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Rosa Abeles (geborene Merzbach) * 1870

Heimhuder Straße 74 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1942 Theresienstadt
ermordet 30.10.1942

STOLPERSTEIN – EINWEIHUNG FÜR ROSA ABELES

Rede von Margot Löhr am 25. Februar 2010 in der Heimhuderstraße 74

Rosa Merzbach kam am 23. Juli 1870 in Offenbach in der Frankfurter Straße Nr. 33 zuhause bei ihren Eltern Jeanette, geborene Meyer und dem Bankier Kommerzienrat Heinrich Merzbach zur Welt. Einst gründete in der Frankfurter Straße ihr Großvater Siegmund Merzbach im Jahre 1832 eine der ersten Privatbanken Deutschlands. Dort verbrachte sie ihre Kindheit und Jugend bis zu ihrer Hochzeit mit Heinrich Abeles am 19. Juni 1891. Beide gehörten der israelitischen Gemeinde an.

Ihr Ehemann Heinrich Abeles wurde am 30. März 1860 in Chodau, Böhmen, geboren, das damals zu Österreich gehörte. Er war der Sohn der Theresia geb. Raumann und des Wundarztes Marcus Abeles. Heinrich verließ seine Heimat mit 16 Jahren und lebte dann in verschiedenen Städten Deutschlands.

Nach ihrer Hochzeit in Offenbach zogen Rosa und Heinrich Abeles nach Hamburg. Heinrich erwarb 1893 das Hamburger Bürgerrecht. Zu dieser Zeit wohnte er mit Rosa und ihrem gemeinsamen einjährigen Sohn Walter Moritz in der Kirchenallee 26 im 2. Stock. 1896 wurde ihr zweiter Sohn Herbert geboren.

Ein tiefer Einschnitt in Rosa und Heinrich Abeles Leben bedeutete der Verlust ihrer beiden Söhne noch im selben Jahr. Walter verstarb im April, im Alter von 3 Jahren und 10 Monaten und Herbert im Oktober mit 3 Monaten und 21 Tagen. Ihre Gräber befinden sich auf dem jüdischen Friedhof in Ohlsdorf.

Am 10. Juni 1900 kam die erste Tochter Hertha Rosa zur Welt, eineinhalb Jahre später, am 30.Oktober 1901, die jüngste Tochter Erica. Im Oktober des Jahres 1908 bezog die Familie ihre Villa in der Heimhuderstraße 74.

Es war eine Zeit des Aufstiegs. Heinrich Abeles hatte eine Biervertriebsgesellschaft im Kleiner Kielort 3-5 gegründet. Der Geheime Kommerzienrat Heinrich Abeles und später der verwandtschaftlich verbundene Diplom- Brauereimeister Wilhelm Guggenheim brachten das berühmte tschechische Pilsener Urquell Bier in den Norden; sie hatten die Generalvertretung für Nordwestdeutschland.

Die älteste Tochter Hertha heiratete mit 19 Jahren Wilhelm Michael Guggenheim. Dieser war am 23. April 1887 in Worms geboren, Sohn von Bertha, geborene Merzbach und Samuel Guggenheim, Vorsteher der israelitischen Gemeinde in Worms. Hertha und Wilhelm kannten sich schon seit ihrer Kindheit. Rosa Abeles Vater Heinrich und Wilhelms Mutter Bertha waren Geschwister.

Wilhelm und Hertha bezogen nach ihrer Hochzeit ihre Villa in der Rothenbaumchaussee 121, wo ihre drei Kinder, Fritz Walter Daniel Jechiel, Heinrich Zwi und Marianne Berta Blümel, aufwuchsen.

Zwei Jahre später, am 30. Dezember 1921, verstarb Heinrich Abeles im Alter von 61 Jahren. Er fand seine letzte Ruhe auf dem jüdischen Friedhof in Ohlsdorf.
Wilhelm Guggenheim übernahm nun die Führung der Heinrich Abeles Bier-Vertriebsgesellschaft. Er erwarb das Grundstück Alsterkrugchaussee 459 in Hamburg-Fuhlsbüttel. Dort, an das Gartenrestaurant, baute er noch einen Bierkeller mit Büfettanlage und Kegelbahn an.

Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, wurden die jüdischen Mitbürger mehr und mehr ausgegrenzt und unter Druck gesetzt.

Durch Verfügung des Reichsstatthalters wurde eine "Sicherungsanordnung" erlassen. Die Pässe und das gesamte Vermögen von Rosa Abeles und ihrer Familie wurden eingezogen. Die "Judenvermögensabgabe", eine weitere Schikane, die ca. 1/6 des Vermögens betrug, musste abgeleistet werden. Nur noch ein geringer Geldbetrag wurde monatlich zum Lebensunterhalt freigegeben.

Am 30. November 1937 war die Firma Abeles erloschen. Die Abwicklung für die sogenannte "Arisierung" dauerte noch so lange bis Wilhelm Guggenheim die Abtretung der Pilsener Urquell Rechte für den sogenannten "arischen" Nachfolger, die Firma Strelow, geregelt hatte. Dafür durfte er sogar noch einmal einen Pass bekommen und nach Pilsen reisen.

Wilhelm Guggenheim handelte im Kaufvertrag aus, dass Rosa Abeles lebenslänglich eine monatliche Zahlung von 600 Reichsmark erhalten sollte. Diese Abmachung wurde später schäbig übergangen und ganz willkürlich für Rosa auf 3 Jahre und 300 Reichsmark herabgesetzt. Die jüdischen Bürger waren entrechtet. Das Restaurant "zum Flugplatz" wurde geschlossen und das Grundstück am 8. März 1939 von der Reichsgetreidestelle beschlagnahmt. Die Villa Rothenbaumchaussee 121 musste weit unter Wert verkauft werden.

Die Guggenheims zogen im Mai 1938 um, in die Wohnung Ostmarkstraße 83, 1. Stock (heute Hallerstraße). Dort wurden sie von einem Nachbarn denunziert und mussten anschließend den Besuch eines Kriminalbeamten über sich ergehen lassen, der nach Anzeichen von Auswanderungsabsichten suchte. Sie zogen um in die Ostmarkstraße 76.

Die zwei jüngsten Kinder, Heinrich, mit fast 16 Jahren und Marianne, kurz vor dem 12ten Lebensjahr, wurden zu ihrer Sicherheit mit dem Kindertransport am 10.August 1939 nach England geschickt. Es muss sehr schwer für ihre Eltern und ihre Großmutter gewesen sein sich von ihnen zu trennen. Auch für Marianne und Heinrich war es eine schwere Zeit in England, als "feindliche Ausländer".

Rosa Abeles musste dieses Haus, ihr Haus, genau vor 70 Jahren, am 21. Februar 1940 weit unter Wert für 28.500 Reichsmark an Friedrich Dahl verkaufen. Tochter Erika, die bis dahin das Haus mitbewohnte, emigrierte mit ihrem Ehemann Karl Wolff 1939 nach Amerika.

Rosa war am 8. November 1938, am Tag vor dem Novemberpogrom, in die Eppendorfer Landstraße 62 in den ersten Stock umgezogen. In dieser Zeit wurde Wilhelm Guggenheim von der Gestapo verhaftet. Er wurde kurze Zeit später glücklicherweise wieder freigelassen, da er im 1.Weltkrieg an der Westfront gekämpft und 5 Auszeichnungen erhalten hatte.

Von März bis zum November 1940 wohnte Rosa in der kleinen Pension der Geschwister Lehmann in der Heilwigstraße 46. Dort hatte einst Cläre Lehmann eine kleine angesehene Privatschule geführt, die auch Marianne Guggenheim besucht hatte. Die Schwestern Anna und Cläre Lehmann nahmen sich unter dem zunehmenden Druck der nationalsozialistischen Verfolgung das Leben.

Wilhelm und Hertha Guggenheim hielten sich in der Zeit vor ihrer Auswanderung versteckt, offiziell wohnten sie bei Dr. Edgar Fels* in der Klosterallee 76. Ihr Sohn Fritz war untergetaucht. Das Versteck war hier in der Heimhuderstraße 74 im Gartenhaus. Die Eltern von Frau Dr.Eva Maria Rühl, Gertrud und Engelhard Rühl und die befreundete Elfriede Fromm mit ihrem Ehemann standen der Familie in dieser schweren Zeit bei und brachten ihnen unter großer Gefahr nachts Verpflegung. Das war in dieser Zeit sehr mutig.

Wilhelm Guggenheim machte vergebliche Versuche ins Ausland nach Argentinien, Chile, die Dominikanische Republik, Nordamerika oder Shanghai zu entkommen. Schließlich schaffte er es, Visa nach Brasilien für Hertha, Fritz und sich zu bekommen, was in dieser Zeit kaum noch jemandem gelang. Am 27. April 1941 ging die Reise nach Rio de Janeiro über Berlin und Lissabon los.

38 Kisten Umzugsgut sollten mitkommen. Auch eine wertvolle Sammlung alter Bibeln, 3 Bände der ersten plattdeutschen Bibel mit Originaleinband der Stadtkämmerei zu Wismar, und ein Faksimiledruck des Inselverlages der 42-zeiligen Gutenberg Bibel mit Supplement, eine alte holländische Bilderbibel und wertvolle jüdische Drucke und Handschriften befanden sich darunter. Sie erreichten Brasilien nie. Durch eine monatelange Verspätung blieben sie in Lissabon. Wilhelm Guggenheim hatte nicht das Geld, die Kisten auslösen zu können. Die aufgelaufenen Lagerkosten waren für ihn zu hoch.

Rosa Abeles blieb allein in Hamburg zurück. Eine Ausreise für sie war nicht mehr möglich. Auch sie wurde, wie alle Juden in Hamburg, gezwungen, in ein sogenanntes "Judenhaus" umzuziehen. Für sie war es in der Sonninstraße 12 (heute Biernatzkistraße) in Hamburg-Altona.

Entrechtet, beraubt und gedemütigt musste sie nun den schweren Gang zur sogenannten "Wohnsitzverlegung" antreten. Am 19. Juli 1942 wurde sie vom Sammelpunkt, Volksschule in der Schanzenstraße 120, zusammen mit 802 zumeist alten Menschen über den Hannoverschen Bahnhof in Hamburg-Hammerbrook nach Theresienstadt deportiert. Rosa Abeles war gezwungen, diese Deportation mit einem sogenannten lebenslangen "Heimeinkaufsvertrag" selbst zu finanzieren.

Im Sommer 1940 hatte Rosa Abeles noch einen Umhang aus Hasenfell von Hans Schöneberndt gekauft; sie hatte dafür noch einen Antrag stellen müssen. Diesen Umhang konnte sie nicht mitnehmen bei dem vorgeschriebenen zulässigen Gepäck von 50 kg. Im Januar 1942 war sie, wie alle Juden, per Verordnung gezwungen worden, ihre Pelz- und Wollwaren abzuliefern.

Drei Monate nach ihrer Deportation, am 30.Oktober 1942, verstarb Rosa Abeles im Alter von 72 Jahren in der Krankenstation im Ghetto Theresienstadt.

Die Todesursache auf der Originalsterbeurkunde lautet, Rippenfellentzündung – Lungenödem. Rosa Abeles erlag den menschenverachtenden, unwürdigen Bedingungen, dem Hunger und der Kälte im Ghetto. Sie wurde von den Nazis ermordet – weil sie Jüdin war.

Die Verbrechen der Nazis an Rosa Abeles und ihrer Familie wollen wir nicht vergessen.
Wir wollen nun für Rosa Abeles und ihre Familie Heinrich Abeles, Wilhelm Michael Guggenheim, Hertha Rosa, Fritz Walter Daniel Jechiel, Heinrich Zwi und Marianne Bertha Blümel innehalten, ihrer in Stille gedenken und sie in Ehren halten.

Für das Innehalten und Erinnern – gegen das Wegschauen und Vergessen


* Der Rechtsanwalt und Konsulent Dr. Edgar Fels, bei dem Wilhelm Guggenheims letzte Wohnadresse war, wurde am 25.Oktober 1941 in das Ghetto Lodz deportiert und am 22. Mai 1942 ermordet.

© Margot Löhr

Quellen:
Staatsarchiv Hamburg
Nationalarchiv Prag / Institut Theresienstädter Initiativ

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