Namen, Orte und Biografien suchen
Bereits verlegte Stolpersteine
Suche
Alfred Godemann * 1897
Dithmarscher Straße 48 (Hamburg-Nord, Dulsberg)
HIER WOHNTE
ALFRED GODEMANN
JG. 1897
VERHAFTET 1942
KZ FUHLSBÜTTEL
"FRONTBEWÄHRUNG"
TOT 23.6.1944
ORADEA / RUMÄNIEN
Alfred Carl Godemann, geb. am 4.4.1897 in Hamburg, inhaftiert 1942, gestorben am 23.6.1944 in Oradea/Rumänien
Dithmarscher Straße 48
In einer öffentlichen Bedürfnisanstalt auf dem Hopfenmarkt vor der St. Nikolaikirche wurde am 6. März 1942 in den Nachmittagsstunden ein Mann von dem Kriminalsekretär Voigt dabei beobachtet, wie er sich "längere Zeit im Pissoir aufhielt und zum Schein Wasser ließ … Das Gebaren des Mannes deutete daraufhin, daß er Männerbekanntschaften zum Zwecke unzüchtigen Verkehrs suchte. Es wurde eingeschritten und der Verdächtige nach der Dienststelle gebracht."
Es handelte sich um den Behördenangestellten Alfred Godemann, der 1897 als Sohn des beeidigten Wiegers Karl Godemann und der Wilhelmine, geb. Nagler, in Hamburg geboren wurde. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte er eine kaufmännische Ausbildung in einem Speditionsgeschäft. In einer Spedition arbeitete er auch bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs, an dem er bis zu dessen Ende 1918 teilnahm. Noch im selben Jahr heiratete er Elisabeth, geb. Baxmann. Aus der Ehe gingen 1920 eine Tochter und 1923 der Sohn Karl-Heinrich hervor, der im Januar 1945 als Gefreiter der Wehrmacht in Belgien starb. Nach der Eheschließung machte sich Alfred Godemann mit einem Verlagsgeschäft selbstständig, welches er bis 1932 betrieb. Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit bis Oktober 1935 fand er Beschäftigung beim Finanzamt Hamburg-Nord in der Steinstraße. Vom Februar 1940 an war er für ein Jahr zur Wehrmacht einberufen und machte als Meldefahrer den Vormarsch im Westen mit.
Obwohl gegen Alfred Godemann bis dahin keine polizeilichen Erkenntnisse über homosexuelles Verhalten vorlagen, wurde er festgenommen und zum Arrestposten im Stadthaus gebracht. Bei seiner ersten Vernehmung am 7. März 1942 gab er zu, bisexuell veranlagt zu sein und ungefähr seit 1931 Erlebnisse mit Männern gesucht zu haben, die er zumeist mit ihm unbekannten Personen in der Bedürfnisanstalt am Hopfenmarkt fand. Nach mehreren "Vorhalten", die auch als Hinweise auf durchgeführte Einschüchterungen in Form von Drohungen und körperlichen Misshandlungen zu verstehen sind, räumte er im Stadthaus weitere homosexuelle Erlebnisse in weiteren Bedürfnisanstalten im Stadtteil Hammerbrook ein. Im Polizeiprotokoll am Ende des ersten Verhörtags unterschrieb Alfred Godemann nach weiterem "Vorhalt" folgende Erklärung: "Ich gebe zu, noch weitere Erlebnisse auf homosexuellem Gebiet gehabt zu haben und bin gewillt, in vollem Umfang hierüber die Wahrheit zu sagen. Hierfür brauche ich aber noch einige Zeit zum Überlegen, so dass ich im Augenblick keine weiteren Angaben machen kann." Danach wurde er bis zum 14. März 1942 im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert. Diese Haftzeit wurde nur durch Verhöre im Hamburger Stadthaus unterbrochen, wo er weitere Kontakte mit Männern zugab.
Nach Überführung in die reguläre Untersuchungshaft stellte seine Ehefrau ein Gesuch auf Haftentlassung bis zum Prozesstermin und schilderte ihre Ehe als glücklich und harmonisch: "Mein Mann war stets häuslich, fleißig u. gut zu mir". Während des von dem überzeugten Homosexuellen-Verfolger, dem Staatsanwalt Nicolaus Siemssen, geführten Verfahrens kam es jedoch erwartungsgemäß zu keiner Haftverschonung. Am 14. April 1942 stand Alfred Godemann vor dem Amtsgericht. Seine Ehefrau hielt weiter zu ihm und erklärte während der Verhandlung erneut "Mein Mann ist stets gut zu mir gewesen. Ich werde ihn niemals aufgeben trotz seiner unglücklichen Veranlagung." Er wurde vom Amtsgericht zu einer siebenmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Zwar wurde aufgrund seiner Geständnisse die Untersuchungshaft auf die Haftzeit angerechnet, insgesamt fand er jedoch aufgrund seiner Ehe kaum Verständnis für seine "Taten", da er ja nicht unter "Geschlechtsnot" gelitten hätte. Zudem wurde er als eine "völlig homosexuell veranlagte Persönlichkeit" eingeschätzt.
Entgegen dieser Einschätzung und Verurteilung wurde er noch am Tage der Urteilssprechung aus der Untersuchungshaft nach Hause entlassen. Möglicherweise hatte er eine Erklärung abgegeben, dass er sich für eine "Frontbewährung" zur Verfügung stellen wolle, zumal ihm in der Zwischenzeit seine Beschäftigung beim Finanzamt gekündigt worden war. Jedenfalls finden sich in seiner Strafakte entsprechende Hinweise vom Oktober 1942 vom "Gericht der Dienststelle Feldpost-Nr. 04209 R.H.L. 17/42", die sich an der Ostfront befand, dass die Strafe "bis nach Beendigung des Kriegszustandes zwecks Bewährung ausgesetzt" würde. Im Juni 1943 wurde die Bewährung seiner Strafe jedoch wieder aufgehoben, da er von dem Gericht der Feldkommandantur 198 in Konstantinowka wegen einer "Sachhehlerei" zu einer dreimonatigen Haftstrafe verurteilt wurde. Nachdem aus Hamburg Urteilsabschriften seiner Strafe nach § 175 angefordert wurden, war man in seiner militärischen Umgebung ausführlich über seine Veranlagung informiert.
Es verwundert nicht, dass Alfred Godemann im Feldstrafgefangenenlager, wo er bis zum 26. April 1944 seine Strafe absitzen sollte, nunmehr als "charakterlich ungefestigt" und "schwach" bezeichnet und sein "soldatisches Benehmen" als "weich und unbeständig" beschrieben wurde. Auch wurde bemängelt, dass er "nach kurzer Zeit im Einsatz … verwundet wurde". Obwohl die Kämpfe in der Sowjetunion immer bedrohlicher und verlustreicher wurden, beschäftigten sich die zuständigen Feldgerichte noch im April 1944, nunmehr am Standort Kagul, mit der "Prüfung der Hangtäterschaft bei Verurteilten nach § 175 RStGB". Im Mai 1944 wurde nach Hamburg an die Staatsanwaltschaft gemeldet, dass Alfred Godemann "wegen allgemeiner Körperschwäche einem B.V.Z. [Behelfs-Verwaltungs-Zug] übergeben wurde. Ende Juli 1944 wurde dann mitgeteilt, er sei bereits am 23. Juni 1944 in einem Kriegslazarett, Feldpost-Nr. 44558, an Fleckfieber verstorben. Über das Internet-Portal des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. konnte seine Grabstätte in Oradea/Rumänien lokalisiert werden.
© Ulf Bollmann
Quellen: StaH, 331-1II (Polizeibehörde II), Ablieferung 15, Band 2; StaH 242-1II (Gefängnisverwaltung II), Ablieferung 1998/1; StaH 213-11 (Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen), 6953/42; Gräbersuche Online unter www.volksbund.de, Alfred Godemann (eingesehen am 18.7.2011).