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Oskar Voss * 1907

Jakobstraße 17 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
OSKAR VOSS
JG. 1907
IM WIDERSTAND / KPD
SABOTIERTE U-BOOT-BAU
VERHAFTET 23.10.1942
´HOCHVERVERRAT‘
UG HAMBURG
ENTHAUPTET 26.6.1944

Oskar Voss, geb. 28.12.1907 in Wolgast, am 3.5.1944 in Hamburg
zum Tode verurteilt, am 26.6.1944 in Hamburg enthauptet

Jakobstraße 17 (Ecke Böhmkenstraße) (Verlegeort)
Holstenglacis 3, Untersuchungshaftanstalt

"Ich bin als Sohn des Maschinenbauers Karl V o s s in Wolgast geboren und besuchte die Volksschule in Kiel und Wilsnack" (Wortlaut im Vernehmungsprotokoll der Gestapo am Tag von Oskar Voss‘ Verhaftung am 23. Oktober 1942 im Stadthaus).

Oskar Voss (Schreibweise auch Voß) kam am 28. Dezember 1907 zur Welt, seine Schwester Thekla ein Jahr früher. Die Familie verzog 1909 aus Vorpommern nach Kiel. Dort starb 1917 die Mutter Ida (geborene Moll), so dass die Geschwister bei den Großeltern aufwuchsen. Nach seiner Entlassung aus der Volksschule war Oskar drei Jahre als Fischerknecht tätig und arbeitete dann 2 ½ Jahre in der Singer-Nähmaschinenfabrik in Wittenberge.

1928 kam er nach Hamburg. Hier verdingte er sich bei Blohm & Voß. Es folgten fünf lange Jahre der Erwerbslosigkeit, ehe er 1935 bei der Schiffswerft "Stülcken & Sohn" Beschäftigung fand. Nach drei Jahren wechselte er zu den Howaldtswerken, wo er bis zu seiner Festnahme 1942 blieb.

1931 erwerbslos geworden, schloss sich Oskar Voss dem Kommunistischen Jugendverband (KJV oder KJVD) an. Schon zuvor hatte er sich an den Aktionen des KJV beteiligt. Mehrfach (1929 und 1931) wurde er bei KJV-Aktionen verhaftet und zu Haftstrafen verurteilt.

Nachdem 1933 Hitler an die Macht geschoben wurde, zog sich Oskar Voss, wie er in späteren Briefen vorgab, ins Privatleben zurück. Als Oskar Voss ab 1935 in den Werften sein Auskommen fand, galt er unter Kollegen als äußerst fleißig und kameradschaftlich (die Leumundszeugnisse, die sein Anwalt nach dem Todesurteil einholte, bestätigten das). In seiner freien Zeit las Oskar Voss Bücher, die er aus der Leihbibliothek bezog, vorwiegend Natur- und Reisebeschreibungen, aber auch skandinavische Literatur von Autoren wie Hamsun, Strindberg und Gulbranssen.

Als er 1938 zu den Howaldtswerken gewechselt war, kam er dort in der Transportabteilung als Maschinenschlosser, Weichensteller, Rangierer und Anschläger zum Einsatz. Doch wegen seiner Zuverlässigkeit wurde er bald mit der Arbeit des Elektroschweißers betraut – in der forcierten Rüstungsproduktion einer der wichtigsten Berufe auf der Werft überhaupt. Die Howaldtswerke stellten vor Kriegsbeginn 1939 die Produktion vollständig auf den U-Boot-Bau um.

Die Autorin Ursula Puls (die später als Historikerin unter ihrem richtigen Namen Ursel Hochmuth bekannt wurde) veröffentlichte 1959 einen aufschlussreichen Bericht ehemaliger Angehöriger der illegalen Betriebsgruppen der Bästlein-Jacobs-Abshagen-Gruppe auf der Howaldt-Werft: "Im Frühjahr 1942 wurde in den Howaldtswerken AG der Widerstand neu belebt und eine illegale Betriebsorganisation gegründet. Zum Kopf gehörten u. a.: Alfons Hartmann und Oskar Voss (Verbindungsmann zu Blohm & Voß). Wir hatten insgesamt 5 Betriebsgruppen oder einzelne Vertrauensleute in folgenden Gewerken: Brennerei, E-Schweißerei, Schiffbau, Schlosserei, Kupferschmiede, Mechanische Werkstatt, Rohr-Schlosserei, Anschlägerei, Zimmerei, Malerei, Tischlerei, Schiffselektrik, Material-Ausgabe, Feuerwehr und in der ständigen Montage-Gruppe der Siemens-Schuckert-Werke auf der Howaldt-Werft. Unsere Hauptaufgaben waren: Verweigerung von Überstunden, Krankspielen und Lohnforderungen. Die Folge davon war, daß unsere Leute von Sondervergünstigungen, die die Organisation Speer gewährte, ausgeschlossen waren."

Auch die Zusammenarbeit mit den ausländischen Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen war für die Betriebsgruppen des Widerstands auf den Werften von größter Bedeutung. Zu Sabotagehandlungen heißt es im selben Bericht: "Es wurden ca. 50 Sauerstoff-Flaschen in die Elbe geworfen, da uns bekannt wurde, daß alle Betriebe ihre Bestände an Gas- und Sauerstoff-Flaschen angeben mußten. [...] Der Erfolg war, daß stets Sauerstoff-Flaschen zu wenig vorhanden waren und der Produktionsprozeß dadurch gehindert wurde. Weiter wurde alles, was an Eisen und Metallen abgebrannt war, ins Wasser geworfen. Zahlreiche E-Schweißmaschinen wurden ins Wasser geworfen und andere mit Sand außer Betrieb gesetzt. Ca. 40 000 E-Schweißstäbe wurden in die Elbe geworfen. Außerdem war geplant, die Hauptelektromaschinen zum Stillstand zu bringen."

Wie der Autor Harald Hinsch überlieferte, war Oskar Voss als E-Schweißer im Jahr 1942 aktiv an einem gravierenden Fall von Sabotage beteiligt. Als ein eben fertiggestelltes U-Boot im Werftbunker "Elbe II" ausgeliefert werden sollte und die Offiziere beim Zeremoniell der Übergabe salutierten, kenterte das neue Boot so schwer, dass es mit der Kaimauer kollidierte und unbrauchbar wurde. Wegen der Arbeitshetze auf den Werften und des Personalmangels in der Produktion und bei der Kontrolle und Dokumentation des sehr komplexen U-Boot-Baus konnten oder sollten die Urheber des Unfalls nicht ermittelt werden.

Als die Gestapo in der Howaldt-Werft am 23. Oktober 1942 eine Gegenüberstellung von bereits verhafteten Mitgliedern der Widerstandsgruppe mit Oskar Voss arrangierte, wurde Voss als Verbindungsmann dieser Gruppe erkannt und daraufhin "um 11,00 Uhr auf seiner Arbeitsstelle vorläufig festgenommen und nach dem Stadthaus gebracht."

Als im Frühjahr 1943 die Voruntersuchungen der Gestapo ihren Abschluss gefunden hatten, erging am 19. März 1943 gegen Oskar Voss und viele seiner Mitkämpfer der Haftbefehl. Das verhieß weitere Haftmonate bis zum Hauptverfahren. Jedoch setzten im Juli 43 die britischen Bombenangriffe auf Hamburg ein, die Gestapozentrale wurde zerstört, die Verwaltung und Versorgung der Stadt kamen zum Erliegen, Zehntausende Menschen starben. Da gewährte der Generalstaatsanwalt Drescher rund 2000 Häftlingen in Hamburg einen zweimonatigen "Hafturlaub". Zahllose Häftlinge tauchten unter – auch viele Mitglieder der Bästlein-Jacob-Abshagen Gruppe. Nicht so Oskar Voss. Während des "Bombenurlaubs" nahm er in der Werft wieder eine Arbeit an, bis ihn die Gestapo am 13. Oktober 1943 abermals in die Untersuchungshaftanstalt Holstenglacis einlieferte. Offenbar vertraute er darauf, dass ihm das Gericht sein Verhalten honorieren würde. Ein Vierteljahr nach der erneuten Festnahme lag die Anklageschrift vor.

In insgesamt zwölf Prozessen standen 47 Kommunistinnen und Kommunisten vor Gericht. Sechs Verfahren wurden im März 1944 vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht verhandelt, sechs weitere im Mai 1944 vor dem Volksgerichtshof in Hamburg. Bei den letzteren wurde auch über Oskar Voss und seine Genossen Gericht gehalten.

Die Anklage warf Oskar Voss und seinen Mitstreitern vor, "im Jahr 1942 in Hamburg durch Mitwirkung beim Aufbau kommunistischer Betriebszellen sowie durch defaitistische Propaganda in Rüstungsbetrieben den Hochverrat vorbereitet, den Siegeswillen des deutschen Volkes zu zersetzen gesucht und damit den Feind begünstigt […] zu haben."

Am 3. Mai 1944 fand in Hamburg vor dem 2. Senat des Volksgerichtshofs der Prozess gegen Oskar Voss und Genossen statt. Oskar Voss, Otto Mende, Paul Thürey, Hans Köpke und Ernst Mittelbach wurden wegen "Vorbereitung zum Hochverrat und Feindbegünstigung" zum Tode verurteilt und am 26.6.1944 hingerichtet (Biografien siehe www.stolpersteine-hamburg.de), Hermann Schween und Helmut Heins, geb. 1911 (nicht zu verwechseln mit dem hingerichteten Erich Heins, geb. 1907, dessen Biografie siehe www.stolpersteine-hamburg.de) zu sechs Jahren Zuchthaus.

Am 17. Mai 1944 richtete Oskar Voss ein Gnadengesuch an den Oberreichsanwalt und an den Volksgerichtshof. Das Gesuch wurde abgelehnt.
Oskar Voss wurde am 26.6.1944 im Untersuchungsgefängnis Holstenglacis zusammen mit Hans Köpcke, Otto Mende, Ernst Mittelbach und Paul Thürey zwischen 16.02 und 16.13 Uhr enthauptet.

Am selben Tag wurden dort weitere Hinrichtungen von Widerstandskämpfern der Bästlein-Jacob-Abshagen-Gruppe durchgeführt (Karl Kock, Walter Reber, Wilhelm Stein, Kurt Vorpahl und Erich Heins, Biografien siehe www.stolpersteine-hamburg.de).

Die Historikerin Ursel Hochmuth schrieb 2005 über den Verbleib der fünf Hingerichteten: "Die Leichen von Mende, Köpke, Mittelbach und Voss kamen […] offensichtlich in das Anatomische Institut in Hamburg, bevor sie in Ohlsdorf eingeäschert und ihre Urnen nebeneinander bestattet wurden."

1962 bemühten sich überlebende NS-Verfolgte um eine Umbettung vieler NS-Opfer zum Ehrenhain der Widerstandskämpfer, auch die sterblichen Überreste von Oskar Voss und drei seiner Mitkämpfer sollten dorthin umgebettet werden. Da es jedoch nicht gelang, die Bewilligung von Angehörigen für eine Umbettung der Toten zu beschaffen, scheiterte das Vorhaben.

So liegen die Opfer des 26. Juni 1944 noch immer unter den Weltkriegstoten bei Kapelle 13.

An Oskar Voss erinnert außer dem Stolperstein an der Wohnadresse ein zweiter in der Holstenglacis 3, Untersuchungsgefängnis.

© René Senenko

Die vollständige Biografie ist bei https://de.wikipedia.org/wiki/Oskar_Voss dort unter "Literatur" abrufbar: René Senenko: Oskar Voss – Widerstand und Tod eines Hamburger Werftarbeiters. in: Ein Stolperstein für Sabotage in der Kriegsproduktion. Hrsg. vom Kulturverein Olmo e. V. Hamburg, März 2025.

Quellen: Bundesarchiv Berlin, R 3017-3350; R3018-1579; R 3002-117954; R 3018-15256; RW 21/26-3; Staatsarchiv Hamburg 213-11_75813; 741-4_A491; Gedenkstätte Ernst Thälmann, Hamburg: Archiv, Personenordner H : Hornberger; Sammlung Harald Hinsch, Hamburg; Meldearchiv Kiel: Auskünfte von Martina Atlante, Einwohner*innen-Angelegenheiten der Stadt Kiel, vom 10. und 16. Januar 2025 sowie vom 19. März 2025; Ursel Hochmuth: Niemand und nichts wird vergessen – Biogramme und Briefe Hamburger Widerstandskämpfer 1933-1945. Eine Ehrenhain-Dokumentation in Text und Bild; hrsg. von der VVN – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V. Hamburg, Hamburg 2005, S. 209; Ursula Puls: Die Bästlein-Jacob-Abshagen-Gruppe. Bericht über den antifaschistischen Widerstandskampf in Hamburg und an der Wasserkante während des 2. Weltkrieges, Berlin (DDR) 1959, S. 64; Ursel Hochmuth und Gertrud Meyer: Streiflichter aus dem Hamburger Widerstand. 1933–1945. Frankfurt am Main 1969, Nachdruck 1980, S. 353; Harald Hinsch, Roter Junge - Ein Kriegskind in Hamburg; Norderstedt 2009, S. 127-128.

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