und Leipzig, in England, Frankreich, Italien, Belgien, Holland, Russland und der Schweiz. Dabei trat sie gemeinsam mit Musikern wie Johannes Brahms, Hans von Bülow, Felix Weingartner und Karl Muck auf. Am 8. November 1893 spielte sie z. B. mit dem "Orchestre Municipal de Strasbourg” unter der Leitung Franz von Stockhausens Ludwig van Beethovens Violinkonzert D-Dur op. 61 sowie das Capriccio für Violine und Orchester von Niels Gade. Das Konzertprogramm enthielt zudem den Hinweis, dass sie eine Stradivarius-Violine im Wert von 28000 Mark spielte. Das vorläufig letzte nachweisbare Solokonzert fand im Oktober 1897 im großen Saal der Philharmonie unter der Leitung von Arthur Nikisch mit Beethovens Violinkonzert statt.
Im September 1898 heiratete Betty Schwabe in Aachen Alfred Francken, nahm dessen Nachnamen an und zog sich vorübergehend aus der Öffentlichkeit zurück. Gemeinsam mit ihrem Mann ließ sie sich in Aachen nieder und schenkte drei Kindern das Leben: Ihre Töchter Ellen und Margot wurden 1899 und 1901, der Sohn Joachim Philipp 1906 in Aachen geboren. Ihre Tochter, die Pianistin Margot Nilsson-Francken, berichtete im Zuge des "Wiedergutmachungsverfahrens", dass die Mutter nach ihrer Heirat hauptsächlich bei Wohltätigkeitsveranstaltungen spielte, nach dem Ersten Weltkrieg zum Beispiel für Kriegshinterbliebene oder das Rote Kreuz. Zugleich führte sie weiterhin ein großes musikalisches Haus, in dem bedeutende Künstlerinnen und Künstler ein- und ausgingen und häufig miteinander musizierten, darunter Eugène d’Albert, Franz Schreker, Fritz Busch, Peter Raabe und Max Reger.
Durch die Inflation 1923 und die jahrelange Krankheit des Vaters geriet die Familie in finanzielle Not. Alfred Francken starb 1928. Danach musste Betty Francken das Haus und ihre Stradivarius-Violine verkaufen. Ihr blieb allein das Guarneri-Instrument. Sie gab privaten Musikunterricht und fand 1930 eine Anstellung in dem neu gegründeten privaten Konservatorium von Paul Schnitzler in Aachen, mit dem sie schon 1929 im Aachener Kurhaus alle zehn Violinsonaten Ludwig van Beethovens gespielt hatte. In dem Konservatorium leitete sie für ein Gehalt von 300 bis 400 RM die Meisterklasse für Geigenschüler.
Im Frühjahr 1933, unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, verlor Betty Francken ihre Verdienstmöglichkeiten: Als Jüdin musste sie der Reichsmusikkammer angehören, wollte sie ihren Beruf weiter ausüben. Am 19. Oktober 1934 beantragte sie die Mitgliedschaft und reichte den ausgefüllten Fragebogen ein. Zu dieser Zeit war sie noch im Besitz eines sogenannten Unterrichtserlaubnisscheins. Ihre Religion bezeichnete sie selbst als "Jüdin, nicht arischer Abstammung". Peter Raabe, der einst privat in ihrem Haus verkehrt hatte, verweigerte ihr nun als Präsident der Reichsmusikkammer am 19. August 1935 die Aufnahme aufgrund ihrer Herkunft, da "Sie die nach der Reichskulturkammergesetzgebung erforderliche Eignung im Sinne der nationalsozialistischen Staatsführung nicht besitzen". Diese Verweigerung implizierte ein Berufsverbot: "Durch diese Entscheidung verlieren Sie mit sofortiger Wirkung das Recht zur weiteren Berufsausübung auf jedem zur Zuständigkeit der Reichsmusikkammer gehörenden Gebiete." Die Ablehnung wurde am 12. März 1936 bestätigt.
Obwohl der Briefwechsel mit der Reichsmusikkammer über eine Aachener Adresse geführt wurde (Horst-Wessel-Straße 87) und auch das einschlägige Nazi-Lexikon "Lexikon der Juden in der Musik" von 1940 ihren Aufenthaltsort noch mit Aachen angab, ist dokumentiert, dass Betty Francken seit 1934 in Hamburg lebte und dort auch privat Geigenunterricht erteilte. Von 1934 bis Anfang 1937 wohnte sie in der Isestraße 7 bei Margot Frey. Es ist möglich, dass sie ihre Vermieterin, von Beruf Stenotypistin und im selben Alter wie ihr Sohn, persönlich kannte.
Margot Frey wanderte im Mai 1937 nach Brasilien aus, und Betty Francken fand für kurze Zeit Unterkunft bei der Familie des Oberlandesgerichtsrats Dr. Otto Friedburg, mit dessen Familie sie befreundet war. Dort sah ihre Tochter Margot die Mutter zum letzten Mal. 1937 floh Betty Francken nach Holland. Sie wohnte in Amsterdam in der Beethovenstraat 48. Auch hier verdiente sie ihren Lebensunterhalt mit Musikunterricht.
Einer ihrer Schüler berichtete im Rahmen des "Wiedergutmachungsverfahrens": "Ich war einer ihrer Schüler und erinnere mich an ihre kostbare Guarneri Geige, von der sie sich nicht trennen ließ. Sie nahm diese Geige mit ins Konzentrationslager Westerbork, als die noch übrig gebliebenen Juden im Jahr 1943 aus Amsterdam dorthin deportiert wurden. Ich sah Frau Francken-Schwabe häufig im Lager Westerbork und hörte sie dort noch wiederholt auf der Guarneri Geige spielen. Sie wurde dann von Westerbork nach Polen deportiert und musste die Geige zurücklassen."
Am 16. Juli 1943 wurde Betty Francken im Vernichtungslager Sobibor ermordet.
© Christa Fladhammer/Silke Wenzel
Quellen: 1; 4; 5; AfW 020801; Universität der Künste Berlin, Universitätsarchiv (UdK-Archiv), Best. 1, Nr. 5145 (Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Stiftung, Specialia [1891]); Bundesarchiv Berlin ehem. BDC, RKN 10, Bild-Nr. 2034ff. Betty Francken (Akte der Reichsmusikkammer); In Memoriam – Nederlandse oorlogsslachtoffers, Nederlandse Oorlogsgravenstichting (Dutch War Victims Authority), ’s-Gravenhage courtesy of the Association of Yad Vashem Friends in Netherlands Amsterdam o. D.; Literatur: Judentum und Musik mit dem ABC jüdischer und nichtarischer Musikbeflissener, 3. Aufl., bearb. und erw. von Hans Brückner, München 1938 (einschlägiges Nazilexikon mit dem Ziel der Denunziation); Kohut, Adolph, Berühmte israelitische Männer und Frauen in der Kulturgeschichte der Menschheit. Lebens- und Charakterbilder aus Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 1–2, Leipzig, [1900–1901]; Morsch, Anna. Deutschlands Tonkünstlerinnen. Biographische Skizzen aus der Gegenwart. Berlin 1893, S. 197; Prante, Inka, Die Schülerinnen Joseph Joachims. Wissenschaftliche Hausarbeit zur Ersten Staatsprüfung für das Amt des Lehrers, Berlin, Unveröffentlichtes Typoskript, 1999; Stengel, Theo, Gerigk, Herbert, Lexikon der Juden in der Musik. Mit einem Titelverzeichnis jüdischer Werke, zusammengest. und bearb. v. Theo Stengel und Herbert Gerigk, Berlin 1940 (einschlägiges Nazilexikon mit dem Ziel der Denunziation); Neue Zeitschrift für Musik vom 22.12.1897.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen.