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Hedwig Erna Freitag (geborene Ludden) * 1906

Horner Landstraße 195 (Hamburg-Mitte, Horn)


HIER WOHNTE
HEDWIG ERNA
FREITAG
GEB. LUDDEN
JG. 1906
EINGEWIESEN 1942
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 22.6.1943
HEILANSTALT HADAMAR
ERMORDET 28.6.1943

Hedwig Erna Freitag, geb. Ludden, geb. am 6.11.1906, eingewiesen am 7.12.1942 in die Heilanstalt Langenhorn, "verlegt" am 22.6.1943 in die Heilanstalt Hadamar, ermordet am 28.6.1943

Horner Landstraße 195, Horn

Hedwig Erna Freitag, geb. Polewka, adoptierte Ludden wurde am 6.11.1906 in der Straße Marktplatz 5 in Harburg geboren. Ihre Mutter war die ledige Josefa Berta Polewka (geb. 27.6.1879), ihr Vater der in Österreich geborene Wenzel Kosche (geb. 8.9.1881). Er lebte seit dem 25. Juni 1904 in Hamburg und wohnte in der Reesestraße 26/ Barmbek-Süd zur Untermiete bei Fehlandt.

Josefa Polewka und Wenzel Kosche bekamen noch ein weiteres Kind: Margaretha Bertha (geb. 31.1.1908). Für beide Kinder übernahm der Senator Tilemann der Stadt Harburg die Vormundschaft. Als Josefa Berta Polewka mit den Kindern nach Altona in die Kleine Brauerstraße 5 zog, wechselte deren Vormundschaft ab 1. September 1909 zum Gastwirt Wilhelm Rodemann.

Am 4. November 1911 heiratete Josefa Berta Polewka den Schlosser Otto Ludden (geb. 27.3.1878). Beide gehörten der katholischen Kirche an. Sie zogen in die Große Fischerstraße 63 in Altona und wohnten im Parterre. Das Ehepaar bekam die gemeinsame Tochter Helene Ottilie Martha (geb. 12.11.1911), die jedoch nach wenigen Monaten am 17. Juni 1912 verstarb. Otto Ludden adoptierte am 26. Mai 1913 mit der Einwilligung die Mädchen Hedwig und Margareta, diese führten dann den Familiennamen Ludden.

Während der Schulzeit verbrachte Hedwig Ludden 1918 und 1919 ihre Sommerferien bei den Eltern ihres Stiefvaters Otto Ludden in Meppen. Nach ihrer Schulzeit, fand Hedwig oder auch "Hedel", wie sie liebevoll genannt wurde, eine Anstellung in einem Haushalt. Sie eignete sich gute Fähigkeiten in Nähen und einer Haushaltsführung an.

1923 und 1924 wohnte Hedwig Ludden in der Heinrich-Barth-Straße 12 in Rotherbaum zur Untermiete bei Gustav Glückstadt im ersten Stock, eventuell arbeitete sie dort als Hausangestellte.
Anschließend zog sie mit Mutter und Stiefvater in die Kleine Brauerstraße 12 nach Altona. (Die Straße gibt es heute nicht mehr).

Am 4. März 1930 zog Hedwig Ludden zu Joseph Hermann Georg Freitag, der in der Kleinen Brauerstraße 2 wohnte. Sie kannten sich bereits seit ihrer Kindheit. Georg Freitag, geb. am 27.8.1900 war mit seinen Eltern (Maximilian Aloys Freitag und Berta Elisabeth Freitag, geb. Klar) am 5. September 1909 aus Langenbielau/Polen nach Altona gezogen. Die Familie lebte dort in der Kleinen Brauerstraße 2, wo nun auch Hedwig Ludden einzog. Das junge Paar heiratete am 12. Mai 1931.

Georg Freitag arbeitete als Kupferschmied bei den Eisenwerken in Ottensen in der Großen Brunnenstraße 109-113.

Am 9.8.1931 kam ihr Sohn Karlheinz als Zangengeburt zur Welt. Hedwig Freitag wünschte sich ein weiteres Kind, erlitt jedoch 1935 eine Fehlgeburt. In der Folge stellten sich schwere Depressionen ein. Georg Freitag hingegen – so gab er gegenüber den Ärzten in der Krankenanstalt Langenhorn gegenüber am 23. März 1942 an - war froh, dass es bei einem Kind geblieben war, denn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Paares waren beschränkt, obwohl Hedwig neben der Kindererziehung noch als Aushilfe in einem Labor arbeitete, wo sie Gläser spülte.

Wahrscheinlich traten beide Eheleute auch aus wirtschaftlichen Gründen aus der katholischen Kirche aus, Hedwig im Februar 1936 und Georg Freitag im Juni 1936. Sie bezogen im Februar 1936 auch eine kleinere Wohnung in der Bachstraße 40/Barmbek-Süd, für die sie vermutlich weniger Miete zahlen mussten. Doch die Ehe litt nicht nur unter den materiellen Bedingungen: Georg Freitag war zum Alkoholiker geworden und die Eheleute hatten sich auseinandergelebt.

Inzwischen hatte Hedwig Freitags Mutter Josefa Berta Ludden sich vom Katholizismus losgesagt und sich den Zeugen Jehovas angeschlossen. Diese, damals "Bibelforscher" genannt, wurden von den Nationalsozialisten verfolgt, weil sie sich nicht in das neue Staatsverständnis einreihten, sondern den Hitlergruss, das "Wählen" (und später den Wehrdienst) verweigerten, staatlichen Feiern fernblieben und weiter ihre Flugblätter und Schriften verteilten. Inhaftierungen und KZ-Einweisungen (lila Winkel) waren die Folge. Auch Hedwig Freitags Mutter wurde am 8. Dezember1937 wegen Verbreitens der Zeitschrift "Wachturm" verhaftet. Von der Polizeikaserne in Altona wurde sie ins "Kolafu" gebracht, wo sie vom 8. Dezember 1937 bis zum 2. Februar 1938 in Einzelhaft gehalten wurde. Hedwig Freitag, die im engen Kontakt zu ihrer Mutter stand, litt sehr unter dieser Situation.

Seit dem 24. März 1941 bewohnten Hedwig, Georg und Karlheinz Freitag eine 3-Zimmer-Wohnung in der Horner Landstraße 195/Horn im ersten Stock. Georg Freitag‘s Eltern zogen mit ein. Hedwig Freitags Beziehung zu ihren Schwiegereltern war jedoch nicht gut. Sie fühlte sich von ihnen abgelehnt.

Als Folge der Gesamtsituation und der Konflikte mit ihrem Ehemann und seinen Eltern weinte sie häufig und wirkte sehr bedrückt. Am 7. Dezember 1942 wurde sie mit der Diagnose einer schweren Depression in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn eingewiesen. Die Ärzte verordneten zunächst Beruhigungsmittel, später eine regelmäßige Elektroschocktherapie. Am 15. Januar 1943 bekam sie eine Impfung, deren Zweck aus den Unterlagen nicht ersichtlich ist, und eine Lumbalpunktion.

Als Folge dieser Behandlungen zog sie sich von anderen Patienten gänzlich zurück und wurde apathisch. Weitere Anzeichen waren ein ausgeprägtes Schlafbedürfnis, ein unklarer vorzeitiger organischer Abbau, sie nässte ein, halluzinierte, regredierte und verlor ihren Appetit. Oft konnte sie nicht selbstständig essen. Die Anstalt bescheinigte ihr eine "Affektstörung".

Im Juni, Juli und August 1943 wurden aus Langenhorn in sechs Transporten insgesamt 347 ausschließlich weibliche Kranke nach Hadamar in der Nähe von Limburg abtransportiert. Die Landesheilanstalt Hadamar war eine von sechs Tötungsanstalten im Deutschen Reich, in denen Menschen mit psychischen, geistigen Erkrankungen bzw. körperlichen Behinderungen in Gaskammern mit Kohlenmonoxid ermordet wurden. Nach dem Stopp der Gasmorde im August 1941 wurde die sogenannte Erwachsenen-Euthanasie im Sommer 1942 fortgesetzt, auch in Hadamar, allerdings nicht mehr mit Gas, sondern mit Überdosen der Medikamente Luminal und Veronal oder durch Injektionen von Luft oder Morphium-Skopolamin. Am 22. Juni 1943 brachte ein Transport 49 Langenhorner Patientinnen nach Hadamar. Unter ihnen war Hedwig Freitag. Sie wurde am 28. Juni 1943 ermordet.

Zu diesem Zeitpunkt war ihr Sohn Karlheinz Freitag gerade 12 Jahre alt. Sein Vater fürchtete, dass Karlheinz die Krankheit seiner Mutter geerbt haben könnte. Die Pflege- und Heilanstalt Hadamar entlastete ihn, als sie am 7. Juli 1943 schriftlich mitteilte: "Nach dem Inhalt der Krankengeschichte liegt erbliche Belastung bei ihrer Frau nicht vor. Die Diagnose der Geisteskrankheit ist strittig. Leider überwiegt die Annahme einer sogenannten Schizophrenie, die als Erbkrankheit aufzufassen wäre. Es ist ratsam Ihren Sohn einem Arzt für Psychiatrie vorzustellen, sobald Ihnen auffallende Erscheinungen entgegentreten. Da nach den Erbregeln aber immer ein Teil der Nachkommen gesund bleibt, besteht durchaus die Möglichkeit, dass Ihr Sohn geistig gesund ist."

Hedwig Freitags Mutter schrieb noch einen Brief voller Liebe und Fürsorge an ihre Tochter Hedwig Freitag, nicht ahnend, dass diese bereits tot war.

Am 7. Juli 1943 wurde die Asche, die als Hedwig Freitag deklariert worden war, auf dem Hauptfriedhof Altona in einer Familiengrabstätte beigesetzt.

Hedwig Freitags Mutter Josefa Berta Ludden erhielt nach dem Krieg eine Erwerbsunfähigkeitsrente für ihre erlittene Haft im KZ Fuhlsbüttel. Sie verstarb in Hamburg am 1. November 1957.

Stand: April 2022
© Bärbel Klein

Quellen: StaH 352-8/7 Ablieferung 1/1995_31045; 213-11_60401; 213-11_60411; 351-11_4490; 424-111_12978 Vormundschaftsakte Polewka; Geburtsurkunden: 332-5_1662/1906; 332-5_355/1908; 332-5_894/1931; Heiratsurkunden: 332-5_1187/1911; 332-5_894/1931; 332-5_76/1915; Sterbeurkunden: 332-5_1232/1912; 332-5_1219/1927; 332-5_28/1960; 332-5_858/1943; 332-5_992/1957; 332-5_782/1954; Filme: 741-4_K2537; 741-4_K4427; 741-4_K4491; 741-4_K6089; 741-4_K6418; 741-4_K6533; 741-4_K6743; 741-4_K7336; Beisetzungsunterlagen Friedhof Altona, Auskunft der Pflege- und Heilanstalt Hadamar vom 06.04.20216 von Gedenkstättenleiterin Dr. Ute Hoffmann; www.Wikipedea.de; www. Ancestry.de (Einsicht am 26.12.2020); Peter von Rönn u.a., Wege in den Tod, Hamburgs Anstalt Langenhorn und die Euthanasie in der Zeit des Nationalsozialismus, Hamburg 1993, S. 337f., Bettina Winter, Das Morden geht weiter – die zweite Phase der "Euthanasie" 1942-1945, S. 118f. in "Verlegt nach Hadamar" Die Geschichte einer NS-"Euthanasie"-Anstalt, Hrsg. Landeswohlfahrtsverband Hessen, Kassel 1991.

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