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Familie Gottschalk
Familie Gottschalk
© Privatbesitz

Otto Gottschalk * 1876

Schellingstraße 86-88 (Wandsbek, Eilbek)


HIER WOHNTE
OTTO GOTTSCHALK
JG. 1876
DEPORTIERT 1941
RIGA
ERMORDET

Otto Nathan Gottschalk, geb. am 11.3.1876 in Aken/Elbe, deportiert am 6.12.1941 nach Riga

Schellingstraße 86–88 (Schellingstraße 62)

36 Jahre nachdem der Schneider Otto Gottschalk in die Schellingstraße 62 in Eilbek eingezogen war, musste er sein Zuhause innerhalb kürzester Zeit verlassen. Obwohl bereits 65 Jahre alt und Rentner, wurde er zum vorgeblichen Aufbau im Osten zum Transport nach Riga einbestellt. Er verließ Hamburg am 6. Dezember 1941 und ist seither verschollen.

Otto Nathan Gottschalk stammte aus einer kinderreichen Familie assimilierter Juden in Aken an der Elbe. Der Vater, der Kaufmann Levy Gottschalk, hatte sich dort ca. 1860 niedergelassen. Überliefert ist ein Reisepass mit der Berufsangabe "Fotograf" aus dem Jahr 1862 für einen Aufenthalt in St. Petersburg. Der Anlass für diese Reise ist unbekannt.

Levy Gottschalk heiratete in erster Ehe Pauline Gottschalk. Sie brachte zwischen 1867 und 1876 die uns bekannten Kinder Karl (geb. 4.11.1867), Alfred (geb. 10.7.1869), Paul (geb. 21.6.1871), Richard (geb. 23.12.1872) und Otto (geb. 11.3.1876) zur Welt. In zweiter Ehe heiratete Levy Gottschalk Pauline Haupt. Aus dieser Ehe stammen die 1884 und 1888 geborenen Söhne Albert und Felix.

Die Söhne erlernten alle ein Handwerk. Fünf von ihnen zogen um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert nach Hamburg, als erster 1896 Paul. Ihm folgten 1899 Richard, 1903 Otto, 1905 Alfred und 1908 der Halbbruder Albert. Zwischen 1904 und 1917 wurden sie mit ihren Familien eingebürgert. Paul, von Beruf Klempner, verheiratet mit Ida Holland aus Rappenau in Baden, hatte einen Sohn, Julius, und eine Tochter, Erna, später verheiratete Martinelly (s. Broschüre Stolpersteine in Hamburg Billstedt-Horn-Borgfelde). Richard, Schriftsetzergehilfe bei dem Verlag M. Lessmann, ging eine "Mischehe" mit der in Kopenhagen geborenen Lea Sterll ein, aus der ein Sohn hervorging. Alfred, Monteur bei den Ottensener Eisenwerken, heiratete ebenfalls eine Nichtjüdin, die Wiesbadenerin Marie Preußer. Aus ihrer Ehe gingen fünf Söhne und zwei Töchter hervor. Albert, von Beruf Damenschneider, heiratete in Aken die Christin Emma Krietsch und zog mit ihr und dem Sohn Karl Albert 1908 nach Hamburg, wo noch im selben Jahr Fritz Felix geboren wurde. Sie wohnten ebenfalls in Eilbek, in der Seumestraße 18.

Otto Gottschalk hatte eine Ausbildung zum Schneider absolviert, und auch er ging eine "Mischehe" ein. Seine Ehefrau Frieda, geborene Eesemann, geboren am 3. Mai 1877 in Plön, Kreis Schleswig, war "arisch" und gehörte der lutherischen Kirche an. Als sie heirateten, waren Frieda Eesemanns Vater und Otto Gottschalks Mutter bereits verstorben. Otto Gottschalks Vater, Levy Gottschalk, reiste nicht zur Trauung an, keiner seiner in Hamburg lebenden Söhne vertrat ihn als Trauzeuge, sondern ein Schwager seines Sohnes Paul.

Nach ihrer Heirat am 1. April 1905 zogen Frieda und Otto Gottschalk in die Schellingstraße 62 in Eilbek. 1909 erhielt Otto Gottschalk eine Anstellung bei der "Beamten-Vereinigung zu Altona" in der Geschäftsstelle für Herrengarderobe am Steindamm 148 in St. Georg. Das feste Einkommen erlaubte ihm, die hamburgische Staatsangehörigkeit zu erwerben, die ihm am 21. August 1911 zugesprochen wurde. Die Ehe blieb kinderlos. Anders als sein Bruder Paul schloss er sich nicht der Jüdischen Gemeinde an.

Über die Jahre bis 1939 ist vom Leben von Otto und Frieda Gottschalk kaum etwas bekannt. Anfang 1939 erkrankte Frieda Gottschalk an einer Lungenentzündung. Als sich ihr Zustand verschlimmerte, wurde sie am 20. Februar in das Allgemeine Krankenhaus St. Georg eingewiesen. Auf dem Weg dorthin starb sie an Herzschwäche. Mit dem Ende der Ehe verlor Otto Gottschalk den schützenden Status der "Mischehe", doch machte sein Hauswirt von seinem Recht auf Kündigung der Wohnung keinen Gebrauch. Zwangsweise trat Otto Gottschalk am 1. August 1940 dem Jüdischen Religionsverband bei.

Er war nun mittellos und erhielt ab Januar 1941 Wohlfahrtsleistungen des Jüdischen Religionsverbandes. Der Deportationsbefehl, von der Gestapo verharmlosend als Aufforderung zur "Abwanderung" bezeichnet, erreichte ihn in seiner vertrauten Umgebung. Für die Auflösung seines Haushalts wurde ihm keine Zeit eingeräumt. Otto Gottschalk wurde am 6. Dezember 1941 zusammen mit weiteren 752 Jüdinnen und Juden nach Riga deportiert.

Im Mai 1942 schickten die Hamburgischen Elektrizitäts-Werke eine Rechnung über 2,34 Mark an die Verwaltungsstelle für Judenvermögen beim Finanzamt Hamburg-Dammtor für geschuldete Stromlieferungen. Otto Gottschalk war zu dieser Zeit vermutlich bereits tot.

Am 2. Dezember 1942 wurde Otto Gottschalks in Aken verbliebener Bruder Karl mit seiner Ehefrau Ida, die im Rollstuhl saß, von Magdeburg aus in das Getto von Theresienstadt deportiert. Dort starb Ida sechs Tage nach ihrer Ankunft, Karl sieben Monate später. Diesem Transport gehörte auch Marta Gottschalk an. Bereits am 25. August 1942 wurde die in Berlin lebende Verwandte Fanny Gottschalk nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 12. November 1943 starb. Alfred, Albert und Felix überlebten mit ihren Familien das "Dritte Reich" dank ihrer "privilegierten Mischehen". Felix’ Nachkommen führen heute (2012) in Aken eine Druckerei.

Stand Februar 2014
© Hildegard Thevs

Quellen: 1; 4; 5; 6; 7; 9; AB; StaH 314-15 OFP Oberfinanzpräsident 29 (HEW); 332-5 Standesämter 1108-500/1919, 3035/225-1905; 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht B III, 77823, 79793, 109 952, 130 215; 332-8 Meldewesen K 6144; 552-1 Jüdische Gemeinden 992 e 2 Deportationslisten Band 3; Stadtarchiv Aken, Chronik; Stolpersteine in Billstedt-Horn-Borgfelde; Mitteilungen der Familie Schmidt aus Aken.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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